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SCHUFA – Wann müssen Daten über Restschuldbefreiung gelöscht werden?

Datenschutz trifft Kreditwirtschaft: Warum das Landgericht Köln die Löschung einer Restschuldbefreiung abgelehnt hat

Das Landgericht Köln hatte sich mit einem Fall zu befassen, der die Schnittstelle zwischen Datenschutz und Kreditwirtschaft beleuchtet. Ein 31-jähriger Kläger, der in Festanstellung als Verkäufer arbeitet, forderte die Löschung seiner bei einer Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden deutschen Wirtschaft gespeicherten Daten zur Restschuldbefreiung. Der Kläger argumentierte, dass dieser Eintrag seine Chancen auf eine größere Wohnung, einen Immobilienkredit und sogar eine neue Anstellung erheblich einschränke. Das Kernproblem des Falles lag in der Frage, ob die Speicherung dieser Daten durch die Beklagte nach der Erteilung der Restschuldbefreiung noch gerechtfertigt war.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 28 O 221/21   >>>

Kein Anspruch auf Löschung nach DS-GVO

SCHUFA – Wann müssen Daten über Restschuldbefreiung gelöscht werden?
Datenschutz trifft Finanzwelt: Klage gegen Datenspeicherung nach Restschuldbefreiung in Köln abgewiesen.“ (Symbolfoto: T. Schneider /Shutterstock.com)

Der Kläger berief sich auf Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), um die Löschung seiner Daten zu fordern. Er argumentierte, dass die Beklagte kein berechtigtes Interesse an der Speicherung seiner Daten habe, da er keine Schulden mehr habe. Die Beklagte entgegnete, dass die Restschuldbefreiung nicht dazu diene, die Neuverschuldung des Klägers zu ermöglichen, sondern potenzielle Kreditgeber dazu auffordern solle, die Bonität des Klägers besonders zu prüfen.

Transparenz und Speicherdauer

Die Beklagte führte weiter aus, dass die Speicherdauer von drei Jahren angemessen und transparent sei, im Einklang mit Artikel 5 Abs. 1 lit. e) DS-GVO. Sie betonte, dass der Code of Conduct, dem sie verpflichtet sei, diese Dauer regele und mit der zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde abgestimmt sei.

Besondere persönliche Situation?

Der Kläger versuchte, seine Forderung nach Löschung durch eine besondere persönliche Situation gemäß Artikel 21 Abs. 1 DS-GVO zu stärken. Er behauptete, dass seine wirtschaftliche Existenz bedroht sei. Die Beklagte wies jedoch darauf hin, dass die beschriebenen Schwierigkeiten dem „normalen Lauf der Dinge“ nach einem Insolvenzverfahren entsprechen würden.

Kein Anspruch auf Neuberechnung des Score-Wertes

Neben der Löschung der Daten forderte der Kläger auch eine Neuberechnung seines Score-Wertes. Die Beklagte argumentierte, dass ein solcher Anspruch nicht ersichtlich sei und zudem überflüssig wäre, da sie den Score-Wert nach jeder Löschung eines Eintrages automatisch neu berechne.

Das Landgericht Köln entschied, dass die Klage unbegründet sei. Es sah keinen Anspruch auf Löschung der Eintragung der Restschuldbefreiung des Klägers nach DS-GVO. Die Speicherung der Daten sei gerechtfertigt, und die Interessen des Klägers würden nicht überwiegen.

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Das vorliegende Urteil

Landgericht Köln – Az.: 28 O 221/21 – Urteil vom 16.02.2022

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand:

Die Beklagte ist eine Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden deutschen Wirtschaft. Aufgabe der Beklagten ist es, ihren Vertragspartnern Informationen zur Verfügung zu stellen, die geeignet sind, sie vor Verlusten bei kreditrelevanten Geschäften zu schützen. Gleichzeitig eröffnen die Informationen den Vertragspartnern der Beklagten die Möglichkeit, die Interessenten von kreditrelevanten Geschäften durch Beratung vor einer übermäßigen Verschuldung zu bewahren. Zu diesem Zweck übermitteln die Vertragspartner der Beklagten relevante Daten aus den Geschäftsverbindungen mit ihren Kunden. Die Beklagte speichert die ihr übermittelten Daten, um ihren Vertragspartnern wiederum Auskünfte zu erteilen, wenn sie an deren Erhalt ein berechtigtes Interesse geltend machen. Vor dem Abschluss eines kreditrelevanten Geschäfts können die Vertragspartner der Beklagten mit Hilfe der Auskunft und weiteren dem Vertragspartner vorliegenden Informationen prüfen, welche Risiken das in Aussicht genommene Geschäft mit sich bringt.

Der Kläger ist 31 Jahre alt und bewohnt mit seiner Ehefrau eine kleine Wohnung in L seit Mai 2020. Er verfügt seit Dezember 2020 über ein Girokonto bei der T und arbeitet in Festanstellung als Verkäufer.

Am 06.10.2020 wurde ihm eine Restschuldbefreiung erteilt. Die Beklagte übernahm darauf folgenden Eintrag über den Kläger in ihre Datei:

„Restschuldbefreiung erteilt Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt. Aktenzeichen: 00000 Der Vorgang wird bei den Insolvenzgerichten unter diesem Aktenzeichen geführt. Datum des Ereignisses: 06.10.2020″

Der Beitrag wird nach drei Jahren, d.h. am 06.10.2023 gelöscht. Im Datenbestand der Beklagten waren zuvor Forderungen in Höhe von über 45.000,00 Euro dokumentiert, die mit der Erteilung der Restschuldbefreiung als erledigt markiert wurden und nicht mehr angezeigt werden. Seit Erteilung der Restschuldbefreiung bis zur Klageerhebung erfolgten keine Anfragen von potentiellen Vermietern, Mobilfunkunternehmen oder Energieversorgern bei der Beklagten zu Daten des Klägers.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.02.2021 legte der Kläger unter Fristsetzung bis zum 23.02.2021 bei der Beklagten Widerspruch gegen die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten ein und forderte die Beklagte zur Löschung auf. Mit Schreiben vom 05.03.2021 lehnte die Beklagte die Löschung ab.

Der Kläger behauptet, er befinde sich auf ernsthafter Wohnungssuche mit seiner Lebensgefährtin, da die bisherige Wohnung zu klein für eine Familiengründung sei. Er könne sich mit seinem Einkommen eine größere Wohnung leisten. Der Eintrag verhindere aber die Anmietung einer größeren Wohnung. Auch ein Immobilienkredit sei ihm deshalb nicht gewährt worden. Er könne auch kein neues Girokonto wegen des Eintrags eröffnen. Die Eröffnung eines Kontos bei der E und der D sei am Eintrag gescheitert. Auch würde er wegen des Eintrags keine neue Anstellung als Verkäufer finden. Er könne auch keinen neuen Mobilfunk- oder Energieversorgervertrag abschließen, auch wenn er dadurch Kosten sparen könne, wenn er wollte. Diese ganze Situation sei seinem Gesundheitszustand abträglich.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das Landgericht sachlich zuständig sei. Da seine wirtschaftliche Existenz bedroht sei, sei der Streitwert mit mindestens 10.000 Euro anzusetzen für den Antrag zu 1), für den Antrag zu 2) mit 5.000 Euro. Der Kläger meint, er habe einen Löschungsanspruch aus Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO gegen die Beklagte. Da die Restschuldbefreiung erteilt sei, habe die Beklagte kein Interesse mehr an der Speicherung seiner Daten. Der Kläger habe schließlich keine Schulden mehr. Ihr eigenes wirtschaftliches Interesse könne die Beklagte nicht dem Kläger vorhalten. Ihm wiederum werde ein wirtschaftlicher Neustart unmöglich gemacht. Dies sei aber die Zielsetzung der Insolvenzordnung, deren Regeln insoweit abschließend seien. Eine Regelung für die Datenverarbeitung sei dort gerade nicht enthalten. Die Beklagte versuche, diese Maßstäbe zu umgehen und den Kläger für die Restschuldbefreiung zu sanktionieren. Der T-Eintrag sei auch nicht mit der Insolvenzbekanntmachung zu vergleichen. Die Beklagte habe zudem ihre Pflichten aus Art. 5 DS-GVO verletzt. Auch bestünde ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 lit. c), da der Kläger Widerspruch gegen die Verarbeitung der Daten eingelegt habe. Seine Interessenlage begründe eine besondere persönliche Situation gemäß Art. 21 Abs. 1 DS-GVO.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die in ihrem elektronischen Datenbestand (Computer) gespeicherten Informationen: „Restschuldbefreiung erteilt Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt. Aktenzeichen: 00000 Der Vorgang wird bei den Insolvenzgerichten unter diesem Aktenzeichen geführt. Datum des Ereignisses: 06.10.2020″, zu löschen.

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2. die Beklagte zu verurteilen, den Score-Wert des Klägers in der Weise wiederherzustellen, als habe es die unter dem Antrag zu 1) vorgenommene Speicherung nicht gegeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Restschuldbefreiung diene nicht dazu, die Neuverschuldung des Klägers zu ermöglichen, sondern solle potentielle Kreditgeber auffordern, die Bonität des Klägers besonders zu prüfen. Dabei müsse Berücksichtigung finden, dass bis zur Restschuldbefreiung eine massive Verschuldung vorgelegen habe, die auch jetzt noch gegenüber einem Kreditgeber erklärungsbedürftig sei. Daher sei der Eintrag weiterhin notwendig im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. a) DS-GVO. Auch sei die Speicherdauer von drei Jahren angemessen und transparent im Sinne von Art. 5 Abs. 1 lit. e) DS-GVO. Der Code of Conduct, dem die Beklagte verpflichtet sei und der diese Dauer regele, sei mit dem für die Beklagte zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörde, dem G abgestimmt. Es liege auch keine besondere Situation im Sinne von Art. 17 Abs. 1 lit. c), 21 Abs. 1 S. 1 DS-GVO vor. Der Kläger habe bereits während der Wohlverhaltensphase eine neue Wohnung finden können, obwohl zu dieser Zeit noch das laufende Insolvenzverfahren bei der Beklagten eingetragen gewesen sei. Die T habe am 30. Dezember 2020, d.h. trotz Existenz des streitgegenständlichen Eintrags, die Eröffnung eines neuen Girokontos für den Kläger gemeldet. Selbst wenn die von dem Kläger behaupteten Zustände zuträfen, würden die beschriebenen Schwierigkeiten dem „normalen Lauf der Dinge“ nach einem Insolvenzverfahren entsprechen. Hilfsweise würden die allgemeinen Interessen die Interessen des Klägers trotz besonderer Situation überwiegen. Ein Anspruch auf Neuberechnung des Scorewertes sei zudem nicht ersichtlich. Er wäre auch überflüssig, da die Beklagte nach jeder Löschung eines Eintrages den Scorewert automatisch neu berechne.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig. Dabei ist das Landgericht Köln sachlich zuständig. Unabhängig vom konkreten Streitwert ergibt sich die Zuständigkeit des Landgerichts aus § 39 ZPO, weil der Vertreter der Beklagten zur Hauptsache mündlich verhandelt hat, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

1.

Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Löschung der Eintragung seiner Restschuldbefreiung aus Artikel 17 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DS-GVO).

a) Ein Anspruch ergibt sich nicht aus Art. 17 Abs. 1 lit. a) oder d) DS-GVO, denn weder war die Speicherung der Daten und der weiteren Verarbeitung durch die Beklagte von Anfang an unrechtmäßig, noch ist die weitere Verarbeitung der Daten für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr notwendig.

Bei der Erhebung, Speicherung und (potentiellen) Weitergabe der Informationen über den Kläger handelt es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Beklagte gemäß Art. 4 DSGVO. Diese ist „Verantwortliche“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Der Kläger hat unstreitig keine Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a) DSGVO) erteilt. Ob die Beklagte eine Aufgabe im öffentlichen Interesse oder in Ausübung öffentlicher Gewalt wahrnimmt (vgl. Art. 6 Abs. 1 lit. e) DSGVO), kann dahinstehen. In der Rechtsprechung ist zwar ein öffentliches Interesse am Auskunfteiverfahren der Beklagten seit langem anerkannt (BGH, Urteil vom 07.07.1983 – III ZR 159/82; LG Wiesbaden, Urteil vom 14.09.2016 – 8 S 29/15; LG Würzburg, Urteil vom 21.03.2016 – 71 O 1216/15). Jedenfalls fehlt es für die Datenverarbeitung nach Art. 6 Abs. 1 lit. e) DS-GVO aber an der erforderlichen gesonderten Rechtsgrundlage gemäß Art. 6 Abs. 3 S. 1 lit. b) DSGVO (OLG Schleswig, Urteil vom 02.07.2021 – 17 U 15/21, NZI 2021, 794; OLG Köln, Urteil vom 27.01.2022 – 15 U 153/21, BeckRS 2022, 1208, Rn. 17).

Die Datenverarbeitung durch die Beklagte ist aber deswegen rechtmäßig, weil sie gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zulässig ist. Es besteht ein „berechtigtes Interesse“ der Vertragspartner der Beklagten an der Datenverarbeitung, welches die Interessen und Grundrechte des Klägers überwiegt.

Die Beklagte erteilt ihren Vertragspartnern Auskunft, wenn diese kreditrelevanten Geschäfte mit einer Person abschließen wollen. Diese Auskünfte sind erforderlich, um die Informationsdisparität zwischen Kreditgebern und Kreditnehmern auszugleichen (OLG Köln, a.a.O., Rn. 18 ff.). Andernfalls wären die Kreditgeber ausschließlich auf die Eigenangaben potentieller Kreditnehmer angewiesen. Die Verarbeitung der Daten durch die Beklagte dient damit im Kern dazu, Kreditgebern eine zutreffende und objektive Einschätzung der Bonität eines potentiellen Vertragspartners zu ermöglichen und damit den Rechts- und Kreditverkehr in Deutschland insgesamt abzusichern, zumal Kreditgeber ihrerseits nach den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen verpflichtet sind, sich von der Belastungsfähigkeit ihrer jeweiligen Vertragspartner (insbesondere im Verbraucherbereich) ein tragfähiges Bild zu machen. Entgegen einer Lesart, die unter anderem vom OLG Schleswig vertreten wird (OLG Schleswig, a.a.O., NZI 2021, 794) kommt es dabei nicht darauf an, ob schon (namentlich) feststeht, ob und gegebenenfalls wer welche konkreten vertraglichen oder vorvertraglichen Beziehungen zum Betroffenen eingehen wolle. Denn auch ein eher nur abstraktes Auskunftsinteresse und das im Kreditverkehr ganz allgemein bestehende Bedürfnis nach einer Möglichkeit zur Informationsbeschaffung bilden eine typische, im Fall der Kreditgewährung regelmäßig auftretendes hinreichend feststellbares Interesse (OLG Köln, a.a.O., Rn. 23).

Dass der Annahme eines „berechtigten Interesses“ an der Datenverarbeitung entgegenstehen würde, wenn den von der Beklagten gespeicherten Informationen keine Aussagekraft für die Bonität und Zuverlässigkeit zukommen würde und die Informationen somit für die Kunden der Beklagten „wertlos“ wären, ist klägerseits schon nicht konkret geltend gemacht. Speziell wenn es – wie hier – (auch) um eine Restschuldbefreiung geht, stellt diese schon deswegen ein für jede sinnvolle Bonitätsbewertung relevantes Datum dar, weil der Schuldner jedenfalls zu dem Zeitpunkt der Insolvenz nachweislich vermögenslos war, was für die Bewertung seiner Kreditwürdigkeit auch heute im Markt durchaus noch von Interesse sein kann. Durch die Restschuldbefreiung wird zudem belegt, dass der Schuldner fällige Forderungen in einem Zeitraum von immerhin sechs Jahren nicht begleichen konnte, obwohl er verpflichtet war, alles Mögliche zu unternehmen, um seine Schulden in der Wohlverhaltensphase gemäß §§ 287b, 295 InsO abzuzahlen; auch das hat wiederum nach der Markteinschätzung gewisse Relevanz für die Bewertung seiner heutigen Kreditwürdigkeit, die nichts anderes ist als eine reine Prognoseentscheidung durch den Kreditgeber. Es ist deshalb kaum nachvollziehbar, warum der Kläger über einen Zeitraum von sechs Jahren seine alten Schulden nicht begleichen konnte, mit Gewährung der Restschuldbefreiung aber in der Lage sein will, neue Verbindlichkeiten zu erfüllen. Der Kläger wird durch die streitgegenständliche Information über seine Restschuldbefreiung auch nicht stigmatisiert. Vielmehr ist es das Recht und die Pflicht potentieller Kreditgeber, das Auswahlrisiko des Klägers objektiv zu beurteilen. Der Kläger verlangt die Gleichstellung mit Personen, die niemals von einer Insolvenz betroffen waren. Diesen Anspruch hat er jedoch nicht. Wäre die Beklagte zur Löschung des streitgegenständlichen Eintrags verpflichtet, würde sie ihren Vertragspartnern die Auskunft geben, dass ihr aus der jüngeren Vergangenheit keine Kenntnisse über die Unzuverlässigkeit des Klägers bei der Begleichung von Forderungen vorlägen, was jedoch falsch wäre.

Die DS-GVO enthält für die Dauer einer Speicherung von personenbezogenen Daten allerdings – anders als noch das BDSG a.F. – selbst keine konkreten Regelungen und Höchstgrenzen, sondern knüpft die Rechtmäßigkeit der weiteren Verarbeitung allein an das Kriterium der Notwendigkeit und damit an eine Abwägung im Einzelfall.  Insofern schreibt Erwägungsgrund Nr. 39 der DSGVO vor, dass die Speicherfrist für personenbezogene Daten auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränkt bleiben und der Verantwortliche – was in Massengeschäften wie dem der Beklagten allein sachgerecht ist – Fristen für ihre Löschung oder regelmäßige Überprüfung vorsehen soll. Art. 40 DSGVO bietet dazu Branchenverbänden die Möglichkeit, Anwendungsfelder mit den zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden durch zumindest für sie und die Aufsichtsbehörden verbindliche Verhaltensregeln zu konkretisieren. Das ist vorliegend geschehen: Der Verband der Wirtschaftsauskunfteien e.V., dem die Beklagte angehört, hat „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien vom 25.05.2018“ (sog. „code of conduct“) im Sinne einer Selbstverpflichtung der Mitglieder ausgearbeitet, die gemäß Art. 40 Abs. 5, 55 Abs. 1 DSGVO i.V.m. § 40 BDSG von der zuständigen Datenschutzbehörde des Landes Hessen genehmigt wurden. In diesen Verhaltensregeln sind für die einzelnen personenbezogenen Daten der Schuldner bestimmte Prüf- und Löschfristen aufgeführt. Die angegriffene Verarbeitung der Daten zur Restschuldbefreiung wird von der Fristenregelung erfasst (vgl. Ziff. II Nr. 2 b) des „code of conduct“). Auf Basis dieser Regelungen wäre die Speicherung und weitere Verarbeitung der Daten des Klägerin (zur Zeit) beanstandungsfrei, da die maßgebliche 3-Jahres-Frist noch nicht abgelaufen ist.

Die Regelungen im „code of conduct“ bieten selbst keine materielle Rechtsgrundlage; sie zeichnen die Abwägung im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO auch nicht verbindlich vor und ersetzen schließlich nicht die Interessenabwägung durch die Gerichte. Der Verhaltenskodex ist aber als ein zumindest für den Regelfall beachtlicher und sachgerechter Interessenausgleich zwischen den Beteiligten für eine datenschutzkonforme Speicherung von Informationen heranzuziehen und anzuerkennen, wenn – wie hier –  keine konkreten Anhaltspunkte für eine abweichende Bewertung vorgetragen und/oder sonst ersichtlich sind(OLG Köln, a.a.O., Rn. 26).

Entgegen dem Standpunkt des Oberlandesgerichts Schleswig (a.a.O., NZI 2021, 794 mit insofern zust. Anm. Gutowski) ist bei der Interessenabwägung nicht maßgeblich (auch) auf die gesetzlichen Wertungen aus § 3 InsoBekV abzustellen, wonach Eintragungen über die Erteilung der Restschuldbefreiung in den öffentlichen Insolvenzbekanntmachungen im Internet schon nach sechs Monaten zu löschen sind(OLG Köln, a.a.O., Rn. 27). Unmittelbar ist die gesetzliche Regelung auf Eintragungen in der Datenbank der Beklagten nicht anwendbar, denn die in der Vorschrift angeordnete Speicherfrist betrifft allein öffentliche Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren. Eine analoge Anwendung scheidet schon mit Blick auf die fehlende (planwidrige) Regelungslücke aus. In der letzten Legislaturperiode sah ein früher Referentenentwurf zu § 301 Abs. 5 InsO-RefE eine ausdrückliche gesetzliche Regelung hinsichtlich kurzer Speicherfristen von Auskunfteien vor. Nachdem dagegen u.a. gerade europarechtliche Bedenken laut geworden waren (Thüsing/Flink/Rombey, NZI 2020, 611 ff.), hat man bewusst von einer solchen Regelung abgesehen (BT-Drs. 19/25322, 5, 7) und allein eine Evaluierungsklausel in Art. 107a Abs. 1 S. 2 EGInsO ins Gesetz aufgenommen.

Auch aus regelungssystematischen Gesichtspunkten überzeugt es nicht, zur Auslegung der europarechtlichen Regelung in Art. 6 Abs. 1 lit. f  DSGVO auf Regelungen im nationalen Recht zurückzugreifen, soweit es – was hier nicht der Fall ist – nicht zumindest um eine klare, eindeutige und transparente Inanspruchnahme der gesetzlichen Öffnungsklauseln (auch) zu Art. 17 DSGVO etwa in Art. 23 lit. i und j DSGVO geht (zu alledem m.w.N. OLG Köln, a.a.O., Rn. 27 ff.).

Auch eine nur mittelbare Berücksichtigung des Regelungsgehalts des § 3 InsoBekV innerhalb der Abwägung bei Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO scheidet aus. Hier fehlt es an der Vergleichbarkeit der gesetzlich geregelten mit der hier vorliegenden Situation: Sowohl hinsichtlich der personellen als der inhaltlichen Reichweite der jeweiligen Datenverarbeitung sind die Sachverhalte nicht vergleichbar. Auf der Internetplattform www.insolvenzbekanntmachungen.de sind die dort enthaltenen Eintragungen – bei denen es letztlich auch um staatliche Eingriffe geht – für jedermann kostenfrei und ohne Registrierung bzw. ohne Darlegung eines berechtigten Interesses abzurufen. Vor dem Hintergrund dieser leichten Abrufbarkeit ist eine Höchstfrist für die Speicherung von nur sechs Monaten sinnvoll. Eine damit vergleichbare Situation ist bei der Speicherung und Verarbeitung von Daten durch die Beklagte nicht gegeben. Diese erteilt nur ihren Vertragspartnern und auch diesen erst bei „berechtigtem Interesse“ Auskünfte, also erst dann, wenn diese zum möglichen Abschluss eines Kreditgeschäfts mit dem Darlehensnehmer dessen Kreditwürdigkeit prüfen müssen (OLG Köln, a.a.O.).

Der Kläger kann auch sonst keine überwiegenden eigenen Interessen einwenden, die gegen die Angemessenheit des im „code of conduct“ abstrakt vorgezeichneten Abwägungsergebnis im konkreten Einzelfall sprechen. Insbesondere kann er nicht allein wegen der Restschuldbefreiung eine andere Behandlung für sich in Anspruch nehmen als etwa ein „klassischer“ Schuldner.

b) Ein Anspruch auf Löschung ergibt sich schließlich auch nicht aus Art. 17 Abs. 1 lit. c Var. 1 i. V. m. Art 21 Abs. 1 DS-GVO. Danach besteht ein Recht auf Löschung, wenn die betroffene Person gemäß Art. 21 Absatz 1 Widerspruch gegen die Verarbeitung einlegt und keine vorrangigen berechtigten Gründe für die Verarbeitung vorliegen. Der Kläger hat zwar unstreitig am 09.02.2021 nach Artikel 21 Abs. 1 DS-GVO Widerspruch gegen die Verarbeitung der ihn bestreffenden personenbezogenen Daten eingelegt. Ihm stand jedoch kein Recht zum Widerspruch zu. Ein solches ist dann gegeben, wenn die betroffene Person Gründe darlegt, die auf Grund ihrer besonderen Situation gegen die Verarbeitung der Daten sprechen, und der Verantwortliche keine schutzwürdigen Gründe nachweisen kann, die die Interessen, Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen. Hierbei muss es sich um Gründe handeln, die eine atypische Konstellation begründen, welche den Interessen der betroffenen Person ein besonderes Gewicht verleiht (vgl. Kühling/Herbst, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl., 2018: Art. 21, Rn. 15). Dabei ist der Kläger für das Vorliegen der Gründe darlegungs- und beweisbelastet. Solche Gründe dürften von dem Kläger bereits nicht hinreichend dargelegt worden sein.

Der Kläger gibt an, dass er umziehen wolle, aber aufgrund des Eintrags keine neue Wohnung finde.  Er trägt jedoch nicht substantiiert dazu vor, welchen Bemühungen er bislang entfaltet hat und wie viele Absagen er aufgrund der Eintragung erhalten habe. Vielmehr ist der Vortrag der Beklagten, es habe seit der Eintragung der Restschuldbefreiung kein Vermieter eine konkrete Anfrage zum Kläger bei ihr gestellt, unwidersprochen geblieben.

Weiter trägt er vor, dass ihm der Eintrag bei der Eröffnung eines neuen Kontos im Wege stehe. So habe er Konten bei der E und der D nicht eröffnen können. Auch dieser Einwand dürfte nicht verfangen. Der Kläger hat zur Zeit ein Girokonto bei der T. Es ist nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass er ein weiteres Konto benötigt. Dieses Konto hat er im Übrigen trotz seiner Eintragungen bei der Beklagten eröffnen können. Zudem ist nicht konkret vorgetragen, wann er die Konten bei der E und der D überhaupt beantragt haben will und wann ihm die Eröffnung wegen der Eintragung konkret verweigert worden ist.

Soweit der Kläger vorträgt, dass er wegen der Eintragung keinen neuen Job als Verkäufer finden könnte, ist nicht ersichtlich, warum für eine Bewerbung als Verkäufer eine Auskunft bei der Beklagten erforderlich sein könnte. Nach eigenem Vortrag befindet sich der Kläger zudem in einer festen Anstellung. Er hat nicht vorgetragen, dass er überhaupt auf Jobsuche sei.

Soweit der Kläger vorträgt, er könne auch keinen Immobilienkredit aufnehmen, einen neue Handy- oder Energieversorgervertrag abschließen, führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen ist der Vortrag der Beklagten, dass bei ihr keine diesbezüglichen Kundenanfragen zum Kläger gestellt worden seien, unbestritten geblieben. Zum anderen dürfte dies jedoch auch keine atypische, sondern gerade eine typische Folge der Restschuldbefreiung darstellen.

Doch selbst bei Annahme einer besonderen persönlichen Situation des Klägers nach der Erteilung der Restschuldbefreiung könnte ein Löschungsanspruch nicht bejaht werden, da die Interessen der Beklagten und ihrer Vertragspartner an einer Datenverarbeitung die dargelegten Interessen des Klägers überwiegen. Denn die Kreditwirtschaft hat vor Vergabe eines Kredits die Pflicht, die Bonität der potentiellen Kreditnehmer sorgfältig und objektiv zu prüfen. Die Beklagte unterstützt die Kreditunternehmen dabei durch ihre Informationssysteme. Würde sie den Eintrag löschen, würde der Kläger so stehen wie jemand, der noch nie eine Restschuldbefreiung hatte. Dies spiegelt das Bonitätsrisiko des Klägers nicht angemessen wider. Etwas anderes könnte sich lediglich dann ergeben, wenn der Kläger Umstände vortragen und beweisen könnte, aus denen sich ergibt, dass es zu der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur aufgrund einer besonderen persönlichen Situation gekommen ist, die sich in der Zukunft aus bestimmten Gründen nicht wiederholen kann (wie beispielsweise einer Erkrankung). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.

2.

Aufgrund der obigen Ausführungen steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Wiederherstellung des Scorewertes zu.

3.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.

Streitwert:              10.000 €

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