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Verkehrsunfall – Fahrzeugkollision mit einem die Fahrbahn überquerenden Fußgänger

Fußgänger bei Straßenüberquerung von Fahrzeug getroffen: Klage abgewiesen

In einem vor dem Landgericht Saarbrücken verhandelten Fall (Az.: 6 O 113/20) ging es um einen tragischen Verkehrsunfall, bei dem ein Fußgänger von einem Fahrzeug erfasst wurde, während er die Straße überquerte. Das Gericht hatte sich mit den materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüchen des Fußgängers auseinanderzusetzen. Ein wesentliches Problem bei diesem Vorfall war die Dunkelheit zur Unfallzeit und die Frage der Haftung.

Der Fußgänger war gegen 18:00 Uhr von einem Freund abgesetzt worden und wollte die Straße überqueren, um zu seiner Wohnanschrift zu gelangen. Während der Überquerung wurde er vom Fahrzeug eines Bekannten, einem VW Golf, getroffen. Dieser hatte das Abblendlicht eingeschaltet und gab an, der Kläger sei von links nach rechts über die Straße gelaufen. Der Fußgänger erlitt schwere Verletzungen und machte daraufhin Schadensersatzansprüche geltend.

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Die Umstände des Unfalls

Im Bereich des Unfalls galt eine innerörtliche Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h. Die Fahrbahn, auf der der Unfall stattfand, war trocken und die Unfallörtlichkeit schwach ausgeleuchtet. Ein weiterer wichtiger Aspekt war, dass der Kläger dunkel gekleidet war, was zu einer zusätzlichen Verringerung seiner Sichtbarkeit beigetragen haben könnte.

Polizeiliche Aufnahme und Gutachten

Nach dem Unfall wurde ein Polizeibericht erstellt und Spurensicherung sowie Blutprobe beim Kläger angeordnet. Die polizeilichen Ermittlungen ergaben, dass der Fahrer nach dem Unfall angab, der Fußgänger sei plötzlich auf die Straße gerannt. Darüber hinaus wurde in der Blutprobe des Klägers ein Alkoholgehalt von 0,63 Promille festgestellt, was ein zusätzliches Element bei der Beurteilung der Verantwortlichkeit für den Unfall darstellt.

Gerichtliche Entscheidung und Folgen

Das Urteil des Landgerichts Saarbrücken fiel zugunsten des Fahrers aus. Die Klage des Fußgängers wurde abgewiesen und er wurde verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar. Die Gerichtsentscheidung verdeutlicht die Komplexität der Haftungsfragen bei Verkehrsunfällen, insbesondere wenn Dunkelheit und Alkoholeinfluss im Spiel sind.


Das vorliegende Urteil

LG Saarbrücken – Az.: 6 O 113/20 – Urteil vom 08.07.2021

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert wird auf 25.744,68 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht materielle und immaterielle Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, an dem er als Fußgänger beteiligt war.

Verkehrsunfall - Fahrzeugkollision mit einem die Fahrbahn überquerenden Fußgänger
(Symbolfoto: Gena Melendrez/Shutterstock.com)

Am 25.01.2019 wurde der Kläger gegen 18.00 Uhr von einem Freund mit einem PKW vor dem Anwesen ………… in …….., Ortsteil ……….., abgesetzt. Er wollte die ……………………… überqueren, um zu seiner Wohnanschrift zu gelangen. Anlässlich der Überquerung der Fahrbahn kam es zur Kollision mit dem von dem Beklagten zu 1) geführten Fahrzeug VW Golf, amtliches Kennzeichen ………., das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist. Aus der Sicht des Beklagten zu 1) überquerte der Kläger die Straße von links nach rechts. Das Abblendlicht (Bi-Xenon Scheinwerfer) war am Beklagtenfahrzeug eingeschaltet

Die ……… verläuft im Unfallstellenbereich gerade und eben. Sie wird im Zweirichtungsverkehr befahren, wobei auch eine optische Unterteilung in Fahrstreifen auf der 7,8 m breiten und aus Asphaltbelag bestehenden Fahrbahn gegeben ist. Im Bereich der Unfallörtlichkeit gilt die innerörtliche Höchstgeschwindigkeitsbestimmung von 50 km/h. Im Unfallzeitpunkt war es dunkel. Die Straße war trocken. Die Schadensörtlichkeit ist durch weiter auseinanderliegende Querfeldlampen oberhalb der Fahrbahn nur schwach ausgeleuchtet. Der Kläger war dunkel gekleidet.

Durch die Kollision erlitt der Kläger schwere Verletzungen.

Der Verkehrsunfall wurde polizeilich aufgenommen. In dem Polizeibericht vom 26.01.2019 heißt es u.a.:

Am 25.01.2019 teilte Herr …………. gegen 18.05 Uhr über Notruf folgenden Sachverhalt mit:

Ich habe eine Person angefahren, …. Ich bin hier in der ………….. gefahren und plötzlich ist der Herr auf die Straße gerannt. Ich habe gebremst, aber ich habe ihn frontal voll erwischt, er ist auch durch die Luft geflogen.

In der Folge wurden die Einholung eines Spurensicherungsgutachten sowie einer Blutprobe bei dem Kläger angeordnet. Unter dem 06.02.2019 erstattete der Sachverständige …………….. ein technisches Gutachten. Die Auswertung der Blutprobe ergab einen Mittelwert von 0,63 Promille.

Im Anschluss wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren eingeleitet (Staatsanwaltschaft Saarbrücken – 63 Js 466/19). Unter dem 11.04.2019 beauftragte die zuständige Staatsanwältin das Ingenieur- und KFZ-Sachverständigenbüro ………………….. mit der Erstellung eines Gutachtens um die Frage der Vermeidbarkeit des Unfallgeschehens für den Beschuldigten ………….. In dem Gutachten heißt es auszugsweise:

2. Feststellungen zum Unfallort

..

nach Aktenlage hielt Herr ……. sein Fahrzeug gegenüber dem Anwesen ……. teilweise auf dem rechten Gehweg an, um den Fußgänger …………. aussteigen zu lassen. Dieser habe dann hinter dem PKW ……. die Fahrbahn überquert. Bei dem Fahrzeug des Herrn …… handelte es sich nach Aktenlage um einen VW Touran.

Am PKW …… konnten die ersten Beschädigungen im vorderen linken Eckbereich vorgefunden werden. Es lagen Kontaktspuren am Stoßfänger und Verformungen im vorderen linken Eckbereich der Motorhaube vor. Ferner befanden sich am linken Kotflügel Wischspuren. Weitere Wischspuren verliefen schräg über die Motorhaube in Richtung der rechten Fahrzeugseite. Die Frontscheibe war gerissen. Es lag eine konzentrische Rissbildung vor, wobei im Deformationszentrum Haare vorgefunden werden konnten. Insofern ist Herrn ……. in diesem Bereich mit dem Kopf aufgeschlagen. Zwischen der Erstanstoßstelle im vorderen linken Eckbereich des Fahrzeugs bzw. der Motorhaube und der Kopfanschlagstelle auf der Frontscheibe lag ein deutlicher Versatz vor. Dieser Versatz weist zunächst darauf hin, dass Herr ……… mit relativ hoher Geschwindigkeit gegen den PKW prallte. Der PKW-Fahrer …… beschreibt die Bewegung des Fußgängers als laufen. Das Schadensbild am PKW deutet durchaus auf eine schnelle (laufende) Bewegungsart hin.

4. Zusammenfassung

Insofern lässt sich nach dem derzeitigen Kenntnisstand dem PKW-Fahrer eine verspätete Reaktion und damit Vermeidbarkeit des Unfalls nicht nachweisen.

Unter dem 13.06.2019 wurde das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Der Kläger behauptet, er habe sich zunächst vergewissert, dass keine Fahrzeuge herannahen und habe dann erst die Fahrbahn überquert. Der Beklagte zu 1) sei ohne zu bremsen mit ihm kollidiert.

Er ist der Ansicht, der Beklagte zu 1) habe seine Fahrweise so anpassen müssen, dass er innerhalb der Sichtweite sein Fahrzeug zum Stehen hätte bringen können. Der Beklagte sei aber mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren oder habe zu spät reagiert.

Durch den Unfall habe er einen Dauerschaden erlitten.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld – Größenordnung 15.000,–€ – zu zahlen nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung.

2. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 7.744,68 € zu zahlen nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung.

3. es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, dem Kläger jeden zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der auf dem Unfallereignis vom 25.01.2019 in der ……………… in …….. beruht, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.

4. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen in Höhe von 1.358,86 € nebst %5 Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) habe die ……………… mit einer Geschwindigkeit von maximal 50 km/h befahren. Der Kläger sei derart unvermittelt zwischen den Anwesen Nr… und … von links nach rechts über die Straße gelaufen, dass der Beklagte zu 1) trotz einer sofort eingeleiteten Notbremsung die Kollision nicht habe verhindern können. Hätte der Kläger vor der Überquerung der Fahrbahn sich vergewissert, dass kein Fahrzeug sich annähert, hätte er sowohl das Beklagtenfahrzeug als auch die nachfolgenden 2 Fahrzeuge erkennen können.

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Das Gericht hat den Beklagten zu 1) persönlich angehört. Eine Anhörung des Klägers war nicht möglich. Der Kläger, dessen persönliches Erscheinen gemäß § 141 ZPO angeordnet war, blieb dem Verhandlungstermin fern. Zuvor hatte er seinem Prozessbevollmächtigten Terminsvollmacht gemäß § 141 Abs. 3 ZPO erteilt. Begründet wurde das Fernbleichen damit, dass der Kläger selbst keinerlei Erinnerungen an den Vorfall habe.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beschluss vom 12.11.2020 durch Einholung eines Unfallrekonstruktionsgutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen ……………. vom 01.04.2021 Bezug genommen.

Die Verfahrensakte Staatsanwaltschaft Saarbrücken, Az.: 63 Js 466/19, war beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Die Parteien habe ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO erklärt.

Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

I.

1.

Zwar haften im Grundsatz der Beklagte zu 1) als Fahrer des unfallbeteiligten PKW gemäß §§ 18 Abs. 1 S. 1, 7 Abs. 1 StVG (die Haltereigenschaft ist nicht dargelegt) und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer gemäß § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG als Gesamtschuldner auf Schadensersatz und Schmerzensgeld (§ 11 S. 2 StVG), weil sich der streitgegenständliche Unfall unstreitig beim Betrieb eines von dem Beklagten zu 1) geführten PKW‘ s ereignet hat. Die Frage, ob das Unfallereignis für den Beklagten zu 1) nicht vermeidbar war – wie von den Beklagten vorgetragen – ist nach dem Wortlaut des reformierten Haftungstatbestands ohne Relevanz (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urt. v. 02.07.2020, 4 U 38/19, n.v.).

2.

Allerdings entfällt im Streitfall eine Haftung der Beklagten. Denn das gem. § 9 StVG i.V.m. § 254 I BGB zu berücksichtigende Mitverschulden des Klägers wiegt so schwer, dass dahinter die allgemeine Betriebsgefahr des Beklagten-Pkws zurücktritt.

Darüber hinaus haben die Beklagten den Nachweis fehlenden Fahrerverschuldens (§ 18 Abs. 1 S. 2 StVG) geführt.

2.1.

Gemäß § 9 StVG findet die Vorschrift des § 254 BGB Anwendung, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Verletzten mitgewirkt hat. Hierbei folgt die Haftungsabwägung den zu § 17 Abs. 1 StVG entwickelten Rechtsgrundsätzen: Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge sind nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind (BGH, Urt. v. 21.11.2006 – VI ZR 115/05, NJW 2007, 506; Urt. v. 24.6.1975 – VI ZR 159/74, VersR 1975, 1121). Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben. Hierbei kann die Abwägung zum vollständigen Ausschluss des Ersatzanspruchs führen, wenn das Verschulden des Geschädigten derart überwiegt, dass die vom Schädiger ausgehende Ursache völlig zurücktritt (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 24. April 2012 – 4 U 131/11 – 40 –, juris, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

2.1.1.

Unter Beachtung dieser Rechtsgrundsätze ist dem Kläger ein unfallursächlicher Verkehrsverstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO anzulasten

§ 25 Abs. 3 StVO stellt an denjenigen Fußgänger, der beabsichtigt die Fahrbahn zu überqueren, erhöhte Sorgfaltsanforderungen. Nach der Rechtsprechung und einhelliger Kommentierung muss ein Fußgänger beim Überqueren der Fahrbahn, auf der der Fahrzeugverkehr grundsätzlich den Vorrang hat, besondere Vorsicht walten lassen. Er muss an nicht besonders vorgesehenen Überquerungsstellen (z. B. Fußgängerüberwegen i. S. v. § 26 StVO) auf den bevorrechtigten Verkehr Rücksicht nehmen und bei Annäherung eines Fahrzeugs warten. Er darf insbesondere nicht versuchen, noch kurz vor einem herannahenden Fahrzeug die Fahrbahn zu überqueren (BGH Urt. v. 27.06.2000 – VI ZR 126/99-, juris; OLG Dresden Urt. v. 09.05.2017 – 4 U 1596/16 – juris; OLG Koblenz, Urt. v. 21.12.2020 – 12 U 401/20, juris; Rogler in jurisPK-Straßenverkehrsrecht, § 25 Rdn 85; juris; jeweils mit weiteren Nachweisen).

Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt. Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstands mit der gemäß § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass der Kläger den Unfall dadurch verursacht hat, dass er gegen das Gebot des § 25 III 1 StVO verstoßen hat, die Fahrbahn unter Beachtung des Fahrzeugverkehrs zu überqueren. Das Gericht hat den Beklagten zu 1) angehört, die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte 63 Js 466/19 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht sowie ein Unfallrekonstruktionsgutachten eingeholt. Danach ereignete sich der Unfall nachdem der Kläger aus einem haltenden Fahrzeug (VW Touran) über die Beifahrerseite ausgestiegen war, entlang der Beifahrerseite zum Heck des Fahrzeugs gegangen war und hinter dem Heck die Straße zwecks Überquerung betreten hat. Nach der Überzeugung des Gerichts hat der Kläger zudem versucht die Straße zu überqueren, ohne sich zuvor in irgendeiner Art und Weise zu vergewissern, ob sich ein Fahrzeug näherte. Die Behauptung des Klägers, er habe sich vergewissert, dass keine Fahrzeuge herannahten und dann die Fahrbahn überquert, ist nicht nur offensichtlich ins Blaue hinein vorgetragen – der Kläger ist zur Anhörung nicht erschienen mit der Begründung, er habe keinerlei Erinnerung an den Vorfall –; sie wird auch durch das eingeholte Sachverständigengutachten eindeutig widerlegt. Gemäß den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen ……….. in seinem Gutachten vom 01.04.2021 – die auch von den Parteien nicht angegriffen werden – war der Beklagten-PKW im Zeitpunkt des Betretens der Fahrbahn durch den Kläger für den Kläger erkennbar, wobei eine Sichterschwernis durch den anhaltenden PKW bestanden haben könnte. Spätestens allerdings bei Übertritt über die linke Fahrzeugflanke des anhaltenden Fahrzeugs war die Sicht in der geradeaus führenden ……………….. frei und der Beklagten-PKW, der in diesem Zeitpunkt 12,5 – 22,5 m von der späteren Anstoßstelle entfernt war, bei Blickzuwendung nach rechts (gut) erkennbar. Der Kläger hätte den Unfall problemlos vermeiden können, wenn er vor dem Erreichen der Mittellinie den (nochmals) erforderlichen Blick nach rechts (vgl.: Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urt. v. 13.04.2010 – 4 U 425/09, juris) getätigt und angesichts des sich erkennbar annähernden Beklagtenfahrzeugs spätestens an der Mittellinie stehen geblieben wäre, um dem Beklagtenfahrzeug die Vorbeifahrt zu ermöglichen. Der Kläger ist infolgedessen in keiner Weise den an ihn gestellten Sorgfaltsanforderungen des § 25 Abs. 3 StVO gerecht geworden. Hierbei war auch zu beachten, dass sich das Überqueren der Fahrbahnen durch den Kläger bei Dunkelheit ereignete und er zudem noch dunkel gekleidet war. Dies erschwerte dem sich annähernden Fahrzeugverkehr die Erkennbarkeit des Klägers und forderte von diesem eine noch höhere Aufmerksamkeit (vgl.: OLG Koblenz, a.a.O).

2.1.2.

Dem besonders schwerwiegenden Fehlverhalten des Klägers steht ein Verschulden des Beklagten zu 1) an dem Verkehrsunfall nicht gegenüber.

2.1.2.1.

Der Kläger vermochte nicht nachzuweisen, dass der Beklagte zu 1) die Unfallörtlichkeit mit überhöhter Geschwindigkeit befahren hat. Im Bereich der Unfallörtlichkeit gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h (§ 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme betrug die Kollisionsgeschwindigkeit 40 – 45 km/h. Das vorkollisionäre Bewegungsverhalten des Beklagtenfahrzeugs war mangels entsprechender Spuren nicht sicher darstellbar.

Entgegen der Ansicht des Klägers musste der Beklagte zu 1) auch nicht seine Geschwindigkeit herabsetzen, da der Beklagte zu 1) das am Fahrbahnrand stehende Fahrzeug, in dem sich der Kläger befand und aus dem er ersichtlich ausgestiegen ist, wahrnehmen musste. Nach dem Vertrauensgrundsatz darf der Kraftfahrer in der Regel darauf vertrauen, dass zu Fuß Gehende ihre Pflichten ihm gegenüber erfüllen werden. Der Fahrer braucht seine Geschwindigkeit daher nicht schon deshalb zu ermäßigen, weil ein Fußgänger unter Verletzung der gebotenen Sorgfalt die Fahrbahn betreten könnte (BGH, Urteil vom 24. Januar 1967 – VI ZR 79/65 –, juris; Rogler in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., § 25 StVO Rdn 158 ff (Stand: 07.11.2017)).

Es ist auch nicht erwiesen, dass für den Beklagten zu 1) eine Handlungsaufforderung dahin bestand, seine Geschwindigkeit zu einem früheren Zeitpunkt zu reduzieren, von dem ab erkennbar war, dass der Kläger in seine Fahrspur treten würde. Nach den Ausführungen des Sachverständigen ……. war eine Reaktionsaufforderung durch die Überquerung des Klägers erst 0,7 – 1,0 m vor dem Überqueren der Mittellinie gegeben. Bis zum Anstoßort hatte der Kläger dann noch eine Wegstrecke von 1,5 – 2,3 m zurückzulegen, wofür eine Zeitspanne bei einer Ausgangs-Bewegungsgeschwindigkeit zwischen 7 – 10 km/h von rd. 0,6 – 1,2 sec. benötigt wurde. Die Reaktionsaufforderung an den Beklagten zu 1) erging somit 0,6 – 1,2 sec. vor dem Unfallgeschehen, als dieser bei 40 – 45 km/h Ausgangsgeschwindigkeit 6,7 – 15,0 m vom Erfassungsort entfernt gewesen ist. Um ein Fahrzeug aus 40 – 45 km/h bei einer der Dunkelheit angemessenen Reaktionszeit von 1,2 sec. anzuhalten, wird eine Wegstrecke von 22,7 bzw. 26,6 m beansprucht, die bei einem Vergleich mit der zur Verfügung stehenden Wegstrecke länger war und der Beklagte zu 1) insoweit trotz zeitgerechter Reaktion sein Fahrzeug nicht mehr vor dem Anstoß anhalten konnte. Diesen in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen schließt sich das Gericht an und macht sie sich zu Eigen.

2.1.2.2.

Ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot (§ 3 Abs. 1 S. 2, 4 StVO) kann ebenfalls nicht festgestellt werden. Der Beklagte zu 1) musste seine Fahrgeschwindigkeit nicht so weit reduzieren, dass er auf plötzlich von der anderen Fahrbahnhälfte auf seinen Fahrstreifen tretende Hindernisse hätte reagieren können, denn das Sichtfahrgebot ist grundsätzlich auf den eigenen Fahrstreifen beschränkt. Es verpflichtet den Fahrzeugführer gem. § 3 I S. 2 u. 4 StVO, seine Geschwindigkeit den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen anzupassen. Er darf nur so schnell fahren, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann. Eine Herabsetzung der Fahrgeschwindigkeit ist aber nur dann geboten, wenn der Fahrer den Verkehrsablauf nicht vollständig überblicken und deshalb auftretende Hindernisse und Gefahren nicht so rechtzeitig bemerken kann, dass er ihnen mit Sicherheit begegnen kann (BGH, Urteil vom 23. 4. 2002 – VI ZR 180/01, juris). Dabei bezieht sich der Begriff der Unübersichtlichkeit nur auf die Fahrbahn, so dass eine Straßenstelle nicht schon dann übersichtlich wird, wenn der Verkehrsablauf in der seitlichen Umgebung der Straße nicht voll zu überblicken ist (BGH, a.a.O.). Das Sichtfahrgebot bezieht sich nur auf Hindernisse, die ein Kraftfahrer in der konkreten Situation in Rechnung stellen muss; es gilt nicht für plötzlich von der Seite auf die Fahrbahn gelangende Hindernisse, sondern betrifft die Sicht vor dem Fahrzeug (OLG Dresden, Urt. v. 09.05.2017 – 4 U 1596/16, juris; OLG Brandenburg, Beschluss vom 03.01.2019 – 12 U 133/18, juris). Bei breiten Straßen bezieht sich der erforderliche Überblick daher – wie der Grundsatz des Fahrens auf Sichtweite bei Dunkelheit – nur auf den vom Kraftfahrer in Anspruch genommenen Fahrstreifen, nicht auf die ganze Fahrbahn (OLG Dresden, a.a.O.). Der Bekl. zu 1 war mithin nicht gehalten, seine Geschwindigkeit so zu reduzieren, dass er Fußgänger, die von der Gegenfahrbahn auf seinen Fahrstreifen treten, noch rechtzeitig hätte erkennen und hierauf hätte reagieren können.

2.2.

Auf Grund des grob fahrlässigen Verhaltens des Klägers tritt die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs in vollem Umfang zurück.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird (§ 276 BGB), insbesondere dann, wenn schon einfachste, ganz naheliegenden Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BGH, Urt. v. 11.07.2007 – XII ZR 197/05; OLG Saarbrücken a.a.O.). Es muss sich also um einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen Verhaltenspflichten im Verkehr handeln. Beide Elemente sind gleichermaßen von Bedeutung. Es darf nicht aus dem objektiv groben Pflichtverstoß unbesehen auf ein gesteigertes persönliches Verschulden geschlossen werden, nur, weil es so häufig mit ihm einhergeht (BGH, Urt. v. 21.02.1996 – IV ZR 321/94 – juris; OLG Saarbrücken a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen vor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstands steht fest, dass der Kläger quasi „blindlings“ die Fahrbahn überqueren wollte. Denn hätte er seinen Blick nach rechts gewandt, hätte er das Beklagtenfahrzeug wahrnehmen müssen. Damit ist ihm vorzuwerfen, dass er die grundlegende Sorgfalt eines Fußgängers missachtet hat (vgl: OLG Saarbrücken, a.a.O.; Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 26. Aufl., § 25 StVO Rdn 20a, beck-online).

3.

Im Hinblick auf die festgestellte Unvermeidbarkeit der Kollision für den Beklagten zu 1) haben die Beklagten auch den Entlastungsbeweis des § 18 Abs. 1 S. 2 StVG geführt. Auf die Ausführungen unter Nr. 2.1.2.1. wird verwiesen.

II.

Die Beklagten haften auch nicht aus § 823 BGB. Dem Beklagten zu 1) ist ein Verschulden an der Kollision nicht zur Last zu legen. Der Unfall war für ihn unabwendbar im Rechtssinne.

Die prozessualen Nebenentscheidungen resultieren aus §§ 91, 709 S. 1, 2 ZPO.


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant:

  1. Verkehrsrecht: Das Verkehrsrecht ist das primäre Rechtsgebiet, das in diesem Urteil behandelt wird. Es regelt das Verhalten von Personen im Straßenverkehr und betrifft insbesondere die Pflichten von Fahrern und Fußgängern. Hierbei sind insbesondere die Regelungen der Straßenverkehrsordnung (StVO) relevant, insbesondere §1 StVO (Grundregeln), welcher besagt, dass jeder Verkehrsteilnehmer sich so zu verhalten hat, dass kein anderer gefährdet oder geschädigt wird, sowie ggf. auch die Regelungen zum Vorrang des Fahrverkehrs gegenüber Querenden (§ 19 StVO).
  2. Schadensersatzrecht: Im Schadensersatzrecht geht es darum, welcher Teil die Verantwortung für den entstandenen Schaden übernimmt. Hier ist insbesondere § 823 BGB relevant, der besagt, dass jemand, der das Eigentum, die Gesundheit oder das Leben einer anderen Person schädigt, zum Schadenersatz verpflichtet ist. In diesem Fall macht der Kläger Schadensersatzansprüche geltend aufgrund der durch den Verkehrsunfall erlittenen materiellen und immateriellen Schäden.
  3. Versicherungsrecht: Da der beteiligte PKW haftpflichtversichert ist, spielen auch Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) eine Rolle. Hierbei sind insbesondere die Pflichten des Versicherers und des Versicherten in Schadensfällen relevant (z.B. § 117 VVG).
  4. Strafprozessrecht: Das Strafprozessrecht regelt das Verfahren vor den Strafgerichten. Es kommt hier zur Anwendung, da die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat. Relevant ist hier besonders § 170 StPO, der die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft regelt.
  5. Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO): Im Kontext der Fahrzeugbeleuchtung und des Abblendlichts könnte die StVZO relevant sein, insbesondere § 50 StVZO, der Anforderungen an die Scheinwerfer für Abblendlicht und Fernlicht festlegt.

In diesem Urteil wird also eine Vielzahl von Rechtsgebieten und Gesetzen berührt, die alle dazu beitragen, den Sachverhalt umfassend zu analysieren und zu einer rechtlichen Bewertung zu gelangen.

FAQ: Häufig gestellte Fragen

Wer haftet im Falle eines Verkehrsunfalls zwischen einem Fahrzeug und einem Fußgänger?

In Deutschland regelt die Straßenverkehrsordnung (StVO) das Verhalten von Verkehrsteilnehmern, einschließlich Fußgängern und Autofahrern. Generell gilt das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme. Das bedeutet, dass sowohl der Autofahrer als auch der Fußgänger verpflichtet sind, sich so zu verhalten, dass niemand gefährdet wird. Bei einem Unfall zwischen einem Fahrzeug und einem Fußgänger ist grundsätzlich zu prüfen, ob und inwiefern eine Partei gegen diese Pflichten verstoßen hat. Häufig kommt es zu einer sogenannten Mithaftung, wenn beide Parteien zumindest teilweise für den Unfall verantwortlich sind.

Was bedeutet Mithaftung?

Mithaftung bedeutet, dass beide Parteien an einem Unfall Schuld haben und daher beide einen Teil des Schadens tragen müssen. Das Ausmaß der Mithaftung hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Hierbei ist zu prüfen, welchen Anteil jede Partei an der Verursachung des Unfalls hatte.

Was ist der Unterschied zwischen materiellem und immateriellem Schadensersatz?

Materieller Schadensersatz bezieht sich auf den tatsächlich entstandenen Schaden, der in Geld messbar ist, wie z.B. Reparaturkosten oder Krankenhausrechnungen. Immaterieller Schadensersatz, auch bekannt als Schmerzensgeld, ist eine Entschädigung für nicht-materielle Schäden, wie z.B. Schmerz und Leid, die durch den Unfall verursacht wurden.

Welche Rolle spielt die Versicherung in solchen Fällen?

In Deutschland ist eine Kfz-Haftpflichtversicherung gesetzlich vorgeschrieben. Sie deckt Schäden ab, die durch den Gebrauch eines Fahrzeugs an Dritten verursacht wurden. Wenn der Fahrer des Fahrzeugs für den Unfall verantwortlich ist, wird die Versicherung den Schaden, der dem Fußgänger entstanden ist, in der Regel übernehmen.

Was passiert, wenn die Schuldfrage nicht eindeutig geklärt ist?

Wenn die Schuldfrage nicht eindeutig geklärt ist, kann es zu einem Gerichtsverfahren kommen. In einem solchen Verfahren wird ein Richter oder eine Richterin die Umstände des Unfalls prüfen und eine Entscheidung über die Schuldfrage treffen. Dabei können verschiedene Beweismittel, wie Polizeiberichte, Zeugenaussagen und technische Gutachten, eine Rolle spielen.

Was bedeutet es, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wird?

Das Ermittlungsverfahren wird in der Regel eingestellt, wenn die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis kommt, dass kein hinreichender Verdacht für das Vorliegen einer strafbaren Handlung besteht. In diesem Fall wird gegen die betroffene Person nicht weiter ermittelt und es kommt nicht zu einer Anklage.

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