Skip to content

Verkehrsunfall auf allgemein zugänglichen Parkplatz – Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme

Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat die Berufung des Klägers gegen ein vorheriges Urteil abgelehnt. Der Kläger hat keine weiteren Schadensersatzansprüche aus dem Verkehrsunfall auf einem allgemein zugänglichen Parkplatz. Es wurde festgestellt, dass keine Vorfahrtsverletzung des Fahrers des Kleintransporters vorlag und der Kläger möglicherweise selbst gegen die Sorgfaltspflichten verstoßen hat.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 U 172/21   >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Berufungsablehnung: Das Gericht beabsichtigt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
  2. Keine weiteren Ansprüche: Der Kläger hat keine Ansprüche auf weiteren Schadensersatz.
  3. Keine Vorfahrtsverletzung: Der Fahrer des Kleintransporters beging keine Vorfahrtsverletzung.
  4. Möglicher Sorgfaltspflichtverstoß: Es bleibt offen, ob der Kläger gegen Sorgfaltsanforderungen verstoßen hat.
  5. Haftungsquote: Eine Haftungsquote von 50% wird für den Beklagten angenommen.
  6. Anwendung der StVO: Die Straßenverkehrsordnung gilt auch auf allgemein zugänglichen Privatparkplätzen.
  7. Rücksichtnahme geboten: Auf Parkplätzen gelten erhöhte Sorgfalts- und Rücksichtspflichten.
  8. Bewertung des Sachverhalts: Die Bewertung des Sachverhalts durch das Erstgericht wird bestätigt.

Verkehrsrechtliche Verantwortung bei Unfällen auf öffentlichen Parkplätzen

Das Thema Verkehrssicherheit und Haftung bei Verkehrsunfällen spielt eine zentrale Rolle im alltäglichen Straßenverkehr. Besonders auf öffentlichen Parkplätzen, wo Fahrzeuge und Fußgänger auf engem Raum interagieren, sind die Prinzipien der Rücksichtnahme und Sorgfalt von großer Bedeutung. In solchen Situationen entstehen oft rechtliche Fragen, die sich um Schadensersatzansprüche und Haftungsverteilung drehen. Dabei spielen sowohl die Einhaltung der Straßenverkehrsordnung als auch die spezifischen Umstände des Einzelfalls eine entscheidende Rolle.

Dieser Sachverhalt wird besonders relevant, wenn es um die juristische Aufarbeitung von Unfällen geht. Wie ein Gericht die Verantwortlichkeiten und Pflichten der beteiligten Parteien bewertet, kann richtungsweisend für die Rechtsprechung in ähnlichen Fällen sein. Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie in einem konkreten Fall eines Unfalls auf einem öffentlichen Parkplatz die gerichtliche Beurteilung ausfiel und welche Schlüsselaspekte dabei eine Rolle spielten.

Der Rechtsstreit um einen Verkehrsunfall auf einem öffentlichen Parkplatz

Bei dem vorliegenden Fall handelt es sich um einen Verkehrsunfall auf einem allgemein zugänglichen Parkplatz. Der Kläger forderte Schadensersatz nach einem Zusammenstoß mit einem Kleintransporter. Der Kern des Disputs lag in der Frage, ob eine Vorfahrtsverletzung vorlag und ob der Kläger selbst gegen die Sorgfaltspflichten verstoßen hatte. Das Oberlandesgericht Zweibrücken war mit der Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz befasst.

Haftungsquoten und Sorgfaltsanforderungen im Fokus

Haftung für Parkplatz-Unfälle: Unterschiede zu Straßenunfällen
(Symbolfoto: Sina Ettmer Photography /Shutterstock.com)

Das Gericht stellte fest, dass dem Kläger keine weiteren Schadensersatzansprüche gegenüber dem Beklagten zustehen. Eine entscheidende Rolle spielte dabei die Beurteilung der Haftungsquote. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Geschehens entschied das Gericht, dass eine Haftung des Beklagten zu einer Quote von 50% angemessen sei. Dies beruhte auf der Annahme, dass kein unabwendbares Ereignis vorlag und die Schadensverursachung auf beiden Seiten zu sehen war.

Anwendung der Straßenverkehrsordnung auf Parkplätzen

Ein wesentlicher Aspekt des Urteils war die Anwendung der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf Parkplätze. Das Gericht bestätigte, dass die Bestimmungen der StVO auch auf allgemein zugänglichen Privatparkplätzen gelten. Dabei wurde besonders das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme hervorgehoben. Das Gericht betonte die erhöhten Sorgfalts- und Rücksichtspflichten von Fahrern auf Parkplätzen, wo ständig wechselnde Verkehrssituationen auftreten.

Entscheidung des Gerichts und seine Implikationen

Das Gericht wies die Berufung des Klägers letztlich zurück, da keine Aussicht auf Erfolg bestand. Es wurde hervorgehoben, dass die Bewertung des Sachverhalts durch das Erstgericht nicht zu beanstanden war. Die Entscheidung trägt wesentlich zum Verständnis der rechtlichen Behandlung von Verkehrsunfällen auf Parkplätzen bei und verdeutlicht die Notwendigkeit der Einhaltung von Sorgfaltspflichten in solchen Situationen.

Das vorliegende Urteil zeigt auf, wie in juristischen Auseinandersetzungen bezüglich Verkehrsunfällen auf Parkplätzen die Rücksichtnahme und Einhaltung der Verkehrsregeln entscheidend sind. Es verdeutlicht, dass bei der Beurteilung von Unfällen im Straßenverkehr nicht nur die unmittelbaren Umstände des Unfalls, sondern auch die spezifischen Gegebenheiten des Ortes, wie in diesem Fall eines Parkplatzes, berücksichtigt werden müssen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was bedeutet das „Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme“ im Kontext eines Verkehrsunfalls auf einem öffentlichen Parkplatz?

Das „Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme“ im Kontext eines Verkehrsunfalls auf einem öffentlichen Parkplatz bezieht sich auf die in § 1 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) festgelegte Verhaltensregel, die von allen Verkehrsteilnehmern ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht erfordert. Dieses Gebot ist insbesondere auf Parkplätzen von Bedeutung, da hier die üblichen Vorfahrtsregeln, wie „Rechts vor Links„, häufig nicht anwendbar sind oder nur in Ausnahmefällen gelten, wenn die Fahrspuren einen eindeutigen Straßencharakter aufweisen.

Auf Parkplätzen muss daher mit besonderer Aufmerksamkeit gefahren werden, da andere Verkehrsteilnehmer möglicherweise beim Suchen nach einem Parkplatz abgelenkt sind und nicht immer die Regeln der StVO beachten. Bei Unfällen auf Parkplätzen kommt es daher oft zu einer geteilten Haftung, da beide Parteien eine erhöhte Sorgfaltspflicht trifft. Das bedeutet, dass selbst wenn ein Verkehrsteilnehmer die StVO beachtet hat, er dennoch teilweise für den Schaden aufkommen muss, wenn er nicht die erforderliche Rücksichtnahme gezeigt hat.

Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang klargestellt, dass auf Parkplätzen das Prinzip der Verständigung und Rücksichtnahme Vorrang vor starren Vorfahrtsregeln hat. Dies gilt insbesondere in unübersichtlichen Situationen, wo die Sicht durch parkende Fahrzeuge eingeschränkt ist oder wo es zu einem Ein- und Ausparken kommt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass „Rechts vor Links“ auf Parkplätzen nur dann gilt, wenn die Fahrspuren einen eindeutigen Straßencharakter haben. In allen anderen Fällen ist das Gebot der Rücksichtnahme maßgeblich.

Zusammenfassend bedeutet das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme, dass jeder Verkehrsteilnehmer auf einem Parkplatz in besonderem Maße darauf achten muss, keinen anderen zu gefährden oder zu schädigen und dass bei einem Unfall häufig beide Parteien eine Teilschuld tragen, da eine angepasste Fahrweise von allen erwartet wird.

Inwiefern unterscheidet sich die Haftung bei einem Verkehrsunfall auf einem Parkplatz von der auf öffentlichen Straßen?

Die Haftung bei einem Verkehrsunfall auf einem Parkplatz unterscheidet sich in einigen Aspekten von der auf öffentlichen Straßen.

Auf öffentlichen Parkplätzen, die von jedermann genutzt werden dürfen, gelten grundsätzlich die Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO). Allerdings gibt es auf Parkplätzen einige Besonderheiten. Eine davon ist, dass die Regel „rechts vor links“ des § 8 StVO normalerweise nicht gilt. Stattdessen gilt auf Parkplätzen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß § 1 Abs. 2 StVO. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Fahrbahn eindeutig den Charakter einer Straße aufweist, was sich beispielsweise aus Markierungen ergeben kann, die den Eindruck einer Über- oder Unterordnung vermitteln.

Bei Unfällen auf Parkplätzen ist es häufig der Fall, dass beide Parteien für den Schaden aufkommen müssen, auch wenn sich eine Partei an die StVO gehalten hat. Dies liegt daran, dass auf Parkplätzen das allgemeine Rücksichtnahmegebot nach § 1 StVO gilt. Ein Autofahrer muss auf einem Parkplatz jederzeit damit rechnen, dass rückwärtsfahrende oder ein- und ausparkende Fahrzeuge ihm den Weg versperren.

Auf privaten Parkplätzen können andere Regeln gelten. Hier kann der Parkplatzbetreiber beispielsweise bestimmten Fahrzeugen Vorrang gewähren. Die Vorfahrtsregeln der StVO gelten auf privaten Parkplätzen nicht zwangsläufig.

Insgesamt ist die Haftung bei einem Verkehrsunfall auf einem Parkplatz oft komplex und hängt von vielen Faktoren ab, einschließlich der spezifischen Umstände des Unfalls und der Art des Parkplatzes (öffentlich oder privat). In vielen Fällen kann es ratsam sein, rechtlichen Rat einzuholen, um die spezifischen Haftungsfragen zu klären.

Können wir Ihnen in einem ähnlichen Fall behilflich sein? Vereinbaren Sie einen Termin unter 02732 791079 oder fordern Sie unsere Ersteinschätzung online an.

Welche Rolle spielt die „Vorfahrtsverletzung“ bei der Beurteilung von Verkehrsunfällen auf Parkplätzen?

Die Rolle der „Vorfahrtsverletzung“ bei der Beurteilung von Verkehrsunfällen auf Parkplätzen ist komplex und hängt von den spezifischen Umständen des jeweiligen Falls ab. Grundsätzlich gilt die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) auch auf öffentlichen Parkplätzen. Allerdings werden Parkplätze nicht als Straßen oder Fahrbahnen betrachtet, weshalb viele Regeln der StVO, einschließlich der Vorfahrtsregeln, hier nicht unbedingt Anwendung finden.

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) hat klargestellt, dass die Regel „rechts vor links“ auf Parkplätzen nur in Ausnahmefällen gilt. Diese Ausnahmen beziehen sich auf Situationen, in denen die Fahrbahnen auf dem Parkplatz einen eindeutigen Straßencharakter aufweisen, was bedeutet, dass sie hauptsächlich der Zu- und Abfahrt und damit dem fließenden Verkehr dienen. In der Praxis weisen die meisten Parkplätze jedoch lediglich Markierungen für die Parkplätze auf und die Fahrer müssen die Vorfahrt unter sich regeln, beispielsweise durch Augenkontakt und Handzeichen.

Auf Parkplätzen gilt das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme. Das bedeutet, dass Fahrer aufeinander achten und sich gegebenenfalls über die Vorfahrt verständigen sollten. Bei Unfällen auf Parkplätzen hängt die tatsächliche Haftungsverteilung vom Einzelfall ab und kann von Faktoren wie Geschwindigkeit, Reaktionszeit und Bauweise des Parkplatzes beeinflusst werden.

Es ist auch zu beachten, dass der Vorfahrtberechtigte auf einem Parkplatzgelände besonders mit Vorfahrtsverletzungen rechnen muss und sich daher nicht auf den sogenannten Vertrauensgrundsatz berufen kann. In solchen Fällen kann eine Mithaftung des grundsätzlich vorfahrtsberechtigten Fahrzeugführers in Betracht kommen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rolle der „Vorfahrtsverletzung“ bei der Beurteilung von Verkehrsunfällen auf Parkplätzen von vielen Faktoren abhängt und nicht immer klar definiert ist. Es ist daher ratsam, in solchen Situationen rechtlichen Rat einzuholen.


Das vorliegende Urteil

OLG Zweibrücken – Az.: 1 U 172/21 – Beschluss vom 26.07.2022

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 06.08.2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz, Az. 2 O 299/20, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 16.08.2022.

Gründe

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Die Vorderrichterin hat die Klage zutreffend mit der Begründung abgewiesen, dass dem Kläger gegenüber dem Beklagten aus dem gegenständlichen Unfallereignis weitere Schadensersatzansprüche nicht zustehen. Eine Vorfahrtsverletzung des Fahrers des … Kleintransporters liegt nicht vor. Inwieweit der Kläger selbst gegen die Sorgfaltsanforderungen des § 10 StVO verstoßen hat, lässt der Senat dahinstehen.

Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zurückweisung der Berufung mittels Beschlusses (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2-4 ZPO) liegen vor.

1. Da Ansprüche des Klägers gemäß §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG, §§ 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 AuslPflVG anlässlich des gegenständlichen Verkehrsunfalls allenfalls unter Berücksichtigung einer Haftungsquote von 50% bestehen, kann er im Hinblick auf die seitens des Beklagten bereits erbrachte Zahlung weitere Leistungen nicht mehr geltend machen.

a) Der gegenständliche Verkehrsunfall stellte weder für den Fahrer des … Kleintransporters noch für den Kläger ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG dar. Während der Beklagte eine solche Unabwendbarkeit nicht behauptet hat, hat der Kläger sie jedenfalls nicht hinreichend dargetan. Soweit er erstmals mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 08.06.2021 eine solche unter Bezugnahme auf eine überhöhte Geschwindigkeit des Unfallgegners unsubstantiiert behauptet hat, ist der Vortrag gemäß § 296a ZPO ebenso verspätet wie der entsprechende, vom Beklagten bestrittene Vortrag im Rahmen der Berufungsbegründung (§ 531 ZPO). Ohnehin hätte ein Idealfahrer in der Situation des Klägers den herannahenden Kleintransporter bei der gebotenen Aufmerksamkeit vor der Kollision erkennen können und müssen.

b) Unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände des Geschehens ist von einer Haftung des Beklagten allenfalls zu einer Quote von 50% auszugehen.

(1) Liegt – wie hier – kein unabwendbares Ereignis vor, hängt die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie deren Umfang nach § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG von allen Umständen des Streitfalls ab, insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht wurde. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgeblichen Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, d.h. unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.10.2016, Az. VI ZR 66/16, Rn. 7, Juris). Dabei hat jeder Beteiligte, sofern ihm nicht ausnahmsweise ein Anscheinsbeweis zugutekommt, die Umstände zu beweisen, die dem anderen zum Verschulden gereichen oder aus denen er für die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleitet (BGH, Urteil vom 07.02.2012, Az. VI ZR 133/11, Juris).

(2) Maßgebend ist des Weiteren, dass gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung grundsätzlich die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen hat. Etwas Anderes gilt lediglich dann, wenn deren Richtigkeit oder Vollständigkeit zweifelhaft ist. Hierfür müssen konkrete Tatsachen sprechen; subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2017, Az. 1 U 31/16, Juris). Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel können sich vor allem aus dem Vortrag der Parteien und aus Verfahrens- sowie Rechtsanwendungsfehlern ergeben, die dem Gericht erster Instanz bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Derartige Fehler können sich insbesondere bei Beweisaufnahme und Beweiswürdigung ergeben. Namentlich muss die Beweiswürdigung des Vorderrichters vollständig und in sich widerspruchsfrei sein; sie darf auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen (zu diesen Anforderungen BGH, Urteil vom 12.03.2004, Az. V ZR 257/03, Juris).

(3) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Überzeugungsbildung der Vorderrichterin nicht zu beanstanden.

Gemäß § 8 Abs. 1 StVO hat die Vorfahrt an Kreuzungen derjenige, der von rechts kommt. Ausnahmen hiervon gelten gemäß § 8 Abs. 2 StVO, wenn – wie hier nicht – die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist oder für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen. Gemäß § 10 StVO hat derjenige, der (u.a.) von anderen Straßenteilen auf die Fahrbahn einfahren will, sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Zivilrechtlich hat grds. derjenige den Anschein einer schuldhaften Vorfahrtsverletzung gegen sich, der eine Vorfahrtsverletzung begeht. Ohne Besonderheiten – z.B. durch überhöhte, unfallursächliche Geschwindigkeit des anderen Fahrers – haftet der Wartepflichtige allein und die Betriebsgefahr des Anderen tritt zurück (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.01.2012, Az. 9 U 169/10; OLG Köln, Urteil vom 02.11.1990, Az. 20 U 84/90; jeweils Juris).

Es ist anerkannt, dass auf allgemein zugänglichen Privatparkplätzen – wie hier auf dem für jedermann zugänglichen Parkplatz des … – die Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung gelten (BGH, Urteil vom 15.12.2015, Az. VI ZR 6/15, Juris). Auch auf einem allgemein zugänglichen Parkplatzgelände gilt dabei für jeden Fahrzeugführer das aus § 1 Abs. 2 StVO folgende Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme. Wegen der auf einem Parkplatz ständig zu erwartenden Ein- und Ausparkvorgänge obliegen jedem Kraftfahrer dabei erhöhte Sorgfalts- und Rücksichtspflichten. Angesichts der ständig wechselnden Verkehrssituationen auf einem Parkplatz muss bei stetiger Bremsbereitschaft mit Schrittgeschwindigkeit gefahren werden (BGH, Urteil vom 15.12.2015, Az. VI ZR 6/15; OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2017, Az. 1 U 97/16; jeweils Juris). Die besonderen Vorfahrts- und Vorrangregeln der Straßenverkehrsordnung, die in erster Linie dem Schutz des fließenden und deshalb typischerweise schnelleren Verkehrs dienen, gelten auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter allerdings nur mittelbar über § 1 Abs. 2 StVO. Fahrspuren auf Parkplätzen dienen grds. nicht dem fließenden Verkehr, sodass sie im Regelfall keine Vorfahrt gewähren, sondern alle Fahrzeugführer entsprechend § 1 StVO zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet sind und alle Fahrzeugführer hohe Sorgfaltsanforderungen zu berücksichtigen haben (KG, Beschluss vom 12.10.2009, Az. 12 U 233/08, Juris).

Anderes gilt (nur) dann, wenn die Fahrspuren zwischen den Parkplätzen eindeutigen Straßencharakter haben und sich schon aus der baulichen Anlage ergibt, dass sie nicht dem Suchen von Parkplätzen, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge dienen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 07.03.2018, Az. 1 U 97/06; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2010, Az. 1 U 240/09; jeweils Juris). Die Fahrgasse zwischen markierten Parkreihen mit Straßencharakter bildet aber keine Fahrbahn mit Straßencharakter, wenn die Abwicklung des ein- und ausparkenden Rangierverkehrs zumindest auch zweckbestimmend ist (OLG München, Urteil vom 27.05.2020, Az. 10 U 6767/19, Juris für die Situation in einem Parkhaus). Handelt es sich bei einem der Wege um eine baulich größer und breiter angelegte Straße, kann § 10 StVO analog zur Anwendung kommen (KG, Beschluss vom 12.10.2009, Az. 12 U 233/08; OLG Naumburg, Urteil vom 28.07.2006, Az. 10 U 28/06; jeweils Juris).

Eingedenk dessen kommt eine Vorfahrtregelung entsprechend § 8 Abs. 1 StVO und danach eine Vorfahrtverletzung des Fahrers des Kleintransporters an der gegenständlichen Unfallstelle nicht in Betracht. Die Regelung des § 8 Abs. 1 StVO findet, wie die Vorderrichterin im angefochtenen Urteil zutreffend begründet hat, keine Anwendung, nachdem es sich jedenfalls bei der vom Kläger befahrenen Fahrgasse nicht um eine Fahrbahn mit Straßencharakter handelt. Inwieweit umgekehrt dem Kläger ein Verstoß gegen § 10 StVO zur Last zu legen lässt – wofür einige Umstände sprechen -, lässt der Senat dahinstehen.

Zwar macht der Kläger zutreffend geltend, dass an der gegenständlichen Unfallstelle nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. … sowohl die Fahrgasse des Klägers als auch diejenige des Kleintransporters gleich breit sind und mit einer Breite von 6,5 m auch den Begegnungsverkehr von Lkw zulassen. Die vom Kläger genutzte Fahrgasse dient jedoch ersichtlich vorrangig der Abwicklung des ein- und ausparkenden Rangierverkehrs und nicht der Zu- und Abfahrt von Fahrzeugen. Anders als an der vom Kleintransporter befahrenen Zufahrt von der … Straße wird die vom Kläger befahrene Fahrgasse beidseitig von Parkbuchten begrenzt und stellt keinen direkten Zugang zur … Straße dar. Soweit der Kläger geltend macht, die Fahrgasse diene (auch) als Querverbindung zwischen … und …, erscheint dies im Hinblick auf die am Rand des Parkplatzgeländes gelegene Gasse bereits fraglich. Ohnehin wird diese jedenfalls auch dann – und überwiegend – für den Parkplatzsuchverkehr beider Einkaufsmärkte genutzt und nicht eindeutig zur Zu- und Abfahrt von Fahrzeugen. Umgekehrt spricht nach dem Gesamtbild des Parkplatzgeländes vieles dafür, die vom Kleintransporter befahrene Zufahrtstraße als übergeordnete Straße anzusehen. Nicht nur befinden sich an dieser keine Parkbuchten – und findet danach auch kein Parkplatzsuchverkehr statt; entscheidend ist, dass diese Straße vom restlichen Parkplatzgelände durch Inseln mit Bäumen und erhöhte Randsteine abgegrenzt ist und hierdurch ein deutlich abgegrenzter, dem schnelleren Verkehr dienender Bereich entsteht (vgl. insbesondere die Lichtbilder Blatt 95 f. der Akte).

2. Durch die von ihm bereits erbrachten Zahlungen hat der Beklagte sämtliche Ansprüche des Klägers vollumfänglich erfüllt. Insbesondere steht dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung von Nutzungsersatz nur für die Dauer von – allenfalls – 22 Tagen auf Basis eines Tagessatzes von 65 € zu.

a) Soweit der Kläger ein Ersatzfahrzeug erst am 10.01.2020 zulassen konnte, gehen etwaige – von ihm nicht hinreichend substantiiert dargetane – Verzögerungen zu seinen Lasten. Warum der Kläger das Gutachten erst am 09.12.2019 – und danach 6 Tage nach dem Unfallereignis – beauftragt hat, ist nicht dargetan. Bei Beauftragung unmittelbar am 04.12.2019 wäre mit Fertigstellung des Gutachtens bis zum 06.12.2019 (Freitag) zu rechnen gewesen. Unter Berücksichtigung einer Überlegungszeit von 2 Tagen, hätte der Kläger mit der Suche nach einem Ersatzfahrzeug am 09.12.2019 beginnen können, wobei diese nach den vom vorgerichtlich tätigen Sachverständigen ermittelten 10 Arbeitstagen am Freitag, 20.12.2019 hätte abgeschlossen sein können. Etwaige Verzögerungen durch Feiertage hätte der Kläger danach nicht zu erwarten gehabt. Dass und inwieweit der Kläger bereits im Jahr 2019 durch Einschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie betroffen gewesen sein soll (erste Einschränkungen des allgemeinen Verkehrs und erste Schließungen von Einrichtungen erfolgten gerichtsbekanntermaßen Anfang/Mitte März 2020) ist schlicht unverständlich. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der Kläger ohnehin zu einer fühlbaren Beeinträchtigung als Voraussetzung eines Anspruchs auf Nutzungsausfall nicht vorgetragen hat.

b) Der Nutzungswert des jeweiligen Fahrzeuges kann unter Zuhilfenahme von Tabellen oder mit Hilfe eines Sachverständigen geschätzt werden (§ 287 ZPO). Dabei ist es nicht zu beanstanden, sondern geradezu geboten, wenn bei älteren Fahrzeugen von den in den Tabellen ausgewiesenen Werten Abschläge vorgenommen werden. Insbesondere ist bei Fahrzeugen mit einem Alter von mehr als 10 Jahren und einer erheblichen, das Ende der Gesamtnutzung erreichenden Laufleistung – wie dem klägerischen Fahrzeug – ein Abschlag von 2 Fahrzeugklassen angezeigt (vgl. BGH, Urteil vom 23.11.2004, Az. VI ZR 357/03; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.07.2008, Az. 1 W 24/08; OLG Brandenburg, Urteil vom 01.03.2007, Az. 12 U 160/06; jeweils Juris). Auch wenn das Fahrzeug des Klägers ausweislich des vorliegenden Gutachtens „entsprechend Alter und Laufleistung“ gepflegt ist und übliche Gebrauchsspuren aufweist, bestehen keine Anhaltspunkte, von einer solchen Abstufung Abstand zu nehmen.

Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt der Senat dem Kläger aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Im diesem Falle ermäßigen sich die für das Verfahren anfallenden Kosten von 4,0 auf 2,0 Gebühren (Nr. 1222 KV GKG).

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Soforthilfe vom Anwalt!

Jetzt Hilfe vom Anwalt!

Rufen Sie uns an um einen Beratungstermin zu vereinbaren oder nutzen Sie unser Kontaktformular für eine unverbindliche Beratungsanfrage bzw. Ersteinschätzung.

Ratgeber und hilfreiche Tipps unserer Experten.

Lesen Sie weitere interessante Urteile.

Unsere Kontaktinformationen.

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Hier finden Sie uns!

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

zum Kontaktformular

Ersteinschätzungen nur auf schriftliche Anfrage per Anfrageformular.

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Über uns

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!

Das sagen Kunden über uns
Unsere Social Media Kanäle

 

Termin vereinbaren

02732 791079

Bürozeiten:
Mo-Fr: 08:00 – 18:00 Uhr

Kundenbewertungen & Erfahrungen zu Rechtsanwälte Kotz. Mehr Infos anzeigen.

Ersteinschätzung

Wir analysieren für Sie Ihre aktuelle rechtliche Situation und individuellen Bedürfnisse. Dabei zeigen wir Ihnen auf, wie in Ihren Fall sinnvoll, effizient und möglichst kostengünstig vorzugehen ist.

Fragen Sie jetzt unverbindlich nach unsere Ersteinschätzung und erhalten Sie vorab eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten einer ausführlichen Beratung oder rechtssichere Auskunft.

Aktuelles Jobangebot

Juristische Mitarbeiter (M/W/D)
als Minijob, Midi-Job oder in Vollzeit.

mehr Infos