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Verkehrsunfall – Beweiswert Schuldeingeständnis im Unfallaufnahmeprotokoll

KG Berlin – Az.: 22 U 34/17 – Beschluss vom 30.11.2017

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 10. Januar 2016 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, Az.: 41 O 98/16, auf Ihre Kosten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Klägerin erhält Gelegenheit, hierzu und zu den Gründen binnen eines Monats schriftlich Stellung zu nehmen.

Gründe

I. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingereicht und innerhalb der Frist nach § 520 Abs. 2 ZPO ausreichend begründet worden. Der Senat beabsichtigt gleichwohl, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil diese – wie er einstimmig meint – keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten ist. Im Einzelnen gilt:

II. Eine Berufung kann nach § 513 ZPO nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung oder der Nichtanwendung einer Rechtsnorm beruht oder die nach § 529 ZPO der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Unter Anwendung dieses Maßstabs hat die Berufung der Klägerin auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keinen Erfolg.

Verkehrsunfall - Beweiswert Schuldeingeständnis im Unfallaufnahmeprotokoll
(Symbolfoto: tommaso79/Shutterstock.com)

1. Das Landgericht hat die auf Zahlung der sich ausweislich eines Sachverständigengutachtens ergebenden Bruttoreparaturkosten zzgl. der Aufwendungen für den Sachverständigen und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten gerichtete Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs als Zeugen und Anhörung des Beklagten zu 1) als Fahrer des von dem Beklagten zu 2) gehaltenen und bei der Beklagten zu 3) haftpflichtversicherten Fahrzeugs abgewiesen. Es hat insoweit ausgeführt, dass es nicht nur davon überzeugt ist, dass der Unfall vom 4. September 2015 gegen 10.45 Uhr in der Sch… straße in Berlin- F… sich in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Wechsel der Fahrspur des klägerischen Fahrzeugs von der rechten in die linke Spur zugetragen hat, so dass hier ein Anscheinsbeweis für eine Sorgfaltspflichtverletzung des Zeugen der Klägerin spricht, sondern dass ein solcher Sorgfaltspflichtverstoß auch zur Überzeugung der Kammer feststehe. Denn die Darstellung des Fahrers des klägerischen Fahrzeugs, er habe wegen der vorhandenen Ampel bereits 10 sec gestanden als der Beklagte zu 1) aufgefahren sei, sei nicht nachvollziehbar. Denn dieser habe angegebenen, ein bis zwei Fahrzeuglängen vor der Ampel gestanden zu haben. Der Unfall habe sich aber unstreitig vor dem Haus Nr. 18 ereignet, das in einem erheblich weiteren Abstand von der Ampel stehe. Auch seine Angaben zu dem Lichtbild Anlage B 4 wiesen aus, dass sich der Unfall bei dem Fahrspurwechsel ereignet habe, denn das Bild zeige das Fahrzeug der Klägerin mit dem rechten Hinterreifen noch in der rechten Fahrspur. Dazu habe der Zeuge angeben, er habe das Fahrzeug, um die rechte Fahrspur freizumachen, nach dem Unfall in diese Position gefahren.

2. Die hiergegen erhobene Rüge der Klägerin, die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft, greift nicht durch.

Der Senat ist nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Beweiswürdigung des Erstgerichts gebunden. Dies gilt nur dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung vorgetragen werden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (vgl. BGH, Urteil vom 19. April 2005, VI ZR 175/04, juris). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004, VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254, 258; Urteil vom 18. Oktober 2005, VI ZR 270/04, juris); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, aaO). Ein solcher konkreter Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung ist von der Berufung nicht aufgezeigt worden.

Dass das Landgericht trotz der in der Unfallaufnahme der Polizei notierten Angaben des Beklagten zu 1) davon ausgegangen ist, dass sich der Unfall in räumlich- und zeitlichem Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel ereignet und der Wagen der Klägerin nicht bereits 10 sec. gestanden habe, ist nicht zu beanstanden. Die zeitlichen Erklärungen des klägerischen Fahrers finden sich im Unfallaufnahmeprotokoll nicht. Der Zeuge weist vielmehr selbst auf einen Fahrspurwechsel hin. Soweit die Klägerin sich darauf beruft, dass der Beklagte zu 1) den Verkehrsverstoß gegenüber der Polizei zugegeben habe, so ergibt sich dies tatsächlich aus der entsprechenden OWi-Akte mit der Wirkung des § 418 Abs. 1 ZPO, d.h. eine entsprechende Erklärung des Beklagten zu 1) ist als bewiesen anzunehmen (vgl. dazu OVG Lüneburg, Beschluss vom 11. März 2004 – 11 LA 380/03 -, juris Rdn. 5; VG Mainz, Urteil vom 20. Januar 2016 – 3 K 509/15.MZ -, juris Rdn. 21). Dass allein die Polizei eine Schuldzuweisung vorgenommen hat, wie das Landgericht zu meinen scheint, lässt das durch ein Ankreuzen festgehaltene Zugeständnis nicht zu. Dies zwingt aber nicht zu der Annahme, jedenfalls die weiteren Angaben des klägerischen Fahrers, er habe sich bereits vollständig in dem linken Fahrstreifen befunden und sein Auto habe gestanden, zutreffend sind. Dass der Beklagte zu 1) einen Verkehrsverstoß zugegeben hat, ist lediglich ein Schuldindiz, das im Rahmen der nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorzunehmenden Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung der weiteren Umstände zu bewerten ist. Ein bestimmter Ablauf des Unfalls ist damit nicht bestätigt. Insoweit ist etwa zu berücksichtigen, dass die Unfallspuren gegen den von der Klägerin behaupteten und von der Polizei so aufgenommenen Auffahrunfall sprechen, der den Beweis des ersten Anscheins rechtfertigen würde, dass der Beklagte zu 1) zu schnell, zu unaufmerksam oder mit zu geringem Abstand gefahren wäre (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. November 2010 – VI ZR 15/10 -, juris Rdn. 7; BGH, Urteil vom 16. Januar 2007 – VI ZR 248/05 -, juris Rdn. 5) . Denn ein Auffahrunfall setzt eine Teilüberdeckung der Schäden an Heck und Front der beteiligten Fahrzeuge voraus (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. November 2010 – VI ZR 15/10 -, juris Rdn. 8; Senat, Beschluss vom 20. November 2013 – 22 U 72/13 -, juris Rdn. 7), an der es hier ausweislich der Lichtbilder (Anlage B 4, Bl. 66 d.A.) fehlt. Auch der im polizeilichen Unfallaufnahmeprotokoll wiedergegebene Begriff des Anhaltens ist in der Alltagssprache kein feststehender Begriff, was im Übrigen auch für den Begriff des Auffahrens gilt. Dass aber die wesentlichen Umstände für die Richtigkeit des vom Beklagten zu 1) im Termin vom 13. Dezember 2016 geschilderten Ablaufs sprechen, wie das Landgericht überzeugend annimmt, ergibt sich zunächst daraus, dass auch die Schilderung des klägerischen Fahrers, warum und wie er länger gehalten haben will, mit den örtlichen Verhältnissen nicht in Einklang zu bringen ist. Das Landgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ampel, vor der der klägerische Fahrer wegen eines Linksabbiegers gehalten haben will, wesentlich weiter als zwei Fahrzeuglängen vom unstreitigen Unfallort vor dem Haus Schmiljanstr. 18 entfernt gewesen ist. Auch die Angabe, der klägerische Fahrer habe sich bereits in die linke Spur eingefädelt, ist angesichts des vom Landgericht bezeichneten Lichtbildes und den Erläuterungen des Zeugen hierzu nicht zutreffend. Angesichts dessen sind die von der Klägerin in der Berufungsschrift in den Vordergrund gestellten Abweichungen der Angaben des Beklagten zu 1) gegenüber dem Gericht und gegenüber der Polizei erklärlich. Die allgemeinen Erwägungen der Klägerin wie die aufgezeigten – vermeintlichen – Widersprüche zwischen den verschiedenen Aussagen des Beklagten zu 1), mit welchen sie die Richtigkeit der Angaben in Zweifel ziehen will, gelten uneingeschränkt auch für den klägerischen Fahrer mit dem Unterschied, dass sich seine Angaben mit weiteren Beweisumständen wie etwa den Lichtbildern und den Örtlichkeiten nicht in Einklang bringen lassen.

III. Der Senat regt an, die Durchführung der Berufung zu überprüfen. Eine Rücknahme führt zu einer Reduzierung der Gerichtskosten um die Hälfte.

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