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Verkehrsunfall – Unzumutbarkeit der Verweisung an eine günstigere freie Fachwerkstatt

Verkehrsunfall: Kläger fordert Schadensersatz

In diesem Fall geht es um einen Verkehrsunfall, der sich am 14. Dezember 2018 ereignete. Der Kläger fordert von den Beklagten Schadensersatz wegen des entstandenen Schadens an seinem Audi Q5, den er selbst fuhr. Die Beklagtenseite besteht aus der Fahrerin und Halterin des Seat Leon sowie deren Haftpflichtversicherer.

Das Unfallgeschehen ist umstritten. Der Kläger behauptet, dass er wegen eines entgegenkommenden LKW nach rechts ausgewichen ist, als das Beklagtenfahrzeug aus der Grundstücksausfahrt kam und in die Beifahrerseite seines Fahrzeugs fuhr. Die Beklagten behaupten, dass der Kläger zu weit nach rechts gelenkt hat und deshalb gegen ihr stehendes Fahrzeug gestreift ist.

Der Kläger fordert Schadensersatz in Höhe von 6.634,51 Euro sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 650,34 Euro. Darüber hinaus fordert er die Erstattung der Sachverständigenkosten in Höhe von 785,40 Euro. Die Beklagtenseite beantragt die Klageabweisung und gibt an, dass der Unfall allein vom Kläger verursacht wurde. Außerdem seien die Kosten übersetzt und der Kläger habe gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen.

In der mündlichen Verhandlung wurden Zeugen vernommen und ein Sachverständigengutachten eingeholt. Die Parteien erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.

Die Klage hat teilweise Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagten einen Zahlungsanspruch aufgrund eines Verkehrsunfalls. Das Gericht hat festgestellt, dass die Beklagte zu 1) den Unfall durch eine grobe Pflichtverletzung ganz überwiegend schuldhaft verursacht hat. Das Klägerfahrzeug befand sich auf der Fahrbahn und hat keinen Verkehrsregelverstoß begangen. Die einfache Betriebsgefahr tritt hinter den schuldhaften Verkehrsregelverstoß der Beklagten zurück. Der Kläger hat einen Zahlungsanspruch hinsichtlich der Netto-Reparaturkosten in Höhe von 3.733,78 Euro, sowie weitere Ansprüche in Höhe von 1.565,40 Euro.

Das Gericht stellte fest, dass die Reparatur in einer freien Fachwerkstatt, die eine gleichwertige Reparaturqualität anbietet, statt in einer markengebundenen Fachwerkstatt, durchgeführt werden kann, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Die Beklagtenseite hat ausreichend dargelegt, dass die von ihr benannte Werkstatt eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit anbietet und zudem für den Kläger mühelos und ohne Weiteres zugänglich ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berechnung nach Stundensätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt. Der Kläger hat auch Anspruch auf die Kosten eines Sachverständigengutachtens in Höhe von 690 Euro und die Kostenpauschale in Höhe von 25 Euro.


Das vorliegende Urteil

LG Essen – Az.: 9 O 126/19 – Urteil vom 08.04.2022

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 4.513,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 09.07.2019 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszins seit dem 09.07.2019 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an das Sachverständigenbüro … 785,40 Euro zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 29% und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 71%.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 14.12.2018 aufgrund einer fiktiven Abrechnung geltend.

Beteiligt waren auf der Klägerseite das Fahrzeug des Klägers, ein Audi Q5 mit dem amtlichen Kennzeichen … welches vom Kläger selbst gefahren wurde. Auf der Beklagtenseite war die Beklagte zu 1) als Fahrerin und Halterin, die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des Seat Leon mit dem Kennzeichen … beteiligt.

Am 14.12.2018 gegen 17.19 Uhr fuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug in … den … in Richtung Norden. Zum Unfallzeitpunkt war es dunkel und trocken. Die Beklagte zu 1) wollte mit ihrem Fahrzeug von einem Parkplatz nach links auf den … einbiegen. Auf dem Beifahrersitz des Beklagtenfahrzeugs befand sich die Zeugin … Die Beklagte zu 1) tastete sich in den … hinein. Der Kläger fuhr kurz vor dem Unfall ein Stück weiter nach rechts. Bzgl. der Einzelheiten der Unfallörtlichkeit zum Unfallzeitpunkt wird auf Anlage A1 bis A5 und Anlage B3 verwiesen.

Einzelheiten des Unfallgeschehens sind streitig.

Der Kläger holte ein schriftliches Privatgutachten über die an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden ein. Ausweislich dieses Gutachtens des KFZ-Sachverständigen Büro … vom 15.12.2018, welches dem Kläger mit 785,40 Euro in Rechnung gestellt wurde, beliefen sich die Netto-Reparaturkosten auf 5.164,39 Euro und die Wertminderung auf 300,00 Euro (Anlage zur Klage, Bl. 6ff. GA). Weiter machte er Nutzungsausfallschaden in Höhe von 455,00 Euro sowie die Erstattung der Reparaturbescheinigung in Höhe von 54,15 Euro und eine Kostenpauschale in Höhe von 30,00 Euro geltend.

Die Klägerseite forderte die Beklagtenseite zur Schadensregulierung auf. Zuletzt übersandte sie am 21.05.2019 unter Fristsetzung bis zum 05.06.2019 ein Schreiben mit dem Klageentwurf an die Beklagte zu 2). Zahlungen erfolgten nicht.

Der Kläger behauptet, dass aus entgegen gesetzter Richtung sich ein LKW genähert habe. Er sei deshalb leicht nach rechts ausgewichen. In diesem Moment sei von rechts aus der Grundstücksausfahrt das Beklagtenfahrzeug gezogen und dem klägerischen Fahrzeug in die Beifahrerseite gefahren.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Alleinschuld bei der Beklagten zu 1) liege.

Die Reparatur habe in den Geschäftsräumen der Firma … vom 03.01.2019 bis zum 10.01.2019 stattgefunden.

Er bestreitet mit Nichtwissen, dass die von der Beklagtenseite genannte Alternativwerkstatt überhaupt in der Lage ist, die Reparatur fachgerecht durchzuführen, dass diese Firma noch existiert und dass diese Firma bereit ist zu den angegebenen Tarifen die Arbeiten auch durchzuführen.

Der Kläger hat ursprünglich beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen an ihn 6.788,94 Euro sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

Unter dem 20.06.2020 hat die Klägerseite ein weiteres Privatgutachten des Sachverständigenbüro im V…vorgelegt, welches nunmehr Netto-Reparaturkosten in Höhe von 5.795,36 Euro ausweist (Anlage zum Schriftsatz vom 13.07.2020, Bl. 152ff. GA). Unter Annahme, dass er, der Kläger, Reparaturkosten nach Preisen einer Markenwerkstatt geltend machen könne, hat er die Klage mit Schriftsatz vom 13.07.2020 um 630,97 Euro erhöht. Dazu trägt er vor, dass sein Fahrzeug scheckheftgepflegt sei.

Weiter hat der Kläger mit Schriftsatz vom 27.10.2021 beantragt, dass die Kosten für das Privatgutachten in Höhe von 785,40 Euro an das Sachverständigenbüro zu zahlen seien. Dazu hat der Kläger eine „Rückabtretungserklärung“ vom 17.12.2021 (Bl. 231 GA) vorgelegt.

Der Kläger beantragt nunmehr, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 6.634,51 Euro sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 650,34 Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen; an das Sachverständigenbüro in V., H. Str. …, … M. 785,40 Euro zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagtenseite behauptet, dass das Beklagtenfahrzeug im Zeitpunkt des Unfalls gestanden habe. Der Kläger habe derart weit nach rechts gelenkt, das er streifend gegen das weiterhin stehende Fahrzeug der Beklagten zu 1) kollidiert sei. Sie sind der Ansicht, dass der Unfall allein vom Kläger verursacht worden sei.

Die Höhe der Kosten sei übersetzt. Ausweislich des privaten Prüfgutachtens der Firma … vom 19.12.2018 müssten insgesamt 2.038,19 Euro abgezogen werden (Anlage B5, Bl. 72 ff. GA). Hinsichtlich der Klageerhöhung sind sie der Ansicht, dass das Fahrzeug nicht scheckheftgepflegt sei.

Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Ausgleich eines fiktiven Nutzungsausfallschadens zu.

Die Kosten für die erstellte Reparaturbestätigung seien ebenfalls nicht zu erstatten, da diese Bestätigung keinen erforderlichen Aufwand zur Schadensbeseitigung darstelle bzw. der Kläger gegen seine Schadensminderungspflicht verstoßen habe.

Zudem sei der Kläger im Hinblick auf die geltend gemachten Sachverständigenkosten für das Hauptgutachten nicht aktivlegitimiert. Außerdem erheben sie diesbezüglich die Einrede der Verjährung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien und deren Anlagen verwiesen.

Die Klage ist der Beklagten zu 1) am 09.07.2019 und der Beklagten zu 2) am 08.07.2019 zugestellt worden.

Das Gericht hat mündlich verhandelt am 24.01.2020 und 27.08.2021. Es hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und … Bezüglich der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird verwiesen auf die Sitzungsprotokolle. Des Weiteren ist Beweis erhoben worden aufgrund des Beweisbeschlusses vom 14.02.2020 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen … vom 15.05.2020 nebst Ergänzung vom 27.08.2021 verwiesen.

Mit Schriftsätzen vom 07.02.2022 haben die Parteien jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat teilweise Erfolg.

I.

1.

Dem Grunde nach hat die Kläger gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Zahlungsanspruch aus §§ 7 I, 17 I, II, 18 I, III StVG i.V.m. § 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG.

Das streitgegenständliche Unfallereignis hat sich unzweifelhaft beim Betrieb der unfallbeteiligten Kraftfahrzeuge ereignet.

Nach §§ 7 I, 17 I, II, 18 I, III StVG i.V.m. § 115 I 1 Nr. 1, 4 VVG haften daher grundsätzlich sowohl der Kläger als auch die Beklagten für die bei dem streitgegenständlichen Unfallereignis entstandenen Schäden.

Die gemäß § 17 I, II StVG vorzunehmende Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge ergibt, dass eine etwaige Betriebsgefahr des Klägerfahrzeuges hinter den Verursachungs- und Verschuldensbeitrag des Beklagtenfahrzeugs zurück tritt. Die Beklagten haften dem Grunde nach zu einhundert Prozent.

Gemäß § 17 I, II StVG hängt der Umfang der Haftung von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere davon, inwieweit der Unfall vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Die Abwägung ist dabei aufgrund aller festgestellten – d.h. unstreitigen, zugestandenen oder gemäß § 286 ZPO bewiesenen – Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, soweit diese sich nachweislich auf den Unfall ausgewirkt haben, wobei in erster Linie das Maß der Verursachung von Belang ist, in dem die Beteiligten zur Schadensentstehung beigetragen haben, das beiderseitige Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2016, Az. VI ZR 32/16, Rn 8, NJW 2017, 1177; OLG Hamm, Beschluss vom 21.12.2017, Az. I-7 U 39/17, Rn 17, NJW-RR 2018, 474).

Bei der nach diesen Maßstäben gebotenen Abwägung überwiegen die Verursachungsanteile auf Seiten der Beklagten in einer Weise, dass ein etwaiger Haftungsanteil des Klägers jedenfalls vollständig zurücktritt.

a.

Nach dem Ergebnis der Anhörung der Parteien und der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagte zu 1) den Unfall durch eine grobe Pflichtverletzung ganz überwiegend schuldhaft verursacht hat indem sie von dem Parkplatz auf die Fahrbahn gefahren ist ohne dabei ausreichend auf den fließenden Verkehr zu achten. Sie hat gegen die ihr obliegende Sorgfaltspflicht aus § 10 S. 1 StVO verstoßen Danach trifft den Einfahrenden die Pflicht, beim Einfahren in die Fahrbahn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen, erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. Dezember 2021 – 7 U 21/20 –, Rn. 13, juris).

Kommt es in unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Ein- oder Anfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, so spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden des Ein- bzw. Ausfahrenden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. Dezember 2021 – 7 U 21/20 –, Rn. 14 m.w.N., juris).

Diesen Anscheinsbeweis hat die Beklagtenseite nicht erschüttert. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts nach der Beweisaufnahme fest. Zwar hat die Beklagte zu 1) in ihrer persönlichen Anhörung angegeben, dass sie zum Zeitpunkt des Unfalls gestanden habe. Dies haben die Zeuginnen … und … in ihrer Vernehmung auch jeweils bestätigt. Jedoch sind diese Aussagen widerlegt durch das Gutachten des Sachverständigen … dem sich das Gericht nach eigener Prüfung anschließt. An der Richtigkeit der sachverständigen Feststellungen besteht kein Zweifel. Der Sachverständige ist als Dipl.-Phys und von der Industrie- und Handelskammer Hannover öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Verkehrsunfälle qualifiziert. In seinem Gutachten hat er nachvollziehbar und in sich schlüssig dargelegt, auf welchen tatsächlichen Angaben und auf welchen von ihm festgestellten Umständen seine sachverständigen Feststellungen beruhen. Der Sachverständige hat erläutert, dass das Beklagtenfahrzeug mit einer Vorwärtsbewegung von ca. 3 bis 4 km/h mit dem Klägerfahrzeug kollidierte.

b.

Ein zu Lasten des Klägers in die Abwägung einzustellender schuldhafter Verkehrsregelverstoß ist nicht festzustellen. Das klägerische Fahrzeug befand sich auf der Fahrbahn. Es mag zwar weit rechts in der Fahrbahn gefahren sein, hat diese aber nicht verlassen. Dies ist unstreitig und wird auch durch die Lichtbilder (Anlage 2 zum Gutachten) bestätigt. Soweit die Beklagtenseite schriftsätzlich behauptet, dass der Kläger durch eine Lenkbewegung nach rechts in das Beklagtenfahrzeug hineingefahren wäre, was die Beklagte zu 1) in ihrer persönlichen Anhörung bereits so nicht ausführte, ist diese Behauptung ebenfalls durch das Sachverständigengutachten widerlegt. Denn die Fahrzeuge kollidierten etwa im rechten Winkel (Bl. 13 des Gutachtens).

c.

Im Rahmen der Abwägung tritt die einfache Betriebsgefahr auf Seiten des Klägers hinter den schuldhaften Verkehrsregelverstoß der Beklagten zu 1) vollständig zurück. Der Verstoß auf Beklagtenseite wiegt schwer. § 10 Satz 1 StVO verlangt dem Ein- und Anfahrenden ein Verhalten ab, das eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließt. Da von ihm ein Höchstmaß an Sorgfalt gefordert wird, tritt bei einer Kollision mit dem fließenden Verkehr die Betriebsgefahr des sich im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeugs regelmäßig vollständig zurück (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 21. Dezember 2021 – 7 U 21/20 –, Rn. 20 m.w.N., juris).

2.

Dem Kläger steht der Höhe nach ein Zahlungsanspruch von insgesamt 5.299,18 Euro zu.

a.

Der Kläger hat einen Zahlungsanspruch hinsichtlich der Netto-Reparaturkosten in Höhe von 3.733,78 Euro.

(1)

Es ist dabei zunächst von der Reparaturkalkulation des Klägers vom 15.12.2018 auszugehen. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Berechnung nach Stundensätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt. Er muss sich zudem auf eine die günstigere Reparaturmöglichkeit der von den Beklagten benannten freien Fachwerkstatt verweisen lassen. Grundsätzlich hat ein Geschädigter auch bei fiktiver Abrechnung einen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die in einer markengebundenen Fachwerkstatt in seinem Wohnbereich entstehen (vgl. OLG München, Urteil vom 13. September 2013 – 10 U 859/13 –, Rn. 9, juris). Allerdings muss sich der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 II BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen freien Fachwerkstatt verweisen lassen, wenn der Schädiger darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Entscheidend dafür ist die Gleichwertigkeit, die die Beklagtenseite darzulegen hat (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 – VI ZR 259/09 –, Rn. 7, juris). Die Beklagtenseite hat ausreichend dargelegt, dass die von ihr benannte Werkstatt … eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit anbietet. Es handelt sich um eine sog. E.-Werkstatt, die eine gleichwertige Reparaturqualität anbietet (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2010 – Az.: VI ZR 259/09, juris). Bei der benannten freien Fachwerkstatt handelt sich ferner um eine für den Kläger mühelos und ohne Weiteres zugängliche Fachwerkstatt, da sie nur 13,1 Kilometer vom Wohnort des Klägers entfernt ist und zudem einen kostenlosen Hol- und Bringservice unterhält. Unter Berücksichtigung der weitaus günstigeren Reparaturmöglichkeit, würde sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Situation des Geschädigten dazu entschließen, sein Fahrzeug in der freien Fachwerkstatt reparieren zu lassen.

Ein Ausnahmefall einer Unzumutbarkeit der Verweisung liegt nicht vor. Steht die Gleichwertigkeit der Reparatur zu einem günstigeren Preis fest, kann es zwar für den Geschädigten gleichwohl unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht unzumutbar sein, eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt in Anspruch zu nehmen. Dies gilt vor allem bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren oder bei älteren Fahrzeugen, die „scheckheftgepflegt“ sind, die also stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt gewartet und repariert wurden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2010 – VI ZR 259/09 –, Rn. 8, juris). Hintergrund dafür ist, dass bei einem großen Teil des Publikums die Einschätzung vorliegt, dass bei einer (regelmäßigen) Wartung und Reparatur eines Kraftfahrzeuges in einer markengebundenen Fachwerkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist (vgl. LG Lübeck, Urteil vom 07. Mai 2010 – 1 S 117/09 –, Rn. 3, juris). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Kläger gibt an, dass sein Auto bei Firma … repariert wurde.

(2)

Ausgehend davon, ist die Kostenkalkulation entsprechend der Anlage E14 zum mündlichen Gutachten des Sachverständigen zugrunde zu legen. Danach waren, ausgehend von 5.164,39 Euro, Abzüge in Höhe von insgesamt 838,08 Euro vorzunehmen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf das Gutachten vom 18.05.2020, Bl. 11 f sowie Anlage E 14 verwiesen.

(3)

Weiter ist ein Abzug neu für alt bezüglich der Reifen in Höhe von 592,53 Euro vorzunehmen. Werden bei der Reparatur einer beschädigten Sache die beschädigten durch neue Teile ersetzt, kann je nach Lage des Einzelfalles nur die Wiederherstellung des vor dem Schadenseintritt bestehenden Zustandes, nicht aber eine Wertsteigerung durch wirtschaftliche Besserstellung über diesen Zustand hinaus verlangt werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es sich um Teile handelt, die dem Verschleiß unterliegen und ohnehin während der Lebensdauer eines Fahrzeuges ersetzt werden müssen, wie Autoreifen (vgl. Ebert in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 249 BGB, Rn. 80 m.w.N.). Der Sachverständige hat dazu festgestellt, dass die zu ersetzenden Reifen noch eine Profilstärke von einem Drittel im Zeitpunkt des Unfalls hatten. Es ist also ein Abzug von zwei Dritteln vorzunehmen, ausgehen von einem Reifenpreis in Höhe von 222,20 Euro. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht von einem niedrigeren Reifenpreis auszugehen. Es spricht dabei für sich, nicht jedoch für das Privatgutachten des Beklagtenseite, dass – wie aus dem Sachverständigengutachten hervorgeht – bereits von einem falschen Reifen ausgegangen wird. Dem weiteren Bedenken des Sachverständigen, namentlich dass es sich um eine Kalkulation außerhalb der Winterreifen-Saison handelt, schließt sich das Gericht an.

b.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Wertminderung in Höhe von 300,00 Euro zu.

c.

Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Nutzungsausfallersatz in Höhe von 455,00 Euro.

Nutzungsausfall wird erstattet für die Dauer einer fühlbaren Gebrauchsbeeinträchtigung des Geschädigten (vgl. OLG München, Urteil vom 13. September 2013 – 10 U 859/13 –, Rn. 5, juris). Dies ist vorliegend die Dauer der Reparatur. Der Kläger legt zum einen einen Reparaturnachweis vor, aus dem hervorgeht, dass das Fahrzeug repariert wurde. Im Zusammenspiel mit der Bestätigung der Firma … ergibt sich, dass das Fahrzeug in der Zeit vom 03.01.2019 bis zum 10.01.2019 repariert wurde. Die Beklagte setzt sich im Widerspruch, wenn sie einmal bestreitet, dass sich die Bestätigung der Firma J. auf die unfallbedingte Instandsetzung bezieht (Bl. 94 GA), andererseits diese Bestätigung heranzieht, um den Verweis auf eine freie Werkstatt zu begründen (Bl. 177 GA).

d.

Der Kläger hat ferner Anspruch auf eine Kostenpauschale. Das Gericht schätzt diese auf 25,00 Euro, § 287 ZPO.

e.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten in Höhe von 54,15 Euro für die Reparaturbestätigung.

Der Geschädigte eines Kraftfahrzeugsachschadens hat bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Wahl, ob er fiktiv nach den Feststellungen eines Sachverständigen oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abrechnet. Bei fiktiver Abrechnung ist der objektiv zur Herstellung erforderliche Betrag ohne Bezug zu tatsächlich getätigten Aufwendungen zu ermitteln. Der Geschädigte, der im Gegenzug nicht verpflichtet ist, zu den von ihm tatsächlich veranlassten oder auch nicht veranlassten Herstellungsmaßnahmen konkret vorzutragen, disponiert hier dahin, dass er sich mit einer Abrechnung auf einer objektiven Grundlage zufrieden gibt. Entscheidet sich der Geschädigte für die fiktive Schadensabrechnung, sind die im Rahmen einer tatsächlich erfolgten Reparatur angefallenen Kosten nicht (zusätzlich) ersatzfähig. Der Geschädigte muss sich vielmehr an der gewählten Art der Schadensabrechnung festhalten lassen; eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung ist insoweit unzulässig. Nach diesen Grundsätzen hat der fiktiv abrechnende Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der im Rahmen der konkret durchgeführten Reparatur angefallenen Kosten für die Reparaturbestätigung. Bei den geltend gemachten Kosten für die Reparaturbestätigung des Sachverständigen handelt es sich nicht um Kosten, die nach der gewählten fiktiven Berechnungsweise zur Wiederherstellung des Unfallfahrzeugs erforderlich im Sinne des § 249 II S. 1 BGB waren. Es handelt sich vielmehr um eine Position, die ursächlich auf der freien Entscheidung des Klägers beruht, sein Fahrzeug nicht in einem Fachbetrieb, sondern in Eigenregie reparieren zu lassen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2017 – VI ZR 146/16 –, Rn. 6-8, juris).

f.

Bezüglich der Sachverständigenkosten kann der Kläger Zahlung an den Sachverständigen verlangen. Er ist auch aktivlegitimiert. Aus der Abtretungserklärung folgt, dass die Klägerseite berechtigt ist, die Schäden des Gutachtens in Höhe von 785,40 € selbst geltend zu machen. Die Beklagten haben die Kosten des Sachverständigengutachtens auch zu ersetzen, da es zu einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig ist. Dieser Anspruch ist auch nicht nach §§ 195, 199 BGB oder § 634 a BGB verjährt. Letzterer würde ohnehin nur die Mängelansprüche betreffen.

g.

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 I, 291 BGB.

II.

Ferner kann der Kläger die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren aus einem Gegenstandswert in Höhe von 5.299,18 Euro geltend machen, mithin 571,44 Euro.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO, § 100 IV ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 7.419,91 EUR festgesetzt.

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