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Verkehrsunfall – Darlegungs- und Beweislast bei Vorschäden

LG Darmstadt – Az.: 3 O 333/17 – Urteil vom 14.09.2018

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt es nachgelassen, vor der Vollstreckung durch die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Streitwert:

ursprünglich: 8.199,75 €;

ab dem 09.02.2015:   6.934,15 € (§§ 39, 40 GKG)

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall vom 9.11.2012 in Anspruch, für den die Beklagte als Krafthaftpflichtversicherung des gegnerischen Pkw unstreitig zu 100% einstandspflichtig ist.

Die Parteien streiten jedoch über den Umfang des unfallbedingt entstandenen Schadens an dem Fahrzeug der Klägerin, einem Pick-Up der Marke [Fahrzeugtyp] mit amtlichem Kennzeichen […]. Der klägerische Pkw hatte bereits am 30.7.2011 einen Unfallschaden erlitten, bezüglich dessen von der X GmbH am 3.8.2011 ein Schadensgutachten erstellt worden war. In diesem wird der Schaden u.a. wie folgt beschrieben: „Beschädigungsbereich: vorne rechts, hinten rechts; Vorschäden: keine festgestellt; Altschaden: Diverse Kratzer und Gebrauchsspuren, Bordwand hinten eingedrückt, Stoßfänger hinten links angestoßen.“ (vgl. im Einzelnen BI.45 ff. d.A.). Bezüglich dieses Schadens liegt des Weiteren eine Reparaturrechnung vom 19.8.2011 vor (BI.43), in der es u.a. wie folgt heißt: „Unfallschaden teilweise beseitigt: Notreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit; Reifen erneuert (4); Felge vorne und hinten rechts erneuert; Querlenker vorne rechts erneuert; Fahrzeug vermessen, Spur eingestellt.“

Der Schadensersatzforderung aus dem nunmehrigen Unfall legt die Klägerin ein Schadensgutachten des Dipl.-Ing. B vom 16.11.2012 zugrunde. Dieses hat u.a. folgenden Inhalt: „Schadensbeschreibung: Die Unfallschäden sind durch einen Anstoß gegen die rechte vordere Ecke entstanden. Die Karosserie und die Anbauteile im Bereich der Anstoßstelle sind deformiert; Reparaturkosten ohne MwSt: 5.359,69 €; Wiederbeschaffungswert mit MwSt: 11.850,00 €; Wertminderung: 250,00 €; Reparaturdauer: 6-8 Tage.“ Vgl. im Einzelnen zur Höhe der Schadensforderung Bl. 2 ff. d.A.).

Zunächst hat die Klägerin in der Klageschrift dargelegt, der Vorschaden aus dem früheren Unfall als dem streitgegenständlichen habe lediglich im hinteren rechten Bereich gelegen un d habe mit dem geltend gemachten Frontschaden rechts nichts zu tun; zwischen dem Vorschaden und dem durch den Unfall entstandenen Schaden bestehe keinerlei Zusammenhang. Sodann behauptet die Klägerin, die durch den Unfall im Juli 2011 entstanden Schäden teilweise durch das Autohaus U repariert zu haben („Notreparatur“, Rechnung vom 19.08.2011, Anlage B3, Bl. 43 d.A.). Im Übrigen habe der Geschäftsführer der Klägerin mithilfe des bei dem Sachverständigenbüro angestellten Zeugen S eine vollständige Reparatur des Fahrzeugs in Eigenregie durchgeführt. Dabei sei u.a. die Stoßstange durch den Zeugen T, der angelernter Fahrzeuginstandsetzer sei, gespachtelt und komplett neu lackiert worden. Der rechte Scheinwerfer sei ausgetauscht und montiert worden. Lediglich hinten rechts seien die Beschädigungen (Stoßstange und Radbogenblende) nicht durchgeführt worden (vgl. im Einzelnen zu den durchgeführten Reparaturen Bl. 64 d.A.).

Dem Gutachten der Fa. B vom 16.11.2012 (Bl. 5 ff. d. A.) sei zu entnehmen, dass die von dem vorherigen Unfall stammenden Vorschäden zum Begutachtungszeitpunkt nicht mehr vorgelegen hätten.

Die Klägerin macht geltend, durch den unfallbedingten Frontschaden am Fahrzeug seien Reparaturkosten in Höhe von 6.616,20 € (brutto) entstanden; hinzu komme eine Wertminderung in Höhe von 250,- €. Schließlich habe die Klägerin Mietwagenkosten in Höhe von 358,72 € (netto) und eine Kostenpauschale von 25,- € zu erstatten.

Ursprünglich hat die Klägerin angekündigt, die Beklagte auf Zahlung in Höhe von 8.199,75 € in Anspruch zu nehmen, da die Klägerin vorsteuerabzugsberechtigt ist, hat sie schließlich die Klage teilweise in Höhe der geltend gemachten Mehrwertsteuer sowie hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten teilweise zurückgenommen; sie beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.934,15 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2014 zu zahlen;

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 546,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagtenseite macht geltend, der Vorschaden sei viel zu umfangreich gewesen, um durch die vorgetragenen Instandsetzungsarbeiten vollständig behoben worden zu sein. Schon anhand der vorgelegten Rechnung des Autohauses U vom 19.08.2011 sei ersichtlich, dass damals lediglich eine Notreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit durchgeführt worden sei.

Es sei vielmehr davon auszugehen, dass anlässlich des streitgegenständlichen Ereignisses vom 09.11.2012 überhaupt kein weitergehender Schaden entstanden sei. Die streitbefangenen Schäden seien nahezu vollständig identisch mit denen des Vorschadens.

Das Gericht hat Beweis erhoben gem. Beweisbeschluss vom 11.05.2016 (Bl. 125 d.A.) durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen den Inhalts der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. A vom 10.01.2018 (Bl. 160 ff.d.A.) sowie die mündlichen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 20.08.2018 (vgl. Sitzungsniederschrift Bl. 204 ff. d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die nachfolgenden Entscheidungsgründe verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die geltend gemachten Schäden vollständig durch das streitgegenständliche Schadensereignis durch Anstoß gegen die rechte vordere Ecke verursacht worden ist. Unklar geblieben ist, inwieweit die an dem streitgegenständlichen Fahrzeug letztlich unstreitig durch ein anderes Unfallereignis zuvor entstandenen Schäden an gleicher Stelle vollständig fachgerecht behoben waren.

Die Klägerin trägt die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des von ihr verfolgten Schadensersatzanspruchs und damit auch für die haftungsausfüllende Kausalität, d. h. ob und in welchem Umfang ihr durch das Schadensereignis ein Schaden entstanden ist (Grüneberg in: Palandt, BGB, 77. Aufl. 2018, vor § 249 Rn. 128), denn ihr Schadensersatzanspruch erstreckt sich nur auf die Kosten, die zur Wiederherstellung des von dem Schädiger zu vertretenden Schadensereignisses erforderlich sind (OLG Düsseldorf, 1 U 31/16, Rn. 20 juris). Der Geschädigte muss sowohl den Umfang des Vorschadens wie auch dessen Reparatur nachvollziehbar darlegen und – gegebenenfalls – beweisen (KG, 22 U 191/11, Rn. 3 juris) (vgl. Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 29. Januar 2018 – 12 U 116/16 –, Rn. 1 – 2, zitiert nach juris).

Dies ist der Klägerin vorliegend nicht gelungen. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. A war der Umfang der Vorschäden bzw. die getätigten Reparaturarbeiten nicht in der Weise nachvollziehbar, dass Aussagen zum Umfang oder der Qualität der vorgenommenen Reparaturen an dem streitgegenständlichen Fahrzeug getroffen werden konnten. Soweit die Klägerseite eine konkrete Reparaturrechnung vorlegen konnte (Anlage B3, Rechnung Autohaus U vom 19.08.2011, Bl. 43 d.A.), ergibt sich schon aus der Rechnung selbst, dass die Reparatur keinesfalls abschließend war („Notreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit“). Dementsprechend hat die Klägerseite unter Angebot des Zeugenbeweises dargelegt, dass weitere Reparaturen an dem Fahrzeug vorgenommen worden seien. Nach den anschaulichen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen gerade im Rahmen der mündlichen Anhörung am 20.08.2018 war jedoch eine weitere Aufklärung durch Vernehmung der Zeugen nicht erforderlich. Denn selbst unter der Prämisse, dass die Zeugen die Aussage wie behauptet erbracht hätten, wäre der Sachverständige mangels Dokumentation der Vorschäden nicht in der Lage gewesen, die aktuell streitgegenständlichen Schäden von denen aus dem vorangegangenen Unfallereignis abzugrenzen.

In Anbetracht der Vorschadensproblematik kann auch dann kein abgrenzbarer unfallbedingter Mindestschaden als Grundlage für eine berechtigte Ersatzforderung des Klägers festgestellt werden, wenn man das Schätzungsermessen nach Maßgabe des § 287 Abs. 1 ZPO bemüht (Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 05. Mai 2015 – I-1 U 50/14 –, Rn. 21, juris). Vorliegend bleibt schließlich die Qualität der Instandsetzungsverrichtungen völlig offen. Dies hat der Sachverständige insbesondere anhand des Beispiels des möglichen Spachtelns der Stoßstange nachvollziehbar erläutert.

Nicht zu folgen ist der Klägerseite, soweit diese angibt, nicht nach der Möglichkeit der Begutachtung oder Übersendung weiterer Lichtbilder des Fahrzeugs vonseiten des Gerichts oder des Sachverständigen angefragt worden zu sein. Sowohl im Hinweisbeschluss vom 02.12.2015 (Bl. 93 f.d.A.) als auch im Beweisbeschluss vom 11.05.12016 (Bl. 125 d.A.) hat die Kammer nach weiteren Lichtbildern und der Möglichkeit der Inaugenscheinnahme gefragt. Diese Anfrage blieb, ebenso wie die wiederholte Anfrage des Sachverständigen selbst vom 15.09.2016 (Bl. 131 d.A. – zugestellt am 11.10.2016 (Bl. 136 d.A.) – schlicht unbeantwortet.

Zu Recht weist die Beklagtenseite darauf hin, dass die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts in dem Verfahren 22 U 178/12 keine andere Beurteilung rechtfertigt, da dort – anders als vorliegend – dort die fachgerechte Reparatur feststand (vgl. insoweit auch Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 29. Januar 2018 – 12 U 116/16 –, Rn. 9, juris).

Mangels Anspruch in der Hauptsache kann die Klägerin auch keine außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erstattet verlangen.

Die Nebenentscheidungen folgen gem. § 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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