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Verkehrsunfall – Rücksichtnahmegebot beim Parallelabbiegen neben Lang-Lkw

Rücksichtnahme verpflichtend: Unfall durch schnelles Parallelabbiegen neben Lang-Lkw

Das Urteil des LG Stuttgart im Fall eines Verkehrsunfalls beim Parallelabbiegen neben einem Lang-Lkw legt die Haftungsverteilung fest. Es betont die Notwendigkeit der Rücksichtnahme und Achtsamkeit im Straßenverkehr, insbesondere in Bezug auf das Verhalten neben großen Fahrzeugen. Die Entscheidung basiert auf einer detaillierten Bewertung der spezifischen Umstände des Unfalls, einschließlich der Größe und Position des Lang-Lkw und des Verhaltens des anderen beteiligten Fahrers.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 12 O 2/22  >>>

Das Wichtigste in Kürze


Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verkehrsunfall: Zwischen einem Mercedes-Benz und einem Lang-Lkw in Sindelfingen.
  2. Haftungsverteilung: Das Gericht setzt eine Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klägerin fest.
  3. Unfallursache: Der Mercedes-Benz Fahrer hätte den Unfall vermeiden können, indem er nicht neben dem Lang-Lkw fuhr.
  4. Verhalten des Lang-Lkw-Fahrers: Kein Verschulden, da eine angemessene Fahrbahnnutzung für das Abbiegen notwendig war.
  5. Verhalten des Mercedes-Benz-Fahrers: Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot laut § 1 Abs. 2 StVO.
  6. Schadensersatzanspruch: Der Klägerin steht ein weiterer Schadensersatzanspruch von 616,25 € zu.
  7. Bedeutung der Fahrzeuggröße: Die besondere Größe und Betriebsgefahr des Lang-Lkw wurden in der Haftungsentscheidung berücksichtigt.
  8. Bewertung des Sachverständigen: Einbeziehung der sachverständigen Bewertung zur Feststellung des Unfallhergangs und der Wertminderung des Mercedes-Benz.

Verkehrsunfälle sind eine tragische Realität in unserer Welt, und es ist wichtig, dass alle Beteiligten sicher und verantwortungsvoll im Straßenverkehr verhalten. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Verhalten neben großen Fahrzeugen wie Lang-Lkw. Ein neuer Entscheid des Landgerichts Stuttgart befasst sich genau mit dieser Situation und legt die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall fest, der beim Parallelabbiegen neben einem Lang-Lkw aufgetreten ist. Die Entscheidung bezieht sich auf die Anwendung der Rücksichtnahmegebote und der Haftungsquote, die im Straßenverkehrsgesetz festgelegt sind. Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, sicher und achtsam zu fahren, um Unfälle zu vermeiden und Schaden zu minimieren.

Der Verkehrsunfall mit dem Lang-Lkw: Ein komplexer Fall vor dem LG Stuttgart

In einem bemerkenswerten Fall vor dem Landgericht Stuttgart ging es um einen Verkehrsunfall, der sich beim Parallelabbiegen neben einem Lang-Lkw ereignete. Der Unfall fand am 26.10.2021 in Sindelfingen statt, als der Fahrer eines Mercedes Benz GLE 350de 4MATIC, Zeuge M., von hinten links an einem an einer roten Ampel wartenden Lang-Lkw vorbeifuhr und sich neben diesem positionierte. Nachdem das Signal auf Grün umschaltete, kam es beim Anfahren des Lang-Lkw zu einer Kollision zwischen der linken vorderen Ecke des Anhängers und der rechten hinteren Seite des Mercedes-Benz, was einen Schaden von 12.171,40 € verursachte.

Rücksichtnahmegebot und die Herausforderungen im Straßenverkehr

Dieser Fall wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung des Rücksichtnahmegebots im Straßenverkehr, insbesondere in Bezug auf das Fahren neben großen Fahrzeugen wie Lang-Lkw. Die Klägerin, Kaskoversicherer der M. AG, behauptete, dass der Unfall für den Zeugen M. unvermeidbar gewesen sei, da der Lkw-Fahrer, Beklagter zu 1, den Mercedes-Benz beim Durchfahren der Kurve hätte sehen und berücksichtigen müssen. Die Beklagten hingegen argumentierten, dass der Zeuge M. sich unerlaubt neben dem Lang-Lkw eingereiht und somit den Unfall mitverschuldet hätte.

Haftungsquote und Schadensersatz: Das Urteil des LG Stuttgart

Das LG Stuttgart legte eine Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klägerin fest. Dabei wurde festgestellt, dass der Unfall für keine der Parteien unvermeidbar war. Der Zeuge M. hätte den Unfall vermeiden können, indem er hinter dem Lang-Lkw geblieben wäre. Gleichzeitig wurde dem Lkw-Fahrer kein Verschulden zugesprochen, da er nur unter Mitbenutzung der linken Rechtsabbiegespur abbiegen konnte. Das Gericht berücksichtigte auch die Betriebsgefahr des Lang-Lkw aufgrund seiner Größe und stellte fest, dass diese hohe Betriebsgefahr nicht hinter dem Verschulden des Zeugen M. zurücktritt.

Schlussfolgerungen und Lehren aus dem Urteil

Der Fall unterstreicht die Komplexität von Verkehrsunfällen, bei denen mehrere Faktoren wie die Größe der beteiligten Fahrzeuge, die Verkehrsregeln und das Verhalten der Fahrer eine Rolle spielen. Die Entscheidung des LG Stuttgart hebt hervor, dass im Straßenverkehr nicht nur die Einhaltung der Verkehrsregeln, sondern auch die gegenseitige Rücksichtnahme und das Antizipieren von potenziellen Gefahren entscheidend sind. Der Fall zeigt deutlich, dass das Verhalten jedes Fahrers im Straßenverkehr erhebliche rechtliche und finanzielle Konsequenzen haben kann.

Das Urteil des LG Stuttgart stellt somit einen wichtigen Referenzpunkt für ähnliche Fälle dar und betont die Notwendigkeit für alle Verkehrsteilnehmer, insbesondere in der Nähe von Lang-Lkw, erhöhte Vorsicht und Achtsamkeit walten zu lassen.

Wichtige Fragen und Zusammenhänge kurz erklärt


Was beinhaltet das Rücksichtnahmegebot beim Fahren und wie wird es im Kontext des Parallelabbiegens interpretiert?

Das Rücksichtnahmegebot ist eine grundlegende Regel im Straßenverkehr, die in § 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) festgelegt ist. Es besagt, dass sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten muss, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als nach den Umständen unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Dieses Gebot gilt für alle Verkehrsteilnehmer, unabhängig davon, ob sie zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit einem Fahrzeug unterwegs sind.

Beim Abbiegen im Straßenverkehr, insbesondere beim Parallelabbiegen, spielt das Rücksichtnahmegebot eine wichtige Rolle. Wer abbiegt, muss entsprechende Abbiege- und Vorfahrtsregelungen beachten, die in den jeweiligen Gesetzen und Straßenverkehrsordnungen des Landes näher beschrieben und definiert sind. Beim Abbiegen ohne Rücksicht auf Fußgänger oder andere Verkehrsteilnehmer, insbesondere bei Gefährdung, kann dies zu Bußgeldern, Punkten im Fahreignungsregister und sogar zu einem Fahrverbot führen.

Im Kontext des Parallelabbiegens bedeutet das Rücksichtnahmegebot, dass der abbiegende Fahrer sowohl auf den Gegenverkehr als auch auf Fußgänger und Radfahrer achten muss. Er muss sicherstellen, dass er beim Abbiegen niemanden gefährdet. Insbesondere muss er auf Radfahrer und Fußgänger achten, die sich auf dem für sie bestimmten Verkehrsweg (z.B. Gehweg, Radweg) befinden und die Straße überqueren.

Es ist zu betonen, dass das Rücksichtnahmegebot nicht nur für Autofahrer, sondern für alle Verkehrsteilnehmer gilt. Auch Radfahrer und Fußgänger müssen sich rücksichtsvoll verhalten und die Verkehrsregeln beachten.

Welche spezifischen Herausforderungen stellt das Fahren und Abbiegen neben einem Lang-Lkw dar?

Das Fahren und Abbiegen neben einem Lang-Lkw stellt verschiedene spezifische Herausforderungen dar.

  • Größe und Länge: Lang-Lkws, auch als Gigaliner bekannt, sind über 25 Meter lang und können bis zu 44 Tonnen wiegen[2]. Ihre Größe und Länge können das Manövrieren auf der Straße erschweren, insbesondere in städtischen Gebieten mit engen Straßen und Kreuzungen.
  • Abbiegen und Kreuzungen: Aufgrund ihrer Länge benötigen Lang-Lkws mehr Zeit und Raum zum Abbiegen, was andere Verkehrsteilnehmer behindern kann[2]. Beim Abbiegen bleibt links und rechts eines Gigaliners oft kein Sicherheitsspielraum mehr, und häufig müssen benachbarte Fahrspuren mitbenutzt werden[5].
  • Überholen: Das Überholen eines Lang-Lkws kann ebenfalls eine Herausforderung darstellen, da es mehr Zeit und eine größere Distanz erfordert, um das Fahrzeug sicher zu überholen[6].
  • Sicherheitsrisiken: Lang-Lkws können auch ein erhöhtes Sicherheitsrisiko darstellen. Sie sind an jedem fünften tödlichen Verkehrsunfall beteiligt, und je schwerer der Lkw ist, desto gravierender sind die Unfallfolgen[2].
  • Infrastruktur: Die Straßeninfrastruktur in Deutschland ist nur bedingt für den Einsatz von überlangen Lkws geeignet. Probleme können insbesondere an Kreuzungen, Kreisverkehren und in Tunneln auftreten.

Es ist zu erwähnen, dass Lang-Lkws in der Regel nur von erfahrenen Fahrern gefahren werden und standardmäßig mit mehr Sicherheitstechnologie ausgestattet sind. Trotzdem bleiben die oben genannten Herausforderungen bestehen.

Welche rechtlichen Aspekte sind bei der Bewertung der Betriebsgefahr eines Fahrzeugs, insbesondere eines Lang-Lkw, zu berücksichtigen?

Die Bewertung der Betriebsgefahr eines Fahrzeugs, insbesondere eines Lang-Lkw, beinhaltet mehrere rechtliche Aspekte. Die Betriebsgefahr bezieht sich auf die Gefährdungshaftung, die unabhängig vom Verschulden für die Gefahren besteht, die beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs ausgehen.

Die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, darunter das Gewicht und die Größe des Fahrzeugs. Je schwerer und größer das Fahrzeug, desto höher ist in der Regel die Betriebsgefahr. Bei Lang-Lkw ist zu beachten, dass sie nur auf bestimmten, in einer Positivliste aufgeführten Strecken fahren dürfen.

Die Haftung für Schäden, die durch die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs entstehen, liegt grundsätzlich beim Halter des Fahrzeugs gemäß §7 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Es gibt jedoch Ausnahmen von dieser Regel. So entfällt die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird.

Bei Unfällen mit Anhängern und Gespannen, wie sie bei Lang-Lkw häufig vorkommen, ist seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2020 der Versicherer des Zugfahrzeugs eintrittspflichtig.

Bei der Beurteilung der Betriebsgefahr und der daraus resultierenden Haftung ist auch das Verhalten des Fahrers von Bedeutung. So kann beispielsweise eine Verletzung der Sorgfaltspflicht durch den Fahrer zu einer höheren Haftungsquote führen.

Es ist auch zu beachten, dass die Betriebsgefahr nicht ausgeschlossen ist, wenn das Fahrzeug nicht auf öffentlichem Verkehrsraum eingesetzt wird. Sie scheidet jedoch aus, wenn das Fahrzeug ordnungsgemäß außerhalb jeden Verkehrsraums abgestellt wird.

Bei der Haftungsverteilung nach einem Unfall kann die Betriebsgefahr eine Rolle spielen. So kann beispielsweise die Haftungsquote bei einem Lkw höher liegen als bei einem Pkw.

Diese Aspekte sind nur einige der rechtlichen Überlegungen, die bei der Bewertung der Betriebsgefahr eines Fahrzeugs, insbesondere eines Lang-Lkw, zu berücksichtigen sind. Es ist immer ratsam, sich bei spezifischen Fragen an einen Rechtsanwalt oder eine andere qualifizierte Rechtsberatungsstelle zu wenden.


Das vorliegende Urteil

LG Stuttgart – Az.: 12 O 2/22 – Urteil vom 21.07.2022

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 616,25 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.12.2021 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 94 % und die Beklagten 6 %.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung von 115 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit von 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

5. Der Streitwert wird auf 10.314,27 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin fordert Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall.

Die Klägerin ist Kaskoversicherer der M. AG, deren Fahrzeug Mercedes Benz GLE 350de 4MATIC vom Zeugen M. gesteuert wurde. Der bei der Beklagten zu 2 versicherte LKW mit Anhänger wurde vom Beklagten zu 1 gelenkt.

Am 26.10.2021 gegen 9:15 Uhr stand der Beklagten zu 1 mit dem LKW auf der zweispurigen Abbiegespur von der Käsbrünnlestraße auf die Rudolf-Diesel-Straße in Sindelfingen und wartete auf Grünlicht. Der Zeuge M. fuhr von hinten links am Anhänger vorbei und wartete neben dem Zugfahrzeug ebenfalls auf Grünlicht. Nachdem der Beklagte zu 1 angefahren war, kam es zwischen der linken vorderen Ecke des Anhängers und der rechten hinteren Seite des Mercedes-Benz zur Kollision. Dabei entstand am Mercedes-Benz ein Schaden von 12.171,40 € netto ohne Berücksichtigung einer Wertminderung. Die Beklagte zu 2 regulierte den Schaden am Mercedes-Benz auf der Grundlage einer Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klägerin und bezahlte 4.057,13 €.

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Die Klägerin behauptet, allenfalls die linken Räder des LKW hätten sich über der Mittellinie zwischen den beiden Rechtsabbiegerspuren befunden. Die linke Abbiegespur sei ca. 3,50 m breit. Der ganz links stehende Mercedes-Benz sei 1,93 m breit und habe wenigstens einen Abstand von 0,75 m zum LKW gehabt, als beide Fahrzeuge vor der Ampel gewartet hätten. Der Beklagte zu 1 habe dabei den Zeugen M. im Mercedes-Benz erkennen können und müssen.

Die Klägerin ist der Auffassung, der Unfall sei für den Zeugen M. unvermeidbar gewesen, weil ihn der Beklagte zu 1 beim Durchfahren der Kurve nicht beachtet habe. Mit einem Ausschwenken des LKW habe er nicht rechnen müssen und können. Vielmehr habe der Zeuge M. davon ausgehen dürfen, dass der bereits leicht auf der linken Abbiegespur stehende LKW auf der rechten Seite genügend Platz zum Abbiegen habe.

Die Klägerin meint, ihr stehe eine Wertminderung von 2.200,00 € zu.

Die Klägerin beantragt:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 10.314,27 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.12.2021 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen: Klageabweisung.

Die Beklagten behaupten, der LKW mit Anhänger habe beim Anhalten an der roten Lichtzeichenanlage mehr als ein Drittel der linken Rechtsabbiegerspur blockiert. Der Zeuge M. habe sich daher am Anhänger vorbei gedrängt und sich neben den LKW gezwängt. Dass beim Rechtsabbiegen eines Zuges der Anhänger nach links ausschwenke, gehöre zum Allgemeinwissen eines jeden Kfz-Führers. Mehr als eine Mithaftung des LKW von 1/3 aus Betriebsgefahr komme nicht in Betracht.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2022 Bezug genommen. Es ist Beweis erhoben worden durch die Vernehmung des Zeugen M. und ein mündliches Gutachten des Sachverständigen R. Bezüglich des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll vom 05.07.2022 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein weiterer Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7, 17 StVG, 115, PflVG, 86 VVG von 616,25 € im Zusammenhang mit der Wertminderung am Mercedes-Benz infolge des Unfalls zu. Die Haftungsquote aus dem Verkehrsunfall vom 26.10.2021 beträgt 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klägerin.

1.

Der Unfall war für keine der Parteien unvermeidbar gemäß § 17 Abs. 3 StVG.

a)

Die Beklagten behaupten keine Unvermeidbarkeit für den Beklagten zu 1, sondern gehen von einer Mithaftung aus Betriebsgefahr von 1/3 aus.

b)

Auch der Zeuge M. hätte den Unfall vermeiden können, indem er hinter dem überlangen Zug gehalten und bei Grünlicht hinter ihm abgebogen wäre. Der Idealfahrer wäre vorsichtig links an den Anhänger herangefahren und hätte dabei erkannt, dass es sich um einen außergewöhnlich langen Anhänger handelt, der zumindest im vorderen Bereich teilweise auf der linken Rechtsabbiegerspur stand. So hat es der Sachverständige R. aufgrund der Endposition des Zugfahrzeugs und seiner Fahrversuche mit einem entsprechenden Zug festgestellt. Wenn der Anhänger vollständig auf der rechten Abbiegespur gestanden wäre, hätte der Beklagte zu 1 nicht abbiegen können. In dieser Situation würde der Idealfahrer nicht wie der Zeuge M. am Anhänger vorbei neben das Zugfahrzeug fahren bis es nicht mehr weitergeht, um dann nach seiner Einlassung ca. 5 Meter vor der Haltelinie neben dem Zugfahrzeug zum Stehen zu kommen. Der Abstand zum Zugfahrzeug betrug dabei nach den Feststellungen des Sachverständigen R. ca. 75 cm. Vielmehr hätte der Idealfahrer von einem Weiterfahren neben dem Anhänger Abstand genommen und wäre dann bei Grünlicht hinter dem Zug abgebogen.

2.

Hinsichtlich des Beklagten zu 1 liegt kein schuldhaftes Verhalten vor, während der Zeuge M. aufgrund eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 StVO den Unfall schuldhaft verursacht hat.

a)

Den Beklagten zu 1 trifft kein Verschulden am Unfall, weil er nach den Feststellungen des Sachverständigen R. nur unter Mitbenutzung der linken Rechtsabbiegespur abbiegen konnte.

Danach war der vom Beklagten zu 1 gesteuerte Lang-Lkw mit insgesamt circa 25 m überlang. So ergibt es sich auch aus den Bildern des Sachverständigen R. in der Anlage zum Protokoll vom 05.07.2022. Die empfehlenswerte Position des Lang-Lkw beim Warten an der Haltelinie ist die mittige Position, wie sie der Beklagte zu 1 eingehalten hat. Und zwar nicht nur, weil der Lang-Lkw nach rechts einen übergroßen Platzbedarf hat, sondern auch deshalb, weil bei einer Warteposition innerhalb des rechten Fahrstreifens anderen Verkehrsteilnehmern signalisiert wird, der linke Rechtsabbiegerfahrstreifen könne benutzt werden, was jedoch nicht der Fall ist, weil spätestens der Auflieger mit seiner linken vorderen Ecke während des Abbiegens dann nach links etwa 1 m weit in den linken Abbiegefahrstreifen hineinschert.

Mit der Zulassung dieser Lang-Lkw müssen die übrigen Verkehrsteilnehmer hinnehmen und damit rechnen, dass er beim Abbiegen nicht nur eine Fahrspur braucht, sondern beide. Dabei ist es gemäß der Einlassung des Beklagten zu 1 gut nachvollziehbar und vernünftig, den Lang-Lkw während des Abbiegevorgangs möglichst so aufzustellen, dass keine anderen Fahrzeuge rechts oder links vorbeifahren können. Das war aber nach den Feststellungen des Sachverständigen R. an dieser Stelle nicht ohne weitere möglich, weil die beiden Abbiegespuren so breit sind, dass auch bei dem fast mittigen Stehen des Lang-Lkw links und rechts noch circa 3 m Platz bleiben, die insbesondere Pkw-Lenker dazu verleiten, sich an dem Lang-Lkw vorbei nach vorne zu schieben.

Ferner war der Beklagte zu 1 während des Abbiegevorgangs sehr aufmerksam bezüglich neben ihm stehender Fahrzeuge, weil er trotz des Abbiegens nach rechts und des damit verbundenen Sichtverlusts auf den Bereich hinter der rechten Seite des Zugfahrzeugs noch den Mercedes-Benz wahrnahm und sofort bremste. Daher ist nur ein leichter Anstoß des Anhängers am Mercedes-Benz erfolgt. Hätte der Beklagte zu 1 nicht so aufmerksam und schnell gehandelt, wäre der Schaden am Mercedes-Benz um ein Vielfaches größer gewesen.

b)

Dagegen hat der Zeuge M. gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Verkehr nach § 1 Abs. 2 StVO verstoßen.

Gemäß seiner Einlassung ist der Zeuge M. von hinten links am Anhänger vorbei und soweit nach vorne neben das Zugfahrzeug gefahren, wie er noch Platz hatte. Dabei stand er ca. 5 m vor der Haltelinie und – nach den Feststellungen des Sachverständigen R. – mit einem Abstand von ca. 75 cm neben dem Zugfahrzeug und unmittelbar am linken Rand der linken Rechtsabbiegerspur. In diesem Zusammenhang hat der Zeuge M. bekundet, er kenne sich mit dem Fahrverhalten von Lkw und ihren Anhängern nicht aus (wurde versehentlich nicht protokolliert).

Es mag sein, dass es der Zeuge M. nach seiner Einlassung nicht eilig hatte. Jedoch hätte er nicht diese gefährliche Situation durch das Vorfahren neben dem Zugfahrzeug eines auch für ihn erkennbaren überlangen Lkw mit Anhänger herbeiführen dürfen. Dabei fuhr er so weit nach vorne, bis es nicht mehr weiterging. Dabei hatte er erkannt, dass das Zugfahrzeug zumindest etwas mit den linken Rädern auf dem rechten Rand der linken Rechtsabbiegerfahrbahn stand. Ferner hätte er erkennen müssen, dass – gemäß den Feststellungen des Sachverständigen R. – zumindest der vordere Bereich des Anhängers ebenfalls zum Teil auf dem rechten Rand der linken Rechtsabbiegerfahrbahn zum Stehen gekommen war. Gerade wenn er keine konkreten Vorstellungen davon hat, wie sich ein Lkw mit Anhänger während des Abbiegens verhält, hätte er nicht so nah nach vorne an das Zugfahrzeug heranfahren dürfen. Das gilt ganz besonders für den Lang-Lkw des Beklagten zu 1.

Selbst wenn der Zeuge M. die von ihm hervorgerufene schwierige Verkehrssituation erst erkannt haben sollte, als er bis zum Zugfahrzeug vorgefahren war und feststellte, dass er nicht weiter bis ganz nach vorne zur Haltelinie fahren konnte, hätte er den Beklagten zu 1 sofort durch Hupen auf sich aufmerksam machen müssen. Dann hätte der Beklagte zu 1 reagiert und durch vorsichtiges Fahren die Situation entschärft.

3.

Die Abwägung der Betriebsgefahr des Lang-Lkw und der um das Verschulden des Zeugen M. erhöhten Betriebsgefahr des Mercedes-Benz führt zu einer Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten der Klägerin.

Dabei wird einerseits berücksichtigt, dass der Zeuge M. durch sein verkehrswidriges Verhalten alleine den Unfall verursacht hat. Andererseits wird aber auch berücksichtigt, dass die Betriebsgefahr des Lang-Lkw aufgrund seiner Größe und der Neuheit solcher Lkw für andere Verkehrsteilnehmer ganz erheblich ist. Daher tritt hier diese hohe Betriebsgefahr nicht hinter dem Verschulden des Zeugen M. zurück. Das alleinige Verschulden des Zeugen M. am Unfall führt jedoch zu einer überwiegenden Haftung, die mit einer Quote von 2/3 zu 1/3 ihren Ausdruck findet.

4.

Die Klägerin hat auf der Grundlage der Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 und unter Berücksichtigung der bereits gemäß dieser Quote erfolgten Regulierung der Beklagen zu 2 noch einen weiteren Schadensersatzanspruch von 616,25 € im Zusammenhang mit der bisher von den Beklagten insgesamt bestrittenen Wertminderung am Mercedes-Benz infolge des Unfalls.

Der Sachverständige R. hat festgestellt, dass der Ansatz einer Wertminderung von 2.200,00 € brutto hier zwar sachgerecht ist, aber nicht berücksichtigt, dass die Eigentümerin und Halterin des Mercedes-Benz vorsteuerabzugsberechtigt ist. Daher ist ein Netto-Wertminderungsanspruch von 1.848,74 € anzusetzen. Ein Drittel hiervon sind die zugesprochenen 616,25 €.

5.

Der Anspruch auf die Zinsen folgt aus §§ 286, 288 BGB.

6.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 709 S. 2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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