Gericht weist Berufung in Schadensersatzstreit nach Verkehrsunfall zurück.
In einem Schadensersatzstreit nach einem Verkehrsunfall hat das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Kammer sah keine grundsätzliche Bedeutung und auch keine einheitliche Rechtsprechung, die eine Entscheidung durch Urteil erfordert hätte. Eine mündliche Verhandlung sei nicht erforderlich gewesen. Das Amtsgericht habe fehlerfrei festgestellt und entsprechend Folgerungen gezogen. Bei dem Streit ging es um restliche Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich 2016 in N. ereignet hatte. Das Amtsgericht hatte die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 793,01 Euro verurteilt. Die Beklagten hafteten der Klägerin zu zwei Dritteln für die unfallbedingten Schäden. Die Berufung der Klägerin wurde zurückgewiesen, da das Amtsgericht korrekt festgestellt habe, wer für den Unfall haftet und in welchem Umfang. Der Unfall wurde durch das Betätigen einer Hubladevorrichtung eines Lkws verursacht. Der Beklagte zu 1) hatte dabei die Sorgfaltspflicht verletzt, indem er die Gefährdung durch die Vorrichtung nicht ausreichend berücksichtigt hatte. Eine Haftung von über 50 Prozent konnte nicht begründet werden.
LG Osnabrück – Az.: 7 S 112/18 – Beschluss vom 15.06.2018
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss und Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Berufung unter Kostengesichtspunkten binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses.
Gründe
Die Kammer lässt sich bei ihrer Absicht, nach § 522 Abs. 2 ZPO zu verfahren, von folgenden Überlegungen leiten:
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
Die Berufung hat auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das Amtsgericht hat aufgrund der von ihm fehlerfrei getroffenen Feststellungen zutreffende Folgerungen gezogen, die durch das Vorbringen in der Berufungsbegründung nicht erschüttert werden. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne der §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung.
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich am 24.11.2016 auf der Straße S. in N. ereignet hat.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO.
Das Amtsgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 793,01 € verurteilt. Die Beklagten hafteten der Klägerin in Höhe einer Quote von ⅔ für die dieser unfallbedingt entstandenen Schäden. Unter Berücksichtigung der vorprozessual bereits geleisteten Beträge verbleibe der zuerkannte Betrag. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO.
Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren auf Abweisung der Klage weiter. Die Beklagten hafteten dem Kläger nicht über eine Quote von 50 % hinaus. Das Amtsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass bei deutlicher Unterschreitung von Mindestabständen zu einem anderen Fahrzeug teilweise sogar eine vollständige Haftung des den Mindestabstand nicht Einhaltenden gegeben sei. Vorliegend habe der Fahrer des Klägerfahrzeugs den Mindestabstand nicht nur unterschritten, sondern sei in den erkennbaren Bewegungsbereich beweglicher Fahrzeugteile hineingefahren. Ferner habe das Amtsgericht nicht beachtet, dass der Fahrer des Klägerfahrzeugs unter eine erkennbar geöffnete Ladefläche gefahren sei, die sich in diesem Zeitpunkt abgesenkt habe; dies sei vergleichbar mit dem Hineinfahren in eine geöffnete Tür; folglich sei der Anteil des Hineinfahrenden deutlich höher zu gewichten. Des Weiteren habe das Amtsgericht rechtsfehlerhaft berücksichtigt, dass es schwer erkennbar gewesen sei, dass sich die Ladebordwand abgesenkt habe, ohne dass es dazu Feststellungen getroffen habe.
Die Beklagten beantragen, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Berufungsangriffe bleiben ohne Erfolg.
Die grundsätzliche Haftung der Beklagten als Gesamtschuldner für die der Klägerin aufgrund des Verkehrsunfalls vom 24.11.2016 entstandenen Schäden folgt aus den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG. Ein Ausschluss der Ersatzpflicht der Beklagten gemäß § 7 Abs. 2 StVG kommt vorliegend nicht in Betracht, weil der Unfall offenkundig nicht durch höhere Gewalt verursacht worden ist. Zudem ist der für den Ausschluss der Ersatzpflicht des Beklagten zu 1) nach § 18 Abs. 1 S. 2 StVG erforderliche Nachweis, dass der Schaden nicht durch ein Verschulden des Fahrzeugführers verursacht ist, nicht geführt.
Die Klägerin haftet als Halterin eines unfallbeteiligten Fahrzeugs ebenfalls grundsätzlich gemäß § 7 Abs. 1 StVG, auch insoweit ist ein Ausschluss nach § 7 Abs. 2 StVG zu verneinen.
Der Unfall stellt sich für keine der Parteien als unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 S. 1 StVG dar. Die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes hängt demnach gem. § 17 Abs. 1 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Nach anerkannten Rechtsgrundsätzen sind bei der Abwägung der beiderseitigen Verursacherbeiträge nur solche Umstände einzubeziehen, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind. Die für die Abwägung maßgebenden Umstände müssen nach Grund und Gewicht feststehen, das heißt unstreitig, zugestanden oder nach § 286 ZPO bewiesen sein. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben deswegen außer Betracht zu bleiben (BGH, Urteil vom 07.02.2012 – VI ZR 133/11 = BeckRS 2012, 05680, Rn 5 mwN). Im Rahmen der Abwägung der jeweiligen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrzeuge der Parteien ist die von den Fahrzeugen ausgehende Betriebsgefahr zu berücksichtigen.
Gemessen an diesen Grundsätzen lässt die Abwägung des Amtsgerichts Rechtsfehler nicht erkennen. Die unstreitigen sowie die erwiesenen Feststellungen rechtfertigen die von dem Amtsgericht erkannte Haftungsverteilung.
Zulasten der Beklagten war zunächst – wie das Amtsgericht zutreffend annimmt – die erhöhte Betriebsgefahr des Lkw zu berücksichtigen.
Es ist des Weiteren nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht im vorliegenden Fall dem Sorgfaltspflichtverstoß des Beklagten zu 1) ein höheres Gewicht zugemessen hat als dem Verstoß des Geschäftsführers der Klägerin gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Dazu gilt Folgendes:
Soweit die Beklagten Ausführungen zu Haftungsquoten in Fällen des Unterschreitens des Mindestabstandes oder des Hineinfahrens in geöffnete Fahrzeugtüren machen, verfängt dies vorliegend nicht. Dabei kann dahinstehen, ob überhaupt eine Übertragbarkeit auf Sachverhalte im Zusammenhang mit Hubladevorrichtungen zu bejahen ist. Denn zum einen ist der nachfolgend zitierten Rechtsprechung zu entnehmen, dass diese bei Kollisionen mit (Hub-)Ladeklappen durchaus zu anderen Haftungsquoten als einer vollständigen oder überwiegenden Haftung des Vorbeifahrenden kommt. Zum anderen verbietet sich in derartigen Fällen eine generalisierende Betrachtung, vielmehr ist eine einzelfallorientierte Abwägung unter Berücksichtigung aller konkret streitgegenständlichen Umstände vorzunehmen.
Dabei war es vorliegend für den Beklagten zu 1) zunächst offensichtlich, dass es im Zusammenhang mit der Nutzung einer am Fahrzeug angebrachten Hubladeklappe zu gefährlichen Situationen kommen kann (vgl. auch § 53b Abs. v StVZO). Dementsprechend muss derjenige, der eine solche Hubladeklappe betätigt bzw. nutzt, ganz besondere Vorsicht gegenüber allen dadurch potentiell gefährdeten weiteren Verkehrsteilnehmern (oder anderen Dritten) walten lassen.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Hubladevorrichtung im hier streitgegenständlichen Fall für den Geschäftsführer der Klägerin schwer erkennbar gewesen ist (vgl. dazu etwa: LG Berlin, Urteil vom 01.07.2008 – 24 O 568/05 = 2010, 01778 – Haftungsquote ⅓ zu ⅔; bestätigt durch: KG, Beschluss vom 21.07.2009 – 12 U 179/08 = VRS 118, 78, 79f.; OLG München, Urteil vom 25.04.2008 – 10 U 1670/08 = BeckRS 2008, 08278; OLG Hamm, NZV 1992, 115ff. für den Fall einer Kollision im Fall des Parkens in 2. Reihe mit Anmerkung Greger; vgl. zudem: KG, KGR 2005, 227f. im Fall einer Kollision mit einer offenstehenden Busklappe).
Ferner kommt vorliegend erschwerend hinzu, dass der Beklagte zu 1) den Absenkvorgang im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Kollision gerade erst begonnen hatte. Der Zeuge T. hat glaubhaft bekundet, dass der Beklagte zu 1) zunächst auf der Laderampe gestanden und dann mit dem Absenken begonnen habe; in diesem Zeitraum müsse der Geschäftsführer der Klägerin in den Kollisionsbereich gefahren sein. Den Zeitraum des Absenkens schätze der Zeuge auf ca. 10 Sekunden. Dem lässt sich entnehmen, dass der Beklagte zu 1) den Absenkvorgang in zeitlich unmittelbaren Zusammenhang mit der Kollision startete. Bevor der Beklagte zu 1) dazu ansetzte, hätte er sich nochmals – erforderlichenfalls unter Hilfe Dritter, etwa des Zeugen T. – ganz besonders vergewissern müssen, dass er durch den Absenkvorgang niemanden gefährden würde. Insbesondere im Falle eines vorherigen Stillstandes einer solchen Ladevorrichtung kann sich der Entladende nicht ohne weitere Nachschau darauf verlassen, dass er dadurch keine Rechtsgüter Dritter gefährdet (etwa auch unter die Laderampe laufende Kinder oder im Bereich der Laderampe stehende Passanten/ Mithelfer o.a.). Der Beginn des Absenkens nach vorherigem Stillstand schafft nochmals eine zusätzliche Gefahrenquelle.
Im Übrigen nimmt die Kammer hinsichtlich der in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts (S. 5 bis 7 der angefochtenen Entscheidung) Bezug.
Die folgenden rechtlichen Bereiche sind in diesem Urteil betroffen:
- Schadensersatzrecht: Das Urteil betrifft Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, bei dem es zu einem Schaden an einem Fahrzeug kam. Es werden die rechtlichen Grundlagen für die Haftung der Parteien sowie die Haftungsverteilung erläutert.
- Verkehrsrecht: Das Verkehrsrecht regelt die Haftung im Straßenverkehr, die Vermeidung von Verkehrsunfällen sowie die Regelungen zur Nutzung von Fahrzeugen. Das Urteil bezieht sich auf verschiedene Vorschriften des Verkehrsrechts, wie z.B. § 7 Abs. 1 und Abs. 2 StVG, § 17 Abs. 1 und 3 StVG sowie § 53b Abs. 5 StVZO.
- Zivilprozessrecht: Das Urteil bezieht sich auch auf das Zivilprozessrecht, insbesondere auf die Voraussetzungen für die Durchführung eines Berufungsverfahrens nach § 522 Abs. 2 ZPO. Es wird erläutert, warum eine mündliche Verhandlung nicht notwendig ist und warum die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat.
- Haftungsrecht: Das Urteil betrifft auch das Haftungsrecht, insbesondere die Haftungsverteilung bei einem Verkehrsunfall. Es werden die Grundsätze der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile sowie die Berücksichtigung der Betriebsgefahr erläutert.
- Vertragsrecht: Das Urteil bezieht sich auch auf das Vertragsrecht, da es sich um eine Auseinandersetzung zwischen einer Klägerin und Beklagten handelt. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche, die sich aus einem Vertrag ergeben können.
Insgesamt betrifft das Urteil vor allem die Bereiche Schadensersatzrecht und Verkehrsrecht, wobei auch das Zivilprozessrecht, Haftungsrecht und Vertragsrecht eine Rolle spielen.
Die 5 wichtigsten Aussagen in diesem Urteil:
- Die Kammer entscheidet nach § 522 Abs. 2 ZPO, dass eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert.
- Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, da das Amtsgericht fehlerfrei zutreffende Folgerungen gezogen hat und die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen keine andere Entscheidung rechtfertigen.
- Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich am 24.11.2016 auf der Straße S. in N. ereignet hat.
- Das Amtsgericht hat die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 793,01 € verurteilt, da sie der Klägerin in Höhe einer Quote von ⅔ für die unfallbedingt entstandenen Schäden haften. Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.
- Die Haftungsverteilung zwischen den Parteien erfolgt gemäß den anerkannten Rechtsgrundsätzen und lässt keine Rechtsfehler erkennen. Dabei ist auch die erhöhte Betriebsgefahr des Lkw zu berücksichtigen. Die Abwägung des Amtsgerichts bezüglich der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrzeuge der Parteien ist zutreffend.