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Verkehrsunfall – Verschulden bei Fahrstreifenwechsel

LG Hamburg, Az.: 323 O 44/15, Urteil vom 16.06.2015

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 16.501,60 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.06.2014 sowie weitere 1.100, 51 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2015 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aufgrund eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am … in H. ereignete.

Verkehrsunfall – Verschulden bei Fahrstreifenwechsel
Symbolfoto: Von oneinchpunch /Shutterstock.com

Der Kläger befuhr an diesem Tag mit seinem Pkw P., amtliches Kennzeichen … die K. straße in Richtung J. Straße auf der linken Fahrspur. Der Beklagte zu 1. fuhr mit dem bei der Beklagten zu 2. haftpflichtversicherten Pkw A., amtliches Kennzeichen …, auf der rechten Fahrspur. Es kam zu einer Kollision beider Fahrzeuge, deren Hergang streitig ist.

Der Kläger ließ die Beklagte zu 2. vorgerichtlich u. a. mit Schreiben vom … und … unter Fristsetzung bis zum … zur Schadensersatzzahlung auffordern (Anlagen K 4a und 4b). Eine Regulierung erfolgte nicht.

Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 1. sei plötzlich und ohne Vorankündigung auf die linke Fahrspur gewechselt. Er sei in die Seite des klägerischen Fahrzeuges hineingefahren und habe dieses nach links gegen den Bordstein des dort befindlichen Grünstreifens gestoßen.

Der Kläger macht folgende Schadenspositionen geltend:

– Netto-Reparaturkosten in Höhe von 15.150,36 € (Anlage K 2 und 14)

– Gutachterkosten in Höhe von 1.331,24 € (Anlage K 3)

– Kostenpauschale von 20,00 €.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 16.501,60 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 25.06.2014 zu zahlen,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.100, 51 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie behaupten, der Beklagte zu 1. habe keinen Fahrspurwechsel durchgeführt habe. Er habe vielmehr plötzlich wahrgenommen, dass sein Fahrzeug an der hinteren linken Seite angestoßen worden sei. Bei einem sofortigen Blick in den Spiegel habe er noch sehen können, dass der Kläger mit seinem Handy beschäftigt gewesen sei.

Die Beklagten bestreiten des Weiteren, dass unfallbedingte Reparaturkosten in Höhe von 15.150,36 € entstanden sind. Insbesondere sei ein Austausch der Achse rechts, der Tür rechts, des Kotflügels rechts und beider Felgen mit Reifen nicht erforderlich, da es andere Reparaturwege gebe, die deutlich günstiger und für das Gesamtgefüge des Fahrzeugs auch vorteilhafter seien.

Wegen des weitergehenden Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Der Kläger und der Beklagte zu 1. sind gemäß § 141 ZPO persönlich angehört worden. Das Gericht hat zudem Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Z. Wegen des Ergebnisses der Anhörungen und Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der Sitzung vom 19.05.2015 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Dem Kläger steht gegen die gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom … aus §§ 7, 17,18 StVG, § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG in Höhe von 16.501,60 € zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Zinsen zu.

1.

Die Beklagten trifft die Alleinhaftung für die aus dem Unfall resultierenden Schäden.

Der Unfall beruhte weder für den Kläger noch für den Beklagten zu 1. auf höherer Gewalt i. S. d. § 7 Abs. 2 StVG und war für beide auch nicht unabwendbar i. S. d. § 17 Abs. 3 StVG. Es ist im Hinblick auf beide Unfallbeteiligten jedenfalls nicht auszuschließen, dass ein besonders vorsichtiger Fahrer den Unfall vermieden hätte.

Steht die grundsätzliche Haftung der Parteien aus §§ 7, 17,18 StVG i. V. m. § 115 Abs. 1 VVG fest, so hängt in ihrem Verhältnis zueinander die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes gemäß §§ 17, 18 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden überwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Für das Maß der Verursachung ist ausschlaggebend, mit welchem Grad von Wahrscheinlichkeit ein Verhalten geeignet ist, Schäden der vorliegenden Art herbeizuführen.

Die von beiden Teilen zu tragende Betriebsgefahr kann dabei durch das Verschulden der Beteiligten erhöht werden. Im Rahmen der Abwägung können zu Lasten einer Partei aber nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die als unfallursächlich feststehen.

Der Beklagte zu 1. hat einen Verkehrsverstoß begangen, indem er entgegen § 7 Abs. 5 S. 1 StVO beim Fahrstreifenwechsel eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht ausgeschlossen hat.

Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte zu 1. zum Unfallzeitpunkt den Versuch unternahm, von dem rechten auf den von dem Kläger befahrenen linken Fahrstreifen zu wechseln, und dadurch die Kollision verursachte.

Diese Feststellungen beruhen maßgeblich auf den Angaben des Zeugen Z. Der Zeuge hat den von dem Kläger geschilderten Ablauf zu einem Fahrstreifenwechsel des Beklagten zu 1. bestätigt.

Das Gericht geht davon aus, dass Der Zeuge Z. entsprechend seinen Angaben mit dem von ihm geführten Abschleppwagen unmittelbar hinter dem Fahrzeug des Klägers auf der linken Spur fuhr, so dass er eine sehr gute Sicht auf das Unfallgeschehen hatte. Dass der an dem Unfall nicht beteiligte Zeuge, der an dem Ausgang des Rechtsstreits anders als die angehörten Parteien kein Interesse hat, vorsätzlich eine falsche Aussage getätigt hat, schließt das Gericht aus. Aber auch ein diesbezüglicher Irrtum kommt nicht in Betracht, da der Zeuge zu seinem eigenen Standort eine sehr konkrete Erinnerung hatte.

Das Gericht ist weiter davor überzeugt, dass der Zeuge Z. aufgrund seines direkten Blicks auf Unfallort und -geschehen den Ablauf wahrgenommen hat und auch heute noch korrekt erinnert. Diesen Feststellungen steht nicht entgegen, dass der Zeuge – wie er auch offen angegeben hat – viele Details nicht mehr erinnerte. So ist es angesichts des Zeitablaufes von über einem Jahr und der Vielzahl der von dem Zeugen als Berufskraftfahrer durchgeführten Fahrten nachvollziehbar, dass er sich etwa an die Tageszeit und den Straßennamen nicht mehr erinnerte. Seine Angaben zum Unfallablauf sind dessen ungeachtet glaubhaft, weil er zu dem Kerngeschehen des Unfalls eine konkrete Erinnerung hatte. Es ist plausibel, dass der Zeuge sich selbst nach längerer Zeit an die Ursache des von ihm unmittelbar vor sich beobachteten Verkehrsunfalls – der Wechsel eines Fahrzeugs auf den auch von dem Zeugen befahrenen Fahrstreifen – deutlich besser erinnert als an weitere Umstände, die ihm in diesem Zusammenhang verständlicherweise ohne Bedeutung erschienen. Im Übrigen entsprechen diese Angaben der Schilderung, die der Zeuge bereits wenige Wochen nach dem Unfall abgegeben hat (vgl. Anlage K 1).

Der Beklagte zu 1. hat vor diesem Hintergrund einen gewichtigen Verkehrsverstoß begangen, indem er entgegen § 7 Abs. 5 S. 1 StVO nicht so den Fahrstreifen wechselte, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen war. Bei einer Kollision während eines Fahrstreifenwechsels spricht bereits der erste Anschein dafür, dass der Wechselnde den Unfall dadurch verursacht hat, dass er die gemäß § 7 Abs. 5 S. 1 StVO einzuhaltende äußerste Sorgfalt nicht gewahrt hat. Ein atypischer Verlauf ist hier durch die Beklagten schon nicht dargetan worden.

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Ein für die Kollision ursächlicher Verkehrsverstoß des Klägers ist nicht bewiesen. Aus den vorstehend genannten Gründen ist das Gericht davon überzeugt, dass es sich bei den Angaben des Beklagten zu 1. zu einem Fahrstreifenwechsel des Klägers um eine Schutzbehauptung handelt oder dass der Unfallablauf von dem Beklagten zu 1. infolge Unachtsamkeit gar nicht richtig wahrgenommen wurde.

Gegenüber dem angesichts des Sorgfaltsmaßstabes des § 7 Abs. 5 S. 1 StVO ganz erheblichen Verschulden des Beklagten zu 1. tritt die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges völlig zurück.

2.

Der Kläger kann gemäß § 249 BGB einen materiellen Schaden in Höhe von 16.501,60 € ersetzt verlangen.

Darunter fallen gemäß Gutachten Anlage K 2 insbesondere Netto-Reparaturkosten in Höhe von 15.150,36 €. Dem Vorbringen des Klägers zu der Erforderlichkeit der aufgeführten Reparaturmaßnahmen und -kosten (vgl. ergänzend auch Anlage K 14) sind die Beklagten nicht erheblich entgegen getreten. Die pauschale Behauptung, es gebe andere Reparaturwege, die „deutlich günstiger“ und „für das Gesamtgefüge des Fahrzeugs auch vorteilhafter“ seien, hätte durch Darlegung eines alternativen Reparaturablaufes nebst Kosten näher konkretisiert werden müssen. Zu einem entsprechenden Vortrag wären die Beklagten – übrigens auch ohne die Möglichkeit einer Nachbesichtigung – ohne weiteres in der Lage gewesen, da es sich bei der Beklagten zu 2. um ein Versicherungsunternehmen mit entsprechenden Ermittlungsmöglichkeiten handelt.

Daneben sind Gutachterkosten in Höhe von 1.331,24 € (Anlage K 3) sowie eine Kostenpauschale in Höhe von 20,00 € anzusetzen.

Der Kläger kann im Wege des Schadensersatzes gemäß § 249 BGB schließlich die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.100, 51 € nach einer Geschäftsgebühr von 1,3 zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale sowie Umsatzsteuer verlangen.

Die Zinsansprüche ergeben sich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Verzuges aus §§ 286Abs, 1 S. 1 bzw. S. 2,288 Abs. 1 BGB.

3.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 4 S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.

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