Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Az.: 7 Sa 235/08
Urteil vom 11.03.2009
I Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.03.2008, Az.: 2 Ca 1784/07 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch das Kündigungsschreiben der Beklagten vom 27.11.2007 weder fristlos noch unter Einhaltung der Kündigungsfrist, sondern durch das Kündigungsschreiben vom 30.11.2007 unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 29.02.2008 beendet worden ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.324,00 € festgesetzt.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer fristlosen sowie einer ordentlichen Kündigung und um die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während des Kündigungsrechtsstreits.
Der am … 1949 geborene, verheiratete Kläger war seit dem 31.01.2000 bei der Beklagten, die mit regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmern GPS-basierte Positionierungstechnologien und -systeme entwickelt und vertreibt, als Arbeiter im Wareneingang gegen Zahlung eines monatlichen Arbeitsentgelts in Höhe von zuletzt 2.081,00 EUR brutto beschäftigt.
Am 30.09.2004 äußerte der Kläger in einem Gespräch mit seinem Arbeitskollegen Z über die Arbeitskollegin Y: „Wenn man die Y mausen wollte, müsste man erst drei Kilo Vorfotze auf die Seite räumen.“ Daraufhin erhielt der Kläger die schriftliche Abmahnung vom 01.10.2004 (vgl. bl. 52 d.A.).
Gegenüber der Arbeitskollegin A. erklärte der Kläger im Beisein des Arbeitskollegen X am 15.11.2007: „Wenn der Ausschnitt noch ein bisschen größer wäre, würden dir die Äpfelchen rausfallen.“
Mit Schreiben vom 22.11.2007 (Bl. vgl. 93 ff. d.A.) hörte die Beklagte den bei ihr errichteten Betriebsrat zu einer beabsichtigten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers an. Der Betriebsrat gab keine Stellungnahme ab.
Sodann kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 27.11.2007 (Bl. 4 d.A.), das dem Kläger am selben Tag zugegangen ist, das Beschäftigungsverhältnis fristlos und des Weiteren mit Schreiben vom 30.11.2007 (Bl. 5 d.A.), welches dem Kläger wiederum am selben Tag zugegangen ist, ordentlich zum 31.01.2008.
Mit seiner am 14.12.2008 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern eingegangenen Klage hat der Kläger die Rechtsunwirksamkeit beider Kündigungen geltend gemacht und seine Weiterbeschäftigung während des Rechtsstreits verlangt.
Wegen des erstinstanzlichen Parteivortrages wird auf die zusammenfassende Darstellung im Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.03.2008 (dort S. 3 bis 5 = Bl. 152 bis 154 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche noch durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.11.2007 bzw. 30.11.2007 beendet wird,
2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Arbeiter im Wareneingang weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat in seinem Urteil vom 27.03.2008 (Bl. 150 ff. d.A.) der Klage vollumfänglich stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung seien nicht rechtswirksam geworden, da es an dem notwendigen Kündigungsgrund fehle. Soweit sich die Beklagte zur Begründung der Kündigung darauf berufe, der Kläger habe Frau A und Frau B. sexuell belästigt, sei eine solche Belästigung nicht festzustellen, da beide Mitarbeiterinnen die Unerwünschtheit des fraglichen Verhalten des Klägers nicht deutlich gemacht hätten. Dies sei aber gemäß § 3 Abs. 4 AGG Voraussetzung für das Vorliegen einer sexuellen Belästigung. Unabhängig hiervon sei eine Kündigung, angesichts des von der Beklagten vorgetragenen Sachverhaltes, auch unverhältnismäßig; der Beklagten sei es zumutbar gewesen, zunächst mit einer Abmahnung zu reagieren. Die schriftliche Abmahnung vom 30.09.2004 sei, bezogen auf die von der Beklagten geltend gemachten sexuellen Belästigungen, nicht einschlägig, da es sich insoweit um eine Beleidigung von Frau Y gehandelt habe, zumal die pflichtwidrige Äußerung des Klägers nicht gegenüber Frau Y persönlich, sondern gegenüber einem Arbeitskollegen gemacht worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird auf S. 5 ff. des Urteils vom 27.03.2008 (= Bl. 154 ff. d.A.) verwiesen.
Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 04.04.2008 zugestellt worden ist, hat am 29.04.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 27.06.2008 ihr Rechtsmittel begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 27.06.2008 verlängert worden war.
Die Beklagte macht geltend, der Kläger habe die Arbeitnehmerinnen A und B. wiederholt sexuell belästigt.
Gegenüber Frau A, die damals zirka 25 Jahre alt gewesen sei, habe der Kläger am 15.11.2007 nicht nur geäußert: „Wenn der Ausschnitt noch ein bisschen größer wäre, würden dir die Äpfelchen rausfallen.“, sondern es sei an diesem Tag noch zu einem weiteren Vorfall gekommen. So habe der Kläger Frau A, als dieser beim Bücken das T-Shirt am Rücken etwas hochgerutscht sei, seine Hand auf die nackte Hautstelle gelegt und erklärt: „Schau mal, wie kalt ich habe.“
Des Weiteren habe der Kläger sich bei der zirka 21 Jahre alten Auszubildenden Frau B. danach erkundigt, wie es denn bei ihr und ihrem Freund in sexueller Hinsicht laufe. Am 29.08.2007 habe er Frau B. dann gefragt, ob sie einen braunen oder einen Schalen-BH trage. Während dieses Gespräches habe er anschließend noch gegenüber Frau B. erklärt: „Wenn ich ein paar Jahre jünger wäre, würde ich dich nehmen.“. Frau B., die eine Akzentuierung auf den Worten „dich nehmen“ vernommen habe, habe dieses Verhalten des Klägers als sexuell belästigend und entwürdigend empfunden. Trotzdem habe sie ihren Vorgesetzten über diese Vorfälle zunächst nicht informiert, da der Kläger gegenüber Frau B. Ende des Jahres 2006 bzw. Anfang des Jahres 2007 erwähnt habe, dass er bereits einmal eine Abmahnung wegen sexueller Belästigung erhalten habe und das er „rausfliege“ wenn ihm ein solcher Vorwurf erneut zur Last gelegt werde.
Das Arbeitsgericht Kaiserslautern sei bei der Bewertung dieser Pflichtwidrigkeiten des Klägers zunächst einmal fehlerhaft davon ausgegangen, dass sich der Kläger nur verbal gegenüber den beiden Mitarbeiterinnen geäußert habe. Hierbei werde aber nicht berücksichtigt, dass der Kläger Frau A am 15.11.2007 die Hand auf den nackten Rücken gelegt habe. Des Weiteren sei bei einer sexuellen Belästigung im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG nicht erforderlich, dass die Unerwünschtheit ausdrücklich gegenüber dem Belästigenden zum Ausdruck gebracht werde. Ausreichend sei vielmehr bereits, dass dieser aus Sicht eines objektiven Betrachters davon ausgehen konnte, sein Verhalten werde unter den gegebenen Umständen vom Betroffenen nicht gewollt oder nicht akzeptiert. Hiervon habe der Kläger bei seinem pflichtwidrigen Verhalten gegenüber den beiden Arbeitskolleginnen ausgehen müssen. Außerdem habe Frau A auf die verbalen Belästigungen des Klägers in der Regel mit einem kurzen, genervten „hopp “ reagiert. Nach der Berührung von Frau A durch den Kläger habe diese mit einem lauten, empörten Aufschrei und den Worten „hey “ reagiert. Frau B. habe nach den Belästigungen des Klägers zu diesem gesagt: “ spreche nicht so dumm.“
Die Beklagte sei bemüht, das Thema „Diskriminierung“ im Betrieb offen zur Sprache zu bringen und habe zahlreiche Betriebsversammlungen zum Anlass genommen, um die Belegschaft über die Vorschriften des AGG und insbesondere das Verbot sexueller Belästigung zu informieren.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 27.06.2008 (Bl. 208 ff. d.A.) und 06.10.2008 (Bl. 248 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.03.2008, Az.: 2 Ca 1784/07 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger führt aus, bei dem Vorfall vom 15.11.2007 habe er Frau A nicht berührt; unabhängig hiervon, habe das Arbeitsgericht das Auflegen der Hand auf den nackten Rücken offenbar nicht als sexuelle Handlung verstanden. Frau A habe sich im Übrigen erst am 21.11.2007 bei ihrem Vorgesetzten beschwert, wobei allerdings Anlass für diese Beschwerde nicht das jetzt streitgegenständliche Verhalten des Klägers sei, sondern eine Auseinandersetzung zwischen ihr und dem Kläger um den Einsatz der Auszubildenden B.. Nur gelegentlich der so motivierten Beschwerde von Frau A sei es dann auch zur Mitteilung von angeblichen sexuellen Belästigungen durch den Kläger gekommen. Frau A sei darüber hinaus keineswegs schüchtern oder prüde; so habe sie dem Kläger berichtet, dass sie mitunter bei dem Kartenverkauf des 1. FC Kaiserslautern aushelfe und dort deftigen und heftigen Äußerungen ausgesetzt sei.
Für den Kläger sei auch nicht erkennbar gewesen, dass etwaige Bemerkungen bei den beiden Arbeitskolleginnen unerwünscht gewesen seien. Im Betrieb der Beklagten habe ein „lockerer“ Umgangston geherrscht.
Die Auszubildende B. habe der Kläger lediglich danach gefragt, ob sie denn auch einen Freund habe. Nachdem Frau B. dies bejaht und hinzugefügt habe, sie wisse aber noch nicht so genau, ob er der Richtige sei, habe der Kläger scherzhaft geantwortet, dann solle sie vielleicht einmal sexy Unterwäsche anziehen. Die weitere Bemerkung „wenn ich zwanzig bis dreißig Jahre jünger wäre, würde ich dich nehmen“ sei erkennbar darauf gerichtet gewesen, Frau B. zu bestärken, dass sie jedenfalls eine „ordentliche“ Partnerin sei, die man gerne als Freundin habe.
Zu berücksichtigen sei des weiteren, dass die Beklagte im betrieblichen Bereich keineswegs dafür gesorgt habe, dass die Grundsätze des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes berücksichtigt würden. So sei im Werkstattbereich ein „Pin-up-Kalender“ aufgehängt gewesen, auf dem Fotografien mit Abbildungen des Genitalbereiches zu sehen gewesen seien. Der Geschäftsführer der Beklagten habe erst im Dezember 2007 veranlasst, den Kalender aus der Werkstatt zu entfernen. Des Weiteren habe die Beklagte gegenüber den Mitarbeitern X und Z lediglich eine Verwarnung ausgesprochen, obwohl diese betriebliche Computer dazu benutzt hätten, E-Mails mit sexuellem Inhalt zu versenden.
Hinsichtlich des abgemahnten Vorfalles habe sich der Kläger bei Frau Y entschuldigt; zirka drei Monate später habe er mit ihr eine Fahrgemeinschaft gegründet. Außerdem sei die in diesem Zusammenhang erteilte Abmahnung nicht nur nicht einschlägig, sondern sie habe auch aufgrund Zeitablaufes ihre Wirkung weitgehend verloren.
Im Rahmen einer Interessenabwägung sei zu Gunsten des Klägers auch zu berücksichtigen, dass dieser bei der Geschäftsleitung eine Beschwerde darüber eingereicht habe, dass durch den Arbeitnehmer X Internetpornografie in der Abteilung herumgezeigt worden sei.
Die Beklagte sei daran gehindert, etwaige Äußerungen von Frau A und Frau B., die nach den dem Kläger angelasteten Vorfällen getätigt worden sein sollen, in den Rechtsstreit erfolgreich einzuführen, da sie diese Äußerungen bei der Anhörung des Betriebsrates diesem nicht mitgeteilt habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 29.09.2008 (vgl. Bl. 236 ff. d.A.) verwiesen.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat entsprechend seinem Beweisbeschluss vom 17.12.2008 (vgl. Bl. 259 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen B. und A; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 11.03.2009 (Bl. 268 ff. d.A.) Bezug genommen.
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt und insbesondere auf die von beiden Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß §§ 64 ff. ArbGG, 512 ff. ZPO zulässig und in der Sache teilweise begründet.
Keinen Erfolg hat das Rechtsmittel der Beklagten, wenn sie eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 27.11.2007 geltend macht (A.). Hingegen ist die Berufung insoweit begründet, als die Klage, die sich gegen die ordentliche Kündigung vom 30.11.2007 richtet (B.) und der Weiterbeschäftigungsantrag des Klägers (C.) abzuweisen waren.
A.
Durch das Kündigungsschreiben vom 27.11.2007 wurde das zwischen den Parteien bestehende Beschäftigungsverhältnis weder fristlos noch unter Einhaltung der Kündigungsfrist beendet.
1. Für eine außerordentliche Kündigung fehlt es an dem notwendigen Kündigungsgrund. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.
Die rechtliche Überprüfung gemäß § 626 Abs. 1 BGB vollzieht sich zweistufig: Zum einen muss ein Grund vorliegen, der ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles überhaupt an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Zum anderen muss dieser Grund im Rahmen einer Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere auch des Verhältnismäßigkeitsprinzips, zum Überwiegen der berechtigten Interessen des Kündigenden an der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. DLW/Dörner, 7. Aufl., D Rdnr. 626 m.w.N.).
Ein an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneter Sachverhalt kann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer eine Arbeitskollegin am Arbeitsplatz sexuell belästigt. Durch die sexuelle Belästigung verstößt er gegen arbeitsvertraglichen Nebenpflichten und der Arbeitgeber hat gemäß §§ 12 Abs. 3, 7 Abs. 1 Satz 1 AGG die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen. Ob die sexuelle Belästigung dann zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt, hängt von ihrem Umfang und ihrer Intensität ab (vgl. BAG, Urt. v. 25.03.2004 – 2 AZR 341/03 = AP Nr. 189 zu § 626 BGB).
Im vorliegenden Fall kann der kündigungsbegründende Sachvortrag der Beklagten als zutreffend unterstellt und der des Weiteren unstreitige Tatbestand berücksichtigt werden, ohne dass nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen die außerordentliche Kündigung wirksam geworden wäre. Demnach hätte der Kläger sich bei der damals etwa 21 Jahre alten Auszubildenden B. des Öfteren danach erkundigt, wie es denn mit ihrem Freund in sexueller Hinsicht liefe. Des Weiteren hätte er sie am 29.08.2007 gefragt, ob sie einen braunen oder Schalen-BH trage und ihr gegenüber sodann erklärt: „Wenn ich ein paar Jahre jünger wäre, würde ich dich nehmen.“, wobei die Betonung auf dem Wort „nehmen“ gelegen habe. Gegenüber der damals etwa 25 Jahre alten Arbeitnehmerin A hätte er am 15.11.2007 – dies ist unstreitig – geäußert: „Wenn der Ausschnitt noch ein bisschen größer wäre, würden dir die Äpfelchen herausfallen.“ und er hätte – dies ist streitig – ihr am gleichen Tag, als Frau A beim Bücken das T-Shirt etwas hochgerutscht sei mit den Worten: „Schau mal wie kalt ich habe.“ die Hand auf den nackten Rücken gelegt.
Bei den hier als gegeben unterstellten bzw. unstreitigen Äußerungen und Handlungen des Klägers liegen sexuell bestimmte Verhaltensweisen vor, die – wenn weiter unterstellt wird -, dass sie unerwünscht waren zwar als sexuelle Belästigungen zu werten sind, aber Einzeln und auch in der Gesamtheit betrachtet nicht geeignet waren, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund zu beenden. Denn Umfang und Intensität, insbesondere die Auswirkungen auf die betroffenen Arbeitnehmerinnen waren nach Überzeugung der Berufungskammer nicht so stark, dass eine außerordentliche Kündigung hätte in Betracht gezogen werden können. Das unterstellte Verhalten des Klägers gegenüber Frau B. und Frau A hatte zwar einen deutlich respektlosen und geschlechtsbezogen diskriminierenden Charakter. Bis auf das Auflegen der Hand auf den nackten Rücken von Frau A beließ es der Kläger aber bei verbalen Entgleisungen. Bei der Vernehmung der beiden betroffenen Frauen als Zeuginnen während der Berufungsverhandlung entstand bei der erkennenden Kammer nicht der Eindruck, dass das Fehlverhalten des Klägers zu bleibenden Schäden geführt hat. Umfang und Intensität der sexuellen Belästigungen reichen daher nicht aus, um einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten wichtigen Grund zu bilden.
2. Die Umdeutung der demnach unwirksamen außerordentlichen Kündigung vom 27.11.2007 in eine ordentliche Kündigung war gemäß § 140 BGB ausgeschlossen, da die außerordentliche Kündigung nicht den Erfordernissen einer wirksamen ordentlichen Kündigung entsprach. Denn eine ordentliche Kündigung wäre nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam, da die außerordentliche Kündigung vom 27.11.2007 vor Ablauf der dem Betriebsrat bei einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung zustehenden Äußerungsfrist von einer Woche (§ 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) zugegangen ist. Die Anhörung des Betriebsrates wurde frühestens am 22.11.2007 durch Übergabe des Schreiben gleichen Datums (vgl. Bl. 99 ff. d.A.) eingeleitet, so dass die Wochenfrist gemäß § 188 Abs. 2 1. Alt. BGB nicht vor Ablauf des 28.11.2007 endete. Die außerordentliche Kündigung war dem Kläger aber bereits am 27.11.2007 zugegangen, sodass sie nicht in eine wirksame ordentliche Kündigung umdeutbar ist.
B.
Die Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 30.11.2007 rechtswirksam zum 30.01.2008 beendet worden ist.
I.
Die ordentliche Kündigung vom 30.11.2007 ist nicht nach § 1 Abs. 1 des vollumfänglich anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes wegen fehlender sozialer Rechtfertigung rechtsunwirksam. Gemäß § 1 Abs. 2 KSchG ist eine ordentliche Kündigung unter anderem dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in dem Verhalten des Klägers liegen, bedingt ist.
Ein verhaltenbedingter Grund kann sich aus der sexuellen Belästigung einer Arbeitnehmerin durch einen Arbeitskollegen ergeben, wie die oben bereits zitierte gesetzliche Regelung in §§ 12 Abs. 3, 7 Abs. 1 Satz 1 AGG zeigt. Unter Berücksichtigung von § 3 Abs. 4 Satz 1 AGG ist von einer sexuellen Belästigung auszugehen, wenn ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören, bezweckt oder bewirkt, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, insbesondere wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Im vorliegenden Fall steht nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger sowohl Frau B. als auch Frau A mehrfach sexuell belästigt hat.
1. Aufgrund der Bekundungen der vernommenen Zeugin B. steht fest, dass der Kläger mit der Zeugin in der zum Betrieb der Beklagten gehörenden Küche ein Vier-Augen-Gespräch geführt hat. Dabei fragte der Kläger die Zeugin zunächst, ob sie Kaffee kochen müsse oder etwas ähnlich Belangsloses. Anschließend fragte er die Zeugin, als dieses auf einem Stuhl stand, unvermittelt und überraschend nach der Farbe oder Größe ihres BH‘ s. Des Weiteren erklärt er anschließend sinngemäß, wenn er ein paar Jahre jünger wäre, würde er Frau B. nehmen. Diese Angaben der vernommenen Zeugin sind nach Überzeugung der Berufungskammer glaubhaft, da sie widerspruchsfrei und hinreichend konkret gemacht wurden und nicht von einem erkennbaren Eigeninteresse – die Zeugin ist nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt – getragen waren.
Das Vier-Augen-Gespräch fand während der Zeit um den 29.08.2007 statt.
a) Keine konkreten Angaben konnte die Zeugin zu der streitigen Behauptung der Beklagten machen, der Kläger habe sie danach gefragt, wie es mit ihrem Freund sexuell laufe. Insoweit vermochte sich die Zeugin nur daran zu erinnern, dass der Kläger in Anwesenheit verschiedener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Klägerin nach ihrem Sexualleben gefragt habe. Dass diese Frage im Zusammenhang mit ihrem Freund gestellt worden sei, vermochte die Zeugin nicht mit Sicherheit zu bestätigen.
b) Sowohl die Frage nach dem BH der Zeugin als auch die Äußerung, wenn er jünger wäre würde er sie nehmen, stellen sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG dar. Hierbei handelt es sich um Bemerkungen sexuellen Inhaltes, welche die Würde der Zeugin B. verletzt haben. Die Äußerungen des Klägers hatten einen sexuellen Bezug, zumal seine Frage nach dem BH der Zeugin keinerlei Zusammenhang zu dem vorausgegangenen Gespräch aufwies. Des Weiteren ist auch davon auszugehen, dass die Erklärung des Klägers, wenn er jünger wäre, würde er Frau B. nehmen nicht die Bedeutung hatte, dass er sie als Freundin auswählen würde, sondern, dass er dann Geschlechtsverkehr mit ihr ausüben würde. Dies folgt schon daraus, dass sich diese Äußerung unmittelbar an die Frage nach dem BH von Frau B. anschloss. Zudem bestätigte die Zeugin auch nicht den Gesprächszusammenhang, welchen der Kläger während des zweitinstanzlichen Verfahrens vorgetragen hat. Denn nach dem von der Zeugin geschilderten Gesprächsverlauf kamen die sexuell bestimmten Äußerungen des Klägers überraschend und ohne jeglichen Zusammenhang zu dem vorausgegangenen Gesprächsinhalt. Demnach hat also der Kläger nicht – wie aber von ihm behauptet – sie danach gefragt, ob sie einen Freund habe; des Weiteren hat Frau B. dies nicht mit der Bemerkung bejaht, sie wisse aber noch nicht genau, ob er der Richtige sei; schließlich hat der Kläger auch nicht scherzhaft erklärt, dann solle sie vielleicht einmal sexy Unterwäsche anziehen.
Die sexuell bestimmten Bemerkungen des Klägers waren aus Sicht der Adressantin im Sinn von § 3 Abs. 4 AGG unerwünscht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. BAG, Urt. v. 25.03.2004 a.a.O.) muss die Unerwünschtheit des fraglichen sexuellen Verhaltens nach Außen in Erscheinung getreten sein. Zwar wird man eine ausdrücklich formulierte Ablehnung nicht – schon gar nicht immer – verlangen können. Im Einzelfall kann deshalb eine aus den Umständen erkennbare Ablehnung genügen. Eine solche Ablehnung ist erkennbar, wenn aus dem Verhalten der oder des Betroffenen für einen neutralen Beobachter die Ablehnung hinreichend deutlich geworden ist. Unter Umständen kann daher auch ein rein passives Verhalten in der Form eines zögernden, zurückhaltenden Geschehenlassen gegenüber einem drängenden, durchsetzungsfähigen Belästiger zur Erkennbarkeit einer ablehnenden Haltung ausreichen.
Obwohl die Zeugin B. eine Ablehnung des sexuell bestimmten Verhaltens des Klägers nicht ausdrücklich erklärt hat, ist aus den Umständen des vorliegenden Einzelfalles erkennbar, dass die Bemerkungen des Klägers unerwünscht waren. Denn die Zeugin hatte den Kläger in keiner Weise zu den Bemerkungen veranlasst und führte mit dem Kläger ein Vier-Augen-Gespräch über belanglose Dinge. Wenn während eines solchen Gespräches, ohne jegliche „Vorwarnung“ Bemerkungen sexuellen Inhalts gemacht werden, kann derjenige, der diese Bemerkungen macht, aus objektiver Sicht nicht davon ausgehen, dass die Adressatin diese Bemerkungen wünscht. Dies gilt im vorliegenden Fall insbesondere auch angesichts eines Altersunterschiedes von nahezu 40 Jahren und der weiteren Tatsache, dass die Klägerin als Auszubildende im Betrieb beschäftigt war, mithin in der betrieblichen Hierarchie eine gegenüber dem Kläger zumindest tatsächlich nachgeordnete Stellung einnahm.
Die Wertung der Äußerungen des Klägers als sexuelle Belästigungen entfällt auch nicht dadurch, dass nach dem Vortrag des Klägers im Werkstattbereich ein Pin-up-Kalender aufgehängt war, der Fotografien mit der Darstellung des Genitalbereiches enthielt. Hierauf kann sich der Kläger zur Rechtfertigung seines Verhaltens gegenüber Frau B. schon deshalb nicht berufen, da der Schutz von Frau B. vor sexuellen Belästigungen nicht davon abhängen kann, ob andere – in der Regel männliche Arbeitskollegen – einen Pin-up-Kalender mit Nacktfotografien im Werkstattbereich aufhängen oder nicht. Im betrieblichen Bereich muss, unabhängig von den dort geltenden Gepflogenheiten ein Mindestschutz vor sexuellen Belästigungen gelten. In diesen Schutzbereich hat der Kläger durch seine Äußerungen eingegriffen. Die gleichen Überlegungen gelten insoweit, als der Kläger erstinstanzlich geltend gemacht hat, die Beklagte habe es im Zusammenhang mit dem Versenden von E-Mails mit sexuellem Inhalt durch die Arbeitnehmer X und Z bei Ermahnungen belassen. Unabhängig davon, dass in diesem Fall nicht erkennbar ist, wer konkret sexuell belästigt worden sein soll, kann dies nicht dazu führen, dass der durch das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz geschaffene Schutz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor sexueller Belästigung in dem Betrieb der Beklagten nicht mehr gewährleistet ist.
2. Auch Frau A hat der Kläger mehrfach sexuell belästigt, als er ihr gegenüber am 15.11.2007 zunächst äußerte: „Wenn der Ausschnitt noch ein bisschen größer wäre, würden dir die Äpfelchen herausfallen.“ Diese Erklärung ist unstreitig, zumal die Einlassung des Klägers während des zweitinstanzlichen Verfahrens, er erinnere sich an diese etwaige Bemerkung nicht, kein prozessual relevantes Bestreiten im Sinne von § 138 ZPO darstellt.
Des Weiteren ist angesichts der Aussage der als Zeugin vernommenen Frau A davon auszugehen, dass der Kläger am 15.11.2007, als der Zeugin das T-Shirt etwas hochgerutscht war, die Hand auf den nackten Rücken legte und erklärte: „Schau mal wie kalt ich habe“. Die dahingehende Aussage der Zeugin erschien der Berufungskammer glaubhaft, da die Zeugin insoweit klare und widerspruchsfreie Angaben machte. Ob das von ihr geschilderte Handauflegen am Vormittag des 15.11.2007 oder am Nachmittag erfolgte, ist unerheblich und ändert nichts an der Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage.
Sowohl bei der unstreitigen Äußerung wie auch bei dem Handauflegen handelt es sich um sexuelle Belästigungen im Sinne von § 3 Abs. 4 AGG, da der Kläger zum einen eine Bemerkung sexuellen Inhalts machte und das Handauflegen als sexuell bestimmte körperliche Berührung zu werten ist. Letzteres insbesondere deshalb, weil die körperliche Berührung am gleichen Tag stattgefunden hat, als der Kläger die eindeutig sexuell bestimmte Bemerkung über die Brüste der Zeugin machte.
Beide Handlungen waren, angesichts der vorliegenden Einzelfallumstände unerwünscht, zumal kein Zusammenhang zwischen der sexuell bestimmten Bemerkung bzw. der sexuell bestimmten körperlichen Berührung zu einem vorausgegangen Gespräch erkennbar ist. Zu dem von ihr geschilderten Handauflegen führte die Zeugin ausdrücklich aus, dies sei vollkommen zusammenhanglos passiert. Auch hier hatte die Zeugin keinerlei Anlass geboten für das Verhalten des Klägers und der Kläger musste davon ausgehen, dass – angesichts der normalerweise im betrieblichen Bereich geltenden Sozialstandards – sein Verhalten von der nahezu 35 Jahre jüngeren Arbeitskollegin nicht erwünscht ist.
Soweit der Kläger auch hier geltend macht, dass aufgrund eines in der Werkstatt aufgehängten Pin-up-Kalenders und aufgrund der Versendung von E-Mails mit sexuellem Inhalt im betrieblichen Bereich von einer hohen Akzeptanz von Äußerungen und Handlungen sexuell bestimmten Inhalts auszugehen sei, gilt das gleiche wie oben – im Zusammenhang mit dem pflichtwidrigen Verhalten gegenüber der Zeugin B. – bereits ausgeführt worden ist.
Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang des Weiteren erwähnt, für ihn sei nicht erkennbar gewesen, das sein Verhalten bei Frau A unerwünscht gewesen sei, zumal sie von Erlebnissen als Kartenverkäuferin bei Spielen des 1. FC Kaiserslautern berichtet habe und den dabei von Kartenkäufern gemachten derben Äußerungen, folgt dem die Berufungskammer nicht. Die Tatsache, dass die Klägerin von derartigen derben Äußerungen berichtet hat, lässt nicht den Schluss zu, dass sie sexuelle Anspielungen auf ihre Brüste oder ein Berühren der nackten Haut des Rückens wünscht. Diese Schlussfolgerung konnte – zumindest aus objektiver Sicht – der Kläger nicht ziehen, da der Bericht von dem Fehlverhalten der Kartenkäufer keine Einverständniserklärung zu zukünftigen sexuellen Handlungen enthielt.
Schließlich ist auch unerheblich, dass nach Durchführung der Beweisaufnahme auch feststeht, dass Anlass für die Beschwerde der Zeugin A bei ihrem Vorgesetzten über den Kläger in erster Linie nicht die sexuellen Belästigungen vom 15.11.2007 waren, sondern ein Streit zwischen ihr und dem Kläger darüber, wie die Auszubildende Frau B. eingesetzt wird. Entscheidend ist insoweit, dass der Beklagten sexuelle Belästigungen mitgeteilt wurden, so dass diese verpflichtet war, Maßnahmen im Sinne von § 12 Abs. 3 AGG zu ergreifen hatte.
3. Der Kläger war vor Ausspruch der ordentlichen Kündigung vom 30.11.2007 bereits einschlägig abgemahnt worden, da ihm für die Äußerung gegenüber seinem Arbeitskollegen Z: „Wenn man die Y mausen wollte, müsste man erst 3 Kilo Vorfotze auf die Seite räumen“. unstreitig die schriftliche Abmahnung vom 01.10.2004 erteilt worden ist. Diese Abmahnung ist einschlägig, obwohl hier eine Beleidigung mit sexuellem Bezug gerügt worden ist, während bei dem kündigungsbegründenden Fehlverhalten des Klägers sexuelle Äußerungen und Handlungen unmittelbar gegenüber Arbeitskolleginnen stattgefunden haben. Entscheidend ist insoweit aber, dass das in der Abmahnung gerügte Fehlverhalten wie auch das kündigungsbegründende Fehlverhalten zum gleichen Pflichtenkreis gehören. Dies folgt bereits daraus, dass in § 3 Abs. 4 AGG im Zusammenhang mit der Begriffsbestimmung einer sexuellen Belästigung auch das Schaffen eines durch Beleidigungen gekennzeichneten Umfeldes ausdrücklich als sexuelle Belästigung gekennzeichnet wird. Infolgedessen ist nicht entscheidend, dass der Kläger einmal eine Äußerung gegenüber einem Arbeitskollegen und ein andermal Äußerungen und Handlungen unmittelbar gegenüber Arbeitnehmerinnen vorgenommen hat, sondern dass es sich in beiden Fällen um ein unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten handelte. Dass die Beklagte nicht bereit war, sexuell motivierte Pflichtwidrigkeiten des Klägers in Zukunft zu dulden, ergibt sich im Übrigen auch unmittelbar aus der schriftlichen Abmahnung vom 01.10.2004; dort heißt es nämlich: „Sollte sich ein derartiger oder gleichartiger Pflichtverstoß wiederholen, sehen wir uns gezwungen, ihr Arbeitsverhältnis fristlos zu kündigen.“ Dem Kläger musste also klar sein, dass auch gleichartige Pflichtverstöße zu einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses führen können. Die Abmahnung vom 01.10.2004 ist nicht aufgrund der zeitlichen Distanz zu dem kündigungsbegründenden Fehlverhalten unwirksam. Zum einen gibt es keine absolute Zeitgrenze, ab deren eine Abmahnung ihre Wirksamkeit verlieren könnte, zum anderen ist im vorliegenden Einzelfall insbesondere zu berücksichtigen, dass das abgemahnte Fehlverhalten in hohem Maße diskriminierend für die Arbeitskollegin Y gewesen sein muss und der hieraus resultierende schwerwiegende Pflichtverstoß des Klägers zu einer Wirkung des Abmahnungsschreibens zumindest bis zu dem Zeitpunkt der kündigungsbegründenden Sachverhalte auslöste.
4. Die Interessenabwägung, welche im Rahmen der rechtlichen Überprüfung einer ordentlichen Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz notwendig ist, führt dazu, dass der Beklagten ein Aufrechterhalten des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist. Zu Gunsten des Klägers war zwar zu berücksichtigen, dass er im Kündigungszeitpunkt 58 Jahre alt und über sieben Jahre bei der Beklagten beschäftigt sowie gegenüber seiner Ehefrau unterhaltsverpflichtet war. Des Weiteren war zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass die von ihm zu verantwortenden Pflichtwidrigkeiten bei den betroffenen Arbeitnehmerinnen nicht zu erkennbaren psychischen Beeinträchtigungen geführt haben. Des Weiteren berücksichtigte die Berufungskammer zu Gunsten des Klägers, dass die einschlägige Abmahnung vom 01.10.2004 zirka drei Jahre zurücklag und – wenn sie auch nicht an Wirksamkeit verloren hat – dem Kläger nicht mehr so präsent sein konnte wie eine Abmahnung aus jüngster Zeit.
Für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses sprachen folgende Umstände: Die Abmahnung vom 01.10.2004 betraf ein schweres Fehlverhalten des Klägers mit sexuellem Bezug. Drei Jahre danach hat er zwei Arbeitskolleginnen mehrfach sexuell belästigt und dies innerhalb eines kurzen Zeitraumes. Darunter war eine 21 jährige Auszubildende, die der Kläger im Rahmen eines Vier-Augen-Gespräches verbal belästigte. Der Ablauf des Gespräches musste bei der Auszubildenden Ängste auslösen. Des Weiteren hat der Kläger durch sein Verhalten gegenüber den Zeuginnen B. und A gezeigt, dass er, trotz der schriftlichen Abmahnung vom 01.10.2004, nicht bereit ist, die Würde der Arbeitskolleginnen im Betrieb zu achten und sein sexuell motiviertes Verhalten zu unterlassen. Dass der Kläger – unterstellt sein dahingehender Sachvortrag trifft zu – bei der Geschäftsleitung eine Beschwerde darüber eingereicht hat, dass durch den Arbeitnehmer X Internetpornografie in der Abteilung herumgezeigt werde, ändert an dieser Feststellung nichts. Denn ein korrektes Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit sexuell motiviertem Fehlverhalten von Arbeitskollegen vermag nicht seine eigenen Pflichtwidrigkeiten gegenüber Arbeitskolleginnen zu kompensieren. Die Beklagte, welche sich schützend vor die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmerinnen unter Beachtung des AGG zu stellen hat, war daher unter Beachtung aller Einzelfallumstände berechtigt, das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist zu beenden.
Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem anderen Arbeitsplatz hätte das Vertrauen der Beklagten in die Integrität des Klägers nicht wieder herstellen können, nach dem dieser während seiner bisherigen Beschäftigungszeit sich gegenüber drei Frauen pflichtwidrig verhalten hat.
II.
Die ordentliche Kündigung vom 30.11.2007 ist nicht gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG rechtsunwirksam. Die Beklagte hat den bei ihr errichteten Betriebsrat mit Schreiben vom 22.11.2007 (Bl. 93 ff. d.A.) ordnungsgemäß angehört, zumal sie die Sozialdaten des Klägers, die beabsichtigte Kündigungsart und die aus ihrer Sicht vorliegenden Kündigungsgründe mitgeteilt hat. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang zuletzt während des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt hat, das Anhörungsschreiben sei erst am 23.11.2007 bei dem Betriebsrat eingegangen, ist aufgrund des Inhaltes des vorgelegten Anhörungsschreibens davon auszugehen, dass dieses Schreiben dem Betriebsrat bereits am 22.11.2007 gegen 17.35 Uhr vorgelegt worden ist. Denn auf der letzten Seite des Anhörungsschreibens haben die Betriebsratsmitglieder W und V unter Hinzufügung ihrer Unterschriften vermerkt :“Erhalten, 22.11.2007, 17.35 Uhr.“. Die einwöchige Anhörungsfrist, die dem Betriebsrat gemäß § 102 Abs. 2 Satz 1 BetrVG bei ordentlichen Kündigungen einzuräumen ist, endete mithin am 29.11.2007. Der Zugang des Kündigungsschreibens vom 30.11.2007 erfolgte daher in Übereinstimmung mit der gesetzlichen Regelung erst nach Ablauf der Äußerungsfrist.
III.
Aufgrund der am 30.11.2007 zugegangenen schriftlichen Kündigung vom 30.11.2007 endete das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der zweimonatigen Kündigungsfrist aus § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB mit Ablauf des 31.01.2008.
C.
Soweit das Arbeitsgericht die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers während des Rechtsstreits verurteilt hat, war die erstinstanzliche Entscheidung ebenfalls abzuändern, da angesichts der festgestellten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2008 zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung auch unter Beachtung der Rechtsprechung des Großen Senates des Bundesarbeitsgerichtes (vgl. Beschluss vom 27.02.1985 – GS 1/84 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) keine rechtliche Grundlage für eine Weiterbeschäftigung des Klägers während des Rechtsstreits mehr gegeben war.
Nach alledem war das erstinstanzliche Urteil teilweise abzuändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Für die Zulassung der Revision fehlte es unter Berücksichtigung von § 72 Abs. 2 ArbGG an einem gesetzlich begründeten Anlass.