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Selbständiges Beweisverfahren – Prozesskostenhilfe

AG Norderstedt, Az.: 47 H 6/17, Beschluss vom 04.08.2017

I. Der Antrag des Antragstellers vom 22.5.2017 auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Beweissicherungsverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO ist unzulässig. Jedenfalls ist ein selbständiges Beweisverfahren hier mutwillig.

I.

Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren.

II.

Die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für ein isoliertes Beweissicherungsverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO ist unzulässig. Das Gericht macht sich die überzeugenden Ausführungen des LG Bonn (Beschl. vom 18. Januar 1985 – 5 T 221/84 –, MDR 1985, 415-415, juris) voll zu Eigen:

„Nach § 114 ZPO ist eine Kostenhilfe nur möglich zur Befreiung von den „Kosten der Prozeßführung“. Die Vorschrift setzt demgemäß – wie auch schon das Wort Prozeßkostenhilfe zeigt – voraus, daß ein Prozeß vorliegen muß. Ziel eines Prozesses ist aber im weitesten Sinne die Durchsetzung und Feststellung materiellen Rechts. Die Bestimmungen des §§ 114 ff. ZPO sind nur auf Rechtsstreitigkeiten zugeschnitten, in denen das Gericht über geltend gemachte Ansprüche und Rechte – wenn auch nur vorläufig – entscheiden soll und muß. Unter Prozeß kann hier demnach nur ein streitiges Verfahren verstanden werden, das zu einer gerichtlichen Entscheidung zugunsten oder zum Nachteil einer bedürftigen Partei führt.

Selbständiges Beweisverfahren - Prozesskostenhilfe
Symbolfoto: AndreyPopov/Bigstock

Dies folgt auch daraus, daß einer mittellosen Partei PKH nur zu gewähren ist, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Der Erfolg muß nach dem Sach- und Streitstand eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Bei einem Beweissicherungsverfahren gibt es einen Erfolg in diesem Sinne nicht. Im einem Beweissicherungsverfahren geht es nur um die neutrale und wertungsfreie Sicherung von Beweisen, so etwa um die Feststellung des gegenwärtigen Zustandes einer Sache. Das für das Beweissicherungsverfahren zuständige Gericht kann aufgrund eines Beweissicherungsantrages – zumindest sofern er außerhalb eines bereits anhängigen Rechtsstreits gestellt wird – nicht prüfen, ob eine Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg hätte. Andererseits kann aber nicht PKH für ein unter Umständen kostspieliges Beweissicherungsverfahren bewilligt werden, ohne daß der Bezug dieses Verfahrens auf eine beabsichtigte und hinreichend aussichtsreiche Rechtsverwirklichung dargetan ist und geprüft werden kann (Wussow, Das gerichtliche Beweissicherungsverfahren in Bausachen, S. 143).

Letztlich ist dieses Ergebnis nicht unbillig. Die Partei, die die Kosten eines Beweissicherungsverfahrens nicht aufbringen kann, kann zunächst PKH für einen anhängig zu machenden Rechtsstreit beantragen und sodann zusätzlich um Bewilligung von PKH für eine Beweissicherung nachsuchen (Wussow aaO. S. 40).“

Für das Erfordernis eines kontradiktorischen Verfahrens als Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe spricht im Übrigen auch, dass die Kosten für das eingeholte Sachverständigengutachten ansonsten – unabhängig vom Ergebnis der Begutachtung – im Ergebnis stets die Staatskasse tragen muss. Dies unterscheidet Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren von Prozesskostenhilfe in kontradiktorischen Verfahren, bei denen die Gerichtskosten von der unterlegenen Partei zu tragen sind, die keine Prozesskostenhilfe erhalten hat.

In einem Streitverfahren gibt es eine Kostengrundentscheidung, bei der die (anteilig) unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits – und damit die Sachverständigenkosten als Gerichtskosten – (anteilig) zu tragen hat. In dem Fall, in dem die Prognoseentscheidung des Gerichts zutreffend ist, wonach die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg hat, fallen die Kosten daher dem Gegner zu Last und die Staatskasse wird entlastet. In einem selbständigen Beweisverfahren gibt es eine derartige Kostengrundentscheidung nicht. Beide Parteien können eine solche nur durch die Einleitung eines Hauptsacheverfahrens herbeiführen. Dies ist grundsätzlich nicht gewollt, da das selbständige Beweisverfahren gerade den Zweck hat, einen Rechtsstreit zu vermeiden, vgl. § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

Wenn die gerichtliche Beweisaufnahme im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens eindeutig zu Lasten des Antragsgegners ausgeht, wird dieser in vielen Fällen die begehrte Handlung vornehmen. Zudem wird er vom Antragsteller aufgefordert werden, die Auslagen für das selbständige Beweisverfahren zu erstatten, um einen Folgeprozess zu vermeiden. Sofern das selbständige Beweisverfahren durch Prozesskostenhilfe finanziert wurde, hat der Antragsteller keine Auslagen, die er geltend machen kann und die Staatskasse keinen Anspruch gegen eine der Parteien. Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren bietet Parteien die Möglichkeit einer Beweisaufnahme ohne jedes Kostenrisiko und ohne jede Prüfung der Erfolgsaussicht als Korrektiv. Dies stellt eine erhebliche Missbrauchsgefahr dar, der man auch durch eine strengere Mutwilligkeitsprüfung nicht angemessen begegnen kann.

Die Möglichkeit bei Gewährung von Prozesskostenhilfe ausnahmsweise eine Kostengrundentscheidung im selbständigen Beweisverfahren durchzuführen ist ausgeschlossen, da das Gericht bei einer bloßen Beweiserhebung ohne Prüfung einer Anspruchsgrundlage keinen Maßstab für eine Kostengrundentscheidung hat.

Entgegen vielfach geäußerter Ansicht, steht die Annahme, Prozesskostenhilfe könne für ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO nicht gewährt werden auch nicht im Widerspruch zu § 48 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 RVG. Aus der RVG-Vorschrift folgt zwar, dass der Gesetzgeber die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren grundsätzlich für möglich hält. Nicht entschieden ist aber, ob dies nur für ein Beweissicherungsverfahren nach § 485 Abs. 1 ZPO oder auch für das Verfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO gilt. Auch das erkennende Gericht ist davon überzeugt, dass aus Billigkeitsgründen die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Beweissicherungsverfahren möglich sein muss, da in diesem Fall der bedürftigen Partei die Möglichkeit einer Geltendmachung im Streitverfahren nicht als gleichwertige Alternative offen steht. Die Tatbestandsmerkmale des Beweisverlustes oder Beweiserschwerung dienen als Korrektiv vor einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe.

Das Gericht kann auch ausdrücklich offen lassen, ob dann, wenn besondere Gründe dafür vorliegen, dass ein Antragsteller statt eines streitigen Verfahrens ein selbständiges Beweisverfahren nach § 485 Abs. 2 ZPO durchführen muss, ausnahmsweise Prozesskostenhilfe für ein solches gewährt werden kann. Derartige besondere Umstände sind weder dargetan noch ersichtlich.

III.

Selbst wenn man aber – mit der herrschenden Ansicht (MüKoZPO/Wache ZPO § 114 Rn. 30, beck-online; BeckOK ZPO/Reichling ZPO § 114 Rn. 1, beck-online; Musielak/Voit ZPO/Fischer ZPO § 114 Rn. 8, beck-online jeweils m.w.N.) – davon ausgeht, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe im selbständigen Beweisverfahren möglich ist, wäre sie hier als mutwillig abzulehnen. Eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, würde bei verständiger Würdigung aller Umstände, von der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens absehen, vgl. § 114 Abs. 2 ZPO. Gerade wenn man davon ausgeht, dass Prozesskostenhilfe auch für ein selbständiges Beweisverfahren gewährt werden kann, bedarf es einer besonderen Prüfung, ob Mutwilligkeit vorliegt (Musielak/Voit ZPO/Fischer ZPO § 114 Rn. 8, beck-online).

Nicht mutwillig handelt danach, wer eine zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Einzelfall notwendige Maßnahme beabsichtigt (BWGS PKH/VKH, 1. Teil. Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Rn. 525-527, beck-online). Die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens ist derzeit weder zweckentsprechend noch notwendig.

Der Antragsteller trägt noch nicht einmal vor, dass in seiner Wohnung Schimmel optisch wahrnehmbar ist. Er schließt aus der zeitlichen Korrelation von Feuchtigkeitserscheinungen in seiner Wohnung bzw. in der darüber liegenden Wohnung mit bei ihm auftretenden Gesundheitsbeeinträchtigungen auf vorhandenen Schimmel und von diesem auf eine Kausalität mit seiner Gesundheitsbeeinträchtigung. Es liegen keine weiteren Anhaltspunkte für das Vorhandensein von Schimmel, geschweige denn für einen kausalen Zusammenhang mit den behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Antragstellers vor.

Der Antragsteller begehrt hier Feststellungen, die nur durch ein Bausachverständigengutachten und anschließend durch ein medizinisches Sachverständigengutachten geklärt werden können. Es sollen daher zwei Gutachten eingeholt werden, die erfahrungsgemäß besonders hohe Kosten verursachen. Eine vernünftige Partei würde ein derartiges Kostenrisiko nur eingehen, wenn sie außergerichtlich weitere objektive Anhaltspunkte für Schimmel, für die eigene Krankheit und für eine Mögliche kausale Verknüpfung gefunden hat. Nicht ausreichend ist insbesondere das Parteigutachten vom 1.4.2017 (Anlage ASt 2, Bl. 18 d.A.). Dieses beschränkt sich darauf festzustellen, dass sich Schimmel gebildet haben könnte. Der Gutachter stellt selber keinerlei Schimmelbefall fest sondern beschränkt sich auf die allgemeine Erkenntnis, dass bei Feuchtigkeit Schimmel nicht ausgeschlossen werden kann.

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