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Verkehrsunfall – Voraussetzungen für Haushaltsführungsschadensrente

OLG Frankfurt – Az.: 22 U 82/18 – Urteil vom 24.03.2020

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 7.2.2018 abgeändert.

Die Beklagte wird zusätzlich verurteilt, an den Kläger eine vierteljährliche Rente für Haushaltsführungsschaden, beginnend ab dem 1.12.2012, in Höhe von jeweils 384 € zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufungsinstanz zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Gegenstandswert für die Berufungsinstanz wird auf 18.144 € festgesetzt.

Gründe

I.

Gemäß der §§ 540 Abs. 2, 313, ZPO wird von der Wiedergabe des Sachverhalts abgesehen, da ein Rechtsmittel unzweifelhaft nicht zulässig ist (§ 544 ZPO).

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß den §§ 7 StVG, 115 VVG Anspruch auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfall vom 8.7.2009. Die vollständige Haftung der Beklagten ist zwischen den Parteien unstreitig.

Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil den Anträgen des Klägers auf Schmerzensgeld und bezifferten Haushaltsführungsschaden in vollem Umfang stattgegeben und auch die weitergehende Verpflichtung zum Ersatz materieller und immaterieller Schäden festgestellt. Das Landgericht hat die Klage lediglich insoweit abgewiesen, als der Kläger eine vierteljährliche Rente für Haushaltsführungsschaden in Höhe von jeweils 432 € begehrt hat. Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers, mit der er den weitergehenden Klageanspruch – beschränkt auf 384,- € – geltend macht.

Die Berufung hat Erfolg.

Der Kläger hat aufgrund der bestandskräftigen Feststellungen des Landgerichts, gegen die von der Beklagtenseite keine Einwendungen erhoben worden sind, Anspruch auf Ersatz des Haushaltsführungsschadens gemäß § 843 BGB. Das Landgericht hat zunächst unangefochten festgestellt, dass bei dem Kläger aufgrund des Unfalls eine Dauerbeeinträchtigung von 10 % Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt. Hinsichtlich der Einschränkung der Haushaltsführungstätigkeit hat das Landgericht unangefochten festgestellt, dass der Kläger zuvor 20 Stunden in der Woche im Haushalt geholfen habe, wofür ein Netto-Stundensatz von 8 € angemessen sei. Weiterhin hat das Landgericht festgestellt, dass beim Kläger Dauerschäden in Form des Tinnitus und Verletzungen an der Hand bestehen, die einen Dauerminderungsprozentsatz von 20 % hinsichtlich der Haushaltsführungstätigkeit rechtfertigen.

Die vom Kläger begehrte Rente hat das Landgericht mit der Begründung abgewiesen, die Klage sei insoweit nicht zulässig, da sich die Haushaltstätigkeit variabel verändere und deswegen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Klage auf künftige Leistung nicht vorlägen.

Insoweit sind die Ausführungen des Landgerichts allerdings unzutreffend. § 843 BGB sieht gerade eine vierteljährliche Rente vor, ohne dass die Frage der Unabänderbarkeit der Verhältnisse eine Rolle spielen würde. Die Art und Weise der Rentenzahlung ist in § 760 BGB geregelt, wonach eine Geldrente für 3 Monate vorauszuzahlen ist.

Soweit das Landgericht darauf abstellt, dass die Zulässigkeit des Rentenantrags zu verneinen sei, weil der Rahmen der Haushaltstätigkeit sich variabel verändern könne und deshalb die Voraussetzung für eine Klage auf künftige Leistung nicht vorlegen, kann dem nicht gefolgt werden. § 843 BGB sieht gerade keine weiteren Voraussetzungen vor. Solche ergeben sich auch nicht aus § 258 ZPO. Danach muss der Anspruch als einheitliche Folge aus einem Rechtsverhältnis bereits entstanden und die Fälligkeit der Einzelleistungen nur noch vom Zeitablauf abhängig sein (BGH NJW 2015, 873). Die Leistungen müssen mit ausreichender Sicherheit nach Grund und Höhe feststehen; jedoch steht die bloße noch nicht konkretisierbare Möglichkeit künftiger Einwendungen des Schuldners dem Verfahren gemäß § 258 ZPO nicht entgegen. Das Gericht hat insoweit von dem nach der Lebenserfahrung zu erwartenden Ablauf der Dinge auszugehen. Später entstehende Einwendungen sind gemäß § 323 ZPO geltend zu machen.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend sämtlich erfüllt. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Kläger eine Dauerbeeinträchtigung hinsichtlich der Haushaltsführungstätigkeit erlitten hat, die sich auch nicht bessern wird. Von daher kann nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge davon ausgegangen werden, dass der Kläger in gleichem Umfang weiter eingeschränkt ist, so dass eine entsprechende Rente als Mindestaufwand festgelegt werden kann. Sollten tatsächlich Änderungen eintreten, können diese im Rahmen der Abänderungsklage nach § 323 ZPO eingebracht werden und zu einer Veränderung des Vollstreckungstitels führen. Die Systematik des § 843 BGB zeigt aber deutlich, dass dies dann Sache der Beklagten ist, während im Rahmen der bloßen Feststellungsklage, wie das Landgericht sie für richtig erachtet, der Kläger regelmäßig den Nachweis führen müsste, dass sein Gesundheitszustand sich nicht verändert hat.

Der Senat hält es auch nicht für angemessen, die Zeitdauer der Rentenzahlung zu begrenzen, z.B. auf den Eintritt des Rentenalters. Auch anschließend besteht weiter die Notwendigkeit der Haushaltsführungstätigkeit, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass die Eheleute oder die Familie sich in gleichem Umfang die Arbeit aufteilt, wie das zuvor der Fall war. Selbst wenn der Kläger in Zukunft weniger leistungsfähig ist, so ist doch davon auszugehen, dass er dann trotzdem mindestens in gleichem Umfang in der Haushaltsführungstätigkeit eingeschränkt ist. Auch kommt keine Begrenzung auf ein Höchstalter von 75 Jahren in Betracht (OLG Koblenz 18.4.16 – 12 U 996/15 -; OLG Düsseldorf 18.9.06 – 1 W 53/06 -; anders allerdings noch OLG Hamm, Urt. v. 23.11.2012 – 9 U 179/11 -; OLG Hamm, Urt. v. 21.02.1994 – 6 U 225/92 – und OLG Celle, Urt. v. 23.06.1983 – 5 U 247/82 -).Angesichts der als allgemein bekannt zu unterstellenden Tatsache, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung und deren Selbständigkeit im Alter fortgehend steigt (entsprechende statistische Nachweise unter anderem: Gräfenstein/Deller, zfs 2014, 69), muss nach der Überzeugung des Senats davon ausgegangen werden, dass die überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Kläger ohne das Schadensereignis wie die weit überwiegende Zahl der Bevölkerung den Haushalt auch nach dem 75. Lebensjahr noch selbständig führen wird. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn ganz konkret in der Person des Klägers Umstände erkennbar wären, die dazu führen würden, die überwiegende Wahrscheinlichkeit dieses Verlaufs in Zweifel zu ziehen. Solche Umstände sind aber weder von der Beklagtenseite vorgetragen worden, noch für den Senat ersichtlich.

Abweichende Entwicklungen sind, wie dargelegt, gemäß § 323 ZPO durch Erhebung einer Abänderungsklage geltend zu machen (zweifelnd allerdings Wenker jurisPR-VerkR 23/2016).

Der Höhe nach bestehen keine Bedenken. Der vom Landgericht und der Berufung zugrunde gelegte Stundensatz liegt unter dem, den der Senat als angemessen ansieht (Mindestlohn, vgl. OLG Frankfurt am Main 18.10.2018 – 22 U 97/16 -). Die Stundenanzahl und die Beeinträchtigung entsprechen den vom Landgericht bestandskräftig festgestellten Beträgen.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713, 544 ZPO. Anhaltspunkte für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

Die Festlegung des Gegenstandswertes für die Berufungsinstanz folgt aus den §§ 9 ZPO, 45 I GKG. Der Senat hat für zukünftige Rentenbeträge einen dreieinhalbfachen Jahresbetrag zugrunde gelegt und dazu die bereits aufgelaufenen Rentenbeträge hinzuaddiert.

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