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Unterlassungsanspruch gegenüber Sondereigentümer wegen Immissionen

Streit um Ruhe und Recht: Unterlassungsanspruch bei Sondereigentümer-Immissionen

Im Bereich des Wohnungseigentums können unterschiedliche Interessen und Rechte der Eigentümer aufeinandertreffen. Ein zentrales Thema, das dabei immer wieder in den Fokus rückt, ist der Unterlassungsanspruch gegenüber einem Sondereigentümer aufgrund von Immissionen. Hierbei geht es insbesondere um Störungen, die von einem individuellen Sondereigentum ausgehen und andere Eigentümer beeinträchtigen können. Diese Störungen, oft in Form von Geräuschimmissionen, können zu Konflikten führen, die nicht selten vor Gericht enden. Um solche Streitigkeiten zu vermeiden oder zu lösen, kann ein Schlichtungsverfahren in Betracht gezogen werden. Dabei spielt die Rechtsprechung eine entscheidende Rolle, um Klarheit in der Auslegung und Anwendung des Wohnungseigentumsgesetzes zu schaffen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.:1 S 282/16   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Urteil betont die Haftung von Sondereigentümern für Immissionen, insbesondere Lärm, die von ihrem Eigentum ausgehen. Es hebt die Bedeutung des Schlichtungsverfahrens vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung hervor und unterstreicht die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Regelung zur Erhaltung der sozialen Beziehungen zwischen den Parteien.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Unterlassungsanspruch: Sondereigentümer können für Immissionen, insbesondere Lärm, die von ihrem Eigentum ausgehen, haftbar gemacht werden.
  2. Schlichtungsverfahren: Vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung kann ein Schlichtungsverfahren erforderlich sein.
  3. Soziale Beziehungen: Es ist wichtig, die sozialen Beziehungen zwischen den Parteien wiederherzustellen und zu erhalten.
  4. Geräuschimmissionen: Eine lautstarke Geräuschimmission liegt vor, wenn der Lärm für einen Durchschnittsmenschen nicht mehr sozialadäquat ist.
  5. Anwendung des § 906 BGB: Dieser wird in solchen Konfliktsituationen angewendet, obwohl er nicht direkt zwischen den Parteien gilt.
  6. Prozessuale Zulässigkeit: Die Zulässigkeit einer Klage sollte nicht von unklaren Kriterien abhängen.
  7. Schlichtungserfordernis: Dieses entfällt nicht, wenn neben dem schlichtungsbedürftigen Antrag auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend gemacht werden.
  8. Bedeutung der außergerichtlichen Schlichtung: Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, den Anwendungsbereich der außergerichtlichen Schlichtung zu begrenzen oder darauf zu verzichten.

Was ist ein Sondereigentümer?

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht der Unterlassungsanspruch gegenüber einem Sondereigentümer wegen Immissionen, insbesondere Lärmimmissionen. Ein Sondereigentümer ist jemand, der das alleinige Recht an einer bestimmten Einheit innerhalb einer Wohnungseigentumsgemeinschaft besitzt, im Gegensatz zum Gemeinschaftseigentum, das allen Eigentümern gemeinsam gehört.

Die rechtlichen Herausforderungen bei Störungen

Unterlassungsanspruch bei Immissionen: Sondereigentümer
(Symbolfoto: megaflopp /Shutterstock.com)

Der Fall wurde ins Rollen gebracht, weil es zu Beeinträchtigungen kam, die von einem Sondereigentum ausgingen. Diese Beeinträchtigungen wurden als eine Störung „von außen“ betrachtet, da sie nicht von Gemeinschaftseigentum, sondern von einem individuellen Sondereigentum herrührten. Hierbei geht es um die Unterscheidung zwischen Störungen, die von Gemeinschaftseigentum und solchen, die von Sondereigentum ausgehen. Während Beeinträchtigungen, die vom Gemeinschaftseigentum ausgehen, oft gemeinsame Interessen betreffen, sind Beeinträchtigungen, die von Sondereigentum herrühren, oft individueller Natur und können zu Konflikten zwischen den Eigentümern führen.

Die Rolle des Schlichtungsverfahrens

Das rechtliche Problem in diesem Fall liegt in der Frage, ob und inwieweit ein Sondereigentümer für Immissionen, die von seinem Eigentum ausgehen, haftbar gemacht werden kann. Es geht auch darum, ob vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung ein Schlichtungsverfahren erforderlich ist.

Das Gericht hat in seiner Entscheidung die Anwendung des § 906 BGB in solchen Konfliktsituationen bestätigt. Es wurde festgestellt, dass die prozessuale Zulässigkeit einer Klage nicht von unklaren Kriterien abhängen sollte, wie der möglichen analogen Anwendung materiell-rechtlicher Normen. Es wurde auch betont, dass es wichtig ist, die sozialen Beziehungen zwischen den Parteien wiederherzustellen und zu erhalten, was eher durch eine einvernehmliche Regelung als durch eine gerichtliche Entscheidung erreicht werden kann.

Das Urteil und seine Bedeutung

Ein weiterer wichtiger Aspekt dieses Falles ist das Schlichtungserfordernis. Das Gericht hat festgestellt, dass ein Schlichtungsverfahren nicht entfällt, nur weil neben dem schlichtungsbedürftigen Antrag auch vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend gemacht werden. Es wurde auch klargestellt, dass es nicht Aufgabe der Gerichte ist, den Anwendungsbereich der außergerichtlichen Schlichtung zu begrenzen oder darauf zu verzichten.

Das Gericht hat auch die Frage der Geräuschimmissionen und deren Auswirkungen auf andere Wohnungseigentümer untersucht. Es wurde festgestellt, dass eine lautstarke Geräuschimmission vorliegt, wenn der Lärm nach dem Empfinden eines Durchschnittsmenschen nicht mehr sozialadäquat ist.

Das Fazit des Urteils ist, dass Sondereigentümer für Immissionen, die von ihrem Eigentum ausgehen, haftbar gemacht werden können. Es wurde auch betont, dass in solchen Fällen ein Schlichtungsverfahren erforderlich sein kann, bevor eine gerichtliche Auseinandersetzung eingeleitet wird. Das Urteil unterstreicht die Bedeutung der Erhaltung der sozialen Beziehungen zwischen den Parteien und betont die Notwendigkeit einer einvernehmlichen Regelung. Es hebt auch die Bedeutung des Schlichtungsverfahrens als Mittel zur Beilegung von Konflikten hervor.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Der Unterlassungsanspruch im Kontext von Lärmimmissionen und Wohnungseigentumsrecht

Der Unterlassungsanspruch ist ein rechtlicher Begriff, der das Recht einer Person beschreibt, von einer anderen Person zu verlangen, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen. Im Kontext von Lärmimmissionen und Wohnungseigentumsrecht bezieht sich der Unterlassungsanspruch auf die Forderung, bestimmte Lärmimmissionen zu verhindern. Ein Unterlassungsanspruch entsteht grundsätzlich, wenn sich jemand rechtswidrig verhalten hat. Dieser Anspruch ist im Recht der sich aus dem Gesetz ergebende Anspruch eines Berechtigten auf Unterlassung bestimmter rechtswidriger Handlungen eines Störers. Ein Unterlassungsanspruch ist schon dem damaligen Reichsgericht (RG) zufolge stets dann gegeben, wenn unerlaubtes Verhalten bereits verwirklicht wurde, weitere Eingriffe zu besorgen sind und mit einer Klage die Fortsetzung oder Vollendung der verübten Schädigung verhütet werden soll.

Im Kontext des Wohnungseigentumsrechts gewährt § 1004 BGB dem Eigentümer einen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch gegen den Störer. Dieser Anspruch kann geltend gemacht werden, wenn die Rechte eines Einzelnen durch einen Störer missachtet bzw. eingeschränkt werden. Ein Unterlassungsanspruch kann durch eine Unterlassungserklärung und eine Unterlassungsklage geltend gemacht werden. Bei der Unterlassungserklärung handelt es sich um einen zivilrechtlichen Vertrag. Ist eine solche außergerichtliche Einigung nicht möglich, kann der Anspruch auf Unterlassung aber auch vor Gericht eingeklagt werden.

Im Falle von Lärmimmissionen kann der Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden, wenn die Lärmimmissionen die Nutzung des Eigentums beeinträchtigen und rechtswidrig sind. Es ist zu beachten, dass ein Unterlassungsanspruch stets ausgeschlossen ist, wenn den Betroffenen eine Duldungspflicht trifft. Es ist auch wichtig zu beachten, dass ein Unterlassungsanspruch, der durch eine Unterlassungserklärung geltend gemacht wurde, keiner Verjährung unterliegt. Das bedeutet, dass eine Vertragsstrafe auf Sie zukommt, wenn Sie das abgemahnte Verhalten wiederholen, unabhängig davon, wann dies geschieht.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Unterlassungsanspruch ein wichtiges Instrument im Wohnungseigentumsrecht ist, um Lärmimmissionen zu verhindern und die Rechte der Wohnungseigentümer zu schützen. Es ist jedoch wichtig, die spezifischen Voraussetzungen und rechtlichen Grundlagen dieses Anspruchs zu verstehen, um ihn effektiv geltend machen zu können.

§ 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)  „Zuführung unwägbarer Immissionen“.

Der § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) regelt die Zuführung unwägbarer Stoffe, auch Immissionen genannt. Diese können Gase, Dämpfe, Gerüche, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkungen umfassen. Im Kontext von Wohnungseigentum und Lärmimmissionen ist dieser Paragraph besonders relevant. Wenn ein Wohnungseigentümer durch Lärm eines anderen Wohnungseigentümers in seinem Sondereigentum gestört wird, hat er einen Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 WEG sowie § 1004 BGB gegen den störenden Wohnungseigentümer.

Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht für die Unterlassung von Lärm- und Geruchsbeeinträchtigungen zuständig ist, sofern ein anderer Wohnungseigentümer hierdurch in der Nutzung seines Sondereigentums beeinträchtigt wird. Der beeinträchtigte Wohnungseigentümer muss seine Ansprüche alleine geltend machen.  Der § 906 BGB enthält auch Regelungen für den sogenannten nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch. Dieser Anspruch soll einen angemessenen Ausgleich in Geld gewähren, wenn Einwirkungen durch ortsübliche Benutzungen nach § 906 Abs. 2 S. 1 BGB geduldet werden müssen. Der Anspruch stellt eine Kompensation für den Ausschluss der Ansprüche aus § 1004 BGB und § 862 BGB dar. Es ist jedoch umstritten, ob der bloße Benutzer ebenfalls einen Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB geltend machen kann. Nach Ansicht der Rechtsprechung scheitert ein solcher Anspruch daran, dass dem bloßen Besitzer schon kein Anspruch aus § 1004 BGB oder § 862 Abs. 1 BGB wegen Rechten an einem Grundstück zustehen kann.

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Das vorliegende Urteil

LG Dortmund . Az.: 1 S 282/16 – Urteil vom 11.07.2017

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Marl vom 20.06.2016 – 34 C 34/15 – abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 218,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.12.2015 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.

II.

Die Berufung hat überwiegend Erfolg.

1. Rechtsfehlerhaft hat das Amtsgericht den Unterlassungsanträgen der Klägerin stattgegeben. Denn das Amtsgericht hätte die Klage als (zurzeit) unzulässig abweisen müssen, weil vor der Erhebung der Klage ein gemäß § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) JustG NRW erforderliches obligatorisches Schlichtungsverfahren unterblieben ist (vgl. LG Dortmund, Urt. v. 24.01.2017 – 1 S 166/16). Die Klage ist deshalb unheilbar unzulässig (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 336/03 Rn. 15 f., zitiert nach juris; LG Dortmund, a.a.O.; Urt. v. 08.06.2017 – 1 S 451/15), was die Kammer von Amts wegen zu berücksichtigen hat (vgl. Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. (2016), § 15a EGZPO Rn. 24; Gruber, in: MünchKomm-ZPO, 4. Aufl. (2013), § 15a EGZPO Rn. 4).

a) Es kann dahinstehen, ob sich der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch materiell-rechtlich auf § 1004 Abs. 1 i.V.m. §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG, § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 8, 9 LImSchG NRW oder § 862 BGB stützt. Denn auch in letzteren Fällen handelt es sich um eine Streitigkeit „über Ansprüche wegen der in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelten Einwirkungen“ i.S.d. § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) JustG NRW, weil der Streitgegenstand den sachlichen Regelungsbereich des § 906 BGB betrifft (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl. (2016), § 15a EGZPO Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Barth, ZPO, 6. Aufl. (2014), § 15a EGZPO Rn. 4; OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.05.2015 – 1 U 131/14 = BeckRS 2015, 10748 Rn. 23; OLG Köln, Beschl. v. 18.01.2006 – 2 U 113/05 Rn. 4 f., zitiert nach juris; LG Bückeburg, Urt. v. 07.11.2012 – 1 S 40/12 Rn. 19 f., zitiert nach juris; für die Beseitigung störender Äste und Wurzeln offengelassen von BGH, Urt. v. 10.07.2009 – V ZR 69/08 = NZM 2009, 628 Rn. 9; allgemein für „Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche“ BGH, Urt. v. 02.03.2012 – V ZR 169/11 = NZM 2012, 435 Rn. 7; a.A. ohne Begründung Stein/Jonas/Schlosser, 22. Aufl. (2002), § 15a EGZPO Rn. 7).

aa) Die von der Klägerin behaupteten Fernseh- und Musikgeräusche stellen „Geräusche“ i.S.d. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB dar (vgl. MünchKomm-BGB/Brückner, 7. Aufl. (2017), § 906 Rn. 136; Staudinger/Gursky (2016), § 906 Rn. 158). Das gilt gleichermaßen für die behaupteten, durch Türknallen, Möbelverrücken, Stöckelschuhe oder dem Herablassen von Rollläden verursachten Geräusche.

bb) Zwar findet § 906 BGB zwischen den Parteien keine unmittelbare Anwendung, weil die Vorschrift nach ihrem Wortlaut voraussetzt, dass die auf das Grundstück des Anspruchstellers einwirkende Störung von einem anderen Grundstück herrührt, es sich mithin um einen grenzüberschreitenden „Eingriff von außen“ handelt (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2013 – V ZR 230/12 = NZM 2014, 37 (38) Rn. 13). Der sachliche Regelungsbereich des § 906 BGB, die widerstreitenden Nutzungsinteressen von (Grundstücks-) Nachbarn zum Ausgleich zu bringen, ist indes gleichwohl eröffnet. Denn die Vorschrift ist entsprechend anzuwenden, weil das Sondereigentum der Klägerin durch Einwirkungen beeinträchtigt wird, die von dem benachbarten Sondereigentum der Beklagten ausgehen (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2013 – V ZR 230/12 = NZM 2014, 37 (38) Rn. 12). Anders als bei Beeinträchtigungen, die von dem Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümer ausgehen, geht es bei von Sondereigentum herrührenden Beeinträchtigungen nämlich ebenfalls um eine Beeinträchtigung „von außen“, weil sich insoweit strukturell keine gleichgerichteten Interessen gegenüberstehen. Die Berechtigung des Sondereigentümers, mit seinem „dinglich-gegenständlich abgegrenzten Gebäudeteil“ grundsätzlich nach Belieben zu verfahren und jeden anderen von Einwirkungen hierauf ausschließen zu können (vgl. § 13 Abs. 1 WEG), zeigt, dass das Sondereigentum – auch in der Wahrnehmung des Rechtsverkehrs – als eine Art Ersatzgrundstück fungiert (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2013 – V ZR 230/12 = NZM 2014, 37 (38 f.) Rn. 15).

cc) Ist für das Verhältnis der Sondereigentümer untereinander zumindest grundsätzlich auf die nachbarrechtlichen Regelungen zurückzugreifen (BGH, Urt. v. 25.10.2013 – V ZR 230/12 = NZM 2014, 37 (39) Rn. 19) und § 906 BGB entsprechend anzuwenden, sind keine Gründe ersichtlich, die Abwehr von durch Sondereigentümer veranlassten Immissionen von der Gütepflicht auszunehmen (vgl. Bärmann/Roth, 13. Aufl. (2015), Vorbem zu §§ 43 ff. Rn. 8 f.).

(1) Das Gesetz enthält weder in § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO noch in § 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) JustG NRW eine Einschränkung für WEG-Verfahren. Demgemäß sprechen sich weite Teile des Schrifttums für eine vorbehaltslose Anwendung des Schlichtungsverfahrens aus (vgl. NK-BGB/Heinemann, 3. Aufl. (2013), Vor §§ 43 ff. WEG Rn. 6; BeckOGK/Karkmann (Stand: 01.11.2016), § 43 Rn. 5; MünchKomm-BGB/Engelhardt, 7. Aufl. (2017), § 43 Rn. 31; Bärmann/Roth, WEG, 13. Aufl. (2015), Vorbem zu §§ 43 ff. Rn. 8 f.; Erman/Westermann, BGB, 14. Aufl. (2014), § 43 Rn. 1; BeckOK-WEG/Scheel, 41. Ed. (Stand: 01.02.2016), § 43 Rn. 1).

(2) Soweit das Schrifttum ein obligatorisches Schlichtungsverfahren für WEG-Streitigkeiten über den Gebrauch des Wohnungseigentums bisweilen ausdrücklich (etwa Palandt/Wicke, 76. Aufl. (2017), WEG Vorb v § 43 Rn. 2; jurisPK-BGB/Reichel-Scherer, 7. Aufl. (2014), § 43 Rn. 15) oder dadurch schlüssig ablehnt, dass ein vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren lediglich für § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGZPO adressiert wird (vgl. Jennißen/Suilmann, WEG, 5. Aufl. (2017), § 43 Rn. 10; Spielbauer/Then/Then, WEG, 2. Aufl. (2012), Vor § 43 Rn. 3), entbehrt diese Auffassung jeder Begründung.

(3) Dem vereinzelten Einwand, Streitigkeiten zwischen Wohnungseigentümern unterfielen nicht § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EGZPO, weil die §§ 906 ff. BGB zwischen Wohnungseigentümern nach der Rechtsprechung zu § 1004 BGB, §§ 15 Abs. 3, 14 Nr. 1 WEG keine Anwendung fänden (Harz/Riecke/Schmid/Abramenko, Handbuch des Fachanwalts Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 5. Aufl. (2015), Kap. 35 Rn. 21), vermag die Kammer nicht zu folgen, weil es bei der Frage eines vorgeschalteten obligatorischen Schlichtungsverfahrens nicht auf die formale Wahl der Anspruchsgrundlage oder ihre Hilfsnormen, sondern allein auf den materiellen Gehalt der jeweiligen vertypten Konfliktlage ankommen kann. In Konfliktlagen – wie der streitgegenständlichen – wendet die Rechtsprechung die Vorschrift des § 906 BGB indes analog an (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2013 – V ZR 230/12 = NZM 2014, 37) und bezieht die landesrechtlichen Vorschriften der Nachbargesetze aufgrund ihrer Leitbildfunktion in die Abwägung der gegenseitigen Interessen ausdrücklich ein, auch wenn es sich nicht um eine pauschale analoge Anwendung der nachbarrechtlichen Vorschriften handeln soll (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 21.10.2002 – 15 W 77/02 = NJW-RR 2003, 230 (231)).

(4) Die im Schrifttum geäußerten Bedenken, die prozessuale Zulässigkeit einer Klage dürfe nicht von derart vagen Kriterien wie der möglichen analogen Anwendung materiell-rechtlicher Normen abhängen, weil der Prozess sich mit derartigen Rechtsunsicherheiten nicht vertrage (vgl. Bärmann/Seuß/Bonifacio, Praxis des Wohnungseigentums, 6. Aufl. (2013), Kap. F Rn. 49a), teilt die Kammer nicht. Denn ist über die entsprechende Anwendung des § 906 BGB zwischen Sondereigentümern nunmehr höchstrichterlich entschieden und deshalb eine Streitigkeit über Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen auch bei prozessierenden Sondereigentümern gegeben, kann von einer zu besorgenden Rechtsunsicherheit keine Rede sein.

(5) Nach Auffassung der Kammer trifft der vordergründige Zweck der §§ 15a Abs. 1S. 1 Nr. 2 EGZPO, 53 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) JustG NRW, die Abwehr nachbarverursachter Immissionen gütepflichtig zu machen, für das Verhältnis zwischen Wohnungseigentümern gleichermaßen zu (vgl. Bärmann/Seuß/Bonifacio, Praxis des Wohnungseigentums, 6. Aufl. (2013), Kap. F Rn. 49a). Denn auch bei der Beilegung dieser Streitigkeiten muss im Vordergrund stehen, die Sozialbeziehung zwischen den Parteien wiederherzustellen und zu erhalten, was eher durch eine einverständlich getroffene zukunftsorientierte Regelung erreicht werden kann als durch eine gerichtliche Entscheidung (vgl. BT-Drs. 13/6398, S. 36; 14/980, S. 6; LTNRW-Drs. 12/4614, S. 34). Überdies kann auch der Zweck, Verfahrenskosten und Gerichtsbelastung insgesamt und auf lange Sicht zu verringern sowie bestimmte Konflikte einer raschen Lösung zuzuführen, durch ein obligatorisches Schlichtungsverfahren in den Fällen des § 43 WEG erreicht werden (vgl. AG Düsseldorf, Urt. v. 30.06.2010 – 291a C 1995/10 = ZWE 2011, 142 (143) für Verfahren nach § 43 Nr. 5 WEG).

(6) Die Kammer verkennt nicht, dass es sich bei den Bestimmungen der §§ 15a EGZPO, 53 Abs. 1 JustG NRW um Regelungen handelt, welche den Zugang zu den ordentlichen Gerichten erschweren und daher mit Blick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG resultierende Justizgewährungspflicht eng auszulegen sind. Zudem hat die Kammer in ihre Erwägungen einbezogen, dass mit der Wohnungseigentümerversammlung ein Organ der Wohnungseigentümergemeinschaft vorhanden ist, das ebenfalls als Forum für eine außergerichtliche Beilegung von Konflikten dienen kann. Gleichwohl ist die Kammer der Auffassung, dass die in den §§ 15a EGZPO, 53 Abs. 1 JustG NRW adressierte Konfliktlage, die Gesetzgeber bei Schaffung dieser Vorschriften vor Augen hatte, auch bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft gegeben und es dem erkennenden Gericht deshalb verwehrt ist, den streitgegenständlichen Sachverhalt von dem Anwendungsbereich dieser Vorschriften auszunehmen. Im kritisch denkenden Gehorsam achtet die Kammer die gesetzgeberische Einschätzungsprärogative, durch die Beteiligung einer neutralen und auf eine eigenverantwortliche Konfliktbewältigung setzende Instanz lasse sich womöglich eine friedliche und nachhaltige Beilegung der Streitigkeit erreichen, die weder im Rahmen einer nach Mehrheitsverhältnissen abstimmenden Wohnungseigentümerversammlung noch in einem Gerichtssaal herbeigeführt werden könnte.

b) Das Schlichtungserfordernis entfällt auch nicht deshalb, weil die Klägerin neben den schlichtungsbedürftigen Unterlassungsanträgen zugleich vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten verlangt, für deren Geltendmachung ein Schlichtungsverfahren nicht vorgesehen ist (vgl. BGH, Urt. v. 07.07.2009 – VI ZR 278/08 Rn. 10, zitiert nach juris; LG Dortmund, Urt. v. 08.06.2017 – 1 S 451/15; Urt. v. 13.06.2017 – 1 S 208/16).

Die objektive Klagenhäufung hat gemäß § 260 ZPO nach der gesetzlichen Regelung als solche keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der einzelnen Anträge, denn die gesetzliche Terminologie der Zivilprozessordnung spricht insoweit von „Klagen“. Jeder Sachantrag ist deshalb gesondert auf seine Zulässigkeit hin zu prüfen (Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. (2016), § 260 Rn. 1a; Becker-Eberhard, in: MünchKomm-ZPO, 5. Aufl. (2016), § 260 Rn. 32; LG Passau, Urt. v. 25.09.2008 – 1 S 74/08 Rn. 15, zitiert nach juris).

Ein anderes gilt nur in den Fällen, in denen eine Zulässigkeitsvoraussetzung gerade an das Vorliegen mehrerer selbstständiger Anträge anknüpft, wie dies etwa bei den Vorschriften der §§ 5, 25 ZPO geschieht (LG Passau, a.a.O.). Das ist für die hier streitgegenständlichen Unterlassungsanträge indes nicht der Fall. Denn § 15a EGZPO und die entsprechende landesrechtliche Ausgestaltung in § 53 JustG NRW machen das Schlichtungserfordernis vom Vorliegen einer „Streitigkeit“ über „Ansprüche wegen der in § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuches geregelten Einwirkungen“ abhängig. Nach dem Wortlaut des § 53 JustG NRW handelt es sich um eine streitgegenstandsbezogene Zulässigkeitsvoraussetzung, die folglich für jeden Antrag gesondert zu prüfen ist (vgl. LG Passau, a.a.O.). Insbesondere würde die Gefahr bestehen, das Schlichtungserfordernis gänzlich zu unterlaufen, wenn sich der Kläger bereits dadurch dem obligatorischen Schlichtungsverfahren entziehen könnte, dass er neben dem schlichtungsbedürftigen Antrag zugleich die angefallenen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten geltend macht.

c) Ein rechtlicher Grund von der Zulässigkeitsvoraussetzung Schlichtungsverfahren – im Wege teleologischer Reduktion – jedenfalls für den hier gegebenen Fall abzuweichen, in dem ein gerichtlicher Vergleichsvorschlag bereits abgelehnt worden ist, besteht nicht.

aa) Die Zielsetzung der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen, und neben der Entlastung der Justiz durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen, kann nur erreicht werden, wenn die Verfahrensvorschrift des § 15a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, dass die Rechtsuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlichtungsstellen beschreiten müssen (BGH, Urt. v. 07.07.2009 – VI ZR 278/08 Rn. 7, zitiert nach juris).

bb) Die Kammer verkennt nicht, dass angesichts des bereits abgelehnten gerichtlichen Vergleichsvorschlags ein Scheitern des von den Parteien vor einer erneuten Klageerhebung durchzuführenden Schlichtungsverfahrens zu besorgen ist. Gleichwohl ist es nicht Aufgabe der Gerichte, sondern des Gesetzgebers, den Anwendungsbereich der außergerichtlichen Schlichtung zu begrenzen oder völlig auf diese zu verzichten. Der Gesetzgeber hat eine Ausnahme von dem Schlichterfordernis für den Fall, dass ein ohne Durchführung des Schlichtungsverfahrens angerufenes Gericht bereits auf Anregung einer Partei erfolglos einen gerichtlichen Vergleichsvorschlag unterbreitet hat, indes nicht vorgesehen. Eine solche Ausnahme berge auch die Gefahr, das Schlichtungserfordernis zu unterlaufen. Denn würde eine entsprechende Ausnahme anerkannt, könnte ein Kläger, der die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens vor Klageerhebung versäumt hat, durch die Anregung eines gerichtlichen Vergleiches die Zulässigkeit seiner Klage nachträglich herstellen, ohne dass für ihn Anlass bestünde, vor Klageerhebung überhaupt ein Schlichtungsverfahren durchzuführen.

2. Soweit die Beklagten verurteilt worden sind, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 258,17 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 13.12.2015 zu zahlen, hat die Berufung in Höhe von 39,45 Euro Erfolg.

a) Zwar steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB (vgl. OLG Koblenz, Urt. v. 01.06.2011 – 1 U 1299/10 = BeckRS 2012, 05725; Herrler, in: Palandt, 76. Aufl. (2017), § 1004 Rn. 48 f.) bzw. § 823 Abs. 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB zu, weil die Beklagten ihren der Klägerin gegenüber bestehenden Unterlassungspflichten (auf deren Mahnungen) nicht nachgekommen sind und die nachträgliche Einschaltung des Prozessbevollmächtigten zur Verfolgung und Durchsetzung der berechtigten Ansprüche der Klägerin erforderlich war. Die Klägerin kann Schadensersatz jedoch nur unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes in Höhe von 3.500,00 Euro geltend machen, weil das Amtsgericht rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen hat, dass der Klägerin gegen beide Beklagten kein Anspruch auf Unterlassen von Türknallen sowie gegen den Beklagten zu 1) kein Anspruch darauf zusteht, es zu unterlassen, während bestimmter Zeiten Stöckelschuhe in der Wohnung zu tragen. Ein entsprechendes Verhalten hat die Klägerin – wie die Berufung zu Recht einwendet – bereits nicht dargelegt. Insbesondere haftet der Beklagte zu 1) nicht nach den Grundsätzen des Zustandsstörers für die von der Beklagten zu 2) aufgrund ihres Schuhwerks verursachten Geräuschimmissionen.

Dabei ist die Kammer davon ausgegangen, dass auf jeden der gegen die zwei Beklagten jeweils geltend gemachten fünf Unterlassungsansprüche ein Streitwert von 500,00 Euro entfällt, was mithin einem Gesamtstreitwert von 5.000,00 EUR entspricht.

aa) Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht angenommen, die Beklagten seien der Klägerin gegenüber jeweils gemäß §§ 1004 Abs. 1 BGB, 15 Abs. 3 WEG verpflichtet, es in der Zeit zwischen 22:00 Uhr und 06.00 Uhr sowie zwischen 13:00 Uhr und 15:00 Uhr zu unterlassen, Musikabspielgeräte sowie den Fernseher lauter als auf Zimmerlaustärke zu betreiben, sowie in diesen Zeiten lautstark Möbel zu verrücken oder die Rollläden lautstark zu betätigen. Des Weiteren ist die Beklagte zu 2) der Klägerin gegenüber verpflichtet, sicherzustellen, dass durch ihr Umherlaufen in der Wohnung mit Stöckelschuhen während der vorgenannten Ruhezeiten keine lautstarken Lärmbelästigungen ausgehen.

Die Berufungsangriffe auf die amtsgerichtliche Beweiswürdigung bleiben insoweit ohne Erfolg.

Die Kammer darf die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts nur eingeschränkt überprüfen. Lediglich die unterlassene oder fehlerhafte Erfassung von Tatsachen durch Verletzung materiellen Rechts (z.B. Verkennung der Beweislast), die fehlerhafte Tatsachenfeststellung aufgrund von Verfahrensfehlern (z.B. Verletzung der Hinweispflicht) oder die sonstige Fehlerhaftigkeit des Beweisergebnisses (beispielsweise eine nicht erschöpfende Beweisaufnahme oder Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen) kann die Notwendigkeit erneuter Feststellungen gebieten. Erschöpft sich die Berufung – wie hier – in einem Angriff auf die Beweiswürdigung, so muss sie schlüssig konkrete Anhaltspunkte aufzeigen, die Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung begründen, so dass sich eine erneute Beweisaufnahme aufdrängt.

Diesen Anforderungen werden die Berufungsangriffe nicht gerecht.

(1) Soweit die Berufung rügt, das Amtsgericht habe verkannt, dass die Aussage der Zeugin G für die von der Klägerin genannten Lärmbeeinträchtigungen nicht ergiebig war, ist der Einwand bereits deshalb nicht geeignet, einen Rechtsfehler der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen, weil das Amtsgerichts seine Entscheidung ausweislich der Entscheidungsgründe nicht auf die Aussage der Zeugin G gestützt hat. Dessen ungeachtet ist diese Auffassung überdies falsch.

(a) Zwar hat sich die Zeugin tatsächlich wie von den Beklagten in den Berufungsbegründung zitiert, dahin geäußert, dass sie aus eigener Kenntnis nichts zu etwaigen Ruhestörungen der Beklagten sagen könne, weil sie nicht vor Ort gewesen sei, um sich die behauptete Lärmbelästigung anzuhören.

(b) Gleichwohl hat die Zeugin auf Vorhalt eingeräumt, das Schreiben an die Klägerin vom 18.03.2015 verfasst zu haben, in welchen sie der Klägerin mitteilte, der Beklagte zu 1) habe ihr gegenüber versprochen, künftig die Nachtruhe einzuhalten und auf die anderen Eigentümer Rücksicht zu nehmen. Zudem hat die Zeugin bekundet, heute nicht mehr ausschließen zu können, dass sie persönlich mit dem Beklagten zu 1) gesprochen habe, weil sie jeden Tag mit Mietern und Eigentümern spreche und der Sachverhalt am Tag ihrer Vernehmung am 14.03.2016 bereits einige Zeit her gewesen sei.

(2) Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründet auch der Einwand der Berufung nicht, die Zeugin L habe zwar angegeben, Geräusche aus der Wohnung der Beklagten in ihrer Wohnung gehört zu haben. Ob es sich dabei indes gerade um die Geräusche gehandelt habe, welche die Klägerin wahrgenommen haben wolle, habe die Zeugin nicht bestätigen können, insbesondere habe die Zeugin darauf hingewiesen, nach 22:00 Uhr den Fernseher und Musik nicht gehört zu haben.

(a) Die Berufung zeigt insoweit keinen Widerspruch zwischen den amtsgerichtlichen Entscheidungsgründen und der protokollierten Zeugenaussage auf. Denn das Amtsgericht hat die Aussage der Zeugin L für die Beurteilung herangezogen, ob die von den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2016 zugestandenermaßen verursachten Geräusche geeignet waren, andere Wohnungseigentümer zu stören. Das hat die Zeugin L ohne Einschränkung für das nächtliche Herablassen der Rollläden und Verrücken von Gegenständen bzw. Möbelstücken sowie für von der Wohnung tagsüber ausgehende laute Musik bestätigt. Dass nach 22:00 Uhr ebenfalls Störungen durch Fernsehen bzw. Musik von der Wohnung der Beklagten ausgingen, hat das Amtsgericht in den Entscheidungsgründen demgegenüber nicht ausgeführt.

(b) Ein Rechtsfehler der Entscheidung folgt auch nicht daraus, dass das Amtsgericht in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich erwähnt hat, die Zeugin habe zu den klägerseits behaupteten nächtlichen Fernseh- und Musikimmissionen nach eigenem Bekunden keine Angaben machen können, weil sie nach 22:00 Uhr bereits zu Bett gegangen sei und überdies die aus der Wohnung der Beklagten kommenden Geräusche im Schlafzimmer nicht wahrgenommen habe. Denn das Amtsgericht durfte sich bei Abfassung der Entscheidungsgründe auf die für den Entscheidungsausgang wesentlichen Aspekte beschränken (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.7.2016 – 1 BvR 1225/15 = BeckRS 2016, 51731 Rn. 11).

(3) Ohne Erfolg greift die Berufung weiterhin die amtsgerichtliche Würdigung der Aussage des Zeugen T an. Denn weder ist ein nach Auffassung der Berufung vorhandener Widerspruch zwischen den Entscheidungsgründen und der protokollierten Aussage des Zeugen tatsächlich gegeben noch ist die Aussage des Zeugen für die klägerseits behaupteten Ruhestörungen unergiebig.

(a) Soweit die Berufung einwendet, der Zeuge habe keine eigenen Wahrnehmungen über die Geräuschentwicklung in der Wohnung der Klägerin gemacht, ist dies zwar richtig. Die Aussage des Zeugen war für die Beurteilung der Frage, ob die von den Beklagten verursachten Geräusche geeignet waren, andere Wohnungseigentümer zu stören, indes gleichwohl erheblich. Denn der Kammer erschließt sich nicht, weshalb das Amtsgericht keinen Rückschluss aus den von dem Zeugen in seiner Erdgeschosswohnung gemachten Wahrnehmungen über die von den Beklagten ausgehenden Geräuschimmissionen habe ziehen dürfen, die auf die Wohnung der Klägerin gewirkt haben. Vielmehr legt die bekundete Wahrnehmung von Geräuschimmissionen auch in der Erdgeschosswohnung gerade nahe, dass entsprechende Immissionen auch auf die Wohnung der Klägerin eingewirkt haben.

(b) Unerfindlich bleibt der von der Berufung reklamierte Widerspruch zwischen den amtsgerichtlichen Entscheidungsgründen und der protokollierten Aussage des Zeugen T. Denn der Zeuge hat – wie das Amtsgericht in den Entscheidungsgründen zutreffend ausgeführt hat – bekundet, nachts insbesondere das Möbelverrücken sowie das nach seiner Ansicht über das erforderliche Maß hinaus laute Herablassen der Rollläden als störend zu empfinden. Überdies hat der Zeuge angegeben, tagsüber gelegentlich jedes Wort aus dem Radio verstehen zu können und auch nachts bisweilen den Fernseher in einer seinen Schlaf störenden Weise zu hören.

(4) Keinen Rechtsfehler zeigt die Berufung auf, soweit sie vorbringt, das Amtsgericht habe außer Acht gelassen, im Rahmen des Ortstermins bei dem Herunterlassen des Rollos keine laute Geräuschentwicklung und den Fernseher der Beklagten auch bei einer Lautstärkeneinstellung von 60% in der Wohnung der Klägerin nicht wahrgenommen zu haben. Denn war das Amtsgericht aufgrund des zugestandenen Klägervortrags über die von den Beklagten zu den protokollierten Zeiten verursachten Geräusche bereits gehindert, ohne Verstoß gegen Denkgesetze zu der Feststellung zu gelangen, dass die von den Beklagten verursachten Geräusche in der Wohnung der Klägerin zu der protokollierten Zeit nicht wahrnehmbar waren, haben die Zeugen L und T die Geräuschimmissionen auch in ihrer Wohnung bestätigt, was im Umkehrschluss bedeutet, dass der Fernseher auf eine Lautstärke von über 60% gestellt worden bzw. die Rollläden unachtsam herunter gelassen sein worden müssen.

bb) Soweit die Berufung weiter einwendet, der Urteilstenor und Klageantrag seien angesichts des verwendeten Ausdrucks „lautstark“ nicht i.S.d. des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bestimmt, und meint, vor diesem Hintergrund stünde der Klägerin kein entsprechender Unterlassungsanspruch zu, verfängt der Einwand nicht.

(1) Zwar besteht bei einer ausfüllungsbedürftigen Tenorierung die Gefahr, das Vollstreckungsverfahren mit weiteren Streitigkeiten zu belasten (Gursky, in: Staudinger (2012), § 1004 Rn. 237; Spohnheimer, in: BeckOGK (Stand: 01.05.2017), § 1004 Rn. 292.1). Auch wird durch die Zulassung weitgehender Anträge und einer großzügigen Antragsauslegung durch das Gericht dem Kläger ohne Not das Kostenrisiko abgenommenen, weil er mehr beantragen kann, als ihm zusteht, ohne besorgen zu müssen, mit seinem Antrag im Übrigen abgewiesen zu werden (vgl. Spohnheimer, in: BeckOGK (Stand: 01.05.2017), § 1004 Rn. 292.1).

(2) Gleichwohl ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass es bei der Abwehr störender Lärmimmissionen weder im Tenor noch im Klageantrag der Angabe einer Phonzahl oder einer dB-Zahl bedarf – mag diese Angabe auch sinnvoll und erstrebenswert sein (vgl. BGH, Urt. v. 05.02.1993 – V ZR 62/91 Rn. 11, zitiert nach juris; Spohnheimer, in: BeckOGK (Stand: 01.05.2017), § 1004 Rn. 292.3). Die Besonderheiten der immissionsschutzrechtlichen Unterlassungsklage erfordern eine hinsichtlich den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ebenso gesonderte Behandlung. Denn es ist vielfach unmöglich, mit Worten das Maß unzulässiger Einwirkungen so zu bestimmen, dass der Beeinträchtigte hinreichend geschützt wird und nicht schon eine geringfügige Änderung der Einwirkung trotz einer fortdauernden nicht zu duldenden Belästigung das Verbot hinfällig macht (BGH, a.a.O.).

(a) Sind nach § 906 BGB Geräuschimmissionen so lange hinzunehmen, wie sie den (Sonder-)Eigentümer nur unwesentlich beeinträchtigen und sind sie überdies auch bei Wesentlichkeit dann zu dulden, wenn sie ortsüblich und nicht durch zumutbare wirtschaftliche Maßnahmen zu vermeiden sind (Spohnheimer, in: BeckOGK (Stand: 01.05.2017), § 1004 Rn. 292), bedürfen sowohl der Klageantrag als auch Urteilstenor einer Fassung, der einer wertenden Beurteilung zugänglich ist. Vor diesem Hintergrund ist der Begriff der „Zimmerlautstärke“ für die Urteilstenorierung anerkannt.

Zwar existiert kein Messgerät, das anzeigt, wann diese „Zimmerlautstärke“ überschritten wird. Auch ist mit diesem Grenzwert nicht gemeint, dass keinerlei Geräusche aus einer Wohnung herausdringen dürfen. Die „Zimmerlautstärke“ wird nach allgemeiner Lebenserfahrung jedoch dann überschritten, wenn Bewohner anderer Wohnungen durch die Geräusche gestört werden (vgl. LG Dortmund, Urt. v. 14.06.2017 – 1 S 62/16; OLG München, Urt. v. 03.09.1991 – 25 U 1838/91 = NJW-RR 1991, 1492 (1493); AG Brandenburg, Urt. v. 24.05.2017 – 31 C 125/16, BeckRS 2017 = 110791 Rn. 86).

(b) Nichts anderes gilt für den Ausdruck „lautstark“. Dieser Ausdruck hat ebenso Eingang in die Gerichtspraxis gefunden (vgl. LG Köln, Urt. v. 30.10.2008 – 6 S 403/07 = BeckRS 2009, 04995), um dem wertausfüllungsbedürftigen Ausdruck der wesentlichen Beeinträchtigung Rechnung zu tragen. Eine lautstarke Geräuschimmission ist gegeben, wo der Lärm nach seinem individuellen Zuschnitt nicht mehr sozialadäquat ist, d.h. nach dem Empfinden eines „verständigen“ Durchschnittsmenschen nicht mehr hinzunehmen ist (vgl. LG Köln, a.a.O.).

(3) Schließlich würde der Urteilstenor der angefochtenen Entscheidung auch dann keine die Vollstreckung erleichternde Konkretisierung erfahren, wenn die Beklagten verurteilt würden, „ruhestörenden Lärm“ zu unterlassen.

cc) Soweit der Klageantrag und Urteilstenor aufgrund der Verurteilung der Beklagten zu 2), nicht mit Stöckelschuhen in der Wohnung umherzulaufen, über den materiell-rechtlich aus § 1004 Abs. 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG bzw. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB bestehenden Anspruch der Klägerin hinaus gehen, weil der Beklagten zu 2) selbst überlassen ist, wie sie die durch ihre Stöckelschuhe hervorgerufenen lautstarken Geräusche unterbindet und eine entsprechende Verurteilung deshalb in dieser Weise nicht hätte erfolgen dürfen (vgl. Spohnheimer, in: BeckOGK (Stand: 01.05.2017), § 1004 Rn. 290), ist dies für den Zahlungsantrag ohne Belang, weil insoweit eine geringfügige Zuvielforderung vorliegt und die Beklagte sich zur Durchsetzung ihres auch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB folgenden Unterlassungsanspruchs der Hilfe eines Rechtsanwalts zu Durchsetzung ihrer Forderung bedienen durfte (vgl. BGH, Urt. v. 10.01.2006 – VI ZR 43/05 = NJW 2006, 1065 Rn. 5).

dd) Unter Berücksichtigung der von der Klägerin zugrunde gelegten Berechnung der Rechtsverfolgungskosten (vgl. § 308 Abs. 1 ZPO) kann die Klägerin eine 0,65-Geschäftsgebühr in Höhe von 163,80 Euro zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 20,00 Euro sowie 19 % Umsatzsteuer in Höhe von 34,92 Euro, insgesamt also 218,72 Euro verlangen. Denn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind bei einem lediglich teilweise bestehenden Hauptanspruch unter Zugrundelegung des für begründet erachteten Teils zu berechnen (BGH, Urt. v. 09.03.2011 – VIII ZR 132/10 = NJW 2011, 1222 (1224) Rn. 20).

b) Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 291 BGB. Soweit die Klägerin Zinsen bereits seit Rechtshängigkeit, mithin seit dem 12.12.2016 beantragt hat (§§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO), hat das Amtsgerichts die Klage zu Recht abgewiesen, § 187 Abs. 1 BGB analog.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

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