AG Hamburg – Az.: 23a C 430/17 – Urteil vom 18.05.2018
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 1.217,23 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.07.2017 sowie weitere € 181,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.01.2018 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche wegen eines Verkehrsunfalls.
Der Kläger ist Eigentümer des am Unfalltag von ihm geführten Pkw VW T5 mit dem amtlichen Kennzeichen …. Die Beklagte zu 1) ist Haftpflichtversicherin des am Unfalltag vom ihm Beklagten zu 2) geführten Pkw … mit dem amtlichen Kennzeichen ….
Am 08.05.2017 gegen 17:20 Uhr kam es zu einem Verkehrsunfall in der Langenhorner Chaussee in Hamburg in Richtung stadtauswärts, bei dem das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde. Die Fahrbahn der Langenhorner Chaussee ist so breit, dass zwei durchschnittliche breite Pkw je Fahrtrichtung nebeneinander mit jeweils geringem Seitenabstand auf die Fahrbahnen passen allerdings sind am Fahrbahnrand jeweils Schilder gemäß Zeichen 120 der Anlage 1 zur StVO aufgestellt („verengte Fahrbahn“). Auf der Fahrbahn selbst waren am Unfalltag keine Fahrzeuge geparkt. Das klägerische Fahrzeug befuhr die rechte Seite der Fahrbahn stadtauswärts, als das Beklagtenfahrzeug mit der rechten, vorderen Fahrzeugecke gegen die hintere, linke Fahrzeugflanke des klägerischen Pkw stieß.
Bei dem Unfall entstand Sachschaden an dem Kfz des Klägers. Ausweislich des von ihm vorgerichtlich eingeholten Gutachtens (Anlage K 1) betragen die Reparaturkosten netto € 1.899,08. Weiter wurden dem Kläger Sachverständigenkosten in Höhe von netto € 495,38 in Rechnung gestellt (Anlage K 2).
Mit Schreiben vom 07.07.2017, Anlage K 3 Die Beklagte zu 1) teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Beklagte zu 2) habe ausgesagt, dass sich beide Fahrzeuge einander genähert hätten und es dadurch zur Berührung gekommen sei; sie gehe davon aus, dass der tatsächlich Unfallhergang unaufklärbar sei. Die Beklagte zu 1) regulierte den dem Kläger entstandenen Schaden auf Basis einer von ihr angenommenen Quote von 50:50 und zahlte € 949,54 an den Kläger sowie € 247,69 direkt an den Sachverständigen.
Mit Schreiben vom 17.07.2017 forderte der Kläger die Beklagte zu 1) zur Regulierung des restlichen Schadens unter Fristsetzung zum 27.07.2017 auf.
Der Kläger behauptet, der Unfall habe sich auf der Langenhorner Chaussee in Höhe der Hausnummer 264 ereignet. Er sei am rechts auf der Fahrbahn gefahren. Der Beklagte zu 2) habe zunächst versucht, ihn zu überholen. Unmittelbar vor der Kollision habe der Beklagte zu 2) dann nach rechts gelenkt, während der Kläger selbst Spur gehalten habe, woraufhin die Autos zusammengestoßen seien.
Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagten schuldeten (inklusive einer Kostenpauschale von € 20,00) noch € 1.217,23 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. € 181,50.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 1.217,23 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 28.07.2017 zu zahlen.
2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von EUR 181,50 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten behaupten, der Unfall habe sich kurz hinter der Kreuzung Langenhorner Chaussee / Langenhorn Markt ereignet, wo zwei (markierte) Fahrstreifen in jede Richtung vorhanden sind.
Zum Unfallzeitpunkt sei der Beklagte zu 2) links auf der Fahrbahn stadtauswärts neben dem Kläger gefahren. Der Kläger habe sein Fahrzeug wegen dicht neben der Fahrbahn parkender Fahrzeuge nach links gezogen und sei so in die Spur des Beklagten zu 2) geraten.
Der Beklagte zu 2) behauptet, der Kläger sei nicht ganz rechts gefahren, sondern hätte 20 bis 30 cm näher am rechten Fahrbahnrand fahren können. Unmittelbar vor der Kollision habe der Beklagte zu 2) „vielleicht ein bisschen rüber gezogen“, weil auf der rechten Seite eigentlich noch Platz gewesen sei und sein Fahrzeug sich sehr weit links befunden habe. Zur Kollision sei es gekommen, weil der Kläger zum gleichen Zeitpunkt „vielleicht minimal auch noch nach links rüber gezogen“ sei.
Es ist Beweis erhoben worden durch Augenscheinseinnahme der Bilder der Langenhorner Chaussee auf Google Street View. Zudem sind der Kläger und der Beklagte zu 2) persönlich angehört worden. Diesbezüglich wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.03.2018 verwiesen. Ergänzend wird Bezug genommen auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
Mit dem Einverständnis der Parteien ist der Übergang ins schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO erfolgt. Dabei ist der 17.04.2018 als derjenige Termin bestimmt worden, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet.
I.
Dem Kläger stehen die gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche gemäß §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG i.V.m. § 1 PflVG, §§ 249, 280, 286, 288, 291, 421 BGB, § 115 Abs. 1 VVG zu.
1.
Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 2) geht das Gericht von folgendem Sachverhalt aus:
a)
Der Kläger ist Eigentümer des von ihm am Unfalltag gefahrenen Fahrzeugs.
Der Unfall ereignete sich deutlich nach der Kreuzung Langenhorner Chaussee / Langenhorn Markt (stadtauswärts), ca. auf Höhe der Hausnummer 264. Zum Unfallzeitpunkt war das Verkehrsaufkommen aufgrund des Berufsverkehrs zwar hoch, die Fahrzeuge waren aber mit durchschnittlicher Geschwindigkeit unterwegs.
Kläger- und Beklagtenfahrzeug fuhren vor der Kollision schräg versetzt nebeneinander, wobei sich der hinten links neben dem Klägerfahrzeug fahrende Beklagte zu 2) mit seinem Fahrzeug teilweise auf der Gegenfahrbahn befand. Aufgrund herannahenden Gegenverkehrs lenkte er sein Fahrzeug leicht nach rechts, wo er das klägerische Fahrzeug zuvor verortet und wahrgenommen hatte, woraufhin es zur Kollision kam.
Unklar ist geblieben, ob das Klägerfahrzeug so weit rechts wie möglich gefahren ist, und ob es weiter Spur gehalten oder sich unmittelbar vor der Kollision minimal nach links bewegt hat.
b)
Der vorstehende Sachverhalt steht fest aufgrund der Inaugenscheinnahme der Bilder der Langenhorner Chaussee auf Google Street View sowie der Anhörung des Klägers und des Beklagten zu 2).
Dass der Kläger Eigentümer seines Fahrzeuges ist, ergibt sich aus der Vermutung des § 1006 BGB i.V. m. seiner glaubhaften Angabe, das Fahrzeug bereits im Jahr 2017 abbezahlt zu haben.
Dass der Unfall sich ca. auf Höhe Hausnummer 264 ereignet hat, ergibt sich ebenfalls aus den glaubhaften Abgaben des Klägers sowie den insoweit ebenfalls glaubhaften Angaben des Beklagten zu 2), der in seiner Anhörung erklärt hat, nicht sagen zu können, auf welcher Hausnummerhöhe es zu der Kollision gekommen sei, wobei er jedenfalls den Langenhorner Markt passiert habe; und anhand seiner Schilderungen des zeitlichen Ablaufs und der Gegebenheiten vor Ort jedenfalls davon auszugehen ist, dass sich der Unfall deutlich nach demjenigen Abschnitt ereignet hat, auf dem noch zwei markierte Fahrspuren pro Richtung vorhanden sind. So hat auch der Beklagte zu 2) erklärt, dass er sich nach dem Unfall die Spuren vor Ort noch einmal angeguckt und dabei festgestellt habe, das dort vier Autos nebeneinander passten.
Keine der Parteien hat von Stau oder stockendem Verkehr berichtet.
Dass der Kläger mit seinem Fahrzeug im rechten Feld seiner Richtungsfahrbahn gefahren ist, ergibt sich aus dem Angeben beider Unfallbeteiligter. Soweit der Beklagte zu 2) erklärt hat, der Kläger “ hätte vielleicht noch 20 oder 30 cm weiter rechts fahren können“, so ist unklar geblieben, ob dies zutrifft. Der Kläger selbst hat erklärt, er sei so weit recht gefahren, dass er hätte überholt werden können. Das Gericht hält es für möglich, dass die – ohnehin sehr vage – Angabe des Beklagten zu 2) dem Schutz seiner Rechtsposition dienen sollte, sodass sich das Gericht insoweit kein abschließendes Bild hat machen können.
Fest steht aus Überzeugung des Gerichts weiter, dass der Beklagte zu 2) mit seinem Fahrzeug nach rechts gezogen ist, als er realisiert hat, dass er sich bereits leicht auf der Gegenfahrbahn befand und Gegenverkehr nahte. Dies hat der Beklagte zu 2) ausdrücklich eingeräumt – wenn auch unter dem Vorbehalt „vielleicht“. Gerade in Kombination mit der von ihm geschilderten Wahrnehmung, dass „dann halt Gegenverkehr kam“, es „schon eng“ war und er „ziemlich weit links war, eigentlich schon auf der Gegenfahrbahn“, erscheint aber zur Überzeugung des Gerichts geradezu zwingend, dass er – statt eine Frontalkollision mit dem Gegenverkehr zu riskieren – gegen das neben ihm fahrende Fahrzeug steuert und dabei „nur“ einen Streifschaden riskiert. Aus einer Gesamtschau der von der Beklagtenseite unterbreiteten Sachverhaltsdarstellungen ergibt sich zudem, dass der Beklagte zu 2) sich seines Herüberziehens durchaus von Beginn an bewusst war. So hat er ausweislich der Anlage K 3 bereits vorgerichtlich gegenüber der Beklagten zu 1) angegeben, dass sich beide Fahrzeuge einander genähert hätten – sprich: (jedenfalls auch) das Beklagtenfahrzeug in Richtung Klägerfahrzeug gezogen sei. In dieser Schilderung der Beklagten zu 1) von den Angaben des Beklagten zu 2) war gerade kein „vielleicht“ enthalten.
Zudem ergibt sich aus den Angaben des Beklagten zu 2) selbst, dass er sich vor der Kollision darüber im Klaren war, dass sich das klägerische Fahrzeug recht neben ihm befand.
Dass der Kläger mit seinem Fahrzeug nach links gezogen wäre, steht demgegenüber nicht fest und kann diesem Urteil daher auch nicht zugrunde gelegt werden. Der Kläger selbst hat dies dementiert, und selbst der Beklagte zu 2) war sich dessen nicht sicher („ist der Kläger vielleicht minimal auch noch nach links rüber gezogen“).
2.
Hieraus ergibt sich folgende rechtliche Bewertung:
Grundsätzlich sind die Beklagten dem Kläger zum Ersatz der ihr bei dem Unfallereignis vom 08.05.2017 entstandenen Schäden verpflichtet, da diese bei dem Betrieb des Pkw entstanden sind, den der Beklagte zu 2) führte (§§ 18 Abs. 1, 7 Abs. 1 StVG) und der bei der Beklagten zu 1) haftpflichtversichert ist (§ 7 Abs. 1 StVG, § 115 VVG), und die nicht auf höherer Gewalt oder einem für die Beklagten unabwendbaren Ereignis (§§ 7 Abs. 2, 17 Abs. 3, 18 Abs. 3 StVG), sondern – wie noch auszuführen sein wird – auf dem Verschulden des Beklagten zu 2) (§ 18 Abs. 1 S. 2 StVG) beruhen.
Auch der Kläger haftet jedoch für die Unfallfolgen, da der ihm entstandene Schaden auch beim Betrieb des von ihm geführten Kfz und nicht durch höhere Gewalt entstanden ist (§ 7 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 3 StVG). Auch für ihn war der Unfall nicht unabwendbar (§ 17 Abs. 3, 18 Abs. 3 StVG) denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Ereignis nur dann unabwendbar, wenn es auch durch äußerst mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann (vgl. BGHZ 117, 337 = NJW 1992, 1684). Dazu gehört sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den gewöhnlichen und persönlichen Maßstab hinaus, wobei alle möglichen Gefahrenmomente zu berücksichtigen sind (BGHZ 113, 164 = NJW 1991, 1771). Richtschnur ist das an durchschnittlichen Anforderungen zu messende Verhalten eines „Idealfahrers“ (BGHZ 117, 337 = NJW 1992, 1684; BGH NJW 2006, 896; König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 17 StVG, Rn. 22).
Es ist nicht auszuschließen, dass ein solcher an Stelle des Klägers die Kollision verhindert hätte, da nicht aufgeklärt hat werden können, dass der Kläger im Rahmen des ihm obliegenden Rechtsfahrgebotes (§ 2 Abs. 2 StVO) noch 20 bis 30 cm weiter rechts hätte fahren können, ohne sich und ggf. aus rechts parkenden Fahrzeugen aussteigende Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden. Es ist mithin nicht undenkbar, dass es einem „Idealfahrer“ nicht hätte gelingen können, einen noch optimaleren Seitenabstand in beide Richtungen zu wahren.
Steht somit die Haftung beider Parteien fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz gemäß § 17 Abs. 1 und 2, 18 Abs. 3 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist (st. Rspr., vgl. BGH, 07.02.2012, Az.: VI ZR 133/11).
Die hiernach gebotene Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge, bei der zu Lasten der Beteiligten nur solche Umstände zu berücksichtigen sind, die unstreitig oder bewiesen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 26.06.2015, Az.: I-1 U 107/14), führt hier zur alleinigen Haftung der Beklagten.
a)
Entgegen seinem Hinweis vom 03.04.2018 geht das Gericht allerdings nicht mehr davon aus, dass der Beklagte zu 2) gegen § 7 Abs. 4 S. 1 StVO verstoßen hätte. Insbesondere streitet kein Anscheinsbeweis gegen ihn, da es sich bei der Langenhorner Chaussee um eine Straße mit bloß einem Fahrstreifen pro Richtung handelt.
Ein Fahrstreifen ist in § 7 Abs. 1 S. 2 StVO legal definiert als der Teil einer Fahrbahn, den ein mehrspuriges Fahrzeug zum ungehinderten Fahren im Verlauf der Fahrbahn benötigt. Dabei kommt es gerade nicht auf eine Kennzeichnung durch Fahrbahnmarkierungen an (BGH, Urt. v. 12.12.2006, Az.: VI ZR 75/06). Bei der Frage, wieviel Platz ein mehrspuriges Fahrzeug benötigt, ist ein Sicherheitsabstand zum entgegenkommenden Verkehr, zum Fahrbahnrand sowie zwischen den nebeneinander in eine Richtung fahrenden Fahrzeugen zu berücksichtigen. Für Fälle, in denen es an Besonderheiten wie etwa dem Überholverkehr nachfolgender oder entgegenkommender Fahrzeuge fehlt, hat sich die Auffassung durchgesetzt, dass ein Sicherheitsabstand von einem Meter zwischen entgegenkommenden Fahrzeugen gerade noch ausreicht (BGH, Urt. v. 20.02.1990, Az.: VI ZR 124/89). Auch zum Fahrbahnrand ist im Regelfall ein Abstand von 0,5 – 1 m einzuhalten (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 27.11.1991, Az.: 3 U 46/90 OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.1990, Az.: 1 U 139/89).
Gemessen an diesen Maßstäben sieht sich das Gericht imstande, anhand der gemeinsam in Augenschein genommenen Fotografien aus Google Streetview in eigner Sachkunde und ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens zu beurteilen, dass die Langenhorner Chaussee im streitgegenständlichen Abschnitt nicht über zwei Fahrstreifen pro Fahrtrichtung verfügt; dazu sind die Richtungsfahrbahnen erkennbar zu eng.
Auf den Bildern der Langenhorner Chaussee ist zu sehen, dass die Straße grundsätzlich breit genug ist, damit vier Pkw nebeneinanderstehen können. Die dann noch gegebenen Abstände zwischen den Pkw sind jedoch so gering, sodass diese zwar bei langsamem Fahrtempo ausreichen mögen, um einen gefahrlosen Verkehrsfluss zu gewährleisten, jedoch bei einer Beschleunigung auf normale Stadtgeschwindigkeit und für die dann erforderlichen Reaktionszeiten keine ausreichenden Sicherheitsabstände zwischen den Fahrzeugen mehr bestünden. Entsprechend hat der Kläger in seiner Anhörung plausibel und glaubhaft berichtet – und der anwesende Beklagte zu), der ebenfalls ortskundig ist und ebenfalls zugegen war, hat dem nicht widersprochen -, dass Busse auf der Fahrbahn stets mittig führen, sodass kein Auto in gleiche Fahrtrichtung neben ihnen fahren könne.
Dass die Langenhorner Chaussee am Unfallort bei stockendem Verkehr genutzt wird, als hätte sie zwei Fahrstreifen je Fahrtrichtung, steht der Bewertung, dass je Fahrtrichtung nur ein Fahrstreifen vorhanden ist, nicht entgegen. Bei der Frage, ob mehrere Fahrstreifen vorliegen, also wie viel Platz ein mehrspuriges Fahrzeug zum ungehinderten Fahren benötigt, muss bei einer innerstädtischen Straße ohne Geschwindigkeitsbegrenzung von einer Fließgeschwindigkeit von ca. 50 km/h – also der zulässigen Höchstgeschwindigkeit – ausgegangen werden. Zwar kann bei Stau und sehr geringer Fahrtgeschwindigkeit ein geringerer Sicherheitsabstand einzuhalten sein, da bei dessen Bemessung die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 12.11.1990, Az.: 1 U 139/89). Anders als beim erforderlichen Seitenabstand ist es jedoch nicht praktikabel, die Frage, ob mehrere Fahrstreifen vorliegen, von der Fließgeschwindigkeit des Verkehrs abhängig zu machen.
Die exakte Breite jeder Richtungsfahrbahn kann vorliegend indes dahinstehen. Denn es bedurfte zur Absicherung der Einschätzung des Gerichts zur Breite der Richtungsfahrbahnen im Übrigens schon deshalb keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens, weil die volle Haftung der Beklagten sich aus anderem Rechtsgrund ergibt:
b)
Der Beklagte zu 2) hat auch nicht gegen die absolute Sorgfaltsnorm des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO verstoßen.
Zwar handelt es sich bei dem Verhalten des Beklagten zu 2) um einen Überholvorgang im Sinne des § 5 StVO, obwohl nicht auszuschließen ist, dass er bereits einen nicht zu vernachlässigenden Zeitraum neben dem Klägerfahrzeug gefahren ist.
Ein Überholvorgang liegt dann vor, wenn ein Verkehrsteilnehmer von hinten an einem anderen vorbeifährt, der sich auf der gleichen Fahrbahn in derselben Richtung bewegt (oder nur aufgrund der Verkehrssituation vorübergehend anhält). Das Überholen erfordert also weder die Erhöhung der bislang von dem Überholenden eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit noch einen Wechsel der Fahrspur (BGH, Beschl. v. 03.05.1968, Az.: 4 StR 242/67, OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.04.1990, Az.: 5 Ss (OWi) 151/90, (OWi) 77/90 I). Insbesondere ist die Absicht des Überholenden, einen Überholvorgang durchzuführen, nicht erforderlich (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.04.1990, Az.: 5 Ss (OWi) 151/90, (OWi) 77/90 I BayObLG, Urt. v. 26.11.1963 RReg.: 2 St 429/63). Beendet ist der Überholvorgang erst mit dem Wiedereinordnen auf die rechte Fahrbahnhälfte mit ausreichendem Abstand (Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Auflage 2018, § 5 StVO, Rn. 8a).
Unter Berücksichtigung dessen ist der Beklagte zu 2) zum Unfallzeitpunkt noch dabei gewesen, mit seinem Pkw das klägerische Fahrzeug zu überholen.
§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO ist gleichwohl nicht einschlägig; denn es bestand keine unklare Verkehrslage i.S. dieser Norm.
Unklar ist eine Verkehrslage, wenn nach allen Umständen mit gefahrlosem Überholen nicht gerechnet werden darf. Dies ist – gerade mit Hinblick auf die in der Langenhorner Chaussee häufig praktizierte Fahrbahnnutzung, als wären je Richtung zwei Spuren gegeben – vorliegend evident nicht der Fall. Zudem gilt § 5 Abs. 3 Nr. 1 gerade nicht für Konstellationen, in denen sich die Unklarheit allein auf das Erkennen etwaigen (bei Beginn des Überholvorganges noch nicht sichtbaren) Gegenverkehrs und dessen Verhaltens bezieht (König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 5 StVO, Rn. 34).
c)
Indem der Beklagte zu 2) beim Überholen gegen das Klägerfahrzeug gefahren ist, hat er jedoch in schuldhafter Weise gegen die Sorgfaltsnorm des § 5 Abs. 4 S. 4 StVO verstoßen, die es untersagt, denjenigen, der überholt wird, zu behindern.
In dem Umstand, dass der Beklagte zu 2) mit seinem Auto gezielt von der Gegenfahrbahn herunter auf das klägerische Fahrzeug zu gefahren ist, bis sich beide berührten, zeigt sich evident, dass der Beklagte zu 2) das klägerische Fahrzeug behindert hat, indem er es versäumt hat, einen ausreichenden Seitenabstand einzuhalten.
Der Beklagte zu 2) hat zumindest fahrlässig gehandelt, als er, obwohl er das klägerische Fahrzeug im Blick hatte, gezielt die Gegenfahrbahn verlassen und sehenden Auges auf das Klägerfahrzeug zu gelenkt hat, wonach es zur Kollision kam. Bei Überhotvorgängen ist besondere Vorsicht geboten, insbesondere muss der Abstand zu dem Überholten sowie dem Gegenverkehr ständig evaluiert und der Überholvorgang notfalls abgebrochen werden. Hier hätte der Beklagte zu 2) bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt spätestens bei der Einsicht, dass er sich bereits auf der Gegenfahrbahn befand, erkennen müssen, dass die Fahrbahn in Richtung stadtauswärts nicht breit genug für beide Fahrzeuge war. Er hätte deshalb den Überholvorgang abbrechen müssen.
d)
Demgegenüber ist dem Kläger kein schuldhafter Verkehrsverstoß nachzuweisen. Ihm ist insbesondere nicht vorzuwerfen, dass er gegen das Rechtsfahrgebot aus § 2 Abs. 2 StVO hätte, vgl. o. 1., b).
Selbst wenn im Übrigen davon ausginge – was das Gericht nicht tut, s.o. 1. – dass der Kläger sein Fahrzeug minimal in Richtung der Fahrbahnmitte gelenkt hätte, würde hierin kein StVO-Verstoß liegen. Derjenige, der überholt wird, ist nicht verpflichtet, aktiv am Gelingen des Überholvorgangs mitzuwirken. Vielmehr trägt der Überholende selber die Verantwortung dafür, dass er den Überholvorgang gefahrlos durchführen kann (Heß in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, § 5 StVO, Rn. 50). Das Gebot in § 5 Abs. 4 S. 4 StVO, den Eingeholten nicht zu behindern, also auch genügenden Sicherheitsabstand zu halten, verdeutlicht gerade, dass minimale Lenkbewegungen des Eingeholten kompensiert werden sollen. Darüber hinaus wären bloß minimale Lenkbewegungen – anders als deutliche Lenkbewegungen – dem Kläger hier nicht anzulasten, da sie im Straßenverkehr selbst dann üblich sind, wenn der Fahrende nur versucht, die Spur zu halten.
e)
Im Ergebnis der Abwägung der Verursachungsbeiträge steht der kapitale Verkehrsverstoß des Beklagten so deutlich im Vordergrund des Kollisionsgeschehens, dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs gänzlich zurücktritt.
Zwar hat der Beklagte nicht gegen eine der in § 5 StVO normierten absoluten Sorgfaltspflichten verstoßen, sein Fahrmanöver ist jedoch einem Fahrstreifenwechsel i.S.d. § 7 Abs. 5 StVO durchaus vergleichbar, zumal der Beklagte zu 2) sein Fahrzeug sehenden Auges und damit grob schuldhaft auf das Fahrzeug des Beklagten zu gelenkt hat.
Dies stellt eine massive Sorgfaltspflichtverletzung dar, aufgrund deren Grades es angemessen ist, dass die Beklagtenseite das Risiko eines hierdurch bedingten Verkehrsunfalles allein trägt (vgl. zu ähnlichen Konstellationen König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 17 StVG, Rn. 17).
3.
Der Höhe des geforderten Schadensersatzes stehen keine Bedenken entgegen.
Auszugehen ist insoweit von dem klägerischen Privatgutachten gemäß Anlage K 1, dessen inhaltliche Richtigkeit auch die Beklagten nicht in Frage stellen, sodass ein Netto-Reparaturkostenschaden von € 1.899,08, sowie Sachverständigenkosten in Höhe von € 495,38 anzunehmen sind. Weiter schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO die der Klägerin zustehende Kostenpauschale als mit € 20,00 angemessen angesetzt ein. Somit war ein Gesamtschaden von € 2.414,46 zugrunde zu legen.
Die Beklagte zu 1) hat aber bislang an den Kläger lediglich € 949,54 und an den Sachverständigen lediglich € 247,69 gezahlt, sodass die Beklagten gesamtschuldnerisch noch € 1217,23 schulden.
4.
Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Der Schadensersatzanspruch des Klägers war als gesetzlicher Anspruch sofort fällig. Aus dem Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.07.2017 gemäß Anlage K 4 und dem diesem vorangehenden Schrieben der Beklagten vom 07.07.2017 ist erkennbar, dass dem Schriftwechsel bereits Schriftverkehr vorangegangen war, sodass spätestens in dem Schreiben gemäß Anlage K 4 eine Mahnung im Sinne des § 286 Abs. 1 BGB zu erblicken ist. Jedenfalls nach Ablauf der in diesem Schreiben gesetzten Frist befand sich die Beklagte zu 1) daher (auch unter Berücksichtigung der grundsätzlich dem Haftpflichtversicherer zuzubilligenden angemessener Prüfungszeitraum, vgl. OLG Stuttgart, Urt. v. 21.04.2010, Az.: 3 U 218/09; OLG Köln, Beschl. v. 31.01.2012, Az.: 24 W 69/11) mit dem offenen Rest der Hauptforderung in Verzug.
Der Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten folgt unmittelbar aus § 249 BGB; zu verzinsen sind sie ab Rechtshängigkeit (13.01.2018), § 291 BGB.
II.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.