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Rücktritt vom Kaufvertrag wegen optischer Karosseriebeeinträchtigungen

Nutzfahrzeugmängel: Käufer fordert Rücktritt wegen Karosseriefehlern

Das Landgericht Hagen wies die Klage einer Käuferin ab, die aufgrund von optischen Karosseriebeeinträchtigungen an einem Nutzfahrzeug den Kaufvertrag rückabwickeln wollte. Es wurde festgestellt, dass die Beanstandungen nicht als erhebliche Mängel gelten. Der Fall betont die Bedeutung der Mängelrüge und die Bewertung von Mängeln im Kontext des technischen Standards und der Käufererwartungen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 21 O 37/19  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Abweisung der Klage: Das Gericht lehnte die Forderung der Klägerin nach Rückabwicklung des Kaufvertrags ab.
  2. Optische Karosseriebeeinträchtigungen: Die Klägerin monierte Mängel an der Karosserie des Fahrzeugs, wie Beulen und Verwerfungen.
  3. Unbehebbarer Mangel: Ein als unbehebbar angesehener Mangel war nicht erheblich genug, um den Kaufvertrag rückabzuwickeln.
  4. Technischer Standard: Die Beurteilung der Mängel erfolgte im Kontext des üblichen technischen Standards für solche Fahrzeuge.
  5. Mängelrüge: Wichtige Aspekte betreffen die rechtzeitige Mängelrüge und deren Einfluss auf die Rechtsposition.
  6. Käufererwartungen: Die Erwartungen des Käufers wurden in Relation zu marktüblichen Standards bewertet.
  7. Sachverständigengutachten: Ein Sachverständiger bewertete die Mängel und trug zur Entscheidungsfindung bei.
  8. Rechtliche Bewertung: Die rechtliche Einordnung und die Auswirkungen der festgestellten Mängel waren entscheidend für die Urteilsfindung.

Rücktritt vom Kaufvertrag bei Fahrzeugmängeln

Nutzfahrzeugmängel: Käufer fordert Rücktritt wegen Karosseriefehlern
(Symbolfoto: Dmitry Kalinovsky /Shutterstock.com)

Der Rücktritt vom Kaufvertrag stellt einen bedeutenden Aspekt im Verbraucherrecht dar, besonders wenn es um Fahrzeugmängel geht. Dieses Thema berührt zentrale Fragen der Rechte und Pflichten sowohl des Käufers als auch des Verkäufers. Im Kern geht es darum, unter welchen Bedingungen ein Käufer berechtigt ist, einen Kaufvertrag aufgrund von Mängeln, speziell optischen Karosseriebeeinträchtigungen, rückgängig zu machen. Dies beinhaltet eine differenzierte Betrachtung dessen, was als Mangel gilt und welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.

Die Urteilsfindung in solchen Fällen, wie sie beispielsweise am LG Hagen (Westfalen) erfolgt, bietet interessante Einblicke in die rechtliche Handhabung von Mängelrügen. Dabei spielen sowohl die Bewertung der Mängel als auch die Frage der Angemessenheit des Rücktritts eine Rolle. Im speziellen Fall des Rücktritts vom Kaufvertrag aufgrund optischer Mängel eröffnet sich eine facettenreiche Diskussion über die Grenzen und Möglichkeiten der Vertragsauflösung. Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie in einem konkreten Fall argumentiert wurde und welche Schlussfolgerungen das Gericht in Bezug auf Klage abgewiesen und die Relevanz des Kaufvertrages gezogen hat.

Rücktritt vom Kaufvertrag: Ein komplexer Rechtsstreit

Im Mittelpunkt des Rechtsstreits am Landgericht Hagen (Westfalen) stand der Versuch einer Klägerin, einen Kaufvertrag über ein Nutzfahrzeug rückabzuwickeln. Die Klägerin behauptete, dass das Fahrzeug optische Karosseriebeeinträchtigungen aufwiese, die beim Kauf nicht offensichtlich waren. Diese Beeinträchtigungen umfassten einen Karosserieeinzug sowie Dellen und Verwerfungen, die sich insbesondere bei Temperaturschwankungen zeigten. Der Kaufvertrag für den Kastenwagen, datiert auf Dezember 2018, belief sich auf über 50.000 Euro inklusive Umsatzsteuer. Die Klägerin machte geltend, dass diese Mängel, insbesondere der Karosserieeinzug und die Dellen, den Wert und die Optik des Fahrzeugs erheblich minderten.

Die Argumentation der Klägerin und die Reaktion der Beklagten

Die Klägerin forderte die Beklagte auf, den Kaufpreis zu erstatten und behauptete, der Sprinter sei von Anfang an mangelhaft gewesen. Sie betonte, dass solche Karosserieeinzüge bei Fahrzeugen gleicher Bauart nicht üblich seien und dass die vorhandenen Verwerfungen das Fahrzeug wie einen Unfallwagen aussehen ließen. Die Beklagte bot zunächst eine Kaufpreisrückerstattung von 780 Euro für die Beanstandungen an der Seitenwand an, was die Klägerin jedoch ablehnte. Die Beklagte wies darauf hin, dass die Karosserieformen Teil des normalen Bearbeitungsverlaufs seien und kein Mangel vorliege, da sie dem Stand der Technik entsprächen. Zudem behauptete die Beklagte, dass die Dellen nicht rechtzeitig gerügt worden seien.

Die Entscheidung des Landgerichts Hagen

Das LG Hagen (Westfalen) wies die Klage der Klägerin ab. Das Gericht stellte fest, dass kein Rücktritt vom Kaufvertrag gerechtfertigt sei. Die Entscheidung gründete auf der Bewertung der Mängel und ihrer Relevanz. Der Sachverständige stellte fest, dass der Karosserieeinzug und die leichten Verwerfungen innerhalb der Toleranzen für Nutzfahrzeuge liegen würden. Diese Mängel wurden als optisch kaum wahrnehmbar und nicht die Fahrzeugnutzung beeinträchtigend angesehen. Damit waren sie nicht erheblich genug, um einen Rücktritt vom Kaufvertrag zu rechtfertigen.

Juristische Implikationen und Schlussfolgerungen

Dieser Fall unterstreicht die Komplexität bei der Bewertung von Fahrzeugmängeln im Rahmen eines Kaufvertrags. Er zeigt auf, dass nicht jeder Mangel automatisch einen Rücktritt rechtfertigt, insbesondere wenn es sich um optische Beeinträchtigungen bei Nutzfahrzeugen handelt. Die Entscheidung des Gerichts basierte auf einer detaillierten technischen Analyse und der rechtlichen Bewertung der Erheblichkeit der Mängel. Es wird deutlich, dass in ähnlichen Fällen eine gründliche Untersuchung und Beurteilung erforderlich ist, um festzustellen, ob ein Mangel vorliegt und ob dieser erheblich genug für einen Rücktritt vom Kaufvertrag ist.

Für eine detaillierte Analyse des Urteils und weitere rechtliche Erörterungen steht das vollständige Urteil des LG Hagen (Westfalen) zur Verfügung.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was sind die rechtlichen Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag aufgrund von Mängeln am gekauften Gegenstand?

Die rechtlichen Voraussetzungen für einen Rücktritt vom Kaufvertrag aufgrund von Mängeln am gekauften Gegenstand sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Die Grundvoraussetzung für den Rücktritt ist das Vorliegen eines Mangels, der die Ware von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht (§ 434 BGB).

Zunächst hat der Verkäufer das Recht, den Mangel zu beseitigen. Erst wenn diese Nacherfüllung scheitert, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten. Der Käufer muss dem Verkäufer die Möglichkeit einräumen, sich vom Vorliegen des Mangels zu überzeugen. Bei Fernabsatzverträgen muss die Sache zurückversandt werden. Die Kosten für die Rücksendung trägt der Verkäufer (§ 439 Abs. 2 BGB).

Ein Rücktritt vom Kaufvertrag ist ausgeschlossen, wenn der Mangel unerheblich ist. Das ist der Fall, wenn die Kosten für die Beseitigung des Mangels im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind. Als Richtwert gilt, dass die Mängelbeseitigungskosten 5% des Kaufpreises nicht übersteigen dürfen.

Ein Gewährleistungsausschluss kann nicht wirksam vereinbart werden, wenn eine sogenannte Beschaffenheitsgarantie vorliegt. Das bedeutet, der Verkäufer hat die Abwesenheit des Mangels in einer Weise versichert, dass der Käufer sich vollständig darauf verlassen konnte.

Wenn der Käufer vom Vertrag zurücktritt, entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis. Der Käufer gibt die Ware zurück und erhält den Kaufpreis zurück. Darüber hinaus kann der Käufer in bestimmten Fällen Schadensersatz verlangen, beispielsweise Ersatz des Mangelschadens oder Schadensersatz wegen Mangelfolgeschäden.

Es ist zu beachten, dass die Gewährleistung entfällt, wenn der Kunde den Fehler bei Abschluss des Vertrages kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Eine Ausnahme besteht, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat.

Wie werden optische Karosseriebeeinträchtigungen juristisch im Hinblick auf Fahrzeugmängel bewertet und was bedeutet dies für die Rechte des Käufers?

Optische Beeinträchtigungen an einem Fahrzeug können als Mängel angesehen werden und haben Auswirkungen auf die Rechte des Käufers. Wenn es sich um rein optische Mängel handelt, die keine Funktionsbeeinträchtigung verursachen, können sie dennoch als Mängel betrachtet werden.

Die rechtliche Bewertung hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab. Ein wichtiger Aspekt ist die Frage, ob die optischen Beeinträchtigungen den Gesamtzustand oder die Verkehrstauglichkeit des Fahrzeugs beeinträchtigen. Ein weiterer Faktor ist die Frage, ob die optischen Beeinträchtigungen erheblich sind. Beispielsweise kann ein Käufer bei gravierenden optischen Mängeln auch ohne Beschaffenheitsvereinbarung vom Kauf zurücktreten.

Die Rechte des Käufers in Bezug auf optische Mängel sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Der Käufer kann vom Verkäufer die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen (Nacherfüllung). Wenn der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert oder diese fehlschlägt, kann der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen vom Kaufvertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern.

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Es ist jedoch zu beachten, dass die Kosten für die Nacherfüllung in einem angemessenen Verhältnis zum Kaufpreis stehen müssen. Wenn die Kosten für die Nacherfüllung unverhältnismäßig hoch sind, kann der Käufer möglicherweise nicht auf Nacherfüllung bestehen.

Insgesamt ist die rechtliche Bewertung von optischen Beeinträchtigungen an Fahrzeugen und die daraus resultierenden Rechte des Käufers ein komplexes Thema, das von vielen Faktoren abhängt. Bei konkreten Fragen oder Problemen ist es daher ratsam, rechtlichen Rat einzuholen.


Das vorliegende Urteil

LG Hagen (Westfalen) – Az.: 21 O 37/19 – Urteil vom 27.07.2022

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 51.311,81 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages bzgl. eines Nutzfahrzeuges wegen optischer Karosseriebeeinträchtigungen.

Die Klägerin schloss mit der Beklagten – vermittelt über die XXX GmbH in XXX – unter dem 04.12./08.12.2018 einen Kaufvertrag (Anlage K1) über einen XXX Kastenwagen mit der Fahrgestellnummer XXX. Der Kaufpreis belief sich auf 50.811,81 EUR inklusive Umsatzsteuer. Zum Zeitpunkt des Kaufes verfügte das Fahrzeug bereits über einen Innenausbau. Das Fahrzeug weist unstreitig einen Karosserieeinzug hinter der Fahrerkabine im Übergang zum hinteren Kastenaufbau auf (vgl. etwa Lichtbild Bl. 235 – linker Kringel, Bl. 236, 239 eA).

Ausgeliefert wurde das Fahrzeug am 18.01.2019, nachdem die Klägerin den Kaufpreis gezahlt hatte.

Nachdem die Klägerin eine Woche später handelnd durch Herrn XXX unstreitig im Hinblick auf den Seitenauszug Mängel moniert hatte, bot die Beklagte nach einem gemeinsamen Termin mit Fahrzeugbesichtigung am 11.03.2022 mit Schreiben vom 15.03.2019 (Bl. 157 eA) wegen „Beanstandungen an der Seitenwand“ eine Kaufpreisrückerstattung in Höhe von 780,00 EUR vor.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.03.2019 (Anlage K3) verlangte die Klägerin binnen 10 Tagen Mangelbehebung „wegen erheblicher starker Verwerfungen in beiden Seitenwänden“, die Seitenwände verzögen „sich nach innen“, „verstärkt bei Minusgraden“. Es sei ein „Knick nach innen hin von etwa 2 cm vorhanden“. Das Angebot der Beklagten, den Kaufpreis zu reduzieren, wies die Klägerin zurück (Anlage K5).

Mit Schreiben vom 26.03.2021 (Anlage K6) wies die Beklagte das Bestehen eines Mangels zurück, da es sich um einen „konstruktiv bedingten Einzug im Bereich der C-Säule und eine gewollte Bombierung“ handele.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 28.03.2019 (Anlage K7) erklärte die Klägerin die „Wandlung des Kaufvertrages“ und forderte die Beklagte auf, 50.811,81 EUR inklusive Umsatzsteuer zurück zu zahlen, Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeuges.

Die Klägerin behauptet, der streitgegenständliche Sprinter sei von Anfang mangelhaft gewesen.

Es gäbe zunächst einen Knick in der Seitenwand (Karosserieeinzug), der sich bei Minusgraden noch weiter nach Innen ziehe. Solche großen Karosserieeinzüge seien nicht marktüblich, fehlten etwa bei Fahrzeugen gleicher Bauart wie etwa VW Crafter. Stand der Technik seien gerade Seitenwände. Soweit der unstreitig bereits beim Kauf vorhandene Innenausbau den Knick vergrößern sollte, habe sich die Beklagte dies anrechnen zu lassen. Bei dem Vorgängerfahrzeug, einem Vormodell des jetzigen Sprinters sei dieser Einzug auch nicht vorhanden, was gegen eine gewollte Bombierung spreche. Bereit dieser Mangel berechtige nach ihrer, der Klägerin, Ansicht zum Rücktritt, weil er unbehebbar sei.

Als weiteren Mangel gäbe es Beulen und Verwerfungen im Seitenteil. Die Dellen / Beulen würden an der linken Fahrzeugseite insbesondere im oberen Bereich auftreten. Sie zeigten sich insbesondere bei frostigen Temperaturen oder bei hohen Temperaturen, letzteres insbesondere wenn das Fahrzeug in den Sommermonaten in Sonneneinstrahlung abgestellt werde. Ursache sei, dass ein Kleber bei der Fahrzeugfertigung zu schnell angezogen habe. Der Kläger bezieht sich ergänzend auf Lichtbilder (Bl. 192 f. eA). Er habe auch diese Dellen/Beulen eine Woche nach Auslieferung des Fahrzeugs gerügt. Herr XXX habe daraufhin den Umtausch des Fahrzeugs zugesagt. Der Mangel berechtige zum Rücktritt, weil das Fahrzeug so wie ein Unfallwagen aussehe.

Weiter bestünde als Mangel, dass entgegen der Absprache – insoweit unstreitig -nicht 5 Paletten / Gitterboxen ins Fahrzeug passen, weil dies der Luftaustritt einer Standheizung verhindert. In der hinteren Trittstufe sei ein Abstandmelder eingebracht. Hier bestünde als Mangel die Gefahr, dass beim Ladevorgang der Stapler gegen die Trittstufe kommt und damit die Sensoren beschädigt werden. Auch diese Mängel habe Herr XXX gegenüber Herrn XXX zeitnah nach Entdeckung gerügt.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 50.811,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 05.04.2019 Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs XXX mit der Fahrgestellnummer XXX zu zahlen;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des vorgenannten Fahrzeugs in Verzug befindet.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, der Bearbeitungsverlauf der Seitenwände entspräche der Serie und es läge eine gewollte Bombierung vor, die keinen Mangel begründe, da sie dem Stand der Technik entspräche. Auch andere Serienfahrzeuge wiesen diese Form auf. Ferner werde die Nutzbarkeit des Fahrzeugs nicht eingeschränkt, daher eine optische Einschränkung unerheblich.

Darüber hinaus behauptete Dellen gäbe es nicht. Diese seien auch nicht rechtzeitig gerügt worden. Es sei allein über den Versatz am Fahrzeug gesprochen worden, auch im späteren Termin am 11.03.2019 unter Berufung auf den Terminbericht vom 11.03.20219 (Bl. 151 ff. eA). Schließlich seien solche Dellen bei einem Nutzfahrzeug unerheblich.

Es habe keine Absprache gegeben, dass 5 Platten in das Fahrzeug geladen werden könnten. Die Lüftung der Standheizung sei vertragsgemäß. Zudem seien dieser Umstand sowie die Sensorproblematik unerheblich. Auch habe die Klägerin insoweit der Beklagten eine Nachfrist setzen müssen, dies aber – insoweit unstreitig – unterlassen.

Herr XXX habe auch keinen Umtausch das Fahrzeugs zugesagt, da er wie er im Gespräch offengelegt habe, hierzu nicht entscheidungsbefugt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie Protokolle zu den mündlichen Verhandlungen am 12.11.2019 (Bl. 108 ff. eA), 30.06.2022 (Bl. 225 ff. eA) und vom 07.06.2022 (Bl. 588 ff. eA) verwiesen.

Die Klägerin hat im Termin vom 07.06.2022 erstmals einen Schriftsatz vom 03.05.2022 überreicht. Sie hat hierbei über Herrn XXX informatorisch gehört erklärt, in dem Fahrzeug sei ein „Schummelmotor“ verbaut. Dieses sei ihr schon seit 3-4 Monaten bekannt, ohne dass sie dies gegenüber der Beklagten gerügt habe. Im Nachgang zum Termin hat die Klägerin am 09.06.2022 einen nicht nachgelassenen Schriftsatz (Bl. 620 eA) eingereicht.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen XXX und XXX. Wegen des Ergebnisses des Zeugenbeweises wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung am 30.06.2020 (Bl. 225 ff. eA) verwiesen. Ferner hat die Kammer auf Grundlage des Beweisbeschlusses vom 30.06.2020 (Bl. 243 f. eA) und vom 29.04.2021 (B. 399 eA) sowie Verfügung vom 29.10.2021 (Bl. 486 eA) Sachverständigengutachten eingeholt. Wegen des Ergebnisses des Sachverständigenbeweises wird auf das schriftliche Gutachten des Prof. Dr.-Ing. XXX vom 15.03.2021 (Bl. 304 ff. eA) nebst Ergänzungsgutachten vom 12.07.2021 (Bl. 44 ff. eA) und vom 21.03.2022 (Bl. 511 ff. eA) verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachte Anspruch der Klägerin lässt sich nicht auf eine mündliche Rückabwicklungsvereinbarung stützen.

Diese kann nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht festgestellt werden. Die Aussagen von Herrn XXX und Herrn XXX stehen sich insoweit unvereinbar gegenüber, ohne dass die Kammer von der Richtigkeit der einen oder anderen Darstellung überzeugt ist. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Zeuge XXX bei der von ihm verneinten Rückabwicklungsvereinbarung die Unwahrheit gesagt hat. Denn hat Herr XXX hat seine Angaben kritisch überprüft und sogar zu Ungunsten der Beklagten bestätigt, dass Herr XXX auch mündlich schon Im Januar 2019 die seitlichen Dellen bzw. Beulen an der Fahrzeugseite moniert hatte. Die Unaufklärbarkeit geht zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin (non liquet).

Die Klägerin kann ihr Rückabwicklungsbegehren auch nicht auf §§ 346, 323, 437 Nr. 2, 434 BGB stützen.

Der erklärte Rücktritt ist unwirksam.

Das Fahrzeug gilt als mangelfrei, § 377 Abs. 2 HGB, soweit sich die Klägerin erstmals mündlich am 07.06.2022 auf einen „Schummelmotor“ bezogen hat. Sie hat nach Bekunden des Herrn XXX trotz bestehender Kenntnis 3 bis 4 Monate zugewartet, ohne eine diebbezügliche Rüge gegenüber der Beklagten zu erklären. Zur Arglist im Sinne von § 377 Abs. 5 HGB, die die Rügeobliegenheit entfallen lässt, hat die Klägerin erstmals im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 09.06.2022 vorgetragen, so dass dieser außerhalb mündlicher Verhandlung erfolgte Vortrag nach § 296a S. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen war. Die Kammer sieht auch keinen Anlass für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (§§ 296a S. 2, 156 ZPO), weil die Klägerin mehrere Monate lang die Möglichkeit ungenutzt gelassen hat, zu dem Termin am 07.06.2022 rechtzeitig vorzutragen.

Soweit es den Einzug an der Fahrzeugseite betrifft, liegt jedenfalls kein zum Rücktritt berechtigender Mangel am Fahrzeug vor. Ob eine Beschaffenheit einer Kaufsache nach § 434 Abs. 3 Nr. 2 BGB üblich ist, bemisst sich an der objektiv berechtigten Käufererwartung, die sich in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen orientiert (BGH, NJW 2007, S. 1351, Tz. 21; Eggert, DS 2009, 247). Daher ist bei dem üblich erwartbaren Stand der Technik nicht auf den Standard der Marke, sondern auf den Entwicklungsstand vergleichbarer Fahrzeuge insgesamt abzustellen (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1991, 1340). Gleiches gilt für die erwartbare Verarbeitungsqualität (vgl. Westermann, in: MünchKomm BGB, 8. Aufl., § 434 Rn. 62). Eine Kaufsache, die dem Stand der Technik gleichartiger Sachen entspricht, ist aber nicht allein deshalb mangelhaft, weil der Stand der Technik hinter der tatsächlichen oder durchschnittlichen Käufererwartung zurückbleibt (BGH, NJW 2009, 2056).

Der Sachverständige Prof. Dr. XXX hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.03.2021 ausgeführt, dass bei dem als mangelhaft gerügten Knick eine fügetechnische Stoßabweichung zweier verschweißter Bleche vorliegt. Dieses sei in gewissen Toleranzen bei einem Nutzfahrzeug tolerierbar. Eine Abweichung von 3 – 5 mm sei bei Transportern marktüblich und Stand der Technik. Gemessen hat der Sachverständige eine Bombierungstiefe von 8 mm, also eine Überschreitung der maximalen Toleranz um etwa 3 mm (60 %). Der eigene – nicht maßgebliche – Fertigungsstandard der Beklagten, der eine Toleranz von 6 mm zulässt, bewirkt immer noch eine Abweichung von 2 mm (40 %). In welchem Umfang der bereits beim Kauf vorhandene Innenausbau für die Abweichung ursächlich ist, hat der Sachverständige nicht aufklären können. Dies würde aber auch an der festgestellten Toleranzabweichung an sich nichts ändern, die rein optischer Natur ist und die Nutzbarkeit im Innenraum nicht einschränkt. Die Kammer macht sich die widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen zu eigen.

Die Kammer geht davon aus, dass damit zwar ein unbehebbarer Mangel vorliegt, dieser aber wegen dessen Unerheblichkeit im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB nicht zum Rücktritt, sondern allenfalls zur Minderung berechtigt (vgl. die Verfügung vom 11.09.2021, Bl. 473 f. eA).

Beim unbehebbaren Mangel, mit denen der Käufer dauerhaft leben muss, ist zwar grundsätzlich von der Erheblichkeit auszugehen. Soweit die Gebrauchstauglichkeit aber nicht berührt wird, der Käufer also lediglich einen Minderwert hinnehmen muss, kommt eine Unerheblichkeit gleichwohl in Betracht, wenn Minderung bzw. „kleiner“ Schadensersatz die Mangelbetroffenheit des Käufers hinreichend ausgleichen würden (vgl. Ernst, in: MünchKomm BGB, 8. Aufl., § 323 Rn. 251). Diese Bewertung hängt von einer Interessenabwägung im Einzelfall ab (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 81. Aufl., § 437 Rn. 23). Unerheblich kann dabei eine optisch kaum wahrnehmbare Beschaffenheit sein, die die Gebrauchstauglichkeit nicht beeinträchtigt (vgl. Weidenkaff, a.a.O.).

Nach dieser Maßgabe geht die Kammer von einer optisch kaum wahrnehmbaren, die Fahrzeugnutzung nicht beeinträchtigende Beeinträchtigung aus, da die Abweichung von der marktüblichen Toleranz nur 3 mm beträgt, somit gegenüber einer (noch) hinzunehmenden Abweichung von 5mm nicht wesentlich stärker und nicht aus allen Blickwinkeln ins Auge fällt, und es sich bei dem streitgegenständlichen Sprinter um ein Nutzfahrzeug handelt, bei dem die Optik jedenfalls kein besonders sensibles Kriterium ist. Auch der Sachverständige hat insoweit schriftlich im Ausgangsgutachten ausgeführt, dass eine Minderung einer festgestellten optischen Beeinträchtigung Rechnung tragen kann (vgl. Bl. 312 eA).

Soweit sich die Klägerin weiter auf Dellen an der Fahrzeugseite berufen hat, die bei Temperaturabweichungen weiter zunehmen und wandern würden, hat sie diese streitige Behauptung nach dem Ergebnis der weiteren Beweisaufnahme nicht beweisen können. Der Sachverständige hat bei der weiteren Fahrzeuguntersuchung in einer Klimakammer im Ausgangspunkt nur leichte Verwerfungen (im gesamten Dachrahmenbereich von C- bis D-Säule festgestellt (Lichtbilder Bl. 517 eA). Durch deutlich kalte oder warme Temperaturen konnten weitere Verformungen (Verwerfungen, Einziehungen) von max. ca. 0,2 mm provoziert werden, die der Sachverständige als normales Erscheinungsbild für einen Transporter bezeichnet hat. Den Zustand, den die Klägerin mit verschiedenen Lichtbildern zu vermitteln versucht hat, hat der Sachverständige damit gerade nicht in der Klimakammer nachstellen können, so dass es an einer feststellbaren Abweichung vom Stand der Technik fehlt. Einwendungen gegen das zweite Ergänzungsgutachten hat die Klägerin trotz Fristsetzung (vgl. Bl. 546 eA) nicht geltend gemacht. Es kommt demnach nicht weiter darauf an, ob die Klägerin diesen Mangel rechtzeitig gerügt hat und ob es wegen der Unbehebbarkeit keiner Nachfristsetzung bedurfte.

Soweit sich die Klägerin auf die unzureichende Lademöglichkeit mit 5 Platten und eine Sensorproblematik bezogen hat, fehlt es jedenfalls an einem nach § 323 Abs. 1 BGB erforderlichen Nachbesserungsverlangen samt Fristsetzung. Ergänzender Vortrag der Klägerin ist auch nach dem entsprechenden Hinweis der Kammer vom 12.11.2019 (Bl. 109 eA) nicht erfolgt.

Der Klageantrag zu 2) ist ebenfalls unbegründet. Da der Rücktritt unwirksam ist, befindet sich die Beklagte nicht im Annahmeverzug.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nach §§ 709 S. 1 und S. 2 ZPO ergangen.

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