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Verkehrsunfall -gegenseitig behaupteter Fahrstreifenwechsel

LG Hamburg – Az.: 302 S 39/17 – Beschluss vom 26.04.2018

2. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 18.08.2017, Aktenzeichen 910 C 344/16, durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

3. Der Kläger kann hierzu binnen 2 Wochen Stellung nehmen.

Gründe

I.

Die Kammer beabsichtigt, die gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegte Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Das Amtsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Beklagten lediglich zur Zahlung von 6,00 € verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der Begründung kann auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden. Die Berufungsbegründung bietet keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

Das Berufungsgericht hat seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtig- und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Eine erneute Beweisaufnahme oder ein Abweichen von der Beweiswürdigung der ersten Instanz kommt daher nur dann in Betracht, wenn eine gewisse, nicht nur theoretische Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen unrichtiger oder unvollständiger Feststellungen besteht (Hannich/Meyer-Seitz/Engers, ZPO-Reform, 2002, § 529 S. 353). Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die beweiswürdigenden Erwägungen einer festen Tatsachengrundlage entbehrten, also nur Vermutungen wiedergäben, sie lückenhaft wären oder gegen Denksätze oder allgemeine Erfahrungssätze verstießen, schließlich aber auch, wenn die Verteilung der Beweislast verkannt worden wäre (Hannich/Meyer-Seitz/Engers, § 529 S. 353) und dies zu einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung geführt hätte. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Die Parteien behaupten, im Rahmen eines Spurwechsels des jeweiligen Unfallgegners sei es zur Kollision der Fahrzeuge gekommen. Bei der Abwägung nach § 17 Abs. 1 u. 2 StVG sind nur unstreitige, zugestandene oder erwiesene Tatsachen zu berücksichtigen (Hentschel-König, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, 2013, § 17 StVG, Rdn. 31 m. w. N.). Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass sich der Unfallhergang nicht weiter aufklären lässt mit der Folge, dass aufgrund der wechselseitig zu berücksichtigenden Betriebsgefahr von einer Haftungsquote von 50:50 auszugehen ist.

Dem Kläger obliegt der Beweis, dass der Beklagte zu 2 einen Spurwechsel durchgeführt hat und im Rahmen dessen mit dem Fahrzeug des Klägers kollidiert ist. Diesen Beweis hat der Kläger nicht erbracht. Er hat auch nicht nachgewiesen, dass der Beklagte zu 2 ihm gegenüber ein Schuldanerkenntnis abgegeben hat. Zwar hat der Kläger bereits mit der Klageschrift vorgetragen, der Beklagte zu 2 habe ihm gegenüber nach dem Unfall zunächst sein Fehlverhalten zugegeben. Dies haben die Beklagten indes bereits mit der Klageerwiderung bestritten, indem sie vorgetragen haben, der Beklagte zu 2 sei dem Vorwurf, in das Fahrzeug des Klägers gefahren zu sein, sogleich entgegengetreten.

Soweit der Kläger mit der Berufungsbegründung beantragt, eine Parteivernehmung zum Beweis der Tatsache durchzuführen, der Beklagte zu 2 habe ihm gegenüber den Spurwechsel eingeräumt, ist diesem Antrag nicht nachzugehen. Die Kammer legt ihn dahin aus, dass der Kläger seine eigene Parteivernehmung gemäß § 447 ZPO beantragt. An dem insoweit erforderlichen ausdrücklichen Einverständnis der Beklagten fehlt es vorliegend. Um den Kläger indes gemäß § 141 ZPO anzuhören, hatte das Amtsgericht das persönliche Erscheinen des Klägers zum Termin am 14.3.2017 angeordnet. Der Kläger ist indes nicht erschienen und hat seinen Prozessbevollmächtigten stattdessen eine Vollmacht gemäß § 141 Abs. 3 ZPO erteilt.

Unabhängig davon, dass der Kläger damit in erster Instanz gerade darauf verzichtet hat, seine Unfallversion zu schildern und die prozessualen Konsequenzen dessen zu tragen hat, ist darauf hinzuweisen, dass dem Kläger auch dann keine Beweislastumkehr zugutekäme, wenn er nachweisen könnte, dass der Beklagte zu 2 ihm gegenüber an der Unfallstelle die Verursachung des Unfalls eingeräumt hat:

Im Grundsatz sind gerade im Verkehrsunfallprozess alle spontanen Äußerungen an der Unfallstelle über die Schuldfrage nach dem Unfallgeschehen zurückhaltend zu beurteilen (Erman/Heckelmann/Wilhelmi, BGB, 12. Aufl., § 781 Rdnr. 13 OLG Düsseldorf, NJW 2008, 3366). Die gravierende beweisrechtliche Rechtsfolge einer vollen Beweislastumkehr besitzt eine an der Unfallstelle abgegebene Erklärung nur dann, wenn den Parteien die Tragweite ihrer Erklärung auch aus der Sicht eines in Rechtsdingen unerfahrenen Laien zumindest erkennbar war. Ein solches Bewusstsein wird im Regelfall vorhanden sein, wenn die Aussage in schriftlicher Verkörperung erfolgt. Wer an der Unfallstelle seinem Unfallgegner eine die Schuld bestätigende Erklärung übergibt, weiß, dass die Erklärung im Falle eines eventuellen Rechtsstreits zu Beweiszwecken dient. Ihm ist auch bewusst, dass sich der Gegner, der das Anerkenntnis in den Händen hält, hinsichtlich des Beweisrisikos in Sicherheit wiegt und geneigt sein wird, mit Blick auf das Anerkenntnis von weitergehenden Aufklärungsmöglichkeiten an Ort und Stelle abzusehen. Nach diesen Erwägungen ist die volle Beweislastumkehr gleichermaßen Ausfluss des aus § 242 BGB herzuleitenden Verbotes widersprüchlichen Verhaltens als auch Konsequenz der prozessualen Grundsätze, die im Falle der Beweisvereitelung oder Beweiserschwerung der benachteiligten Partei Beweiserleichterungen zubilligen (vgl. MünchKomm(BGB)/Habersack, 5. Aufl., § 781 Rdnr. 33).

An einer solchen schriftlichen Erklärung des Beklagten zu 2 fehlt es vorliegend unstreitig. Angesichts dessen hätte der Kläger, selbst wenn der Beklagten zu 2 vor Ort mündlich die Verursachung des Unfalls eingestanden haben sollte, nicht darauf vertrauen dürfen, gegen eventuelle beweisrechtliche Risiken nachhaltig abgesichert zu sein. Ein solches Vertrauen des Klägers in diese Äußerung wäre nicht in einem solchen Maße schutzwürdig, dass der Enttäuschung des Vertrauens nur mit der Umkehr der Beweislast begegnet werden könnte. Im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 ZPO wäre eine an Ort und Stelle erfolgte Unfallschilderung des Beklagten zu 2 lediglich als Beweisanzeichen für die Richtigkeit des Klägervortrags zu würdigen (vgl Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 01.03.2011, 4 U 370/10 – 110, juris). Mangels eines Nachweises jener Erklärung durch den Kläger war das Amtsgericht auch nicht gehalten, sie im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

Zutreffend hat das Amtsgericht weiter ausgeführt, dass in den Angaben des Beklagten zu 2 gegenüber den den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten kein Rechtsbindungswille zum Ausdruck komme, sich gegenüber dem Kläger zivilrechtlich zu einem Schadensersatz zu verpflichten. Bei seinen Ausführungen zur Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde gemäß § 415 ZPO lässt der Kläger im Übrigen unberücksichtigt, dass das Amtsgericht seiner Entscheidung gerade zugrunde gelegt hat, dass der Beklagte zu 2 die Ordnungswidrigkeit gegenüber der Polizei eingeräumt hat und sodann im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO diese Erklärung gewürdigt hat.

Im Rahmen dessen ist das Amtsgericht in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise nicht zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Unfall wie von dem Kläger behauptet ereignet hat. Es hat zutreffend ausgeführt, dass sich die näheren Umstände, wie es zu der Erklärung des Beklagten zu 2 gegenüber den Polizeibeamten gekommen ist, nicht mehr aufklären lassen. Die beiden Polizeibeamten waren bei dem Unfall selbst nicht anwesend und hatten keine konkrete Erinnerung mehr an den Unfall und die Angaben des Beklagten zu 2 im Rahmen der späteren Unfallaufnahme.

Hinsichtlich der Schadenshöhe hat das Amtsgericht seiner Berechnung zutreffend zugrunde gelegt, dass nach ständiger Rechtsprechung in Hamburg eine Kostenpauschale in Höhe von 20,00 € zu erstatten ist, sofern nicht höhere Kosten nachgewiesen werden.

II.

Aus den dargelegten Gründen regt die Kammer an, die Berufung zurückzunehmen und weist vorsorglich darauf hin, dass bei einer eventuellen Rücknahme der Berufung sich die Gebühren nach Nr. 1220, 1222 der Anlage 1 des Gerichtskostengesetzes von vier auf zwei Gebühren ermäßigen.

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