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Urlaubsanspruch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit – Verfall

Landesarbeitsgericht Niedersachsen

Az: 6 Sa 348/11

Urteil vom 16.09.2011


In dem Rechtsstreit hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 16. September 2011 für Recht erkannt:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 09.02.2011 – 2 Ca 479/10 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um die Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubes und des Zusatzurlaubes nach § 125 Abs. 2 SGB IX aus dem Jahr 2006.

Der am 00.00.1965 geborene Kläger war vom 01.08.1982 – 31.12.2009 bei der Beklagten im Wasser- und Schifffahrtsamt in C-Stadt beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich u. a. nach den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst (Bund). Vom 20.02.2006 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 20.03.2006 ist er als Schwerbehinderter anerkannt im Sinne von § 2 Abs. 2 SGB IX.

Mit Schreiben vom 07.04.2009 hatte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31.10.2009 aus personenbedingten Gründen gekündigt. Auf die daraufhin vom Kläger eingereichte Kündigungsschutzklage stellte das Arbeitsgericht Lingen mit Urteil vom 27.04.2009 (2 Ca 287/09) fest, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 07.04.2009 zwar nicht zum 31.10.2009, aber mit Ablauf des 31.12.2009 sein Ende gefunden hat. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Berufung wies das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (16 Sa 1463/09) mit Urteil vom 05.02.2010 zurück.

Mit Schreiben vom 23.03.2010 (vgl. Bl. 5 und 6 d. A.) machte der Kläger gegenüber der Beklagten u. a. die Abgeltung der Resturlaubsansprüche für das Kalenderjahr 2006 geltend. Mit Schreiben vom 28.05.2010 berief sich die Beklagte u. a. gegenüber den Urlaubsansprüchen für das Jahr 2006 auf die Verjährung.

Mit seiner am 14.09.2010 beim Arbeitsgericht Lingen eingereichten Klage nimmt der Kläger die Beklagte u. a. auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs von 20 Urlaubstagen zzgl. des zeitanteiligen Zusatzurlaubes gemäß § 125 SGB IX in Höhe von 4 Urlaubstagen in Höhe von insgesamt 2.064,75 € brutto in Anspruch.

Mit Urteil vom 09.02.2010 hat das Arbeitsgericht Lingen die Beklagte u. a. dazu verpflichtet, an den Kläger als Abgeltung für den im Jahre 2006 infolge der Erkrankung nicht genommenen gesetzlichen Mindesturlaub einschließlich des anteiligen Zusatzurlaubes 2.064,75 € brutto nebst Zinsen zu zahlen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass der Urlaubsabgeltungsanspruch erst mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses als reiner Geldanspruch entstehe und der Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2006 während der dauerhaften krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Klägers im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht der Verjährung unterlegen habe.

Gegen dieses ihr am 18.02.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 15.03.2011 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung unter dem 03.05.2011 begründet.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass dem Kläger für das Jahr 2006 kein Abgeltungsanspruch zustehe. Dieser sei verjährt. Anknüpfungspunkt für den Lauf von Ausschluss- und Verjährungsfristen sei das Ende des jeweiligen Urlaubsjahres. Maßgebliche Vorschrift sei zudem Art. 9 des Übereinkommens 132 über den bezahlten Jahresurlaub 1970 der internationalen Arbeitsorganisation. Der Arbeitnehmer, der im Urlaubsjahr den Jahresurlaub wegen Arbeitsunfähigkeit nicht nehmen könne, habe den Abgeltungsanspruch innerhalb der Ausschluss- und Verjährungsfristen gerechnet ab dem Ende des Urlaubsjahres geltend zu machen. Andernfalls würde es „ewige“ Urlaubsabgeltungsansprüche geben und die Arbeitgeber wären mit einem Bruttogehalt pro Arbeitsunfähigkeitsjahr aufbauenden Urlaubsabgeltungsrückständen von dauerhaft erkrankten oder erwerbsgeminderten Arbeitsverhältnissen konfrontiert und letztendlich zu deren Kündigung gezwungen. Dieses Ergebnis sei sozialpolitisch unerwünscht. Deshalb räume der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 20.01.2009 den Mitgliedsstaaten ein, durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten die Modalitäten des Anspruches auf bezahlten Jahresurlaub zu regeln und auch den Verlust dieses Anspruches vorzusehen, sofern der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit habe, den ihm mit der Richtlinie 2003/88 verliehenen Anspruch ausüben zu können. Vorsorglich werde geltend gemacht, dass der nach Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 verfallene Urlaub nicht zu einem Urlaubsabgeltungsanspruch führen könne.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichtes Lingen vom 09.02.2011 – 2 Ca 479/10 – teilweise abzuändern und die Klage in Höhe von 2.064,75 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.09.2010 abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, soweit diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren und auf die in der mündlichen Verhandlung abgegebenen wechselseitigen Erklärungen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

A. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO; die Berufung ist damit zulässig.

B. Sie ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht Lingen hat die Beklagte zu Recht dazu verurteilt, an den Kläger eine Abgeltung in unstreitiger Höhe von 2.064,75 € nebst Zinsen für den aus krankheitsbedingten Gründen im Jahre 2006 nicht genommenen gesetzlichen Mindesturlaub und Zusatzurlaub nach § 125 Abs. 2 SGB IX zu zahlen.

1. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2009 stand dem Kläger noch ein Urlaubsanspruch für das Jahr 2006 in Höhe von 24 Tagen zu, den die Beklagte gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten hat. Nach dieser Vorschrift ist Urlaub abzugelten, wenn er wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr genommen werden kann. Dabei sind sowohl der gesetzliche Mindesturlaub als auch der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedacht fortbestehenden Arbeitsverhältnis abzugelten (vgl. nur BAG, 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – AP Nr. 39 zu § 7 BUrlG).

a. Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass der Kläger, welcher die Wartezeit des § 4 BUrlG im Jahre 2006 lange erfüllt hatte, im Jahr 2006 einen Anspruch auf 20 Tage gesetzlichen Mindesturlaub erworben hat (§§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG). Darüber hinaus stand ihm ein anteiliger Zusatzurlaub gemäß § 125 SGB IX im Umfang von 4 Tagen zu. Insgesamt errechnet sich so ein offener Urlaubsanspruch im Umfang von 24 Tagen. Daran ändert der Umstand, dass der Kläger seit 20.02.2006 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt war, nichts. Dem Entstehen weder des gesetzlichen Urlaubsanspruchs noch des Zusatzurlaub für Schwerbehinderte steht entgegen, dass der Arbeitnehmer im gesamten Bezugszeitraum oder in Teilen davon arbeitsunfähig erkrankt ist (BAG, 24.03.2009 – 9 AZR 983/07 – aaO.; EuGH 20.01.2009 – C – 350/06 und C – 520/06 – AP Nr. 1 zu Richtlinie 2003/88/EG).

b. Dieser Urlaubsanspruch ist auch nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG zum 31.03.2007 bzw. nach § 26 Abs. 1 a TVöD zum 31.05.2007 verfallen. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes in Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 20.01.2009 (aaO.) scheidet ein Verfall des gesetzlichen Mindesturlaubs nach § 7 Abs. 3 S. 3 BUrlG aus, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraumes oder eines Teiles davon krank geschrieben war, seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses fortgedauert hat und er deshalb seinen Anspruch auf bezahlten Urlaub nicht ausüben konnte. Dabei teilt der Zusatzurlaub für Schwerbehinderte das rechtliche Schicksal des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruches (BAG, Urteil vom 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 – AP Nr. 3 zu § 125 SGB IX).

c. Der Urlaubsanspruch ist ebenso wenig nach der tariflichen Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVöD verfallen, weil der Kläger diesen nicht innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat. Zwar findet § 37 Abs. 1 TVöD auf das Arbeitsverhältnis der Parteien unstreitig Anwendung und das BAG hat für den Urlaubsabgeltungsanspruch dessen Verfallbarkeit mit Urteil vom 09.08.2011 (9 AZR 352/10 siehe Pressemitteilung) bejaht. Etwas anderes gilt jedoch für den Urlaubsanspruch, der wegen andauernder Arbeitsunfähigkeit vom Arbeitnehmer nicht realisiert werden konnte. Dieser unterliegt mangels Erfüllbarkeit im bestehenden Arbeitsverhältnis nicht der tariflichen Ausschlussfrist. § 37 Abs. 1 S. 1 TVöD verlangt schon vom Wortlaut her ausdrücklich die schriftliche Geltendmachung. Geltendmachung ist die Aufforderung an die Gegenseite, den nach Grund und Höhe zu kennzeichnenden Anspruch zu erfüllen. Eine solche Aufforderung geht jedoch ins Leere, wenn der Arbeitgeber mangels Erfüllbarkeit nicht zur Leistung verpflichtet ist. Dass der Arbeitgeber zur Erfüllung des Urlaubsanspruches in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht verpflichtet ist, ergibt sich unmittelbar aus § 9 BUrlG. Auch nach Sinn und Zweck der tariflichen Ausschlussfristen, nämlich möglichst schnell Klarheit über die wechselseitigen Ansprüche zu erreichen, ist eine Geltendmachung von Urlaubsansprüchen durch dauerhaft arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer nicht erforderlich. Für den Arbeitgeber ist in diesen Fällen nämlich offenkundig, dass Urlaubsansprüche vom Arbeitnehmer tatsächlich nicht realisiert werden können und deshalb in unveränderter Höhe fortbestehen (vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht, 07.12.2010 – 19 Sa 939/10 – NZA – RR 2011, 120 – 123).

d. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 2009 auch nicht gemäß Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24.06.1970 über den bezahlten Jahresurlaub verfallen. Nach dieser Vorschrift ist der Teil des Jahresurlaubes, der mindestens 2 ununterbrochene Arbeitswochen umfasst, spätestens ein Jahr und der übrige Teil spätestens 18 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres zu gewähren und zu nehmen. Selbst wenn danach der Verfall des Urlaubsanspruches auch bei langer andauernder Arbeitsunfähigkeit europarechtlich zulässig wäre (vgl. dazu Vorlagebeschluss des LAG Hamm vom 15.04.2010 – 16 Sa 1176/09 – LAGE Nr. 27 zu § 7 BUrlG Abgeltung), mangelt es im nationalen Recht an einer Norm, die diesen Verfall anordnet. Art. 9 Abs. 1 des IAO-Übereinkommens Nr. 132 ist eine völkerrechtliche Norm, die im nationalen Recht nicht unmittelbar angewendet werden kann. Die Bundesrepublik Deutschland hat dem Übereinkommen zwar durch das Gesetz vom 30.04.1975 zugestimmt. Hierdurch ist das Übereinkommen aber nicht innerstaatliches Recht in dem Sinne geworden, dass seine Vorschriften normativ auf alle Arbeitsverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland einwirken. Nur ein die Vorgaben des Übereinkommens ausführendes innerstaatliches Gesetz bindet die nationalen Gerichte bei der Rechtsanwendung (vgl. BAG, 07.12.1993 – 9 AZR 683/82 – AP Nr. 15 zu § 7 BUrlG). Ein solches Gesetz mag sozialpolitisch wünschenswert sein, um das von der Beklagten angeführte „ewige“ Ansammeln von Urlaubsansprüchen zu unterbinden. Es existiert zum gegenwärtigen Zeitpunkt indes nicht (vgl. LAG Baden- Württemberg, Urteil vom 02.12.2010 – 22 Sa 59/10 – LAGE Nr. 29 zu § 7 BUrlG Abgeltung; LAG Düsseldorf, Urteil vom 25.02.2011 – 9 Sa 258/10 – nicht veröffentlicht siehe daher Juris). Der Europäische Gerichtshof hat das IAO-Übereinkommen Nr. 132 vom 24.06.1970 in seiner Entscheidung vom 20.01.2009 (- C 350/06 und C 520/06 aaO.) erwähnt, gleichwohl eine zeitliche Begrenzung für das Ansammeln von Urlaubsansprüchen nicht vorgesehen, sondern ausgeführt, dass der Urlaub seine Bedeutung nicht dadurch verliere, dass er u. U. zu einer späteren Zeit genommen werde.

e. Der Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahr 2006 ist auch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht nach Maßgabe der §§ 195, 199 BGB verjährt. Die Verjährungsfrist hat mangels Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs nicht mit dem Schluss des Urlaubsjahres 2006 zu laufen begonnen.

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a. a. Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sei beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Ein Anspruch ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden kann. Das setzt grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruches im Sinne von § 271 BGB voraus, da erst ab diesem Zeitpunkt vom Gläubiger mit Erfolg die Leistung gefordert werden und ggf. der Ablauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung gehemmt werden kann. Zwar entsteht der Urlaubsanspruch nach Ablauf der sechsmonatigen Wartezeit des § 4 BUrlG mit Beginn eines jeden Urlaubsjahres in voller Höhe. Während der Arbeitsunfähigkeit kann jedoch der Arbeitnehmer die Erfüllung des Urlaubsanspruches nicht verlangen und der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch auch nicht tatsächlich gewähren. Das folgt unmittelbar aus § 9 BUrlG. Für die Dauer einer Erkrankung wird der Urlaubsanspruch mithin nicht fällig. Damit fehlt es an der regelmäßigen Voraussetzung für den Beginn der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Auch der Sinn und Zweck der dreijährigen gesetzlichen Verjährungsfrist, nach den Zeitabläufen der §§ 195 ff BGB Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu schaffen sowie dem Bedürfnis des Schuldners Rechnung zu tragen, aus lang zurückliegendem Sachverhalt nicht mehr in Anspruch genommen zu werden, gebietet keine andere Sichtsweise. Allein aufgrund der Vorschrift in § 9 BUrlG weiß der Arbeitgeber, dass in Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Urlaubsanspruch vom Arbeitnehmer nicht genommen werden kann und deshalb in unveränderter Höhe fortbesteht. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass der Arbeitnehmer den Lauf der Verjährungsfrist durch die Erhebung einer Feststellungsklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen kann. Zwar hindert die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit nicht die Entstehung des Urlaubsanspruches und auch das Bundesarbeitsgericht lässt unter bestimmten Voraussetzungen eine Feststellungsklage gerichtet auf den Bestand eines Urlaubsanspruches aus einem bestimmten Jahr zu (vgl. nur BAG, Urteil vom 23.07.1987 – 8 AZR 20/86, AP Nr. 11 zu § 7 BUrlG – und Urteil vom 19.04.1994 – 9 AZR 462/92 – AP Nr. 2 zu § 74 SGB V). Das ändert aber nichts daran, dass in diesen Konstellationen die Fälligkeit des Urlaubsanspruches im Sinne von § 271 BGB gerade nicht gegeben ist, weil der Arbeitnehmer die Gewährung dieses Urlaubes nicht verlangen und der Arbeitgeber diesen nicht erfüllen kann. Die Fälligkeit im Sinne von § 271 BGB als Voraussetzung für den Beginn des Laufs der Verjährungsfristen nach §§ 195 ff. BGB ist in diesen Fällen nicht gegeben (vgl. Gaul, Bonanni, Urlaubsanspruch trotz Langzeiterkrankung – Handlungsbedarf für die betriebliche Praxis – DB 2009, 1013 (1014); Hessisches LAG, 07.12.2010 – 19 Sa 939/10 aaO.; LAG Düsseldorf, 05.05.2010 – 7 Sa 1571/09 – NZA – RR 2010, 568 – 573). Hinzu kommt, dass der wegen Krankheit nicht verfallene gesetzliche Urlaub gemäß § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG kraft Gesetzes zwingend auf das Folgejahr übertragen wird. Dieser übertragene Urlaub wird so Bestandteil des im nächsten Kalenderjahr neu entstehenden Urlaubsanspruches. Macht der Arbeitnehmer trotz Wiedergenesung diesen übertragenen Urlaubsanspruch dann nicht rechtzeitig geltend, verfällt er mit Ablauf des Urlaubsjahres. Kann der Urlaub aus gesundheitlichen Gründen wiederum nicht genommen werden, erfolgt kraft Gesetzes nach § 7 Abs. 3 BUrlG eine weitere Übertragung auf das nächste Kalenderjahr. Diese gesetzlich angeordnete Übertragung des Urlaubes und die damit einhergehende Perpetuierung stehen einer Verjährung des Urlaubsanspruches entgegen (LAG München, 30.11.2010 – 6 Sa 884/10 – nicht veröffentlicht siehe daher Juris).

f. Der Beklagten ist im Hinblick auf den Verfall des Urlaubsanspruches aus dem Jahr 2006 kein Vertrauensschutz zu gewähren. Abgesehen davon, dass sie unmittelbar an die Arbeitszeitrichtlinie gebunden ist, wäre ihr mögliches Vertrauen auf den Fortbestand der früheren dahingehenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes seit dem 24.11.1996 nicht mehr schutzwürdig (BAG, 23.03.2010 – 9 AZR 128/09 – AP Nr. 3 zu § 125 SGB IX; BAG, 04.05.2010 – 9 AZR 183/09 – NZA 2010, 1011).

g. Insgesamt ist mithin festzuhalten, dass dem Kläger bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2009 ein offener Anspruch auf Gewährung von 20 Tagen gesetzlichen Mindesturlaub und 4 Tagen zusätzlichen Urlaub nach § 125 SGB IX aus dem Jahre 2006 zustand.

2. Dieser Anspruch hat sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.12.2009 in einen reinen Geldanspruch umgewandelt, den der Kläger von der Beklagten unwidersprochen auf 2064,75 € brutto beziffert hat. Diesen Abgeltungsanspruch hat der Kläger ausgehend von dessen Fälligkeit am 31.12.20009 mit Schreiben vom 23.03.2010 rechtzeitig innerhalb der sechsmonatigen tariflichen Ausschlussfrist des § 37 TVöD geltend gemacht. Mit der Klage vom 14.09.2010 hat er innerhalb der Verjährungsfrist deren Lauf gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

3. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Recht zur Zahlung von 2064,75 € brutto als Abgeltung für den im Jahr 2006 aus krankheitsbedingten Gründen nicht genommenen Urlaub verpflichtet. Der ausgeurteilte Zinsanspruch hat seine Grundlage in §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

C. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen war daher zurückzuweisen.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Zulassung der Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG veranlasst.

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