Eine Wendung in Ansbach: Verkehrsunfall-Schadensersatzanspruch wird in der Berufung anerkannt
In einer spannenden Wendung wurde das Urteil des Amtsgerichts Ansbach in der Berufungsinstanz teils abgeändert, teils bestätigt. Im Mittelpunkt der kontroversen Diskussion stand ein Autounfall, bei dem beide Parteien unterschiedliche Versionen der Geschehnisse vorbrachten. Mit dem Schlüsselproblem, dass keine der beiden Seiten den genauen Unfallhergang beweisen konnte, lag die Frage im Raum: Wer ist für den Schaden verantwortlich?
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Übersicht:
- Eine Wendung in Ansbach: Verkehrsunfall-Schadensersatzanspruch wird in der Berufung anerkannt
- Das vorliegende Urteil
- Häufig gestellte Fragen
- 1. Was bedeutet „Betriebsgefahr“?
- 2. Was ist ein ausreichender Seitenabstand beim Überholen und warum ist er wichtig?
- 3. Was passiert, wenn der genaue Unfallhergang nicht geklärt werden kann?
- 4. Wie werden Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall berechnet?
- 5. Wie sind die Kosten für einen Anwalt bei einem Verkehrsunfall geregelt?
Hauptargumente und Erwartungen der Parteien
Der Kläger argumentierte, dass das erstinstanzliche Urteil abgeändert werden sollte, da der Gutachter keinen eindeutigen Verkehrsverstoß seinerseits feststellen konnte. Daher sei ein Schaden hälftig zwischen den Parteien zu teilen. Die Beklagtenhingegen behaupteten, dass ihre Schilderung des Unfallhergangs als Ausgangspunkt herangezogen werden sollte, da keine physischen Beweise den Vorfall aus der Sicht des Klägers stützten.
Bedeutung der Beweisaufnahme
In einem bemerkenswerten Fortschritt der Angelegenheit erbrachte ein ergänzendes Gutachten des Sachverständigen wichtige Erkenntnisse. Dieses Gutachten konnte keine der beiden Unfallschilderungen verifizieren. Es stellte klar, dass der Unfallhergang unklar und kein Verschuldensvorwurf gegenüber einer Seite gemacht werden konnte. Daher mussten die Betriebsgefahren beider Fahrzeuge gegeneinander abgewogen werden.
Entscheidung des Gerichts und deren Folgen
Infolgedessen wurde die Berufung des Klägers hauptsächlich als begründet angesehen und die Beklagten wurden verpflichtet, an den Kläger 1.094,40 € nebst Zinsen sowie außergerichtliche Anwaltskosten zu zahlen. Die Kosten für das Berufungsverfahren mussten die Beklagten ebenfalls tragen. Die Beträge für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten wurden jedoch etwas reduziert.
Die Quintessenz des Urteils
Dieser Fall hebt die Bedeutung eines ausführlichen Gutachtens hervor, welches letztendlich zu einer gerechten Entscheidung führen kann, trotz anfänglicher Unklarheiten. Es betont zudem das Prinzip der Betriebsgefahr bei Autounfällen – dass der Halter eines Fahrzeugs immer eine gewisse Verantwortung trägt, unabhängig von der Schuldfrage bei einem Unfall.
Das vorliegende Urteil
LG Ansbach – Az.: 1 S 940/20 – Urteil vom 06.05.2021
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Ansbach vom 18.08.2020, Az. 3 C 1043/19, abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.094,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 5.10.2019 sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 201,71 € zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.094,40 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche des Klägers nach einem Verkehrsunfall.
Wegen des Sachverhalts wird zunächst Bezug genommen auf die Darstellung in dem angefochtenen Urteil.
In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Parteien ihren Vortrag.
Der Kläger begründet seine Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen damit, dass der Sachverständige einen Verkehrsverstoß des Klägers nicht positiv festgestellt habe, ein solcher damit auch dem Urteil nicht zugrunde gelegt werden könne. Vielmehr seien die jeweiligen Betriebsgefahren in Ansatz zu bringen und der Schaden hälftig zu teilen.
Er beantragt,
1. Das Urteil des Amtsgerichts Ansbach vom 18.08.2020, AZ: 3 C 1043/19 abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger 1.094,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Das Urteil des Amtsgerichts Ansbach vom 18.08.2020, AZ: 3 C 1043/19 abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 334,75 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie sind der Auffassung, es sei bezüglich des Unfallhergangs von der Schilderung der Beklagten zu 1.) auszugehen, da sich nach den Ausführungen des Sachverständigen keinerlei Spuren hätten feststellen lassen, die den Unfallhergang aus Sicht der klägerischen Schilderung stützen könnten.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) … .
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des weiteren Parteivortrags wird Bezug genommen auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) …vom 22.3.2021 und die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
II.
Die Berufung ist zulässig und ganz überwiegend begründet.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte keine Partei den Nachweis für die Richtigkeit ihrer Unfallschilderung führen.
Bereits in seinem Ausgangsgutachten vom 8.6.2020 legt der Sachverständige … dar, dass der Beweis für die Richtigkeit der Schilderung des Klägers nicht zu führen ist. An diesem Ergebnis ändert auch die Vernehmung der Zeugin … nichts, da diese zur Kollisionsursache keine Angaben machen konnte.
In seinem Ergänzungsgutachten kommt der Sachverständige nun zu dem Ergebnis, dass auch die Unfallschilderung der Beklagtenseite nicht nachweisbar zutreffend sei. Er führt aus, dass eine Unfallsituation in der von den Beklagten geschilderten Weise zwar anhand der technischen Anknüpfungspunkte zwanglos möglich sei, aber auch eine Konstellation in der Weise, dass zum Einen der Kläger beim Durchfahren der Linkskurve nach links geraten sei und gleichzeitig die Beklagte zu 1.) beim Überholvorgang eine Rechtsorientierung aufgewiesen und der Kollisionsort etwa in der Fahrbahnmitte gelegen habe, in keiner Weise auszuschließen sei.
Somit ist der Unfallhergang ungeklärt und kann keiner Seite ein Verschuldensvorwurf gemacht werden. Es sind damit die jeweiligen Betriebsgefahren gegeneinander abzuwägen. Dabei ist ein Anlass für eine überwiegende Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs nicht ersichtlich, so dass sich im Ergebnis die nur noch auf hälftigen Schadensersatz gerichtete Berufung des Klägers als begründet erweist.
Lediglich bezüglich der als Nebenforderung geltend gemachten Rechtsanwaltskosten ergibt sich eine geringfügige Änderung, da der Berechnung nur der als berechtigt anzuerkennende Teil der klägerischen Forderung zugrunde gelegt werden kann. Demnach reduziert sich die Geschäftsgebühr auf 149,50 €, was unter Berücksichtigung der Telekommunikationspauschale und der Mehrwertsteuer zu einem Gesamtbetrag von 201,71 € führt. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Rechtsanwaltskosten war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.
Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant
1. Verkehrsrecht: Das Verkehrsrecht ist das primäre Rechtsgebiet, das in diesem Fall eine Rolle spielt. Es handelt sich hierbei um einen Verkehrsunfall, und der Schwerpunkt des Rechtsstreits liegt auf der Klärung der Haftungsverhältnisse, die im deutschen Verkehrsrecht geregelt sind. Besondere Bedeutung kommt hierbei der Frage des ausreichenden Seitenabstands bei einem Überholvorgang und dem Konzept der Betriebsgefahr zu, das im Straßenverkehrsrecht verankert ist. Die Betriebsgefahr bezieht sich auf die grundsätzliche Gefahr, die von einem Fahrzeug ausgeht, unabhängig vom individuellen Verschulden des Fahrers.
2. Zivilprozessrecht: Das Zivilprozessrecht regelt die Verfahren in Zivilsachen vor den Gerichten. In diesem Fall wurden die prozessualen Regeln für die Berufung gegen ein Urteil des Amtsgerichts Ansbach (Az. 3 C 1043/19) angewendet. Darunter fallen Fragen der Zulässigkeit und Begründetheit der Berufung, der Kostenverteilung im Berufungsverfahren, der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils und der Festsetzung des Streitwerts. Ein relevanter Teil dieses Rechtsbereichs ist auch die Beweisaufnahme durch das Gericht, insbesondere die Einholung von Sachverständigengutachten.
3. Schadensersatzrecht: Das Schadensersatzrecht spielt eine wesentliche Rolle in diesem Fall, da es um Ansprüche des Klägers aufgrund eines Verkehrsunfalls geht. In Deutschland ist das Schadensersatzrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt, insbesondere in den §§ 249 ff. BGB. Hierbei geht es um die Kompensation von Vermögensverlusten, die durch den Unfall entstanden sind.
4. Versicherungsrecht: Da es sich bei dem Sachverhalt um einen Verkehrsunfall handelt, ist wahrscheinlich auch das Versicherungsrecht betroffen. Dieses könnte vor allem im Kontext der Kfz-Haftpflichtversicherung der Beklagten relevant sein, die grundsätzlich für Schäden aufkommt, die durch den Betrieb des versicherten Fahrzeugs entstanden sind. In Deutschland ist das Versicherungsrecht u.a. im Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geregelt.
Häufig gestellte Fragen
1. Was bedeutet „Betriebsgefahr“?
Betriebsgefahr bezeichnet das Risiko, das von einem Fahrzeug ausgeht, unabhängig von einem individuellen Fehlverhalten des Fahrers. In Deutschland haftet grundsätzlich der Halter eines Kraftfahrzeugs für Schäden, die durch den Betrieb des Fahrzeugs verursacht werden, auch wenn er den Schaden nicht verschuldet hat. Das ergibt sich aus § 7 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG).
2. Was ist ein ausreichender Seitenabstand beim Überholen und warum ist er wichtig?
Die Regelung zum ausreichenden Seitenabstand beim Überholen findet sich in § 5 Abs. 4 StVO (Straßenverkehrsordnung). Demnach muss ein Fahrer beim Überholen einen ausreichenden Seitenabstand zu anderen Verkehrsteilnehmern, insbesondere zu Fußgängern und Radfahrern, einhalten. Dieser ist in der Regel ausreichend, wenn er mindestens 1,5 Meter beträgt. Der Seitenabstand dient der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer und seine Missachtung kann zu Verkehrsunfällen führen.
3. Was passiert, wenn der genaue Unfallhergang nicht geklärt werden kann?
Wenn der genaue Unfallhergang nicht geklärt werden kann, kann dies Auswirkungen auf die Haftungsverteilung haben. In solchen Fällen werden oft die Betriebsgefahren der beteiligten Fahrzeuge gegeneinander abgewogen. Es kann dann zu einer Haftungsteilung kommen, bei der beide Parteien einen Anteil des Schadens tragen müssen.
4. Wie werden Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall berechnet?
Die Berechnung von Schadensersatzansprüchen nach einem Verkehrsunfall ist abhängig von den konkreten Umständen des Falles und den daraus resultierenden Schäden. Hierbei werden sowohl Sachschäden (wie z.B. Reparaturkosten oder Wertminderung des Fahrzeugs) als auch Personenschäden (wie z.B. Schmerzensgeld, Verdienstausfall oder Behandlungskosten) berücksichtigt. In Deutschland regelt § 249 BGB den Umfang des Schadensersatzes.
5. Wie sind die Kosten für einen Anwalt bei einem Verkehrsunfall geregelt?
Die Anwaltskosten werden grundsätzlich nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) berechnet und sind abhängig vom Gegenstandswert der Sache. Bei einem Verkehrsunfall können die Anwaltskosten zum Schaden gehören, den der Geschädigte ersetzt verlangen kann, wenn die Beauftragung des Anwalts erforderlich und zweckmäßig war.