Darlegungs- und Beweislast für Pflichtverletzung
OLG Koblenz – Az.: 8 U 183/18 – Beschluss vom 08.10.2018
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 11.01.2018, Aktenzeichen 3 O 359/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Koblenz ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 434.784,72 € festgesetzt.
Gründe
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Koblenz vom 11.01.2018 sowie den Senatsbeschluss vom 30.07.2018 Bezug genommen.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 11.01.2018, Aktenzeichen 3 O 359/16, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
I.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
1. Entgegen den Ausführungen des Beklagtenvertreters folgt aus den Angaben in der Klageerwiderung, dass der Beklagte zur Grundsicherung im Rahmen seiner Altersvorsorge eine sogenannte „Schneerente“ abschließen wollte, keineswegs, dass er dabei konservativ vorgehen wollte. Auch wenn ansonsten keine Rentenanwartschaften vorhanden gewesen sind, kann er beabsichtigt haben, mit höherem Risiko eine höhere Rendite zu erzielen.
Die von dem Beklagtenvertreter in der Folge zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs betrifft nicht die Frage der Substantiierung bei der behaupteten fehlerhaften anlegergerechten Beratung. Das Urteil beschäftigt sich mit der Substantiierung bei der Frage, ob § 37a WpHG a.F. infolge einer vorsätzlichen Pflichtverletzung keine Anwendung finden kann. Darlegungs- und beweisbelastet ist in diesem Fall das Kreditinstitut. Im Gegensatz dazu ist für die Frage, ob und wenn ja welche Pflichtverletzungen vorliegen, der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet.
Im Übrigen wäre ein Anspruch wegen nicht anlegergerechter Beratung wie auch ein solcher aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 WpHG in der Fassung mit Geltung vom 30.10.2004 bis zum 31.10.2007 (nachfolgend: a.F.) wegen Empfehlung eines Finanzinstruments entgegen den Interessen des Beklagten im Rahmen der Regelverjährung wie im Senatsbeschluss vom 30.07.2018 ausgeführt verjährt. § 37a WpHG findet hier keine Anwendung, da die Klägerin nichts dazu vorgetragen hat, dass sie diesbezüglich nicht vorsätzlich gehandelt hätte. Auf die Frage eines Rechtsirrtums kommt es insoweit nicht an. Dieser betrifft nur die Frage der Verjährung bei der Nichtinformation über den anfänglichen negativen Marktwert.
2. Der Senat hat sich auf den Seiten 12 bis 14 des Beschlusses vom 30.07.2018 ausführlich mit den erstinstanzlich gerügten Beratungsfehlern auseinandergesetzt. Diesbezügliche Ansprüche bestehen nicht.
Soweit der Beklagte nunmehr einen neuen Beratungsfehler moniert, kann die Frage, ob dieser neue Vortrag zuzulassen ist, dahinstehen. Außer dem von der Berufung zitierten OLG Naumburg (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24. März 2005 – 2 U 111/04 –, juris) haben – soweit ersichtlich – weder der Bundesgerichtshof (vgl. zu den Pflichten der objektgerechten Beratung bei einem Swap: BGH, Urteil vom 22. März 2011 – XI ZR 33/10 –, Rn. 29, juris) noch andere Oberlandesgerichte eine Beratungspflicht dahingehend angenommen, dass besondere Gründe für den Abschluss eines Fremdwährungsswaps bestehen müssen.
3. Unklar bleibt, warum aus der Auffassung des Bundesgerichtshofs zur Frage der grob fahrlässigen Unkenntnis bei Nichtdurchlesen des Emissionsprospektes der Schluss gezogen werden sollte, dass der Beklagte aufgrund der von ihm getätigten höheren Zinszahlungen ab 2010 keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den Wechselkursrisiken gehabt haben soll. Wann die früheren Gewinne aus der Anlage von den höheren Zinszahlungen aufgezehrt worden sind, ist für die Frage einer Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich des Wechselkursrisikos irrelevant. Letzteres manifestierte sich in den höheren Zinszahlungen und musste sich dem Beklagten aufgrund dieser im Jahre 2010 aufdrängen.
Aus dem Zitat unklarer Herkunft ergibt sich im Übrigen kein Vorsatz der Klägerin bezüglich der Pflichtverletzung „anfänglicher negativer Marktwert“. Vielmehr war in dem dort entschiedenen Fall im Beratungsgespräch offensichtlich unrichtig über den anfänglichen negativen Marktwert aufgeklärt worden. Eine solche unrichtige Information behauptet der Beklagte aber gerade nicht.
4. Hinsichtlich der objektgerechten Beratung hat der Senat in seinem Hinweisbeschluss die Verneinung des Anspruchs nicht auf eine fehlende Substantiierung gestützt, sondern auf die erfolgte Aufklärung durch die Präsentation und die Verjährung des Anspruchs infolge der erhöhten Zinszahlungen in 2009 und 2010. Aus diesen musste der Beklage schließen, dass bei weiterer Veränderung des Zinssatzes zu seinen Ungunsten höhere und letztlich unbegrenzte Verluste eintreten konnten.
5. Die Klägerin mag ihr Interessenskonflikt infolge des eingepreisten negativen Marktwerts bewusst gewesen sein, sie wusste deswegen aber nicht zwangsläufig, dass sie über den eingepreisten anfänglichen negativen Marktwert aufklären musste. Im Übrigen regelte § 32 WpHG a.F. einen solchen Interessenkonflikt nicht. Vielmehr verbot dieser, nicht mit den Interessen der Kunden übereinstimmende Finanzprodukte zu empfehlen, um für Eigengeschäfte Preise in eine bestimmte Richtung zu bewegen sowie Eigengeschäfte im Wissen um einen Auftrag eines Kunden wahrzunehmen, die Nachteile für den Auftraggeber zur Folge haben konnten.
Der weitere Vortrag bewegt sich im Bereich des Spekulativen. Die Berufung versäumt es, eventuelle weitere Tatsachen zu benennen, aus denen die Klägerin Kenntnis von ihrer Verpflichtung zur Information über den anfänglichen negativen Marktwert hätte haben sollen. Solche wurden erstinstanzlich auch nicht behauptet. Die Klägerin musste das Nichtvorhandensein dieser unbekannten Tatsachen demzufolge nicht bestreiten und unter Beweis stellen. Sie ist ihrer Darlegungslast für ihr nicht vorsätzliches Handeln nachgekommen. Ihren Vortrag, dass sie aufgrund einer eingehenden Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsanalyse zu dem Ergebnis kam, dass eine Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert nicht erforderlich war, hat der Beklagte nicht bestritten, sodass diesbezüglich kein Beweis zu erheben war.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1 u. 2 ZPO.
Die Revision ist nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert auch keine Entscheidung des Revisionsgerichts. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die keine Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen (vgl. zu den Zulassungsgründen: Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 543 ZPO, Rn. 12).
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der § 3 ZPO und §§ 47, 48 GKG bestimmt.