OLG Koblenz – Az.: 12 U 312/15 – Urteil vom 20.06.2016
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bad Kreuznach vom 27.02.2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
Die von dem Landgericht vorgenommene hälftige Schadensverteilung ist nicht zu beanstanden. Eine andere Schadensverteilung (zu Lasten des Klägers) wäre nur dann in Betracht gekommen, wenn sich der Beklagte zu 1. bei Einfahrt des Klägers in den Kreisel bereits in diesem Kreisel befunden hätte. In diesem Fall hätte dem Beklagten zu 1. gemäß § 8 Abs. 1 a StVO das Vorfahrtsrecht zugestanden. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist der Senat aber zu der Überzeugung gelangt, dass ein solcher Sachverhalt nicht angenommen werden kann. Der Sachverständige …[A] hat in seinem Gutachten vom 30.11.2015 ausgeführt, vorliegend seien abhängig von dem jeweiligen Parteivortrag zwei Sachverhaltsvarianten denkbar. Bei einer Betrachtung entsprechend dem Vortrag der Beklagten komme er zum Ergebnis, dass der Beklagte zu 1. ca. 1 Sekunde vor dem Kläger in den Kreisverkehr eingefahren sei. Unterstelle er hingegen den Vortrag des Klägers als richtig, dann seien der Kläger und der Beklagte zu 1. nahezu gleichzeitig in den Kreisverkehr eingefahren.
Der Sachverständige hat ausführlich und überzeugend dargelegt, wie er zu diesem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt ist. Der Senat hat keinerlei Anlass, an der Richtigkeit dieser Ausführungen zu zweifeln. Zu den Einwendungen der Beklagten gegen das Gutachten des Sachverständigen …[A] ist folgendes zu bemerken:
Es ist richtig, dass nicht feststeht, dass der Beklagte zu 1. sich mit 50 km/h dem Kreisel genähert hat. Es steht aber auch nicht fest, dass der Beklagte zu 1. langsamer gefahren ist. Die Annahme einer Geschwindigkeit von 50 km/h ist auch nur im Rahmen der Betrachtung des Sachverständigen auf der Grundlage des Klägervortrags und bei allen Annahmen zugunsten des Klägers erfolgt. Bei dieser Betrachtung ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen, dass beide Fahrzeuge nahezu gleichzeitig in den Kreisel eingefahren sind. Ob das tatsächlich so war, bleibt offen. Es kann ebenso sein, dass – geht man von dem Beklagtenvortrag aus – der Beklagte zu 1. zuerst in dem Kreisel war.
Bezüglich der Rüge, bei dem von dem Sachverständigen herangezogenen Vergleichsversuch (Crashtest) hätten höhere Geschwindigkeiten vorgelegen, ist zu bemerken, dass davon auch der Sachverständige ausgegangen ist. Der Sachverständige hat wegen der im Verhältnis zu dem Vergleichsversuch geringeren Beschädigung des Beklagtenfahrzeugs eine Kollisionsgeschwindigkeit von 15 bis 19 km/h angenommen, während die Kollisionsgeschwindigkeit bei dem Vergleichsversuch 21,8 km/h betrug.
Damit haben die Beklagten nicht den Beweis führen können, dass der Beklagte zu 1. sich mit seinem Fahrzeug bereits vor der Einfahrt des Klägers in den Kreisel in diesem Kreisel befunden hat. Von einem Vorfahrtsrecht des Beklagten zu 1. im Sinne von § 8 Abs. 1 a StVO konnte somit nicht ausgegangen werden. Auszugehen war vielmehr von einem sogenannten ungeklärten/unaufklärbaren Verkehrsunfall. Bei diesem ist in der Regel eine hälftige Schadensverteilung vorzunehmen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten konnten vorliegend zu ihren Gunsten auch nicht die Regelungen des Anscheinsbeweises zur Anwendung gebracht werden. Bleibt offen, wer als Erster in den Kreisel eingefahren ist, so gilt bei einer Kollision im Kreisel kein Anscheinsbeweis bezüglich einer Vorfahrtsverletzung einer der beiden Unfallbeteiligten (mit weiteren Nachweisen: Hentschel/Kö- nig/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl., § 8 StVO Rn. 37 b). Der Senat schließt sich insoweit nicht den Ausführungen des von der Prozessbevollmächtigten der Beklagten herangezogenen Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 28.03.2014 (13 S 196/13) an. Unabdingbare Voraussetzung der Anwendung der Regelung des Anscheinsbeweises ist das Vorliegen eines sogenannten typischen „formelhaften“ Geschehensablaufs. Der Senat sieht einen solchen Geschehensablauf im Fall des Verkehrsunfalls in einem Kreisel als nicht gegeben an. Insbesondere dürfte die Beantwortung der Frage, wer sich zuerst in dem Kreisel befunden hat und wem somit das Vorfahrtsrecht zukam, davon abhängen, mit welchen Geschwindigkeiten sich die Verkehrsteilnehmer dem Kreisel genähert haben und mit welcher Geschwindigkeit sich die Verkehrsteilnehmer in dem Kreisel bewegt haben. Beides beinhaltet aber solche Unwägbarkeiten, dass hier von einer sogenannten Typisierung nicht ausgegangen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.348,39 € festgesetzt.