LG Ulm 2. Zivilkammer – Entscheidungsdatum: 27.04.2011 – Az: 2 OH 7/09
Orientierungssatz
Wenn der Antragsteller das selbständige Beweisverfahren durch Nichteinzahlung des gemäß §§ 379, 402, 492 Abs. 1 ZPO angeforderten Kostenvorschusses nicht weiter betreibt, hat er in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu tragen.(Rn.11)
nachgehend OLG Stuttgart, 25. Juli 2012, 12 W 37/12, Beschluss
nachgehend OLG Stuttgart 12. Zivilsenat, 25. Juli 2011, 12 W 37/11, Beschluss
Tenor
Der Kostenantrag der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 17.04.2009 (Bl. 6-12 d.A.) erwarben die Antragsteller von der Antragsgegnerin das Grundstück G-Straße 11 in E., auf dem die Antragsgegnerin zuvor eine Autowerkstatt betrieben hatte. Dabei wurde unter § 5 Ziffer 1 ein modifizierter Haftungsausschluss für Sachmängel vereinbart.
Nach Übergabe stellten die Antragsteller im Keller des auf dem Grundstück befindlichen Gebäudes Wasser fest.
Im Hinblick darauf haben sie mit Schriftsatz vom 27.05.2009 einen Antrag auf Feststellung der Mängel im selbstständigen Beweisverfahren gestellt. Im Erörterungstermin am 17.08.2009 (Bl. 40-42 d.A.) hat das Gericht einen entsprechenden Beweisbeschluss erlassen, zum Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) S. bestellt und einen Auslagenvorschuss in Höhe von 5.000,00 € angefordert. Mit Schriftsatz vom 02.09.2009 (Bl. 44, 45 d.A.) haben die Antragsteller erklärt, dass sie im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse der Antragsgegnerin zu einer Antragsrücknahme bereit seien, wenn diese auf Kostenerstattung verzichte. Mit Anwaltsschriftsatz vom 05.10.2009 (Bl. 47 d.A.) hat die Antragsgegnerin einen Kostenverzicht abgelehnt. Daraufhin haben die Antragsteller bei der Staatsanwaltschaft Ulm Anzeige gegen die Antragsgegnerin wegen Betruges gestellt und dies mit Schriftsatz vom 14.10.2009 mitgeteilt.
Da der Kostenvorschuss nicht einging, ist das Verfahren am 07.04.2010 gem. § 7 AktO ausgetragen worden.
Mit Eingang vom 12.07.2010 hat die Antragsgegnerin ihrerseits Klage auf Herausgabe einer sich auf dem Grundstück befindenden Grasanlage erhoben (vgl. beigezogenes Verfahren 2 O 231/10). Gegen diesen unstreitigen Anspruch haben die Antragsteller wegen der bereits im vorliegenden Beweisverfahren behaupteten Mangels ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht. Mit Beschluss vom 12.11.2010 hat das Gericht eine entsprechende Beweiserhebung – wie sie auch bereits Gegenstand des Beweisbeschlusses im vorliegenden Beweissicherungsverfahren war – angeordnet und Dipl.-Ing. (FH) S. zum Sachverständigen bestellt. Nach fristgerechtem Eingang des Kostenvorschusses ist der Sachverständige S. mit Verfügung vom 03.12.2010 mit der Begutachtung beauftragt worden. Zwischenzeitlich hat er einen ersten Ortstermin durchgeführt und darüber eine Aktennotiz gefertigt. Die weitergehende Begutachtung hängt von der Einzahlung eines weiteren Kostenvorschusses ab.
Aufgrund der Anzeige der Antragsteller hat die Staatsanwaltschaft Ulm Anklage gegen die Antragsgegnerin erhoben, die inzwischen vom Amtsgericht Göppingen zugelassen worden ist. Dort steht am 01.07.2011 Hauptverhandlungstermin an.
Mit Anwaltsschriftsatz vom 23.11.2010 beantragt die Antragsgegnerin nunmehr, den Antragstellern die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Nichtzahlung des Kostenvorschusses stelle eine konkludente Rücknahme des Beweissicherungsantrags dar.
II.
Der Kostenantrag der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.
Grundsätzlich ergeht im selbstständigen Beweisverfahren keine Kostenentscheidung. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass über die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens im Hauptsacheverfahren zu entscheiden ist und nur ausnahmsweise eine Kostenentscheidung im selbstständigen Beweisverfahren in Betracht kommt, wenn kein Hauptsacheverfahren durchgeführt wird. Zwar ist insoweit eine ausdrückliche gesetzliche Kostenregelung lediglich für den Fall getroffen worden, dass der Antragsteller der – nach Beendigung der Beweiserhebung ergangenen – gerichtlichen Anordnung, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben, nicht nachgekommen ist. In diesem Fall sind dem Antragsteller gem. § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO auf Antrag die dem Antragsgegner entstandenen Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Es ist jedoch anerkannt, dass diese Norm keine abschließende Kostenregelung enthält, sondern auch außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Bestimmung eine Bedürfnis für die Anwendung allgemeiner kostenrechtlicher Regelungen bestehen kann.
So hat der Antragsteller, der seinen Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens vor der Beweiserhebung zurücknimmt, in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO grundsätzlich die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens zu tragen. Ist kein Hauptsacheverfahren anhängig, in dem diese Kostenfolge ausgesprochen wird, und haben die Parteien sich über die Kosten nicht geeinigt, ergeht eine Kostenentscheidung auf Antrag im selbstständigen Beweisverfahren.
Dasselbe gilt nach herrschender Auffassung auch dann, wenn der Antragsteller das selbstständige Beweisverfahren nicht weiterbetreibt, etwa wenn er – wie vorliegend – den gem. §§ 379, 402, 492 Abs. 1 ZPO angeforderten Kostenvorschuss nicht einbezahlt. Insoweit besteht eine kostenrechtliche Lücke zwischen der Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO bei Antragsrücknahme einerseits und der Kostenfolge nach § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO bei Unterliegen der Hauptsacheklage andererseits, die im Wege der Analogie dahingehend zu schließen ist, dass in einem solchen Fall § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsprechend Anwendung findet (vgl. OLG Saarbrücken NJW-RR 2011, 500, OLGR Stuttgart 1999, 419).
Zwar haben die Antragsteller auch vorliegend den angeforderten Kostenvorschuss nicht bezahlt. Einer Entscheidung in analoger Anwendung des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO bedarf es aber nicht. Eine Gesetzeslücke liegt nämlich im konkreten Fall nicht vor, da vor dem Kostenantrag der Antragsgegnerin das Hauptsacheverfahren anhängig geworden ist, in dem gegenwärtig ein Gutachten über die identischen Beweisfragen eingeholt wird. Dabei ist unerheblich, dass die Antragsteller dieses Hauptsacheverfahren nicht selbst eingeleitet haben, sondern den streitgegenständlichen Mangel nur als Zurückbehaltungsrecht geltend machen (vgl. OLG Stuttgart BauR 2007, 1098). In dem Hauptsacheverfahren wird letztlich eine einheitliche Entscheidung auch über die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens ergehen.