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Verkehrssicherungspflicht Flughafenbetreiber – Höhenunterschiede – Stolperquellen

LG Köln – Az.: 15 O 307/17 – Urteil vom 14.06.2018

Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 3.340,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 05.10.2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ein Drittel und die Beklagten als Gesamtschuldner zwei Drittel. Von den Kosten der Nebenintervention tragen die Klägerin ein Drittel und die Streithelferin zwei Drittel.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen eines Sturzes auf dem Rollfeld des Flughafens M in Anspruch. Der Flughafen M wird von der Beklagten zu 1. betrieben, die das Groundhandling an die Streithelferin übergeben hat.

Die Klägerin buchte bei der Beklagten zu 2. eine Pauschalreise nach Mallorca. Am frühen Morgen des 00.00.2017 reiste sie zusammen mit ihrem Ehemann und ihrer Tochter mit dem Flugzeug nach Deutschland zurück. Das Flugzeug wurde auf dem Vorfeld abgestellt; die Passagiere sollten das Flugzeug über eine Fluggasttreppe verlassen und sich über das Vorfeld zu einem Bus begeben. Die Mitarbeiter der Streithelferin stellten die Außentreppe so an das Flugzeug heran, dass sie auf der linken Seite oberhalb dreier, sich auf dem Vorfeld befindlichen, Abflussrinnen endete; für die Einzelheiten wird auf das als Anlage K2 zur Klageschrift vorgelegte Lichtbild (Bl. 10 GA) Bezug genommen. Die Rinnen mit einer Breite und Tiefe von einigen Zentimetern waren weder abgedeckt, noch wurde auf sie hingewiesen. Die Klägerin verließ das Flugzeug über die Fluggasttreppe unmittelbar hinter ihrem Ehemann, dem Zeugen B. Ob die Klägerin sich beim Aussteigen den Fuß in einer der Rinnen vertreten und dabei verletzt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.09.2017 forderte die Klägerin die Beklagte zu 2. zum Ersatz der ihr aus einem angeblichen Sturz auf dem Rollfeld entstanden Schäden, bis zum 20.09.2017 auf, und mit anwaltlichem Schreiben vom 18.09.2017 auch die Beklagten zu 1. bis zum 04.10.2017.

Die Klägerin behauptet, dass sie nach dem Herabsteigen der Außentreppe über eine der Abflussrinnen auf dem Rollfeld gestürzt sei. Auf dem Vorfeld sei es dunkel gewesen Die Fluggasttreppe hätte anders platziert werden müssen und können.

Zu den Unfallfolgen behauptet sie unter Vorlage von Attesten, bei dem Unfall habe sie eine Außenbandruptur am linken Fuß erlitten. Sie sei mit dem Krankenwagen in das Krankenhaus L gebracht worden, wo die Verletzung ambulant, konservativ behandelt worden sei. Vom 22.08.2017 bis zum 16.10.2017 sei sie zu 100 % arbeitsunfähig gewesen. Sie habe deshalb auch den Familienhaushalt nicht führen können, den sie normalerweise alleine führe. Er bestehe aus einem Einfamilienhaus mit 180 qm und einem Garten mit 400 qm. Der Haushaltsführungsschaden ergebe sich mit 2.016,00 EUR, wenn man für den Zeitraum vom 22.08.2017 bis 02.10.2017 einen täglichen Aufwand von vier Stunden bei einem Stundenlohn von 12,00 EUR kalkuliere.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 3.000,00 EUR aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.10.2017 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 2.016,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.10.2017 zu zahlen;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von 571,44 EUR vorgerichtlichen Anwaltskosten freizustellen.

Die Beklagten und die Streithelferin der Beklagten zu 1. beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 2. rügt die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln.

Die Beklagten behaupten, die Klägerin habe die deutlich erkennbare Abflussrinne übersehen, weil sie beim Aussteigen nicht aufmerksam nach unten geschaut habe; für die anderen Passagiere sei der Ausstieg problemlos möglich gewesen. Die Position der Treppe sei aufgrund der festen Parkposition des Flugzeugs vorgegeben und nicht veränderbar. Die Klägerin sei zum Klageantrag zu 3. im Hinblick auf das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung nicht aktivlegitimiert.

Die Beklagte zu 2. ist der Ansicht, sie müsse für etwaige Fehler nach dem Verlassen des Flugzeugs nicht einstehen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen B und die Klägerin persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und für die Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 26.04.2018 Bezug genommen. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

A. Die Klage ist zulässig.

Das Landgericht Köln ist auch für die Klage gegen die Beklagte zu 2. örtlich zuständig gemäß Art. 33 Abs. 1 und 2 MÜ (Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28.05.1999 – Montrealer Übereinkommens). Bestimmungsort im Sinne der Vorschrift ist der Zielort der geschuldeten Beförderung, hier also der Flughafen M. Die Zuständigkeit folgt auch aus § 29 ZPO, denn der Zielflughafen ist jedenfalls für die im Zusammenhang mit dem Aussteigen zu erbringenden Leistungen Erfüllungsort (vgl. zum Abflug OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 30.07.2012 – 11 AR 142/12, Rn. 8).

B. Die Klage ist begründet gegen beide Beklagten als Gesamtschuldner in Höhe von 3.340,00 EUR nebst Zinsen.

I. Der Klägerin steht ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1. gemäß § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht zu.

1. Die Beklagte zu 1. hat ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Verkehrssicherungspflicht Flughafenbetreiber – Höhenunterschiede - Stolperquellen
(Symbolfoto: Von 06photo/Shutterstock.com)

a) Die Eröffnung eines öffentlichen Verkehrs verpflichtet zur Verkehrssicherung. Dem Flughafenbetreiber obliegt danach die Verkehrssicherungspflicht für den Flughafen; er muss geeignete Vorkehrungen treffen, dass die Fluggäste das Flugfeld in dem für sie vorgesehenen Bereich gefahrlos betreten können (OLG Köln, Urt. v. 09.01.1997 – 7 U 106/96, NZV 1998, 157; zustimmend Förster in BeckOK BGB, 45. Edition; Stand: 01.11.2017, § 823 BGB Rn. 494). Deshalb ist die Beklagte zu 1. aufgrund der Nutzung des Vorfelds als Weg für ein- und aussteigende Passagiere zur Verkehrssicherung verpflichtet.

Die Verkehrssicherungspflicht beinhaltet, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze der Fluggäste zu treffen, damit diese Flugzeuge gefahrlos betreten und verlassen können (OLG Köln, a.a.O., NZV 1998, 157, 158). Der Fluggast darf darauf vertrauen, dass die vorgesehenen Wege auf dem Flugfeld wie bei einem öffentlichen Weg frei von unerwarteten Gefahrenquellen, etwa Eisflächen, sind. Dabei verringern die sich aus der konkreten Positionierung eines Flugzeugs ergebenden Änderungen im Einzelfall die Anforderungen an die Verkehrssicherheit nicht, denn solche Detailänderungen sind erwartbar und können durch Einzelweisung beherrscht werden (OLG Köln, a.a.O., NZV 1998, 157, 158). Der bauliche Zustand eines Verkehrsweges darf keine Gefahren bergen, die für den Verkehrsteilnehmer nicht erkennbar sind und denen er nicht ausweichen kann. Die Sicherungspflichten sind umso größer, je bescheidener Gefahrsteuerungsmöglichkeiten der Passanten sind.

b) Für den vorliegenden Fall ergab sich danach eine besondere Pflicht der Beklagten zu 1., insbesondere den Bereich unmittelbar am Ende der Fluggasttreppe frei von Höhenunterschieden und Stolperquellen zu halten. Gerade am Ende der Fluggasttreppe kann der aussteigende Passagier eine ebene Auftrittsfläche erwarten, die sich mit Abdeckungen – dauerhaft oder im Einzelfall – ohne unzumutbaren Aufwand auch erstellen lässt, oder bei deren Fehlen doch zumindest einen Warnhinweis. Hier befand sich die unterste Stufe jedoch mit der linken Seite oberhalb der Abflussrinnen. Diese weisen jeweils eine Breite auf, die geeignet ist, mit einem Schuh hängen zu bleiben oder zumindest umzuknicken. Gerade im üblichen Gedränge beim Verlassen des Flugzeugs mit Handgepäck auch unter Berücksichtigung der Unaufmerksamkeit der Passagiere nach einem Flug mit dem Wunsch, das Flugzeug möglichst schnell zu verlassen, bestand die Gefahr, dass es an dieser Stelle zu einem Stolpern und zu Verletzungen der Passagiere kommen kann. Weil die Gefahrenquelle bei dicht hintereinandergehenden Passagieren üblicherweise nicht frühzeitig erkennbar ist, durfte die Beklagte zu 1. auch nicht darauf vertrauen, dass eine Gefahrensicherung entbehrlich ist, zumal nach dem Verlassen des hell erleuchteten Flugzeuginnern zunächst noch eine Adaption der Sehkraft an die Umgebungsbeleuchtung eintreten muss.

c) Dass die Klägerin aufgrund der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 1) an Körper und Gesundheit geschädigt wurde, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und nach der Anhörung der Klägerin fest. Danach lässt sich feststellen, dass die Klägerin beim Verlassen des Flugzeugs über die Außentreppe auf dem Rollfeld stürzte, weil mit dem linken Fuß in einer der drei Abflussrinnen hängengeblieben ist und sich dabei eine Außenbandruptur zugezogen hat. Diese Feststellungen beruhen auf der Bekundung des Zeugen B, der das Geschehen unmittelbar nach dem Unfall bis zur Heimkehr beschrieben hat; seine Darstellung erlaubt auch den Rückschluss auf den Unfall selbst, der sich zwar in seinem Rücken ereignet hat, dessen Folgen er aber unmittelbar wahrgenommen hat. Die Feststellungen beruhen weiter auf der Darstellung der Klägerin selbst. Die Darstellungen des Zeugen wie auch der Klägerin selbst sind glaubhaft. Gerade die Abweichungen und Korrekturen im Detail in der Bekundung des Zeugen belegen die spontane Beschreibung aus eigener Erinnerung; sie wären bei einer mit der Klägerin abgesprochenen Beschreibung nicht zu erwarten. Dabei hat sich auf die Wiedergabefähigkeit des Zeugen anfänglich deutlich die Nervosität in der ungewohnten Situation vor Gericht ausgewirkt. Angesichts der spontanen, vom Versuch der bestmöglichen Wiedergabe der eigenen Erinnerung getragenen Darstellung verbleiben keine vernünftige Zweifel an der Richtigkeit, insbesondere weder aus dem persönlichen Interesse des Zeugen am Obsiegen seiner Ehefrau, noch aus seiner persönlichen Empörung über die Stolperquelle angesichts der aus seiner beruflichen Tätigkeit als Sicherheitsfachmann in Anspruch genommenen eigenen Sachkunde. Bei einer Gesamtbewertung der Beschreibung durch die Klägerin sowie der Bekundung des Zeugen unter Berücksichtigung der zur Akte gereichten Lichtbilder von der Unfallstelle, die nur kurz nach dem Unfall noch auf dem Vorfeld gefertigt worden sein können, ergeben sich danach keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin selbst das Geschehen verfälscht, übertrieben oder sonst wahrheitswidrig dargestellt hat.

d) Die Vermeidung der Gefahrenquelle war für die Beklagte zu 1. zumutbar möglich. Weil als geeignete Maßnahmen hierfür bereits Markierungen (Verkehrshütchen, Absperrband, Abdeckung) oder der Einsatz von Personal auch am Ende der Fluggasttreppe, nicht nur wie üblich zur Absicherung zu den Fahrwegen hin, als einfache Abhilfe erscheinen, kommt es nicht darauf an, ob ein anderes Abstellen des Flugzeugs an der Parkposition oder der Fluggasttreppe am Flugzeug möglich war.

2. Die Beklagte zu 1. hat nicht den ihr obliegenden Entlastungsbeweis gemäß § 831 Abs. 1 S. 2 geführt. Um sich zu exkulpieren müsste die Beklagten behaupten und unter Beweis stellen, welche Maßnahmen sie im Einzelnen mit der Streithelferin für die Sicherheit des Groundhandlings vereinbart hat, und auch, dass sie die Streithelferin zumindest stichprobenartig auf das Befolgen etwaig im Hinblick auf die Abflussrinnen übernommener Pflichten überwacht hat. Das macht die Beklagte zu 1. hier nicht geltend. Hier spricht zudem gegen eine solche Absprache, dass die Beklagte zu 1. schon die Notwendigkeit von Sicherungsmaßnahmen bestreitet.

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3. Die Klägerin trifft – abweichend von der spontanen Bewertung im Anschluss an die Beweisaufnahme – auch kein mitverursachendes Verschulden gemäß § 254 Abs. 1 BGB. Die Klägerin brauchte mit der Möglichkeit von Stolperquellen am Ende der Fluggasttreppe nicht zu rechnen. Sie war auch ohne besonderen Anlass nicht verpflichtet, auf der Treppe ständig und gerade beim Verlassen der Fluggasttreppe an der letzten Stufe auf den Boden zu schauen. Das ist im Gedränge der mit Handgepäck aus dem Flugzeug strömenden Passagiere nicht möglich. Die Klägerin durfte und konnte vielmehr darauf vertrauen, dass die Beklagte zu 1. ihrer Verantwortung, ein gefahrloses Überqueren des Flugfeldes zum Bus auch in der Nacht zu gewährleisten, nachkam und die Fluggäste vor etwaigen Gefahrenstellen warnt.

Anhaltspunkte für ein Mitverschulden im Sinne des § 254 Abs. 2 S. 1 BGB fehlen.

4. Für den Anspruch der Höhe nach gilt:

a) Der Klägerin ist ihr immaterieller Schaden aufgrund der Verletzung zu ersetzen, § 253 BGB. Unter Berücksichtigung aller für die Bemessung maßgeblichen Umstände erscheint ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.500,00 EUR als angemessen. Neben den mit einer Außenbandruptur einhergehenden Schmerzen, sind auch die medizinische Behandlung und die dadurch bedingten Einschränkungen zu berücksichtigen. Der zunächst stark geschwollene Fuß wurde mehrere Wochen bis Oktober 2017 mit einer Schiene versorgt; die Klägerin war dadurch deutlich in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Diese unmittelbaren Verletzungsfolgen hat der Zeuge B glaubhaft, ohne Übertreibungstendenz geschildert; die Behandlungen sind zudem durch Atteste belegt. Dauerfolgen sind nicht ersichtlich. Ein Mitverschulden der Klägerin ist bei der Schmerzensgeldbemessung – wie dargelegt – nicht zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung aller Umstände bei Einordnung in die bisherige Rechtsprechung (vgl. LG Oldenburg, Urt. v. 10.01.1990 – 4 O 3022/89; LG Trier, Urt. v. 16.05.2001, 4 O 467/00; zitiert nach Hacks/Wellner/Häcker, Schmerzensgeldbeträge, 36. Aufl. 2018, bei Juris; vgl. auch Jaeger/Luckey, Schmerzensgeld, 8. Aufl., E379 ff.) ergibt sich eine notwendige, aber auch ausreichende Entschädigung mit 2.500,00 EUR.

b) Die Klägerin hat gegen die Beklagte zu 1. einen Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens in Höhe von 368,40 EUR gemäß § 249 Abs. 2 BGB. Die Klägerin war aufgrund der Verletzung vorübergehend gehindert, ihren Haushaltstätigkeiten wie üblich nachzukommen. Dabei kann vom Geschädigten regelmäßig verlangt werden, den Haushalt so zu organisieren, dass er solche Tätigkeiten übernimmt, bei denen er durch seine Verletzungen weniger behindert wird und der andere Ehegatte solche Tätigkeiten übernimmt, zu denen der Verletzte nicht oder nur sehr eingeschränkt in der Lage ist. Das darf im Ergebnis jedoch nicht dazu führen, dass der andere Ehegatte zum Vorteil der Beklagten mehr im Haushalt arbeiten soll, es kann ihm nur zugemutet werden andere Tätigkeiten zu übernehmen als bisher.

Die Bestimmung der Schadenshöhe durch Schätzung gemäß § 287 Abs. 1 ZPO ergibt hier ausgehend von den glaubhaften Angaben der Klägerin und des Zeugen B als Mindestschaden unter Berücksichtigung von in der Literatur genannten Zeitwerten (vgl. Pardey, Der Haushaltsführungsschaden, 8. Aufl., S. 109: 36,7 h/Woche) während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit einen Aufwand von durchschnittlich täglich 2 Stunden, so dass sich bei Multiplikation mit dem Nettolohn einer gleichwertigen Hilfskraft, der mit einem ein Stundensatz von 10,00 EUR geschätzt werden kann (vgl. OLG Köln, Urt. v. 25.11.2015 – 5 U 73/14, juris), hier ein Schaden in Höhe von 840,00 EUR ergibt.

c) Die Forderung der Klägerin gegen die Beklagten ist gemäß §§ 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit den vorgerichtlichen Zahlungsaufforderungen seit dem 05.10.2017 zu verzinsen.

d) Hinsichtlich des Klageantrags zu 3. ist die Aktivlegitimation der Klägerin angesichts der hier bestehenden Rechtsschutzversicherung nicht dargelegt; der Anspruch ist gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VVG auf den Rechtsschutzversicherer übergegangen.

II. Im vorbezeichneten Umfang ist auch die Beklagte zu 2. der Klägerin ersatzpflichtig.

1. Der Anspruch folgt Art. 1 S. 2, Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 des Rates über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei der Beförderung von Fluggästen und deren Gepäck im Luftverkehr in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 889/2002 des Rates über die Haftung von Luftfahrtunternehmen bei Unfällen in Verbindung mit Art. 17 MÜ.

a) Das Montrealer Übereinkommen ist nach Art. 1 Abs. 1 und 2 MÜ anwendbar, weil es sich hier um einen internationalen Flug handelte.

b) Die Beklagte zu 2. als Reiseveranstalter gehört zum Kreis der Verpflichteten des Art. 17 Abs. 1 MÜ. Nach den Art. 39 ff. MÜ ist die Haftung des vertraglichen Luftfrachtführers, also des Reiseveranstalters, der des ausführenden Luftfrachtführers (Fluggesellschaft) weitgehend gleichgestellt. Dies führt bei Flugreisen zu einer eigenen Haftung des Veranstalters, unabhängig davon, ob er die Luftbeförderung mit seinen Maschinen ausführt oder dazu veranstalterunabhängige, fremde Fluglinien oder Charterfluggesellschaften einsetzt (Staudinger/Staudinger (2016) Vorbemerkungen zu §§ 651c-g BGB, Rdn. 38). Die Klägerin hat mit der Beklagten zu 2. einen Reisevertrag im Sinne von § 651a BGB geschlossen.

c) Bei dem Sturz der Klägerin auf dem Rollfeld handelt es sich um einen Unfall im Sinne des Art. 17 Abs. 1 MÜ, der in den maßgeblichen Haftungszeitraum zwischen Ein- und Aussteigen fällt.

aa) Der Sturz der Klägerin war ein Unfall (vgl. zum Begriff BGH, Urt. v. 21.11.2017 – X ZR 30/15, Rn. 14 m.w.N.), weil die Verletzung durch ein, auf einer äußeren Einwirkung beruhendem, plötzlichen Ereignis entstanden ist. Die Klägerin ist mit dem linken Fuß in einer der Abflussrinnen auf dem Rollfeld steckengeblieben.

bb) Der Unfall ereignete sich beim Aussteigen aus dem Flugzeug im Sinne des Art. 17 Abs. 1 MÜ. Der Begriff des Aussteigens ist weit auszulegen und umfasst auch den Weg von der Außentreppe des Flugzeugs über das Rollfeld zum Terminal, auf diesem sich der Unfall der Klägerin ereignete. Wie der Begriff des Einsteigens im Hinblick auf die französische („au cours de toutes opérations d’embarquement et de débarquement“) und die englische Sprachfassung („in the course of any of the operations of embarking or disembarking“) weit auszulegen ist und jedenfalls dann beginnen soll, wenn der Fluggast nach letzter Kontrolle der Bordkarte in den Anordnungsbereich des Luftfahrtunternehmens gelangt (vgl. BGH, Urt. v. 21.11.2017 – X ZR 30/15, Rn. 16), kann für das Aussteigen umgekehrt nichts anderes gelten. Nach der maßgeblichen französischen und englischen Sprachfassung ergibt sich kein Unterschied und damit eine weite Auslegung des Begriffs des Aussteigens hin. Das Ende des Aussteigevorgangs muss, entsprechend dem Beginn des Einsteigevorgangs beim Abflug verstanden werden und jedenfalls mit dem Verlassen des Flugzeugs unabhängig davon noch nicht erreicht, ob der Passagier auf der Fluggasttreppe oder – wie hier – bei deren Verlassen verunfallt.

cc) Bei dem Unfall der Klägerin hat sich eine luftfahrttypische Gefahr verwirklicht, soweit man diese Voraussetzung bei Art. 17 Abs. 1 MÜ für erforderlich hält. Sie ist verwirklicht, wenn die Verletzung des Fluggasts auf technische Einrichtungen oder sonstige sachliche Gegebenheiten der Luftbeförderung zurückzuführen ist. Ausreichend ist, dass sich ein aus der typischen Beschaffenheit oder dem Zustand des Flugzeugs oder einer beim Ein- und Ausstieg verwendeten luftfahrttechnischen Einrichtung ergebende Risiko verwirklicht hat (BGH, Urt. v. 21.11.2017 – X ZR 30/15, Rn. 24). Hier verwirklichte sich das Risiko der Fluggasttreppe beim Verlassen des Flugzeugs.

2. Der Klägerin steht danach ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen und materiellen Schadens gemäß § 36 LuftVG zu.

III. Die Beklagten haften als Gesamtschuldner, § 421 BGB.

C. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 4, 101, 709 ZPO.

Streitwert: 5.016,00 EUR

 

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