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Umsatzsteuer für Reiterhöfe – Bildung, Freizeit & Steuerbefreiung erklärt

Wann ist ein Hobby Bildung, wann reine Freizeit? Diese scheinbar einfache Frage verwandelte den idyllischen Reiterhof eines Betreibers in eine steuerliche Kampfzone. Ein erbitterter Streit mit dem Finanzamt entbrannte um Millionen – und die Zukunft einer ganzen Branche. Nun hat Deutschlands höchstes Steuergericht entschieden, wer am Ende im Sattel sitzt.

Übersicht:

Gilt für Reitunterricht die Umsatzsteuerbefreiung? Der Bundesfinanzhof zieht klare Grenzen.
Das BFH-Urteil klärt die Umsatzsteuerbefreiung für Reiterhöfe und setzt klare Grenzen zwischen Bildungs- und Freizeitangeboten. | Symbolbild: KI generiertes Bild

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • BFH-Urteil: Reitunterricht und Unterkunft/Verpflegung auf Reiterhöfen sind getrennte umsatzsteuerliche Hauptleistungen.
  • Reitunterricht gilt generell als umsatzsteuerpflichtige Freizeitgestaltung und nicht als steuerbefreite Bildung.
  • Ausnahme: Steuerbefreiung für Reitunterricht ist nur möglich, wenn er nachweislich auf berufsrelevante Prüfungen oder eine berufliche Qualifikation vorbereitet.
  • Unterkunft und Verpflegung sind umsatzsteuerpflichtig, wenn der Anbieter nicht als Einrichtung mit „im Wesentlichen sozialem Charakter“ anerkannt ist.
  • Anbieter müssen Leistungen klar trennen, den Bildungszweck genau dokumentieren und die Notwendigkeit formaler Anerkennungen (z.B. Gemeinnützigkeit) prüfen und sichern.

BFH-Urteil: Reiterhof-Angebote auf dem Prüfstand – Was ist Bildung, was Freizeit?

Der Traum vom eigenen Reiterhof – für Herrn X, Betreiber eines solchen Hofes in W über seine K-GmbH, wurde dieser Traum in den Jahren 2007 bis 2011 zum Schauplatz eines komplexen Rechtsstreits mit dem Finanzamt. Im Kern ging es um eine Frage, die viele Anbieter von Kursen und Freizeitaktivitäten umtreibt: Wann sind die angebotenen Leistungen von der Umsatzsteuer befreit und wann nicht? Herr X bot über seine K-GmbH ein breites Spektrum an: die „Ponygruppe“ für den ersten Kontakt mit Pferden, die ambitionierte „Große Pferdegruppe“ zur Vorbereitung auf Leistungsabzeichen und den Turniersport, sowie Klassenfahrten für Schulen.

Für all diese Angebote, inklusive der Unterkunft und Verpflegung der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen, ging Herr X von einer Umsatzsteuerbefreiung aus. Das Finanzamt sah das jedoch ganz anders und forderte nach einer Außenprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 und später auch für 2010 und 2011 für sämtliche Umsätze den vollen Umsatzsteuersatz. Der Fall landete schließlich vor dem Bundesfinanzhof (BFH), Deutschlands höchstem Gericht für Steuerfragen (Az. XI R 9/22), der nun wichtige Leitlinien für die Abgrenzung zog. Für Herrn X und viele andere Anbieter ähnlicher Leistungen hing viel von dieser Entscheidung ab, denn die Nachzahlung von Umsatzsteuer für mehrere Jahre kann existenzbedrohend sein.

Der Weg durch die Instanzen: Finanzamt hart, Finanzgericht teils versöhnlich

Die Auseinandersetzung begann, als das Finanzamt die Auffassung vertrat, dass weder der Reitunterricht noch die Beherbergung und Verpflegung der Kinder und Jugendlichen auf dem Hof von Herrn X die Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung erfüllten. Das Argument: Es handelt sich im Wesentlichen um Freizeitgestaltung, nicht um begünstigte Bildungs- oder Erziehungsleistungen.

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein: Ein erster Teilerfolg für Herrn X

Herr X wehrte sich gegen die Steuerbescheide und zog vor das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein. Dort erzielte er einen Teilerfolg. Das FG urteilte differenzierter: Die Umsätze aus den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ seien insgesamt steuerfrei. Auch die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung im Rahmen der „Ponygruppe“ und der „Klassenfahrten“ sah das FG als steuerbefreit an.

Lediglich der reine Reitunterricht und das weitere Tagesprogramm der „Ponygruppe“ und der Klassenfahrten sollten nach Ansicht des FG der Umsatzsteuer unterliegen. Für Herrn X bedeutete dies eine erhebliche finanzielle Entlastung im Vergleich zur Forderung des Finanzamts, aber das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Das Finanzamt nämlich war mit dieser Entscheidung nicht zufrieden und legte Revision beim Bundesfinanzhof ein. Die zentrale Frage blieb: Welche Leistungen eines Reiterhofs können umsatzsteuerfrei sein und unter welchen strengen Kriterien?

Leistungspaket oder Einzelteile? Die umsatzsteuerliche Anatomie eines Reiterhof-Angebots

Bevor sich der BFH den einzelnen Steuerbefreiungen widmen konnte, musste eine grundlegende Frage geklärt werden: Sind die verschiedenen Angebote – also Reitunterricht einerseits und Unterkunft mit Verpflegung andererseits – als ein einheitliches Paket zu sehen oder als getrennte, selbstständige Leistungen? Diese Unterscheidung ist im Umsatzsteuerrecht von großer Bedeutung, denn sie entscheidet darüber, ob für das gesamte Paket einheitliche Regeln gelten oder jede Leistung einzeln bewertet werden muss.

Hauptleistung und Nebenleistung: Ein wichtiges Prinzip

Generell gilt im Umsatzsteuerrecht: Jeder Umsatz wird als eigenständige Leistung betrachtet. Manchmal sind jedoch mehrere Leistungen so eng miteinander verbunden, dass sie wirtschaftlich eine Einheit bilden. Das ist wie bei einem Konzertbesuch: Das Ticket für das Konzert ist die Hauptleistung. Die Garderobengebühr könnte eine Nebenleistung sein, die das Erlebnis abrundet, aber nicht den Kern ausmacht. Eine Leistung ist dann eine Nebenleistung, wenn sie für den Kunden keinen eigenen Zweck hat, sondern nur dazu dient, die Hauptleistung optimal zu nutzen.

Die Sicht des BFH: Reitstunden und Reiterferien sind oft zwei Paar Schuhe

Im Fall des Reiterhofs von Herrn X bestätigte der BFH die Einschätzung des Finanzgerichts: Der Reitunterricht und die damit verbundene Unterkunft und Verpflegung stellen regelmäßig selbständige Hauptleistungen dar. Das Gericht argumentierte, dass ein Durchschnittskunde sowohl am Reitunterricht als auch an einer angemessenen Unterkunft und Verpflegung ein eigenständiges Interesse habe. Diese Leistungen dienten unterschiedlichen Zwecken: Hier die Vermittlung von Spezialkenntnissen im Reiten, dort die Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse. Auch die Preisgestaltung sprach dafür: Ein erheblicher Teil des Gesamtpreises entfiel jeweils auf die Kurse (zwischen 23,79 % und 41,03 %) und auf Unterkunft/Verpflegung (zwischen 58,97 % und 76,21 %).

Für Herrn X und andere Betreiber von Reiterhöfen oder ähnlichen Einrichtungen bedeutet diese Feststellung des Gerichts, dass sie die Umsätze aus Unterricht und Beherbergung/Verpflegung getrennt voneinander betrachten und auch getrennt auf mögliche Steuerbefreiungen prüfen müssen. Man kann nicht einfach sagen: „Das ist alles Reiterferien und daher insgesamt befreit.“ Die Aufspaltung ist hier nicht künstlich, sondern entspricht der wirtschaftlichen Realität und dem Interesse der Kunden.

Reitunterricht: Nur Hobby oder doch steuerfreie Bildung?

Die nächste große Frage war, ob der Reitunterricht selbst von der Umsatzsteuer befreit sein kann. Hier kommt § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ins Spiel. Diese Vorschrift befreit unter bestimmten Voraussetzungen die „unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen“. Das europäische Pendant dazu findet sich in Artikel 132 Abs. 1 Buchst. i der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL).

Die Regel: Reiten ist meist Freizeitvergnügen

Der BFH stellte zunächst klar: Unterricht im Pferdesport ist typischerweise kein Schul- oder Hochschulunterricht und dient der Freizeitgestaltung. Die Richter verglichen Reitkurse mit Angeboten von Segel-, Fahr-, Schwimm-, Jagd- oder Tanzschulen. Auch wenn man dort Fähigkeiten erlernt, die man theoretisch beruflich nutzen könnte, steht meist der Hobby-Charakter im Vordergrund. Allein die Möglichkeit, etwas später beruflich zu nutzen, macht einen Kurs nicht automatisch zu einer steuerbefreiten Bildungsmaßnahme. Wäre das anders, so der BFH, wäre die Steuerbefreiung uferlos, da fast jede Tätigkeit auch beruflich ausgeübt werden kann. Für Herrn X bedeutet diese generelle Einordnung: Die Hürden für eine Steuerbefreiung des Reitunterrichts sind hoch.

Die Ausnahme: Die „Große Pferdegruppe“ und der Weg zum Turnierreiter

Überraschenderweise bestätigte der BFH jedoch die Entscheidung des Finanzgerichts, dass die Umsätze aus der „Großen Pferdegruppe“ steuerfrei sind. Wie passt das zur generellen Einschätzung? Hier kommt die sogenannte revisionsrechtliche Bindung an die Tatsachenwürdigung des Finanzgerichts (§ 118 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO) ins Spiel. Das Finanzgericht hatte argumentiert, dass die Kurse der „Großen Pferdegruppe“ auf das Ablegen von Leistungsabzeichen vorbereiteten, die wiederum Voraussetzung für den Erwerb einer Jahresturnierlizenz und damit für den Einstieg in den Beruf des Turniersportreiters seien. Zudem hatten 60 % bis 70 % der Teilnehmer tatsächlich an den Prüfungen teilgenommen, und es lag eine Bescheinigung der Landesbehörde vor, die auf einen Bildungszweck hindeutete.

Der BFH erklärte, dass diese Würdigung der Tatsachen durch das Finanzgericht „zumindest möglich“ und nicht denkunlogisch sei. Als Revisionsgericht ist der BFH in erster Linie für Rechtsfragen zuständig, nicht für die erneute Bewertung von Fakten, solange das Vorgericht keine gravierenden Fehler gemacht hat.

Man kann das vergleichen mit einem Fußballspiel: Der Schiedsrichter auf dem Platz (das Finanzgericht) trifft eine Tatsachenentscheidung. Der Videoschiedsrichter (der BFH) greift nur ein, wenn die Entscheidung ganz offensichtlich falsch war. War sie vertretbar, bleibt sie bestehen, auch wenn der BFH selbst vielleicht anders entschieden hätte, wenn er von Anfang an zuständig gewesen wäre. Für Herrn X war dies ein wichtiger Punkt, da so zumindest die Umsätze der „Großen Pferdegruppe“ steuerfrei blieben.

Es zeigt: In begründeten Ausnahmefällen kann auch spezialisierter Sportunterricht als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung anerkannt werden, wenn er klar auf einen Beruf vorbereitet und dies nicht nur eine theoretische Möglichkeit ist.

Unterkunft und Verpflegung: Der Knackpunkt „sozialer Charakter“

Nun zu den Leistungen Unterkunft und Verpflegung, die Herr X im Rahmen der „Ponygruppe“ und der „Klassenfahrten“ anbot. Das Finanzgericht hatte diese für steuerfrei erklärt. Doch hier sah der BFH die Sache anders und hob die Entscheidung des Finanzgerichts in diesem Punkt auf.

§ 4 Nr. 23 UStG a.F.: Eine Hürde für gewerbliche Anbieter

Die relevante Vorschrift war hier § 4 Nr. 23 Satz 1 UStG in der alten Fassung (a.F.), die für die Streitjahre 2007 bis 2011 galt. Diese Norm befreite die Gewährung von Beherbergung und Beköstigung durch Personen und Einrichtungen, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufnehmen. Klingt erstmal passend für einen Reiterhof mit Jugendprogramm.

Doch der BFH betonte, dass diese Vorschrift im Einklang mit dem EU-Recht, genauer gesagt den Vorgängerregelungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h und i MwStSystRL, auszulegen sei. Und diese europarechtlichen Vorgaben verlangen mehr: Die Leistungen müssen von „Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere (private) Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind“ erbracht werden.

Das K.O.-Kriterium: Fehlende Anerkennung der K-GmbH

Genau hier lag das Problem für Herrn X: Die K-GmbH, die den Reiterhof betrieb, war keine solche anerkannte Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter. Diese Anerkennung ist aber laut BFH eine zwingende Voraussetzung für die Steuerbefreiung. Man kann es sich vorstellen wie ein offizielles Gütesiegel: Nur wer dieses Siegel hat, bekommt die Steuererleichterung. Es reicht nicht, dass man „gute Arbeit“ mit Jugendlichen leistet; die formale Anerkennung ist entscheidend.

Unionsrechtskonforme Auslegung – Was bedeutet das?

Deutsche Gesetze, insbesondere im Steuerrecht, stehen oft nicht isoliert da. Viele basieren auf oder werden beeinflusst von Richtlinien der Europäischen Union (EU). Die „unionsrechtskonforme Auslegung“ bedeutet, dass nationale Gesetze so interpretiert werden müssen, dass sie mit den Zielen und dem Wortlaut des übergeordneten EU-Rechts übereinstimmen. Das ist wie bei einer Hausordnung in einem Mietshaus (nationales Gesetz) und dem Mietvertrag (EU-Recht): Die Hausordnung darf dem Mietvertrag nicht widersprechen. Im Zweifel gibt das EU-Recht den Rahmen vor.

Das Finanzgericht hatte diesen Aspekt nicht ausreichend berücksichtigt. Der BFH machte klar, dass das Erfordernis, überwiegend Jugendliche zu Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken aufzunehmen, zwar im deutschen Gesetz stand, aber eben auch die europarechtliche Komponente des „sozialen Charakters“ der Einrichtung erfüllt sein muss. Für Herrn X und seine K-GmbH bedeutete dies: Die Umsätze aus Unterkunft und Verpflegung für die „Ponygruppe“ und „Klassenfahrten“ waren doch umsatzsteuerpflichtig. Dies unterstreicht, wie wichtig formale Anerkennungen sein können und dass das EU-Recht oft tief in nationale Regelungen hineinwirkt.

Was dieses Urteil für Reiterhöfe und andere Kursanbieter bedeutet

Die Entscheidung des BFH hat weitreichende Konsequenzen, nicht nur für Herrn X, sondern für viele Anbieter von Kursen, Freizeitaktivitäten und Jugendbetreuung. Sie schafft mehr Klarheit, stellt aber auch hohe Anforderungen.

Die Lehren für Herrn X und seinen Reiterhof

Für Herrn X selbst war das Urteil ein gemischtes Ergebnis. Einerseits wurde die Steuerfreiheit für die „Große Pferdegruppe“ bestätigt, was eine finanzielle Entlastung darstellt. Andererseits müssen die Umsätze aus der „Ponygruppe“, den „Klassenfahrten“ (soweit es den Reitunterricht betrifft) und vor allem sämtliche Umsätze aus Unterkunft und Verpflegung (außer vielleicht im Rahmen der „Großen Pferdegruppe“, was das Urteil aber nicht explizit so sagt, da es dort um den Unterricht ging) der Umsatzsteuer unterworfen werden. Die genaue Berechnung der Steuerschuld wurde vom BFH an das Finanzamt zurückverwiesen.

Konkrete Auswirkungen: Wer ist betroffen und was ändert sich?

Betroffen sind alle Unternehmer, die Leistungen anbieten, die sowohl Freizeit- als auch Bildungs- oder Erziehungsaspekte haben könnten. Das reicht von Sportvereinen, die Trainingslager anbieten, über Musikschulen mit Intensivworkshops bis hin zu Anbietern von Jugendfreizeiten oder Sprachreisen. Die Kernbotschaften des Urteils sind:

  • Genaue Trennung der Leistungen: Überlegen Sie genau, ob Sie ein Gesamtpaket anbieten oder ob es sich um mehrere selbstständige Leistungen handelt. Die Sicht des Durchschnittskunden ist hier entscheidend. Wenn Sie beispielsweise einen Töpferkurs anbieten und optional Materialverkauf oder eine Übernachtungsmöglichkeit, sind das wahrscheinlich getrennte Leistungen.
  • Hohe Hürden für „Bildungscharakter“: Verlassen Sie sich nicht darauf, dass jede Art von Unterricht automatisch steuerfrei ist. Der reine Freizeitcharakter muss widerlegt werden können durch klare Ausrichtung auf einen Beruf oder eine anerkannte Prüfung. Ein allgemeiner Fitnesskurs wird selten als Bildung gelten, ein zertifizierter Lehrgang zum Fitnesstrainer hingegen schon eher.
  • Formale Anerkennungen sind oft entscheidend: Für bestimmte Steuerbefreiungen, insbesondere im Bereich Jugendhilfe oder soziale Leistungen (wie Unterkunft und Verpflegung nach § 4 Nr. 23 UStG a.F.), ist oft eine formale Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter oder – nach aktuellerer Rechtslage für ähnliche Befreiungen – ggf. die Gemeinnützigkeit der Einrichtung notwendig. Eine typische Situation wäre ein freier Träger der Jugendhilfe, der Ferienlager veranstaltet. Ohne entsprechende Anerkennung könnten Beherbergungsleistungen steuerpflichtig sein.

Sicher durch den Umsatzsteuer-Dschungel: Praktische Konsequenzen für Anbieter

Das Urteil des BFH liefert wichtige Anhaltspunkte, wie Sie als Anbieter Ihre Leistungen umsatzsteuerlich korrekt einordnen und gestalten können. Es geht darum, Fallstricke zu vermeiden und rechtssicher zu agieren.

Leistungspakete schnüren oder trennen? Die Darstellung ist mitentscheidend

Wenn Sie verschiedene Leistungen anbieten, wie etwa einen mehrtägigen Workshop mit optionaler Unterbringung, sollten Sie in Ihren Verträgen und Rechnungen klar zwischen den einzelnen Komponenten unterscheiden, falls es sich um selbstständige Hauptleistungen handelt. Dies hilft nicht nur bei der korrekten Steuerberechnung, sondern schafft auch Transparenz für Ihre Kunden. Eine typische Fehlerquelle ist es, alles als „Gesamtpaket“ zu bezeichnen und pauschal von einer Steuerbefreiung auszugehen.

Bildungsanspruch nachweisen: Dokumentation ist der Schlüssel

Wenn Sie eine Steuerbefreiung für Bildungsleistungen in Anspruch nehmen wollen, müssen Sie den Bildungscharakter stichhaltig nachweisen können. Dazu gehören detaillierte Lehrpläne, Qualifikationsziele, Nachweise über die berufliche Relevanz (z.B. Vorbereitung auf staatlich anerkannte Prüfungen oder konkrete Berufe) und gegebenenfalls Bescheinigungen von zuständigen Behörden. Denken Sie daran: Die Beweislast liegt bei Ihnen als Unternehmer. Ein Fehler wäre es, sich allein auf die subjektive Einschätzung zu verlassen, dass der Kurs „bildend“ sei.

Der „soziale Charakter“ oder die Gemeinnützigkeit: Status prüfen und sichern

Für Leistungen, die unter Befreiungen wie die des (alten) § 4 Nr. 23 UStG fallen könnten, ist der Status Ihrer Einrichtung oft ausschlaggebend. Prüfen Sie, ob Sie die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter (nach altem Recht) erfüllen oder ob für vergleichbare aktuelle Befreiungen (z.B. nach § 4 Nr. 23 UStG n.F. oder § 4 Nr. 25 UStG) möglicherweise der Status als gemeinnützige Organisation erforderlich ist. Wenn ja, beantragen Sie die entsprechende Anerkennung bzw. stellen Sie die Gemeinnützigkeit sicher. Dies betrifft häufig Vereine oder GmbHs, die im sozialen oder Jugendbereich tätig sind.

Achten Sie stets darauf, Ihre Angebote genau zu analysieren und im Zweifel steuerlichen Rat einzuholen. Die Umsatzsteuer ist ein komplexes Feld, und die Rechtsprechung entwickelt sich ständig weiter. Das Urteil des BFH zeigt einmal mehr, dass allgemeine Annahmen trügerisch sein können und eine genaue Prüfung jedes Einzelfalls unerlässlich ist. Für Sie als Anbieter ist es wichtig zu verstehen, dass eine sorgfältige Planung und Dokumentation Ihrer Leistungsangebote entscheidend dafür sein kann, ob am Ende das Finanzamt an Ihrer Tür klingelt oder nicht. Das Urteil macht auch deutlich, dass das Finanzamt bei der Prüfung solcher Fälle sehr genau hinschaut, gerade wenn es um die Abgrenzung von Freizeit und Bildung geht – ein Bereich, der oft schwer zu greifen ist, ähnlich wie die Frage, wann ein Hobby zur Kunst wird. Es empfiehlt sich daher, die eigenen Angebote kritisch zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen, um unliebsame Überraschungen bei der nächsten Betriebsprüfung zu vermeiden. Anbieter von Sprachreisen für Schüler beispielsweise sollten genau prüfen, welcher Anteil auf den reinen Unterricht und welcher auf Freizeitprogramm und Beherbergung entfällt, und ob die Unterrichtsleistung die Kriterien für eine Bildungsbefreiung erfüllt.

Das Urteil des BFH dient als wichtige Richtschnur. Es zeigt, dass Steuerbefreiungen keine Selbstverständlichkeit sind, sondern an klare Voraussetzungen geknüpft sind. Die genaue Kenntnis dieser Voraussetzungen und eine saubere Dokumentation sind der beste Schutz vor späteren Steuernachforderungen.

Häufig gestellte Fragen zum BFH-Urteil: Reiterhof, Bildung und Freizeit

Nachfolgend beantworten wir die häufigsten Fragen zu unserem Artikel über das BFH-Urteil zur Umsatzsteuerpflicht von Reiterhof-Angeboten und dessen Auswirkungen für Sie.

FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Thema

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Mein Reitunterricht ist also meistens umsatzsteuerpflichtig. Gibt es Ausnahmen, wann er doch steuerfrei sein kann?

Ja, das Urteil bestätigt, dass Reitunterricht typischerweise als Freizeitgestaltung gilt und somit der Umsatzsteuer unterliegt. Eine Ausnahme kann jedoch bestehen, wenn der Unterricht klar als Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung eingestuft werden kann. Hierfür müssen strenge Kriterien erfüllt sein: Der Unterricht muss nachweislich und nicht nur theoretisch auf einen konkreten Beruf oder eine anerkannte Prüfung vorbereiten, die für einen Berufseinstieg relevant ist. Ein Beispiel hierfür war im Urteilsfall die „Große Pferdegruppe“, deren Unterricht vom Finanzgericht als Vorbereitung auf den Beruf des Turniersportreiters angesehen wurde – eine Einschätzung, die der BFH nicht verwarf. Die Hürden hierfür sind jedoch, wie der BFH betont, generell hoch.


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Warum wurde der Unterricht der „Großen Pferdegruppe“ im Urteil als steuerfrei eingestuft, obwohl Reitunterricht sonst meist als Freizeitvergnügen gilt?

Das ist ein wichtiger Punkt, der mit der Rolle des Bundesfinanzhofs (BFH) als Revisionsgericht zusammenhängt. Der BFH prüft vor allem Rechtsfragen und ist an die Tatsachenfeststellungen des vorinstanzlichen Finanzgerichts (FG) gebunden, solange diese nicht offensichtlich fehlerhaft oder denkunlogisch sind (§ 118 Abs. 2 FGO). Im Fall der „Großen Pferdegruppe“ hatte das Finanzgericht argumentiert, dass die Kurse auf Leistungsabzeichen vorbereiten, die Voraussetzung für eine Turniersportlizenz und somit für den Beruf des Turniersportreiters seien. Zudem nahmen viele Teilnehmer an Prüfungen teil und es lag eine Bescheinigung der Landesbehörde vor. Der BFH befand diese Würdigung des Finanzgerichts als „zumindest möglich“ und nicht willkürlich. Er hat also nicht selbst entschieden, dass dieser Unterricht zwingend steuerfrei ist, sondern die Einschätzung der Vorinstanz aufgrund der spezifischen Umstände und Beweise nicht beanstandet.


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Was ist mit Unterkunft und Verpflegung, die ich im Rahmen von Reiterferien oder Lehrgängen anbiete – sind diese jetzt immer umsatzsteuerpflichtig?

Nicht zwangsläufig immer, aber das Urteil hat hier eine wichtige Klarstellung getroffen. Im konkreten Fall waren Unterkunft und Verpflegung für die „Ponygruppe“ und „Klassenfahrten“ umsatzsteuerpflichtig. Der Grund lag darin, dass die Betreibergesellschaft (die K-GmbH) nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 23 UStG in der alten Fassung erfüllte, insbesondere weil sie nicht als „anerkannte Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter“ im Sinne des EU-Rechts galt. Für eine Steuerbefreiung solcher Leistungen ist es also oft entscheidend, dass die Einrichtung selbst bestimmte formale Anerkennungen besitzt. Es reicht nicht aus, dass man Jugendliche betreut oder unterrichtet; die Einrichtung muss oft einen offiziell bestätigten sozialen oder (nach neuerer Rechtslage für vergleichbare Befreiungen) gemeinnützigen Charakter haben.


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Das Urteil spricht davon, dass Reitunterricht und Unterkunft/Verpflegung „selbständige Hauptleistungen“ sind. Was bedeutet das für mich in der Praxis?

Diese Feststellung ist sehr bedeutsam. „Selbständige Hauptleistungen“ bedeutet, dass der Reitunterricht einerseits und die Unterkunft mit Verpflegung andererseits als zwei getrennte Dienstleistungen angesehen werden, die umsatzsteuerlich auch getrennt zu bewerten sind. Man kann also nicht pauschal sagen, „die Reiterferien insgesamt sind steuerfrei“, nur weil vielleicht der Unterrichtsanteil unter bestimmten Umständen befreit wäre. In der Praxis heißt das für Sie, dass Sie prüfen müssen, ob für jede dieser Teilleistungen (Unterricht, Unterkunft, Verpflegung) die Voraussetzungen für eine Umsatzsteuerbefreiung einzeln vorliegen. Oftmals wird, wie im Urteilsfall, der Unterricht steuerpflichtig sein (Ausnahmen siehe oben) und die Unterkunft/Verpflegung ebenfalls, es sei denn, Ihre Einrichtung erfüllt spezielle Voraussetzungen für eine Befreiung (z.B. anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter oder Gemeinnützigkeit).


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Welche konkreten Schritte sollte ich als Betreiber eines Reiterhofs oder eines ähnlichen Angebots nach diesem Urteil jetzt prüfen oder unternehmen?

Das Urteil liefert wichtige Denkanstöße, die Sie auf Ihre eigene Situation übertragen sollten. Im Kern geht es um eine sorgfältige Analyse und Dokumentation Ihrer Angebote:

  1. Leistungen trennscharf betrachten: Überprüfen Sie, ob Ihre Angebote (z.B. Kurs, Unterkunft, Verpflegung) als separate Leistungen zu sehen sind oder ob ein einheitliches Paket vorliegt. Die Sicht eines Durchschnittskunden und die Preisgestaltung sind hierfür Indizien.
  2. Bildungscharakter kritisch prüfen und belegen: Wenn Sie für Unterrichtsleistungen eine Steuerbefreiung anstreben, müssen Sie den reinen Freizeitcharakter widerlegen können. Dokumentieren Sie Lehrpläne, Qualifikationsziele, die berufliche Relevanz (z.B. Vorbereitung auf anerkannte Prüfungen) und holen Sie gegebenenfalls Bescheinigungen zuständiger Behörden ein.
  3. Status der Einrichtung klären: Für bestimmte Befreiungen, insbesondere bei Unterkunft und Verpflegung für Jugendliche oder soziale Dienstleistungen, ist oft ein formaler Status Ihrer Einrichtung (z.B. Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter nach altem Recht, Gemeinnützigkeit nach aktuelleren Regelungen) entscheidend. Prüfen Sie, ob Sie diese Voraussetzungen erfüllen und sichern Sie die entsprechenden Nachweise. Generell ist es nach diesem Urteil ratsam, die eigene umsatzsteuerliche Einstufung der Angebote zu überprüfen und im Zweifel qualifizierten steuerlichen Rat einzuholen.

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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.

BFH-Urteil: Klare Linien für Kursanbieter – Form und Nachweis entscheiden

Das BFH-Urteil sendet ein klares Signal weit über Reiterhöfe hinaus: Umsatzsteuerbefreiungen für Kurs- und Betreuungsangebote sind kein Selbstläufer. Entscheidend sind oft formale Anerkennungen und eine präzise Leistungsabgrenzung, nicht nur die Inhalte. Dies schafft zwar mehr Rechtssicherheit, erhöht aber zugleich die Anforderungen an die Anbieter.

Für Anbieter bedeutet dies: Eine sorgfältige Dokumentation und die genaue Prüfung des eigenen rechtlichen Status sowie der Angebotsstruktur sind essenziell, um teure Nachforderungen zu vermeiden. Das Urteil mahnt zur kritischen Selbstprüfung aller Leistungen unter der umsatzsteuerlichen Lupe, bevor das Finanzamt es tut.

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