Haftung beim Ausparken – Gericht stärkt Verkehrssicherheit
Im Fall des OLG Frankfurt (Az.: 16 U 168/14) wurde entschieden, dass die Beklagten der Klägerin Schadensersatz für einen Verkehrsunfall zahlen müssen, der beim Einordnen des Beklagten in den fließenden Verkehr nach dem Ausparken entstand, da die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs im Vergleich zum Verschulden des Ausparkenden zurücktritt.
Übersicht:
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das OLG Frankfurt (Az.: 16 U 168/14) hat zugunsten der Klägerin entschieden, die Beklagten müssen Schadensersatz leisten, da die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs im Vergleich zum Verschulden des Ausparkenden zurücktritt.
- Die Berufung der Klägerin hatte Erfolg, da das Landgericht die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs zu Unrecht stärker gewichtet hatte.
- Die Klägerin hatte keinen Geschwindigkeitsverstoß begangen, und die Kollision ereignete sich auf der linken Fahrspur, während das Fahrzeug des Beklagten noch nicht vollständig eingefädelt war.
- § 10 StVO fordert von Ausparkenden, Gefährdungen anderer auszuschließen, was hier nicht beachtet wurde, weshalb die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs zu vernachlässigen ist.
- Die Entscheidung unterstreicht, dass beim Ausparken oder Fahrspurwechsel die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer Vorrang hat und Verstöße gegen diese Pflicht zu Alleinhaftung führen können.
- Die Kosten des Rechtsstreits sowie die vorgerichtlichen Anwaltskosten muss der Beklagte tragen; das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
- Eine Revision wurde nicht zugelassen, da keine grundsätzliche Bedeutung vorliegt.
Gefährliche Manöver im Straßenverkehr
Ausparkvorgänge und Fahrbahnwechsel gehören zu den riskantesten Manövern im fließenden Verkehr. Dabei ist höchste Vorsicht geboten, um andere Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. Ob beim Einfädeln von der Spur oder vom Fahrbahnrand kommend – die Vorfahrt des laufenden Verkehrs hat immer absolute Priorität.
Es kommt nicht selten zu schweren Unfällen, da die Pflichten zum vorausschauenden Fahren und zur Rücksichtnahme verletzt werden. Achtlosigkeit beim Ausparken oder Spurwechsel kann schnell fatale Folgen haben. Wer diese Sorgfaltspflichten missachtet, muss mit einer Haftung für entstandene Schäden rechnen.
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➜ Der Fall im Detail
Verkehrsunfall beim Ausparken führt zu juristischem Nachspiel
Im Mittelpunkt dieses Falles steht ein Verkehrsunfall, der sich im Jahr 2013 auf der C-Straße in O2 ereignete, als der Beklagte zu 1 aus einem parallel zur Fahrbahn liegenden Parkplatz ausparkte und dabei mit dem Fahrzeug der Klägerin kollidierte, das von der Zeugin D gesteuert wurde.
Die Klägerin forderte Schadensersatz für die entstandenen Schäden. Das Landgericht Frankfurt am Main hatte zunächst teilweise zugunsten der Klägerin entschieden, woraufhin diese Berufung einlegte, da sie mit der Bewertung der Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs durch das Landgericht nicht einverstanden war.
Die rechtliche Würdigung des OLG Frankfurt
Das Oberlandesgericht Frankfurt gab der Berufung der Klägerin statt und modifizierte das erstinstanzliche Urteil. Die Entscheidung basierte auf der Anwendung von §§ 7 Abs. 1 StVG, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG. Das Gericht legte dar, dass im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 2 StVG die Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Klägerin hinter das Verhalten des Beklagten zurücktreten muss. Dies begründete das Gericht insbesondere mit dem Verstoß gegen § 10 S. 1 StVO, wonach ein vom Fahrbahnrand anfahrender Verkehrsteilnehmer die Gefährdung anderer ausschließen muss.
Entscheidende Faktoren für das Urteil
Wesentlich für die Entscheidung waren die Feststellungen, dass der Beklagte zu 1) den Einfahrvorgang in den fließenden Verkehr noch nicht vollständig abgeschlossen hatte und es daher zu einem Verstoß gegen die StVO kam. Das Gericht erklärte, dass der Beklagte auf das klägerische Fahrzeug hätte Rücksicht nehmen müssen, unabhängig von dessen Fahrspur. Besonders hervorzuheben ist, dass das Gericht die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs in diesem Kontext als vernachlässigbar ansah.
Rechtsfolgen der gerichtlichen Entscheidung
Die Beklagten wurden als Gesamtschuldner zur Zahlung von Schadensersatz und vorgerichtlichen Anwaltskosten an die Klägerin verurteilt. Die Kosten des Rechtsstreits, sowohl der ersten als auch der zweiten Instanz, wurden den Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar erklärt worden. Das Gericht sah von der Zulassung der Revision ab, da keine grundsätzliche Bedeutung vorlag.
Bedeutung der Entscheidung für die Verkehrssicherheit
Dieses Urteil unterstreicht die strenge Haftung von Verkehrsteilnehmern, die aus einem Parkplatz in den fließenden Verkehr einfahren. Es verdeutlicht, dass die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs in solchen Fällen hinter den Pflichten des Einordnenden zurücksteht, insbesondere wenn durch sein Verhalten die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird. Die Entscheidung betont die Notwendigkeit, beim Einfahren in den fließenden Verkehr höchste Vorsicht walten zu lassen und die Gefährdung anderer strikt zu vermeiden.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Wer haftet bei einem Unfall beim Ausparken oder Fahrspurwechsel?
Bei Unfällen beim Ausparken oder Fahrspurwechsel kommt es für die Haftungsfrage entscheidend darauf an, wer gegen Verkehrsregeln verstoßen hat und ob sich eine besondere Betriebsgefahr eines Fahrzeugs verwirklicht hat.
Grundsätzlich muss derjenige, der ausparkt oder die Fahrspur wechselt, besondere Sorgfalt walten lassen. Denn er schafft durch sein Fahrmanöver eine Gefahrensituation und muss darauf achten, andere nicht zu gefährden. Kommt es dabei zu einem Unfall, spricht der Anscheinsbeweis oft dafür, dass der Ausparkende bzw. Spurwechselnde seine Sorgfaltspflichten verletzt hat. Er muss dann beweisen, dass ihn kein Verschulden trifft, um einer Haftung zu entgehen.
Allerdings führt ein Verstoß gegen Verkehrsregeln nicht automatisch zu einer Alleinhaftung. Denn im deutschen Haftungsrecht spielt auch die sogenannte Betriebsgefahr eine wichtige Rolle. Das bedeutet, dass jedes Kraftfahrzeug im Straßenverkehr eine gewisse Gefahr darstellt – unabhängig vom Verschulden des Fahrers. Deshalb wird bei der Haftungsverteilung auch immer berücksichtigt, ob und wie sich die Betriebsgefahr der beteiligten Fahrzeuge ausgewirkt hat.
Letztlich hängt die Haftungsverteilung immer vom konkreten Einzelfall ab. Oft wird die Haftung zwischen den Unfallbeteiligten aufgeteilt, z.B. im Verhältnis 50/50 oder 75/25. Eine Alleinhaftung des Ausparkenden oder Spurwechselnden kommt nur bei einem besonders groben Verstoß gegen Sorgfaltspflichten in Betracht. Umgekehrt kann auch der andere Beteiligte überwiegend haften, wenn er z.B. mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war.
Für Geschädigte ist es ratsam, sich anwaltlich beraten zu lassen, um Ansprüche professionell durchzusetzen. Gerade bei Unfällen mit ausländischen Fahrzeugen können besondere Regelungen zur Schadensregulierung greifen.
Wie wird die Betriebsgefahr eines Fahrzeugs bei einem Unfall bewertet?
Bei der Bewertung der Betriebsgefahr eines Fahrzeugs bei einem Unfall sind folgende Punkte entscheidend:
Die Betriebsgefahr beschreibt die Gefährdungshaftung, die verschuldensunabhängig allein durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs entsteht. Durch die Nutzung eines Kfz wird erlaubterweise eine Gefahrenquelle für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen. Grundlage dafür sind die §§ 7 und 18 StVG.
Die Höhe der Betriebsgefahr hängt von der Art des Fahrzeugs ab. Bei Lkw und Bussen wird meist eine höhere Betriebsgefahr von 30-40% angenommen als bei Pkw mit 20-25%. Für Fahrräder und langsame Kfz unter 20 km/h gilt die Betriebsgefahr nicht.
Voraussetzung für die Haftung aus Betriebsgefahr ist, dass der Unfall in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer Betriebsvorrichtung und einem Betriebsvorgang des Fahrzeugs steht. Dieser Zurechnungszusammenhang wird weit ausgelegt.
Die Betriebsgefahr führt zu einer Mithaftung des Fahrzeughalters, auch wenn ihn kein Verschulden trifft. Bei ungeklärter Unfallursache haften meist beide Beteiligte zu 50%. Trifft den Unfallgegner ein Verschulden, reduziert sich die Haftung aus Betriebsgefahr auf 20-30%.
Die Betriebsgefahr tritt nur in den Hintergrund, wenn den Unfallgegner ein besonders schwerwiegendes Verschulden trifft oder der Unfall für den Halter gänzlich unabwendbar war. Dann kann die Haftung aus Betriebsgefahr ganz entfallen.
Zusammengefasst führt die Betriebsgefahr dazu, dass Fahrzeughalter fast immer eine Mithaftung tragen, auch wenn sie selbst nicht schuldhaft gehandelt haben. Sie ist Ausdruck des besonderen Gefahrenpotenzials, das von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr ausgeht. Die genaue Haftungsverteilung hängt aber stets vom Einzelfall ab.
Was besagt § 10 StVO über das Anfahren vom Fahrbahnrand?
§ 10 StVO regelt das Anfahren vom Fahrbahnrand und stellt dabei folgende zentrale Anforderungen an den Anfahrenden:
Wer vom Fahrbahnrand anfahren will, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Es sind besondere Sorgfaltspflichten zu beachten, um jede Behinderung oder Gefährdung des fließenden Verkehrs zu vermeiden.
Die Absicht anzufahren ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen, dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Durch frühzeitiges Setzen des Blinkers wird der nachfolgende Verkehr gewarnt.
Der Anfahrende darf nicht darauf vertrauen, dass der Fahrstreifen, in den er einfährt, frei bleibt. Er muss jederzeit mit anderen Verkehrsteilnehmern rechnen und langsam und bremsbereit anfahren.
Kommt es im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Anfahren zu einer Kollision, spricht der Anscheinsbeweis zunächst für ein Verschulden des Anfahrenden. Dieser trägt dann die Beweislast, dass ihn kein Verschulden trifft.
Eine Alleinhaftung des Anfahrenden wird erst ausgeschlossen, wenn er bereits ca. 30-40 Meter mit angepasster Geschwindigkeit fahrbahnparallel zurückgelegt hat und somit vollständig in den fließenden Verkehr integriert war. Bis dahin gelten für ihn erhöhte Sorgfaltsanforderungen.
Im Zweifel muss sich der Anfahrende einweisen lassen, wenn er die Verkehrslage nicht vollständig überblicken kann. Nur wenn jede Gefährdung anderer sicher ausgeschlossen ist, darf angefahren werden.
Zusammengefasst verlangt § 10 StVO vom Anfahrenden ein Höchstmaß an Sorgfalt, defensive Fahrweise und ständige Bremsbereitschaft. Der Vorrang des fließenden Verkehrs ist unbedingt zu beachten, um Kollisionen zu vermeiden. Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz) Bei Verkehrsunfällen regelt dieser Paragraph die Haftung des Fahrzeughalters für Schäden, die durch den Betrieb des Fahrzeugs entstanden sind. Im vorgegebenen Kontext ist dieser Paragraph relevant, weil er die Grundlage für die Haftung der Beklagten bildet.
- § 18 Abs. 1 StVG Dieser regelt die Haftung des Fahrzeugführers, die neben der Halterhaftung besteht. Im Kontext des Urteils ist dieser Paragraph wichtig, da er die Verantwortlichkeit desjenigen behandelt, der das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt geführt hat.
- § 115 Abs. 1 VVG (Versicherungsvertragsgesetz) Er bezieht sich auf die Direktansprüche gegen die Versicherung des Schädigers bei Verkehrsunfällen. Die Relevanz ergibt sich aus der Möglichkeit der Klägerin, Schadensersatz direkt von der Versicherung der Beklagten zu fordern.
- § 17 Abs. 2 StVG Die Vorschrift regelt die Schadensverteilung bei Verkehrsunfällen unter Berücksichtigung der beiderseitigen Betriebsgefahren und des Verschuldens der Beteiligten. Im diskutierten Fall ist der Paragraph zentral, da die Abwägung der Betriebsgefahr thematisiert wird.
- § 10 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung) Bestimmt die Verhaltensregeln beim Anfahren vom Fahrbahnrand. Für den Fall ist dies entscheidend, da der Unfall beim Einfädeln in den fließenden Verkehr geschah und die Pflichten des Ausparkenden betont werden.
- § 7 Abs. 5 StVO Regelt den Fahrstreifenwechsel und verlangt, dass dieser ohne Gefährdung anderer erfolgen muss. Auch wenn im konkreten Fall kein Fahrstreifenwechsel beabsichtigt war, ist der Paragraph relevant, da die Pflicht, eine Gefährdung zu vermeiden, im Mittelpunkt steht.
Das vorliegende Urteil
OLG Frankfurt – Az.: 16 U 168/14 – Urteil vom 17.12.2014
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 22. August 2014 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 7.436,56 € sowie 480,20 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. Juni 2013.
Ferner werden die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von weiteren 75,40 € gegenüber Rechtsanwalt A, B-Straße …, O1 freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits – und zwar beider Instanzen – haben die Beklagten zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls in Anspruch, der sich am … 2013 auf der C-Straße in O2 ereignete. Zur Kollision kam es, als sich der Beklagte zu 1), der zuvor parallel zur Fahrbahn vor der C-Straße … geparkt hatte, ausparkte und in den laufenden Verkehr einordnete, während sich das von der Zeugin D geführte Fahrzeug der Klägerin auf der in der Fahrtrichtung der Beteiligten zweispurig geführten C-Straße näherte.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 169, 170 d.A.) Bezug genommen. Die Beklagten haben die Klageforderung in Höhe von 1.859,14 €, einem Viertel der Hauptforderung, anerkannt. Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Vernehmung von Zeugen der Klage im Wege des Anerkenntnisurteils in Höhe von 1/4 und im Übrigen in Höhe von zwei weiteren Vierteln, insgesamt also in Höhe von 3/4, entsprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Hinsichtlich der Begründung der landgerichtlichen Entscheidung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 171-177 d.A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 27. August 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einer am 22. September 2014 bei Gericht eingegangenen Schrift Berufung eingelegt, die in derselben Schrift begründet worden ist.
Die Klägerin rügt, dass das Landgericht die Betriebsgefahr ihres Fahrzeugs in Ansatz gebracht habe. Sie ist der Meinung, der Anscheinsbeweis spreche für eine Alleinhaftung der Beklagten.
Die Klägerin beantragt,
1. unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 22. August 2014 – 2-18 O 235/13 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, über den ausgeurteilten Betrag hinaus an die Klägerin weitere 1.859,14 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 24. Juni 2013 zu zahlen;
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von weiteren 75,40 € gegenüber dem Rechtsanwalt A, B-Straße …, O1, freizustellen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil und sind der Meinung, dass das Landgericht zu Recht die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs in Ansatz gebracht habe.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II
Die in formeller Hinsicht unbedenkliche Berufung der Klägerin hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats haften die Beklagten für den gesamten Schaden der Klägerin gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 18 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat bei der Abwägung gemäß § 17 Abs. 2 StVG die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs zurückzutreten.
Das beruht nach Auffassung des Senats auf folgenden Gesichtspunkten:
Da die Beklagten das erstinstanzliche Urteil nicht mit der Berufung angegriffen haben, sind die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts für den Senat bindend. Das betrifft die Feststellung, dass ein Geschwindigkeitsverstoß der Klägerin nicht anzulasten ist, und die weitere Feststellung, dass sich die Kollision auf der linken der beiden parallel verlaufenden Fahrspuren ereignet hat.
Ferner ist die aufgrund des Sachverständigengutachtens festgestellte Tatsache zu berücksichtigen, dass das Beklagtenfahrzeug den Einfahrvorgang in die rechte der beiden Fahrspuren der C-Straße zum Zeitpunkt der Kollision noch nicht vollständig abgeschlossen hatte, sich vielmehr noch im letzten Drittel des Einfahrvorgangs befand.
Vor diesem Hintergrund findet § 10 S. 1 StVO Anwendung. Nach dieser Vorschrift muss der Verkehrsteilnehmer, der vom Fahrbahnrand anfahren will, die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließen, also zur Not erst herausfahren, wenn kein fließender Verkehr mehr zu sehen ist. Der Beklagte zu 1) hätte daher auf das klägerische Fahrzeug Rücksicht nehmen müssen. Das gilt unabhängig davon, auf welcher Fahrspur sich das klägerische Fahrzeug befand. Befand sich das Fahrzeug, wie im vorliegenden Fall, auf der linken der beiden Fahrspuren, so hätte sich der Beklagte zu 1) auf die rechte der beiden Fahrspuren beschränken müssen. Er durfte daher keineswegs – und sei es auch nur geringfügig – in die linke der beiden Fahrspuren hineingeraten. Eigentlich hätte er sogar den Einfädelvorgang erst beginnen dürfen, als beide Fahrspuren frei waren.
Gemäß § 7 Abs. 5 StVO darf auch ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Hier war zwar ein Fahrstreifenwechsel seitens des Beklagten zu 1) nicht gewollt. Aber es war seine Verpflichtung, ein Hineingeraten in den linken Fahrstreifen unbedingt zu vermeiden. In beiden Fällen – sei es gemäß § 10 Abs. 1 StVO oder sei es gemäß § 7 Abs. 5 StVO – muss die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden und spricht die Anscheinsvermutung für ein alleiniges Verschulden des die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht ausschließenden Verhaltens des ausparkenden bzw. die Fahrbahn wechselnden Fahrers. Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs außer Acht zu lassen.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist dies keine Abwägung nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB. Die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (NJW 2014, 217 f. ) erging in Bezug auf eine Kollision mit einem Fußgänger. Im vorliegenden Fall ging es aber unter Berücksichtigung des § 17 Abs. 2 StVG um die Kollision zwischen zwei Fahrzeugen. Aus den genannten Gründen hat insoweit die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs außer Ansatz zu bleiben, da der Anscheinsbeweis zu Lasten der Beklagten geht.
Der Anspruch auf Freistellung von weiteren vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 75,40 € und auf die Zinsen ist gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.