AG Frankenthal – Az.: 3a C 41/18 – Urteil vom 21.06.2018
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt als Eigentümer des Pkw Mercedes-Benz C 230 Kompressor, amtliches Kennzeichen LU-…, Erstzulassung 05.10.2001, von dem Beklagten zu 1 als Fahrer und Halter des Lkw’s Scania, amtliches Kennzeichen DÜW-…, haftpflichtversichert bei der Beklagten zu 2 gesamtschuldnerische Zahlung von Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalles am 20.07.2017 gegen 9.37 Uhr im Bereich der Auffahrt zur BAB 6 Fahrtrichtung Mannheim Höhe der Anschlussstelle Ludwigshafen Nord. Der Kläger befuhr mit seinem Pkw den Beschleunigungsstreifen der Anschlussstelle Ludwigshafen Nord. Hierbei kam es zur Kollision mit dem auf der rechten Fahrspur auf der BAB 6 fahrenden, von dem Beklagten zu 1 geführten Lkw.
Bei dem klägerischen Pkw kam es zu einem Anstoß im Heckbereich hinten links. Das Beklagtenfahrzeug wurde im Bereich der vorderen rechten Stoßstange beschädigt.
Der Kläger berechnet seinen Schaden auf Totalschadenbasis nach dem Schadensgutachten des Ing.- und Sachverständigenbüro S… vom 26.07.2017 wie folgt:
- Wiederbeschaffungswert laut Gutachten 3.500,00 Euro
- abzüglich Restwert 300,00 Euro
- Wiederbeschaffungsaufwand 3.200,00 Euro
- Sachverständigengebühren 602,43 Euro
- Ab- und Anmeldekosten 76,69 Euro
- Kostenpauschale 25,00 Euro
- Insgesamt: 3.904,12 Euro.
Auf die mit Schreiben vom 26.07.2017 gesetzte Frist zur Zahlung zum 05.08.2017 erfolgte eine Regulierung nicht.
Der Kläger ist der Auffassung, dass bei unstreitigem Stop-and-go-Verkehr der Unfallstelle der Beklagte zu 1 unter grober Missachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auf den sich einfädelnden Kläger nicht geachtet und daher den Unfall verursacht habe.
Der Kläger beantragt: Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger € 3.904,12 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.08.2017 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen die Klage abzuweisen und führen hierzu aus, das Reißverschlussprinzip, § 7 Abs. 5 StVO gelte beim Auffahren auf eine Bundesautobahn gerade nicht, der Klage habe den Unfall allein verursacht und verschuldet.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1 persönlich gemäß § 148 ZPO angehört und die beigezogene Verkehrsunfallakte 500040995300 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das Amtsgericht Frankenthal (Pfalz) ist gemäß § 32 ZPO örtlich und nach § 23 Nr. 1 GVG sachlich zuständig.
Der Kläger hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner bereits dem Grunde nach keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz, da er den gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis der schuldhaften Unfallverursachung nicht zu erschüttern vermochte.
Gegen den Kläger spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden. Es ist herrschende Rechtsprechung, BGH VersR 82, 672, dass dann, wenn sich wie hier ein Auffahrunfall im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einfahren eines Fahrzeuges auf die Bundesautobahn ereignet, kein Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des die Bundesautobahn benutzenden bevorrechtigten Fahrers spricht, vielmehr spricht umgekehrt in derartigen Fällen der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des auf die Bundesautobahn Auffahrenden (OLG Koblenz, Urteil vom 15. Juni 1992, Aktenzeichen 12 U 1135/91). Nach den Angaben der Parteien ist davon auszugehen, dass der Kläger auf den rechten Fahrstreifen der Bundesautobahn auffuhr, als er den vom Beklagten zu 1 geführten Sattelzug schon sehen konnte. Nach § 18 Abs. 3 StVO hat der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn der Bundesautobahn die Vorfahrt. Der auf die Bundesautobahn einfahrende Verkehr ist also wartepflichtig und darf nur so fahren, dass er den durchgehenden Verkehr nicht gefährdet und behindert. Dass eine Behinderung des Beklagten zu 1 durch den Kläger gegeben war, zeigt der Unfall. Der Kläger hätte nur dann gefahrlos auf die Fahrbahn der Bundesautobahn auffahren dürfen, wenn eine hinreichend große Lücke bestanden hätte. Hierfür ist insoweit der beweisbelastete Kläger beweisfällig geblieben, eine Vernehmung als Partei, § 447 ZPO kam mangels ausdrücklicher Zustimmung durch die Beklagten nicht in Betracht. Daneben fehlt es an dem für eine amtswegige Parteivernehmung notwendigen „Anbewiesensein“ gemäß § 448 ZPO.
Zwar sollte der auf der Bundesautobahn fahrende Kraftfahrer bei freier Überholspur vorübergehend rechtzeitig und deutlich auf die Überholspur abbiegen, um das Einfahren vom Beschleunigungsstreifen aus zu erleichtern. Er darf aber überholende Verkehrsteilnehmer nicht behindern. Auf ein solches Ausweichen dürfen sich die auf die Bundesautobahn auffahrenden Verkehrsteilnehmer nicht verlassen. Angesichts des unstreitig herrschenden Stop-and-go-Verkehrs im Bereich der Baustelle ist ein solches Ausweichen auch schlechterdings nicht vorstellbar. Dass dies dem Beklagten zu 1 möglich gewesen wäre, hierfür ist der Kläger darlegungs- und beweisfällig geblieben.
Nach dem Vorgenannten unterlag die Klage daher der Abweisung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.