LG Dessau-Roßlau – Az.: 1 T 264/11 – Beschluss vom 03.01.2012
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner gegen den den Streitwert festsetzenden Beschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau vom 28. September 2011 wird zurückgewiesen.
Beschwerdewert: Bis 900,00 €.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Dessau-Roßlau hat mit Beschluss vom 28.09.2011 den Streitwert für das selbständige Beweisverfahren auf 3.574,80 € festgesetzt mit der Begründung, bei der hier vorliegenden Feststellung von Mietmängeln richte sich der Streitwert nach §§ 3 ZPO, 41 Abs. 5 GKG, weil das Interesse der Antragstellerin als Mieterin der vorliegenden Wohnwertbeeinträchtigung aufgrund der behaupteten Mängel entspreche. Daher richte sich der Streitwert nach der von der Antragstellerin angegebenen Minderungsquote von 90% der Bruttomiete, mithin von 297,90 €.
Hiergegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner mit ihrer am 21.10.2011 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde vom selben Tage mit dem Begehren, den Streitwert auf 20.057,98 € festzusetzen. Zur Begründung führen sie aus, die Antragstellerin habe bereits in der Antragsschrift vorgetragen, dass das selbständige Beweisverfahren der Feststellung der Rechtswirksamkeit einer fristlosen Kündigung, der Feststellung von Mietminderungsansprüchen und zur Vermeiddung einer Klage auf Durchführung von Mängelbeseitigungsarbeiten habe dienen sollen. Daher seien die Werte für die Mietminderung von 3.574,80 €, für die fristlose Kündigung von 3.972,00 € und für die Mängelbeseitigungsarbeiten von 12.511,18 € zu addieren. Selbst bei Ablehnung einer Addition sei nach Auffassung der Beschwerdeführer von dem höherwertigen Ziel, mithin der Mängelbeseitigung, auszugehen.
Das Amtsgericht Dessau-Roßlau hat mit Beschluss vom 25.10.2011 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen.
Der Antragstellerin ist rechtliches Gehör gewährt worden.
II.
Die gemäß § 32 Abs. 2 RVG statthafte und nach § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG rechtzeitig eingelegte Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Streitwert im selbständigen Beweisverfahren richtet sich nach dem Wert des zu sichernden Hauptanspruchs (BGH, Beschluss vom 16.09.2004, III ZB 33/04; zitiert nach juris). Bei der Bestimmung des Wertes des zu sichernden Hauptanspruches ist das Erfüllungsinteresse der Antragstellerin maßgebend, welches darin besteht, die von ihr gemietete Wohnung frei von Mängeln nutzen zu können. Die Bewertung dieses Interesses richtet sich nach § 41 Abs. 5 S. 1 GKG, wonach der Gebührenstreitwert auf die angemessene Mietminderung für die streitige Zeit, höchstens für die Dauer eines Jahres, begrenzt wird. Obgleich § 41 Abs. 5 S. 1 GKG keine ausdrückliche Regelung dafür vorsieht, welcher Gegenstandswert maßgebend ist, wenn der Mieter die Feststellung der Mangelhaftigkeit, die der Berechtigung zur Mietminderung sowie zur fristlosen Kündigung wegen Gesundheitsgefährdung begehrt, ist eine direkte Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall sachgerecht. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat in seiner Entscheidung vom 20.02.2009 (4 W 12/09; zitiert nach juris) ausgeführt: „(…) Es erscheint nach dem Inkrafttreten des § 41 Abs. 5 GKG am 1.7.2004 durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz nicht mehr vertretbar, den Streitwert mit der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem 3,5-fachen Jahresbetrag einer gedachten möglichen Mietminderung zu bestimmen (zum Streitstand vor der Gesetzesänderung vgl. BGH NZM 2004, 295; NJW-RR 2003, 229; WuM 2000, 427; a. A. LG Detmold WuM 1996, 50, das auf die Kosten zur Mängelbeseitigung abstellte; zum selbständigen Beweisverfahren vgl. Stein/Jonas-Roth, ZPO, 22. Aufl., § 3 Rn. 48 „Beweisverfahren“ m. w. N.; OLG Düsseldorf MDR 2001, 354; LG Frankfurt a. M. NZM 2000, 760; LG Köln WuM 2001, 345: analoge Anwendung von § 16 GKG a. F.: 12-facher Monatsbetrag). Denn allgemein kommt in § 41 GKG zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung die Höhe des Gebührenstreitwertes bei Wohnraumstreitigkeiten einheitlich auf den Jahreswert des Mietminderungsbetrages festlegen wollte, um die soeben skizzierte Kontroverse in Rechtsprechung und Literatur zu beenden. Die Annahme des Jahreswertes im vorliegenden Fall erscheint deshalb in systematischer Hinsicht sachgerecht, denn es wäre widersprüchlich, bei einem Streit über das Bestehen oder Nichtbestehen des Mietverhältnisses nach § 41 Abs. 1 GKG von dem Wert der Jahresmiete auszugehen und ein Weniger – nämlich den Streit über einen bestimmten Mangel dieses Verhältnisses – höher zu bewerten (so zutreffend Woitkewitsch, ZMR 2005, 840, 841). (…)“ Dem schließt sich die erkennende Kammer an und weist darauf hin, dass der von den Beschwerdeführern angegebenen Entscheidung des Landgerichts Berlin zum Aktenzeichen 64 T 66/96 die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 41 Abs. 5 GKG zugrunde lag.
Soweit die Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner die Addition der jeweilig mit dem selbständigen Beweisverfahren verfolgten Feststellungen begehrt, kann dem nicht gefolgt werden. Denn bereits vor der Gesetzesnovellierung ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, dass der Mängelbeseitigungsanspruch des Mieters „spiegelbildlich“ seinem Minderungsrecht gleichzusetzen sei (BGH Beschluss vom 17.05.2000, XII ZR 314/99; zitiert nach juris). D. h., dass sich der Anspruch auf Instandsetzung und das Mietminderungsrecht wertmäßig entsprechen und nicht etwa zu einem Streitwert zu addieren sind (so auch: KG Berlin, Beschluss vom 04.08.2011, 8 W 48/11; zitiert nach juris). Hierzu hat das Hanseatische Oberlandesgericht (a.a.O.) ausgeführt: „(…) Die Annahme eines über den Jahresminderungswert hinausgehenden Streitwertes widerspräche auch Sinn und Zweck des § 41 Abs. 5 GKG. Durch den Ansatz eines Streitwertes von lediglich einem Jahresbetrag einer angemessenen Mietminderung soll bei Miet- und Pachtverhältnissen eine hohe Kostenbelastung vermieden werden, um die Beteiligten nicht aus Kostengründen von einer Klage oder der Rechtsverteidigung abzuhalten (vgl. OLGR Düsseldorf 2007, 535). Diese Regelung liefe leer, wenn die mögliche Mietminderung, die dem Mängelbeseitigungsanspruch wertmäßig entspricht, zusätzlich angesetzt würde. (…)“
Danach ist auch nicht das höherwertige Ziel der Antragstellerin maßgebend, wie es die Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der Entscheidung des LG Frankfurt/M. vom 08.02.2000 vortragen; denn auch dieser Entscheidung lag die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 41 Abs. 5 GKG zugrunde.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs. 3 ZPO.
Der Beschwerdewert richtet sich nach dem Interesse der Beschwerdeführer an der Abänderung der Entscheidung, welches in der Differenz der Gebühren aus dem festgesetzten und dem begehrten Streitwert liegt.