AG Olpe, Az.: 25 C 639/14
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 120,89 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13.11.2014 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 94 % und der Beklagte zu 36 %.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 331,48 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Ohne Tatbestand gemäß § 313a Abs. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist insgesamt zulässig, jedoch nur teilweise, in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
Die Beklagte macht restliche Schadensersatzansprüche in Höhe von 331,48 EUR aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 22.08.2014 in Olpe, Straße, ereignete und an dem der PKW Honda Jazz der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen ……….sowie das bei der Beklagten haftpflichtversicherten Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen ………beteiligt waren. Die alleinige Haftung der Beklagten für die der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schäden ist zwischen den Parteien unstreitig. Die Beklagte ließ nach dem Unfall ihren PKW hinsichtlich der entstehenden Reparaturkosten durch den Zeugen Dipl.-Ing. ………, einen Kfz-Sachverständigen begutachten und mietete ab dem Unfalltag von der Autovermietung …….. für sieben Tage einen Mietwagen der Gruppe 3. Von den von der Autovermietung ……… berechneten Mietwagenkosten in Höhe von 790,16 EUR macht die Klägerin in diesem Verfahren einen Betrag in Höhe von 522,00 EUR geltend, bestehend aus den Kosten für einen Wochentarif, Kosten für die Haftungsfreistellung für sieben Tage und Zustellkosten betreffend das Fahrzeug. Die Beklagte regulierte die Mietwagenkosten in Höhe von 345,10 EUR. Den Differenzbetrag in Höhe von 146,90 EUR macht die Klägerin mit der vorliegenden Klage geltend. Darüber hinaus macht die Klägerin Gutachter Hilfskosten der Firma G. in Olpe in Höhe von 154,58 EUR geltend, die durch die Unterstützung des Zeugen L. bei der Begutachtung des klägerischen PKW entstanden sein sollen.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz der ihr durch den Unfall vom 22.08.2014 entstandenen Schaden aus §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG. Da die alleinige Haftung der Beklagten für die der Klägerin durch den Unfall entstandenen Schäden zwischen den Parteien unstreitig ist, kann die Klägerin von der Beklagten auch den Ersatz der ihr durch den Unfall entstandenen Schäden in voller Höhe verlangen.
Im Rahmen des erforderlichen Herstellungsaufwands kann der Geschädigte vom Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer nach § 249 BGB den Ersatz derjenigen Mietwagenkosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges während der Dauer der Reparatur entstanden sind und die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf (vgl. BGH NJW 2009, 58; NJW 2007, 2758). Die Klägerin hat ausweislich der vorgelegten Reparaturrechnung ihren PKW reparieren lassen. Die Reparaturdauer von sieben Tagen ist zwischen den Parteien unstreitig.
Der Geschädigte ist dabei nach dem aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit hergeleiteten Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen Wegen den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen. Das bedeutet für den Bereich der Mietwagenkosten, dass er von mehreren auf dem örtlich relevanten Markt – nicht nur für Unfallgeschädigte – erhältlichen Tarifen für die Anmietung eines vergleichbaren Ersatzfahrzeugs (innerhalb eines gewissen Rahmens) grundsätzlich nur den günstigeren Mietpreis ersetzt verlangen kann. Dies ist in der Regel der gegenüber dem Unfallersatztarif günstigere Normaltarif.
Der Geschädigte ist jedoch nicht gehalten, umfangreiche Ermittlungen und Preisvergleiche anzustellen, um auf diese Weise den günstigsten Anbieter von Mietfahrzeugen zu ermitteln und von diesem ein Ersatzfahrzeug anzumieten. Nach ständiger Rechtsprechung der Berufungskammer des LG Siegen kann daher der Geschädigte grundsätzlich Erstattung der tatsächlich angefallenen Kosten beanspruchen, auch wenn der abgerechnete Tarif über dem Durchschnitt liegt, solange die Abweichung vom Normaltarif weniger als 50% beträgt, weil er bei geringeren Preisabweichungen nicht zwangsläufig erkennen muss, dass der ihm angebotene Mietwagentarif einen unverhältnismäßigen Kostenaufwand auslöst. Wegen des Zeitdrucks in der Not- und Eilsituation des verunfallten Kunden kommt nämlich eine überlegte, zielgerichtete und preisvergleichende Suche nach günstigen Mietwagenanbietern regelmäßig nicht in Betracht.
Die von der Beklagten vorgetragenen Mietwagenangebote geben vor diesem Hintergrund Veranlassung, die von dem Kläger aufgewendeten Mietwagenkosten im Rahmen der üblichen Kosten für die Anmietung eines vergleichbaren Fahrzeugs zum Normaltarif im Bereich des Wohnortes anhand einer Schätzung nach § 287 ZPO zu überprüfen.
Gegen die Zugrundelegung der Schwacke-Listen nach 2003 im Rahmen dieser Schadenschätzung ergeben sich erhebliche Bedenken. Dies folgt daraus, dass die ermittelten Daten nicht anonymisiert abgefragt wurden, sondern die befragten Vermieter seinerzeit über den Zweck der Befragung informiert waren, was die ermittelten Werte dem Vorwurf der Beeinflussung aussetzt. Zweifel an der Richtigkeit der ermittelten Daten ergeben sich überdies auch aus dem Grunde, dass die Schwacke-Listen nach 2003 gegenüber der Liste aus dem Jahre 2003 erhebliche Preissprünge aufweisen, die sich – da sie über die allgemeine Preisentwicklung im Bereich „Verkehr“ deutlich hinausgehen dadurch erklären lassen, dass die Mietwagenunternehmen in Kenntnis der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Unfallersatztarif ihre Angaben hierauf „ausgerichtet“ haben (vgl. z.B. OLG München, RuS 2008, 439, 440; LG Dortmund, Urteil vom 3. Juli 2008, Az.: 4 S 29/08 – zitiert nach juris; Buller, NJW-Spezial 2008, 169; Reitenspiess, DAR 2007, 345, 347; Richter, VersR 2007, 620 ff.). Eine Hochrechnung der Mietpreise aus der Schwacke-Liste aus 2003 mit einem Inflationsausgleich ist angesichts eines in Bezug auf die Inflation auszugleichen Zeitraums von 10 Jahren und mehr und einer stark differenzierenden Inflationsrate für verschiedene Lebensgüter in den vergangenen Jahren nicht geeignet, eine verlässliche Schätzgrundlage zu bieten.
Aber auch die Erhebung des Fraunhofer-Instituts begegnet insoweit durchgreifenden Einwänden. Zwar bietet diese Liste den Vorteil, dass sie aufgrund der anonymen Abfrage von Mietpreisen die konkrete Anmietsituation besser abbildet und etwaige Manipulationen durch bewusste Nennung von höheren Preisen seitens der befragten Mietwagenunternehmen vermeidet. Allerdings hat die Liste bereits den Nachteil, dass sie ein zu großes Raster etwa bei den telefonisch erfragten Werten (lediglich einstellige Postleitzahlengebiete) und den ermittelten Internetwerten (zweistellige Postleitzahlengebiete) aufweist und so den örtlichen Preisunterschieden nicht genügend Rechnung trägt. Ins Gewicht fällt außerdem, dass man bei der telefonischen Erhebung die Legende verwendet hat, ein Fahrzeug erst in einer Woche zu benötigen (vgl. OLG Köln, NZV 2009, 447, 449). Diese Vorgehensweise wird dem Markt für schnell zur Verfügung stehende Ersatzwagen nicht gerecht (vgl. Wenning, a.a.O., S. 475 m.w.N.). Im Übrigen handelt es sich bei der Fraunhofer-Studie um eine von der Versicherungswirtschaft in Auftrag gegebene Studie, deren Unabhängigkeit und Neutralität in Frage gestellt werden kann.
Gegen die Einholung des zum Beweis angebotenen Sachverständigengutachtens spricht, dass nach der Erfahrung des Gerichts eine nachträgliche Feststellung von Mietpreisen für zurückliegende Anmietzeiträume schwierig bis gar unmöglich ist, zumal der Anmietzeitraum im vorliegenden Fall nahezu zwei Jahre zurückliegt. Eine Erhebung durch Befragung von Mietwagenunternehmen aus der Region würde hierbei auch den gleichen methodischen Bedenken unterliegen, wie sie vorstehend zur Schwacke-Liste ausgeführt sind.
Daher ist eine Bemessung der Mietwagenkosten anhand des arithmetischen Mittels aus dem Mietpreis der Schwacke-Liste und des Fraunhofer Marktpreisspiegels für Mietwagen am ehesten geeignet, die den beiden Listen innewohnenden Mängel auszugleichen und so zu einem verlässlichen, den tatsächlichen Gegebenheiten vergleichbaren Ergebnis zu kommen (so auch OLG Köln, Urteil vom 01.08.2013, Az. 15 U 9/12; zitiert nach Juris). In einer neueren Entscheidung hat sich das Landgericht Siegen der Zugrundelegung des Mittelwertes der Mietpreise nach der Schwacke-Liste und des Fraunhofer Marktpreisspiegels für Mietwagen angeschlossen (so LG Siegen, Urteil vom 18.05.2015, 3 S 15/15).
Hinsichtlich des Zeitraums kann die Klägerin Ersatz von Mietwagenkosten für sieben Tage, nämlich die Reparaturdauer, verlangen. Der PKW der Klägerin ist der Gruppe 4 der Mietwagenklassifizierung zuzuordnen. Bei der Abrechnung der Mietwagenkosten ist bei Abrechnung eines gruppengleichen Mietwagens hierbei ein Abschlag für ersparte Eigenaufwendungen in Bezug auf den eigenen PKW vorzunehmen, den das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 10 % des Mietwagenpreises schätzt. Die gesonderten Prämien für eine Haftungsfreistellung sind hingegen nur dann zu erstatten, wenn auch für das beschädigte Fahrzeug ein entsprechender Versicherungsschutz, insbesondere eine Vollkaskoversicherung bestand. Hierzu hat die Klägerin jedoch nicht hinreichend vorgetragen, so dass diese bei der Berechnung außer Betracht zu lassen sind.
Für den vorliegenden Fall ergibt sich bei der Anmietung eines PKW der Gruppe 3 bei sieben Tagen Mietdauer für das Postleitzahlengebiet 57 bzw. 574 folgende Berechnung für einen geschätzten Normaltarif
nach Fraunhofer: 7 Tage 255,68 EUR
nach Schwacke: 7 Tage 552,54 EUR
Der Mittelwert aus diesen beiden Werten beträgt 404,11 EUR
Hiervon in Abzug zu bringen sind 10% ersparte Eigenaufwendungen mit – 40,41 EUR
sowie den Zustellkosten mit 25,00 EUR
da der Berechnung ein PKW der gleichen Gruppe zugrunde gelegt wurde, so ein Betrag in Höhe von 388,70 EUR
Hierauf hat die Beklagte bereits reguliert – 345,10 EUR
so dass ein Restanspruch der Klägerin verbleibt in Höhe von 43,60 EUR.
In dieser Höhe war der Klage in Bezug auf die Mietwagenkosten stattzugeben.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten auch einen Anspruch auf Ausgleich der durch die Inanspruchnahme des Autohauses G. durch den Zeugen L. als Sachverständigen entstandenen Kosten. Zum ausgleichspflichtigen Schaden bei Verkehrsunfällen zählen auch die Kosten der Begutachtung durch einen vom Geschädigten beauftragten Sachverständigen. Zieht der Sachverständige im Rahmen der Begutachtung die Dienste Dritter, hier einer Kfz-Werkstatt, hinzu, sind auch diese Kosten grundsätzlich zu erstatten, da sie zu den notwendigen Schadenermittlungskosten zählen. Der Höhe nach sind diese Kosten jedoch nur insoweit zu erstatten, als diese angefallen und notwendig waren.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere der Vernehmung der Zeugen L. und H., sind die geltend gemachten Kosten für die Unterstützung des vorgerichtlich von der Klägerin beauftragten Sachverständigen L. nur teilweise gerechtfertigt. So hat der Zeuge L. als der von der Klägerin vorgerichtlich beauftragte Sachverständige in seiner Zeugenvernehmung bestätigt, dass er die Dienste, insbesondere eines Mitarbeiters und der Werkstatt, des Autohauses G. im Rahmen der Begutachtung des klägerischen PKW in Anspruch genommen hat und dies notwendig war, um den Kotflügel und Innenkotflügel des PKW zu lösen, um die dahinter liegenden Karosserieteile in Augenschein zu nehmen. Die Kosten für diese Arbeiten sind nach den Angaben des Zeugen L. auch nicht in den Kosten für die Reparatur, die die Klägerin separat geltend gemacht hat und die die Beklagte ausgeglichen hat, enthalten. Im Rahmen der Begutachtung war nämlich lediglich ein Lösen des Kotflügels und Innenkotflügels notwendig, nicht die gesamte Demontage dieser Teile des PKW. Im Rahmen der Reparatur war dann u.a. die komplette Demontage von Kotflügel und Innenkotflügel notwendig. Nach den Angaben des insoweit sachverständigen Zeugen L. stellt das Lösen dieser Karosserieteile auch keine den Reparaturaufwand mindernde Vorarbeit dar. Mithin sind die Kosten für die Unterstützung des vorgerichtlich tätigen Sachverständigen L. entstandenen Kosten dem Grunde nach von der Beklagten zu erstatten.
Der Höhe nach hat die Beweisaufnahme jedoch nur die Entstehung eines Teils der von dem Autohaus G. in seiner Rechnung vom 29.08.2014 eingestellten Kosten ergeben. Mit der Rechnung werden 10 AW entsprechend einer Arbeitsstunde abgerechnet. Nach der Aussage des Zeugen L. schätzt dieser die Gesamtdauer der Begutachtung ohne An- und Abfahrt auf ca. ¾ Stunde. Der Zeuge H., Mitarbeiter der Firma Autohaus G., schätzt die Unterstützung, die üblicherweise bei einer Begutachtung geleistet wird, auf ½ bis eine Stunde. Erinnerungen an die konkrete Begutachtung des klägerischen PKW hatten insoweit beide Zeugen nicht. Nach beiden Aussagen zusammen betrachtet unter Berücksichtigung der Beweislast der Klägerin für den insoweit entstandenen Aufwand kann lediglich von ½ Stunde Unterstützungstätigkeit durch den Zeugen H. ausgegangen werden. Hierbei geht das Gericht nach der Aussage des Zeugen L. von einer Dauer von ¾ Stunde für die gesamte Begutachtung aus und dass die Unterstützung nicht über den gesamten Zeitraum der Begutachtung erforderlich war. Zudem hat der Zeuge H. die Dauer der Unterstützung mit einer Untergrenze von ½ Stunde angegeben. Hinsichtlich weiterer Unterstützungsleistungen ist die Klägerin insoweit beweisfällig geblieben.
Bei einer Dauer von ½ Stunde, entsprechend 5 AW bei einem Einzelpreis von 12,99 EUR/h ergibt sich eine Nettopreis von 64,95 EUR netto bzw. 77,29 EUR brutto mit Mehrwertsteuer. Nur hinsichtlich des letztgenannten Betrages konnte vor dem Hintergrund der tatsächlichen Entstehung und Notwendigkeit der Gutachterhilfskosten der Klage stattgegeben werden.
Somit ergibt sich ein weiterer ersatzfähiger Schadenersatz wie folgt:
Restliche Mietwagenkosten 43,60 EUR
Gutachterhilfskosten 77,29 EUR
Summe 120,89 EUR
In dieser Höhe war der Klage daher stattzugeben und diese im Übrigen abzuweisen.
Der Zinsanspruch auf die zuzusprechende Hauptforderung ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Prozesszinsen in gesetzlicher Höhe aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Klageschrift wurde der Beklagten am 13.11.2014 zugestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708Nr. 1, 711,713 ZPO.