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Tierbeförderung in Flugzeug – unangemessene AGB-Klauseln

AG Hamburg, Az.: 12 C 109/16, Urteil vom 11.01.2017

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 717,36 € (in Worten: siebenhundertsiebzehn 36/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.7.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 147,56 € (in Worten: einhundertsiebenundvierzig 56/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.7.2016 als Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen einer verweigerten Flugbeförderung.

Der Kläger verfügte über eine bestätigte Buchung für den Flug am 26.10.2015 von Hamburg nach Madrid der Beklagten sowie einen Rückflug von Madrid nach Hamburg am 30.10.2015. Der vom Kläger an die Beklagte entrichtete Gesamtflugpreis betrug 294,58 €. Die Beförderungsbedingungen der Beklagten enthalten zur Beförderung von Tieren folgende Klausel:

Annahme in der Kabine

Tiere dürfen in der Kabine befördert, wenn sie (einschließlich Transportbox/Transporttasche) ein Gewicht von 8 kg nicht überschreiten. Einige Haustiere können nach vorheriger Genehmigung durch die Reservierungszentrale mit Ihnen in der Kabine reisen, wenn sie folgende Bedingungen erfüllen:

1. 8 kg Höchstgewicht, inklusive Transportbox oder Transporttasche.

2. Das Behältnis darf die Höchstmaße von 45 x 35 x 25 cm (Höhe x Breite x Länge) nicht überschreiten, wobei die Summe der Maße 105 cm nicht übersteigen darf.

3. Die Transportbox muss bruchfest, belüftet und sicher sein und über einen wasserundurchlässigen Boden verfügen. Sie können eine eigene Transportbox mitbringen oder ggf. für 25,00 € bei … erwerben.“

Tierbeförderung in Flugzeug - unangemessene AGB-Klauseln
Symbolfoto: chalabala/Bigstock

Die Beklagte hat dem Kläger in der Buchungsbestätigung die Mitnahme eines Tieres in die Kabine mit den Worten „Tier in der Kabine bestätigt – 1 dog 8 kg 45 X 35 X 25“ (Anlage K 3) gestattet. Der Kläger begab sich am Reisetag mit seinem Hundewelpen rechtzeitig zum Check-in. Obwohl sein Hund die vorgegebenen Größen- und Gewichtsmaße erfüllte, wurde ihm der Zutritt zum Flugzeug mit der Begründung verwehrt, dass er den Hund nicht in die Maschine mitnehmen dürfe, da dessen Kopf aus der Tragetasche herausrage. Der Kläger fuhr darauf wieder unverrichteter Dinge mit dem Taxi nach Hause. Die Rückfahrt kostete, wie schon die Taxifahrt zum Flughafen, 70,00 €. Die Beklagte stornierte den Rückflug des Klägers, da er den Hinflug nicht wahrgenommen hatte. Um den geplanten Termin in Spanien noch wahrnehmen zu können, buchte der Kläger bei einer anderen Fluggesellschaft eine Flug von Hamburg nach Madrid für 186,73 € und, da die Beklagte den Rückflug storniert hatte, einen Rückflug für 390,63 €. Mit Schreiben vom 15.12.2015 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zur Zahlung auf. Die Beklagte lehnte eine Zahlung mit E-Mail vom 08.03.2016 ab.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg.

Die Beklagte ist dem Kläger gegenüber zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die gemäß § 280 BGB dem Kläger aus der Nichtbeförderung des Klägers entstanden sind.

Die Beklagte hat die ihr aus dem zwischen den Parteien bestehenden Beförderungsvertrag obliegende Hauptpflicht, den Kläger auf dem gebuchten Flug von Hamburg nach Madrid zu befördern, schuldhaft verletzt. Die Beklagte war nicht berechtigt, dem Kläger den Zutritt zum Flugzeug mit der Begründung zu verweigern, dass der Kopf des vom Kläger mitgeführten, bei der Beklagten ordnungsgemäß angemeldeten Hundes aus der Transporttasche herausschaut. Der Kläger war nicht verpflichtet, einen Transport des Hundes derart sicherzustellen, dass sich auch der Kopf des Hundes innerhalb des Transportkorbes bzw. der Transporttasche befindet. Ausweislich der Nr. 6 der Beförderungsbedingungen für Haustiere, Annahme in der Kabine, muss das Haustier „während des gesamten Fluges in seiner Tasche/Transportbox bleiben“. Bei dieser Klausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die zu einer unangemessenen Benachteiligung entgegen der Gebote von Treu und Glauben gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB führt. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich formuliert ist. Dabei ist von der kundenfeindlichsten Auslegung auszugehen. Auszuscheiden sind nur Auslegungsmöglichkeiten, die für die an solchen Verträgen typischerweise Beteiligten ernsthaft nicht in Betracht kommen (BGH ZIP 1982, 62). Die Formulierung der Nr. 6 der Beförderungsbedingungen für Haustiere, Annahme in der Kabine, verhält sich nicht dazu, ob der Kopf eines ordnungsgemäß angemeldeten Tieres während des Fluges aus der Transporttasche herausschauen darf. Auch nach den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen ist diese Frage bei der von der Beklagten gewählten Formulierung nicht eindeutig zu entscheiden. Dem natürlichen Sprachgebrauch folgend befindet sich ein Tier auch dann in der Transporttasche, wenn sein Kopf herausschaut. Die vom Kläger verwendete, für den Transport von Tieren gefertigte Transporttasche sieht eine Öffnung für den Kopf des Tieres vor, was belegt, dass Transporttaschen mit der Möglichkeit für das Tier, den Kopf herauszustrecken, nicht unüblich sind. Hätte die Beklagte mit der von ihr verwendeten Klausel nicht nur bezwecken wollen, dass mitgeführte Tiere während des Fluges nicht in der Kabine herumlaufen können, wofür der Kopf nicht innerhalb der Transporttasche sein muss, sondern dass sich auch der Kopf des Tieres innerhalb des Transportbehältnisses befindet, hätte sie dies unschwer mit einem Satz klarstellen können. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Beklagte die Mitnahme von Hunden in die Kabine auf kleinere bzw. junge Hunde beschränkt hat, indem nur Tiere mitgeführt werden dürfen, deren Gewicht einschließlich des Transportmittels nicht mehr als 8 kg beträgt. Die verbliebene Unklarheit geht zu Lasten der Beklagten als Verwenderin.

Da der Beklagten somit kein Grund für die Verweigerung der Beförderung des Klägers zur Seite stand, hat sie durch die Nichtbeförderung die ihr obliegenden Pflichten aus dem Beförderungsvertrag schuldhaft verletzt, § 280 BGB.

Der dem Kläger zustehende Schadensersatzanspruch umfasst zunächst die Kosten des infolge der Beförderungsverweigerung der Beklagten vom Kläger gebuchten Ersatzfluges von Hamburg nach Madrid in Höhe von 186,73 €. Darüber hinaus sind dem Kläger auch die Kosten des Rückfluges in Höhe von 390,63 € zu erstatten. Unabhängig davon, ob die Beklagte überhaupt im Falle des Nichtantrittes des Hinfluges berechtigt sein kann, den Rückflug zu stornieren, war ihr dies vorliegend jedenfalls deshalb nicht gestattet, weil sie die Durchführung des Hinflugs zu Unrecht verweigert hat (s.o.). Darauf sind die Kosten des ursprünglichen anzurechnen, so dass sich zugunsten des Klägers eine Differenz in Höhe von 282,78 € ergibt. Ferner kann der Kläger von der Beklagten die Erstattung der beiden infolge der Nichtbeförderung zusätzlich angefallenen Taxifahrten vom Flughafen nach Hause und wieder zum Flughafen verlangen. Deren Kosten belaufen sich nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers auf jeweils 70,00 €. Schließlich steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten zu. Ein Geschädigter kann sämtliche durch das Schadensereignis verursachten Kosten als ersatzfähigen Schaden geltend machen. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind daher auch ohne Verzug erstattungsfähig, wenn die Beauftragung eines Rechtsanwaltes aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen ist. Das ist vorliegend, anders als in „gewöhnlichen“ Fluggastverordnungsfällen der Fall. Der Kläger hatte im Vorfeld seines Fluges die Allgemeinen Beförderungsbedingungen für die Mitnahme von Tieren eingesehen und die Mitnahme seines Hundes entsprechend den dortigen Vorgaben bei der Beklagten angemeldet. Die Beurteilung der Frage, ob dem Kläger aufgrund der Beförderungsverweigerung der Beklagten ein Schadensersatzanspruch zusteht, hängt, wie gezeigt, davon ab, ob die Beförderungsbedingungen der Beklagten den Kläger nach Treu und Glauben benachteiligen. Einem juristischen Laien ist es nicht zuzumuten, sich ohne Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts dazu eine abschließende Meinung zu bilden, die Grundlage (auch) für die Einleitung gerichtlicher Maßnahmen ist. Somit war die Beauftragung des Klägervertreters bereits vor der ersten Geltendmachung des Anspruchs erforderlich.

Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 288, 291 BGB. Ob vor Rechtshängigkeit bereits Verzug eingetreten war, ist ohne Belang, da Zinsen erst ab Rechtshängigkeit verlangt werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 2 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

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