Bundesarbeitsgericht
Az: 2 AZR 703/09
Urteil vom 09.06.2011
In Sachen hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. Februar 2011 für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 21. August 2009 – 3 Sa 698/08 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Die Beklagte betreibt in C ein Steuerberatungsbüro. In S unterhielt sie eine Zweigstelle/Beratungsstelle.
Der Kläger, der über keinen Abschluss als Steuerberater verfügt, war seit Oktober 1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Ihm oblag die Bearbeitung der laufenden Geschäfte der Zweigstelle. Außerdem war er „fachlicher Ansprechpartner“ der in S eingesetzten Arbeitnehmer der Beklagten.
Seit August 2006 war der Kläger arbeitsunfähig. Am 2. Januar 2007 beantragte er beim Amt für Familie und Soziales – Versorgungsamt – der Stadt C rückwirkend ab dem 27. September 2006 „die Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises“.
Im Februar 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. Juli 2007 wegen Schließung der Zweigstelle. Dagegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage. Mit außergerichtlichem Schreiben vom 7. März 2007 teilte sein Prozessbevollmächtigter der Beklagten – unter Hinweis auf die ihm vorliegende Kündigung und die bereits eingereichte Klage – „der Vollständigkeit halber“ mit, dass der Kläger beim Versorgungsamt C „einen Antrag auf Feststellung über das Vorliegen einer Behinderung“ gestellt habe. Eine Entscheidung liege noch nicht vor.
Mit Bescheid vom 21. März 2007 stellte das Versorgungsamt die Schwerbehinderung des Klägers mit einem GdB von 100 rückwirkend ab dem 27. September 2006 fest.
Am 16. April 2007 fand in dem Kündigungsschutzprozess die Güteverhandlung statt. Ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers dabei nähere Angaben zu dem Antrag beim Versorgungsamt und zum Stand des Verfahrens machte, ist zwischen den Parteien streitig. Die Verhandlung endete mit dem Ab-schluss eines für den Kläger bis zum 30. April 2007 widerruflichen Vergleichs, der hinsichtlich einer vereinbarten Abfindung eine Ratenzahlung vorsah.
Am 27. April 2007 suchte der Kläger die Beklagte in S auf und begehrte die Zahlung der zugesagten Abfindung in einer Summe. Das lehnte die Beklagte ebenso ab wie eine vom Kläger alternativ geforderte Sicherheitsleistung. Daraufhin widerrief der Kläger den Vergleich. Seine Kündigungsschutzklage nahm er später zurück.
Die Beklagte erstattete nach dem Gespräch gegen den Kläger Strafanzeige mit der Begründung, der Kläger habe versucht, sie zu nötigen. Außerdem kündigte sie das Arbeitsverhältnis – ohne Zustimmung des Integrationsamts – mit Schreiben vom 8. Mai 2007 fristlos.
Gegen diese Kündigung hat sich der Kläger mit seiner vorliegenden Kündigungsschutzklage gewandt und geltend gemacht, ein wichtiger Grund liege nicht vor. Zudem sei die Kündigung wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamts unwirksam. Er habe die Beklagte durch das Schreiben vom 7. März 2007 hinreichend über seine zur Feststellung beantragte Schwerbehinderung unterrichtet. Während der Güteverhandlung im ersten Kündigungsschutzprozess habe sein Prozessbevollmächtigter zudem mitgeteilt, das Antragsverfahren sei abgeschlossen und er – der Kläger – sei „zu 100% schwerbehindert“.
Der Kläger hat – soweit noch von Bedeutung – beantragt festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung vom 8. Mai 2007 nicht aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die fristlose Kündigung sei wirksam. Der Kläger habe anlässlich des Gesprächs in S mit unlauteren Mitteln versucht, sie zum Eingehen auf seine Forderungen betreffend die Abfindungszahlung zu bewegen. Außerdem habe er gegen ein bestehendes Verbot verstoßen, Abschriften aus Handakten und Mandantenunterlagen zu fertigen. Ein sonstiger Unwirksamkeitsgrund liege nicht vor. Der Kläger habe das Recht, sich auf einen besonderen Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch zu berufen, verwirkt. Er habe sich gegenüber der Kündigung vom 8. Mai 2007 – unstreitig – erstmals im Gütetermin vom 14. Juni 2007 auf seine Schwerbehinderung berufen. Das Schreiben vom 7. März 2007 habe ihr keine ausreichende Kenntnis der Möglichkeit des Bestehens einer Schwerbehinderung verschafft. Es fehle an der Mitteilung des Datums der Antragstellung und des Aktenzeichens des beim Versorgungsamt bearbeiteten Vorgangs. Im Gütetermin des Vorprozesses habe sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht in der Lage gesehen, hierzu nähere Angaben zu machen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die fristlose Kündigung vom 8. Mai 2007 ist nach § 134 BGB nichtig. Die Kündigung bedufte gemäß § 91 Abs. 1, § 85 SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Daran fehlt es.
I.
Der Kläger hat gegen die Kündigung gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 4 Satz 1 KSchG binnen Dreiwochenfrist Kündigungsschutzklage erhoben. Dass er sich erst nach Ablauf dieser Frist auf seine Schwerbehinderung und einen daraus resultierenden Unwirksamkeitsgrund berufen hat, ist mit Blick auf die Klageerhebungsfrist unschädlich; er hat die erforderliche Rüge ordnungsgemäß(§ 6 KSchG) innerhalb des ersten Rechtszugs nachgeholt (vgl. BAG 11. Dezember 2008 – 2 AZR 395/07 – Rn. 15, BAGE 129, 25; 23. April 2008 – 2 AZR 699/06 – Rn. 22, AP KSchG 1969 § 4 Nr. 65 = EzA KSchG § 4 nF Nr. 84).
II.
Dem Kläger stand im Kündigungszeitpunkt der Sonderkündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX zu.
1.
Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Das gilt uneingeschränkt auch für die außerordentliche Kündigung, § 91 Abs. 1 SGB IX.
Allerdings findet das Zustimmungserfordernis nach § 90 Abs. 2a SGB IX dann keine Anwendung, wenn zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nicht nachgewiesen ist oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung nicht treffen konnte. Das Eingreifen des Sonderkündigungsschutzes setzt damit grundsätzlich voraus, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung entweder die Schwerbehinderung bereits anerkannt (oder eine Gleichstellung erfolgt) ist oder die Stellung des Antrags auf Anerkennung der Schwerbehinderung (bzw. auf Gleichstellung) mindestens drei Wochen zurückliegt (BAG 29. November 2007 – 2 AZR 613/06 – Rn. 15, AP SGB IX § 90 Nr. 5 = EzA SGB IX § 90 Nr. 3; 1. März 2007 – 2 AZR 217/06 – BAGE 121, 335).
2.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat das Versorgungsamt am 21. März 2007 – und damit vor Zugang der fristlosen Kündigung – die Schwerbehinderung des Klägers mit einem Grad von 100 festgestellt.
III.
Der Kläger musste die Beklagte nicht binnen drei Wochen nach Zugang der Kündigung vom 8. Mai 2007 auf seine Anerkennung als schwerbehinderter Mensch hinweisen, um sich den besonderen Kündigungsschutz zu erhalten.
1.
Ist der Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt bereits als schwerbehinderter Mensch anerkannt, steht ihm der Kündigungsschutz gemäß §§ 85 ff. SGB IX nach dem Wortlaut des Gesetzes auch dann zu, wenn der Arbeitgeber von der Schwerbehinderteneigenschaft oder dem Anerkennungsantrag nichts wusste. Das ergibt sich schon daraus, dass § 85 iVm. § 2 SGB IX mit der „Schwerbehinderung“ ohnehin auf einen objektiven Grad der Behinderung und nicht auf dessen behördliche Feststellung abstellt (BAG 6. September 2007 – 2 AZR 324/06 – Rn. 24, BAGE 124, 43; 12. Januar 2006 – 2 AZR 539/05 – Rn. 15, AP SGB IX § 85 Nr. 3 = EzA SGB IX § 85 Nr. 5).
2.
Gleichwohl trifft den Arbeitnehmer – sowohl im Fall der außerordentlichen als auch der ordentlichen Kündigung – bei Unkenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderung bzw. der Antragstellung die Obliegenheit, innerhalb einer angemessenen Frist – die in der Regel drei Wochen beträgt – auf den besonderen Kündigungsschutz hinzuweisen (vgl. BAG 23. Februar 2010 – 2 AZR 659/08 – Rn. 16, AP SGB IX § 85 Nr. 8 = EzA SGB IX § 85 Nr. 6; 12. Januar 2006 – 2 AZR 539/05 – zu II 3 b der Gründe, AP SGB IX § 85 Nr. 3 = EzA SGB IX § 85 Nr. 5). Dies trägt dem Verwirkungsgedanken (§ 242 BGB) Rechnung und ist aus Gründen des Vertrauensschutzes gerechtfertigt (BAG 13. Februar 2008 – 2 AZR 864/06 – Rn. 16, BAGE 125, 345; 20. Januar 2005 – 2 AZR 675/03 – zu II 3 a der Gründe, AP SGB IX § 85 Nr. 1 = EzA SGB IX § 85 Nr. 3). Der Arbeitgeber, der keine Kenntnis von dem bestehenden oder möglichen Schutztatbestand hat, hat keinen Anlass, eine behördliche Zu stimmung zur Kündigung einzuholen. Je nach dem Stand des Verfahrens beim Versorgungsamt ist ihm dies sogar unmöglich. Das Erfordernis, sich zeitnah auf den besonderen Kündigungsschutz zu berufen, ist geeignet, einer Überforderung des Arbeitgebers vorzubeugen. Dieser müsste anderenfalls vor Kündigungen stets vorsorglich einen Antrag auf Zustimmung beim Integrationsamtstellen, damit nicht der besondere Schutztatbestand ggf. erst nach längerer Prozessdauer offenbar wird. Das Erfordernis trägt zugleich dem Gebot der Rechtssicherheit Rechnung (BAG 20. Januar 2005 – 2 AZR 675/03 – zu II 3 ader Gründe, a.a.O.).
3.
Eine Einschränkung der Möglichkeit des Arbeitnehmers, sich auf den Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch zu berufen, ist aber nur gerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber tatsächlich schutzbedürftig ist. Das ist hier nicht der Fall.
a)
Das Rechtsinstitut der Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn der Gläubiger sich längere Zeit nicht auf seine Rechte berufen hat (Zeitmoment). Der Gläubiger muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckt haben, er wolle sein Recht nicht mehr wahrnehmen, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Bedürfnis nach Vertrauensschutz auf Seiten des Verpflichteten das Interesse an der Rechtsausübung auf Seiten des Berechtigten derart überwiegen, dass ersterem die Erfüllung seiner Verpflichtung nicht mehr zuzumuten ist (BAG 15. Februar 2007 – 8 AZR 431/06 – Rn. 42, BAGE 121, 289).
b)
Danach kann der Arbeitgeber regelmäßig keinen Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen, wenn er die Schwerbehinderung oder den Antrag vor Ausspruch der Kündigung kannte und deshalb mit dem Zustimmungserfordernis rechnen musste (vgl. BAG 23. Februar 2010 – 2 AZR 659/08 – Rn. 16, AP SGB IX § 85 Nr. 8 = EzA SGB IX § 85 Nr. 6; 6. September 2007 – 2 AZR 324/06 – Rn. 25, BAGE 124, 43). Der Arbeitgeber ist auch dann nicht schutzbedürftig, wenn die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers offenkundig ist und er deshalb auch ohne Kenntnis von Anerkennung oder Antragstellung Anlass hatte, vorsorglich die Zustimmung zur Kündigung zu beantragen (BAG 13. Februar 2008 – 2 AZR 864/06 – Rn. 15, 20, BAGE 125, 345).
c)
Gemessen hieran sind die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht erfüllt. Der Beklagten war durch das Schreiben des Klägers vom 7. März 2007 die Antragstellung beim Versorgungsamt bekannt. Sie musste mit einer Anerkennung des Klägers als schwerbehinderter Mensch und damit der Zustimmungsbedürftigkeit der Kündigung vom 8. Mai 2007 rechnen. Weitergehender Informationen bedufte sie nicht. Insbesondere war der Kläger nicht verpflichtet, ihr das Datum der Antragstellung mitzuteilen oder seine Schwerbehinderung innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung durch Vorlage des Feststellungsbescheids nachzuweisen.
aa)
Das Schreiben vom 7. März 2007 war geeignet, der Beklagten die erforderliche Kenntnis von der Möglichkeit des Bestehens einer Schwerbehinderung des Klägers zu vermitteln.
(1)
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auf Antrag das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung fest. Der Antrag auf Feststellung einer „Behinderung“ schließt, da die Versorgungsämter die Behinderung von Amts wegen festzustellen haben, die Feststellung einer Schwerbehinderung iSv. § 2 Abs. 2 SGB IX ein. Darüber hinaus bedarf es – soweit die Schwerbehinderung nicht ohnehin offensichtlich ist – einer (förmlichen) Feststellung der Behinderung und ihres Grades nach § 69 SGB IX nur für die Inanspruchnahme der besonderen Hilfen zur Teilhabe Schwerbehinderter am Arbeitsleben und für einen Nachteilsausgleich nach Teil 2 SGB IX (vgl. dazu BT-Drucks. 14/5074 S. 98; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 2 Rn. 26). Dazu zählt auch der besondere Kündigungsschutz nach §§ 85 ff. SGB IX.
(2)
Die Beklagte hat die Mitteilung ersichtlich zunächst so verstanden, dass sich der Antrag des Klägers (auch) auf die Feststellung einer Schwerbehinderung bezog. Sie hat behauptet, ihr Prozessbevollmächtigter habe sich im Gütetermin vom 16. April 2007 nach dem Datum der Antragstellung und dem Aktenzeichen des Vorgangs erkundigt. Diese Fragen zielten erkennbar darauf, die Relevanz der Antragstellung für die Wirksamkeit der ersten (ordentlichen) Kündigung mit Blick auf vom Kläger einzuhaltende Fristen (§ 90 Abs. 2a iVm. § 69 Abs. 2 SGB IX) abzuklären. Wäre die Beklagte im Zweifel darüber gewesen, ob sich der Antrag auch auf die Feststellung einer Schwerbehinderung bezog, hätte sie dies aller Wahrscheinlichkeit nach zum Ausdruck gebracht.
(3)
Ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Gütetermin vom 16. April 2007 in der Lage war, nähere Auskünfte zum Antragsverfahren zu erteilen, kann offenbleiben. Selbst wenn dies – wie die Beklagte behauptet – nicht der Fall gewesen sein sollte, war daraus nicht abzuleiten, die Angaben im Schreiben vom 7. März 2007 entbehrten jeglicher Grundlage. Wenn die Beklagte dies dennoch tat, handelte sie auf eigenes Risiko.
bb)
Die Beklagte war aufgrund der Angaben im Schreiben vom 7. März 2007 ausreichend in die Lage versetzt, zumindest vorsorglich die Zustimmung zur Kündigung zu beantragen. Nach § 87 Abs. 1 SGB IX ist der Zustimmungsantrag schriftlich bei dem für den Sitz des Betriebes zuständigen Integrationsamt anzubringen. Dabei ist anzugeben, ob das Arbeitsverhältnis ordentlich oder außerordentlich gekündigt werden soll, und sind die Gründe der Kündigung einschließlich des in Auge gefassten Kündigungstermins zu benennen. Darüber hinaus sind Angaben zur Person des Betroffenen wie Name und Anschrift erforderlich (vgl. Düwell in Dau/Düwell/Joussen SGB IX 3. Aufl. § 87 Rn. 9; Knittel SGB IX 5. Aufl. § 87 Rn. 5a; Kossens in Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 3. Aufl. § 87 Rn. 2 ff.; jeweils m.w.N.). Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, konkrete Angaben zu einem bestimmten Feststellungsantrag des Arbeitnehmers zu machen, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen. Die Zustimmungsbedürftigkeit der beabsichtigten Kündigung hat das Integrationsamt nach § 20 Abs. 1 SGB X von Amts wegen aufzuklären. Dabei haben sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer mitzuwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben (§ 21 Abs. 2 SGB X).
cc)
Zu Unrecht meint die Beklagte, der Mitteilung des Datums der Antragstellung habe es bedurft, um ihr eine Überprüfung der Relevanz der Antragstellung mit Blick auf die Frist des § 90 Abs. 2a SGB IX zu ermöglichen.
(1)
Allerdings ist der Zeitpunkt der Antragstellung durchaus von Bedeutung. ist die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers im Kündigungszeitpunkt noch nicht festgestellt, sondern ist lediglich ein entsprechender Antrag gestellt, besteht der Sonderkündigungsschutz nur, wenn der Arbeitnehmer den Antrag so frühzeitig gestellt hat, dass eine Entscheidung bei Ausspruch der Kündigung binnen der Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB IX möglich gewesen wäre. Hat demnach der Arbeitnehmer seinen Antrag nicht mindestens drei Wochen vor Zugang der Kündigung gestellt und liegt im Kündigungszeitpunkt auch noch kein Bescheid vor, der seine Schwerbehinderung feststellt, kann er keinen besonderen Kündigungsschutz beanspruchen (BAG 1. März 2007 – 2 AZR 217/06 – Rn. 43, BAGE 121, 335). Aus diesem Grund wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, der Arbeitnehmer, der sich nach Ausspruch der Kündigung auf eine bereits geltend gemachte, aber noch nicht durch Bescheid festgestellte Schwerbehinderung berufe, müsse zugleich die Rechtzeitigkeit der Antragstellung darlegen (vgl. Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 85 Rn. 37).
(2)
Ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann dahinstehen. Im Streitfall kam es auf die Rechtzeitigkeit der Antragstellung schon deshalb nicht an, weil im Kündigungszeitpunkt ein die Schwerbehinderung des Klägers feststellender Bescheid bereits vorlag. Zudem waren seit der Mitteilung vom 7. März 2007 bis zur Kündigung am 8. Mai 2007 mehr als drei Wochen verstrichen.
4.
§ 90 Abs. 2a SGB IX verlangt nicht, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber den Bescheid über die Schwerbehinderung vorlegt, damit der Sonderkündigungsschutz erhalten bleibt. Ausreichend ist die objektive Existenz eines geeigneten Bescheides, der die Schwerbehinderung nachweist (BAG 11. Dezember 2008 – 2 AZR 395/07 – Rn. 28, BAGE 129, 25). Der Arbeitgeber, der die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers im Kündigungszeitpunkt nicht kennt, ist ausreichend durch die vom Senat entwickelten Grundsätze zur Verwirkung geschützt. Bezweifelt er die ihm mitgeteilte Schwerbehinderung oder Antragstellung, kann er die Anerkennung bestreiten und sich auf diese Weise Klarheit verschaffen (BAG 11. Dezember 2008 – 2 AZR 395/07 – a.a.O.). Hat der Arbeitnehmer vorprozessual eine Antragstellung behauptet, kann der Arbeitgeber beim Integrationsamt vorsorglich einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung stellen. Erhält er auf seinen form- und fristgerecht gestellten Antrag ein Negativattest, beseitigt dieses, jedenfalls wenn es bestandskräftig ist, die Kündigungssperre (BAG 6. September 2007 – 2 AZR 324/06 – Rn. 15, BAGE 124, 43).
IV.
Darauf, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne von § 626 BGB vorlag, kommt es nicht an.
V.
Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.