AG Hoyerswerda – Az.: 1 C 94/19 – Urteil vom 25.03.2021
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 726,06 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.5.2019 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger in Höhe von 153,02 EUR von den Gutachtenkosten des Gutachtens Nr. 120276 des Ing.-Büros für Kfz-Technik Hoyerswerda UG, xx, freizustellen.
3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 148,51 EUR zu zahlen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger 20 % sämtlicher weiterer materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 07.12.2018 zu ersetzen, welcher sich um 12.55 Uhr, in xx ereignete.
5. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
6. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 80 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 20% zu tragen.
7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss: Der Streitwert wird auf 4.895,39 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom 07.12.2018.
Die Beklagte zu 2. war an dem vorgenannten Tag mit dem zum Unfallzeitpunkt von dem Beklagten zu 1. gehaltenen und bei der Beklagten zu 3. haftpflichtversicherten PKW Lexus zwischen xx in Richtung xx unterwegs. In gleicher Richtung fuhren weitere Fahrzeuge, u.a. vor dem Fahrzeug der Beklagten ein Multicar, geführt von dem Zeugen xx. Zwischen xx – einige 100 Meter vor dem Ortseingang xx – befindet sich linksseitig eine Einmündung in Richtung der Gemeinde xx. Der Zeuge xx wollte dort nach links einbiegen. Hierzu fuhr er – in streitig gebliebenen Umfang – relativ langsam. Die Beklagte zu 2. wiederum beabsichtigte zu überholen und ist dafür auf die linke Fahrspur gewechselt. Während des Überholens und gleichzeitigen Linksabbiegens kam es aus Gründen, die zwischen den Parteien im Einzelnen streitig geblieben sind, zu einer Kollision auf der Gegenfahrbahn. Vor der Unfallstelle befand sich am rechten Fahrbahnrand ein Gefahrenstellenschild mit dem Zusatzschild „Linksabbieger“.
Durch den Verkehrsunfall wurden beide Fahrzeuge beschädigt. Am klägerischen Mulitcar entstand ein Schaden in Höhe von 3.608,28 EUR. Darüber hinaus sind durch den Unfall auch pauschale Unkosten in Höhe von 22,00 EUR entstanden. Die an den Sachverständigen abgetretenen Sachverständigenkosten belaufen sich auf 765,11 EUR. Hierauf wurden jeweils noch keine Zahlungen geleistet.
Für die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers in Zusammenhang mit der Schadensregulierung sind zu Lasten des Klägers Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 EUR entstanden, hinsichtlich deren Einzelheiten auf die Aufstellung in der Anlage 7 zur Klageschrift (Bl. 32 d.A.) verwiesen wird.
Der Kläger behauptet, bereits zum Unfallzeitpunkt Eigentümer des beteiligten Multicar gewesen zu sein. An der Unfallstelle sei die Höchstgeschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt gewesen. Vor dem Unfall habe der Fahrer des Multicar ordnungsgemäß Rückschau gehalten, sich zur Mitte der Fahrbahn hin eingeordnet und auch links geblinkt. Im Rahmen der Rückschau habe der Fahrer dann ein Fahrzeug im Überholvorgang wahrgenommen und dieses noch vorbeigelassen. Hierzu habe er den Multicar fast bis zum Stillstand abgebremst. Danach sei die Straße zum Überholen frei gewesen und er habe mit dem Linksabbiegen begonnen. Als er schon fast vollständig auf die Gegenfahrbahn gefahren sei und sich rechtwinklig auf dieser befunden habe, sei es zu der Kollision mit dem auf der Gegenfahrbahn fahrenden Pkw der Beklagten gekommen. Die Beklagte zu 2. habe bei der Unfallaufnahme auch angegeben, das Blinken des klägerischen Fahrzeuges bemerkt zu haben. Der Kläger vertritt die Rechtsauffassung, die Beklagte zu 2. habe den Unfall allein verschuldet. Dieser sei für den Kläger unabwendbar gewesen. Hieraus folge der eingeklagte Schadenersatzanspruch. Darüber hinaus bestehe auch ein Interesse an der Feststellung wegen des Nutzungsausfalls des betrieblich genutzten Multicar.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 3.630,28 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (24.5.2019) zu zahlen.
2. Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger in Höhe von 765,11 € von den Gutachtenkosten des Gutachtens Nr. 120276 des Ing.-Büro für Kfz-Technik xx, in Höhe von 765,11 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.01.2019 freizustellen.
3. Es wird weiterhin beantragt, dem Kläger die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 492,54 € aus 4.395,39 € zu zahlen.
4. Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
5. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger sämtliche weitere materiellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 07.12.2018 zu ersetzen, welcher sich um 12:55 Uhr in xx ereignete.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten bestreiten zunächst die Aktivlegitimation des Klägers mit Nichtwissen. Sie behaupten, es hätten sich drei Personen und damit eine Person zu viel in dem Multicar befunden, was ein mutmaßliches Hindernis beim Fahren und bei der Rückschau dargestellt habe. Vor der Kollision sei zunächst ein großes Fahrzeug vor dem Pkw der Beklagten gefahren, welches aus für die Beklagte zu 2. nicht erkennbaren Gründen erheblich langsamer geworden sei. Der Multicar davor sei für die Beklagte 2. zu diesem Zeitpunkt nicht wahrnehmbar gewesen. Beim Überholen sei der Multicar plötzlich ausgeschert und für die Beklagte zu 1. zu einem Zeitpunkt sichtbar gewesen, als sie sich längst auf der Gegenfahrbahn befunden habe. Die Beklagten machen geltend, der Fahrer des klägerischen Multicar habe den Unfall allein verschuldet. Dieser sei für die Beklagte zu 2. unabwendbar gewesen, insbesondere habe die Beklagte zu 2. nicht bei unklarer Verkehrslage überholt. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestreiten die Beklagten eine entsprechende Rechnungsstellung und Bezahlung. Sie bestreiten im Übrigen auch einen Nutzungsausfall des Fahrzeuges und machen geltend, ein solcher könne ggf. bereits beziffert werden.
Das Gericht hat Beweis erhoben über den Unfallhergang durch Vernehmung der Zeugen xx und xx und xx. Hinsichtlich des Ergebnisses der Zeugenvernehmungen wird auf deren Niederschriften im Protokoll der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Hoyerswerda vom 10.10.2019 (Bl. 128 ff. d. A.) und vom 28.11.2019 (Bl. 140 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Gericht hat darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung auch den Kläger und die Beklagte zu 2. persönlich angehört. Wegen des Ergebnisses der persönlichen Anhörungen wird auf deren Niederschrift im vorgenannten Protokoll der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts Hoyerswerda vom 10.10.2019 verwiesen.
Das Gericht hat die auf Grund des Verkehrsunfalls erwachsene Bußgeldakte, Aktenzeichen 8 OWi 620 Js 8156/19, nebst darin enthaltener Verkehrsunfallanzeige vom 07.12.2018, Vorgangs-Nr.: 9143/18/138311, beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Das Gericht hat im Übrigen Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Im Hinblick auf das Beweisthema wird auf den Beweisbeschluss vom 17.12.2019 (Blatt 173 d.A.), im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen xxxx vom 17.12.2020 (Blatt 194 ff. d.A.) Bezug genommen.
Das Gericht hat letztlich mit Zustimmung beider Parteien durch Beschluss vom 01.03.2021 gemäß § 128 Abs. 2 ZPO das schriftliche Verfahren angeordnet, in dem bis zum 19.03.2021 Schriftsätze eingereicht werden konnten.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang teilweise begründet.
1.
Der Kläger hat einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Schadensersatz aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 VVG in Höhe von 726,06 EUR.
a) Der Kläger ist zunächst gem. § 1006 Abs. 3 BGB aktiv legitimiert. Der Zeuge xxl als unmittelbarer Besitzer hat seinen Besitz an dem an dem Unfall beteiligten Multicar von dem Kläger, seinem damaligen Chef, abgeleitet. Auch mit Blick auf die zur Akte gereichten Unterlagen des Klägers, insbesondere die Mietaufrechnung vom 21.11.2013 (Anlage K10 – Bl. 112 d.A.), ergeben sich dagegen keine Bedenken.
b) Die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Verkehrsunfall hat sich beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges ereignet, wobei das Fahrzeug des Klägers beschädigt wurde; § 7 Abs. 1 StVG. Für diesen Schaden haften gemäß § 7 StVG der Beklagte zu 1. als Halter, die Beklagte zu 2. als Fahrerin gemäß § 18 StVG und die Beklagte zu 3. als Haftpflichtversicherer gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, und zwar untereinander gemäß § 115 Abs. 1 Satz 4 VVG gesamtschuldnerisch.
c) Allerdings haftet auch der Kläger für die Unfallfolgen nach § 7 Abs. 1 StVG, weil sich der Unfall auch bei einem Betrieb seines Fahrzeuges ereignet hat und nicht durch höhere Gewalt im Sinne von § 7 Abs. 2 StVG verursacht wurde.
d) Es handelt sich bei dem Verkehrsunfall auch nicht um ein für die Parteien unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG. Ein unabwendbares Ereignis im Sinne dieser Vorschrift ist gegeben, wenn der Unfall auf dem Verhalten des Verletzten selbst beruht und sowohl der Halter als auch der Fahrer jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt walten lassen. Dies trifft im vorliegenden Falle nicht zu, denn beide Parteien (der Kläger muss sich das Verschulden des Zeugen xx zurechnen lassen) haben den Verkehrsunfall mitverschuldet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter e) verwiesen.
e) Hiernach hängt die Verpflichtung beider Beklagten zum Schadensersatz gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden von den Unfallbeteiligten verursacht worden ist. Im Rahmen dieser Abwägung sind neben unstreitigen und zugestandenen Tatsachen nur bewiesene Umstände zu berücksichtigen, wobei auch die Regeln des Anscheinsbeweises Anwendung finden. Diese Abwägung führt hier zu einer anteiligen Haftung der Unfallbeteiligten für die Folgen des Verkehrsunfalles, und zwar im Verhältnis von 80 % zu 20 % zu Lasten des Klägers.
Zu beurteilen ist ein Unfall beim Linksabbiegen, wobei das überholte Fahrzeug (zum Einbiegen in eine Einmündung) ebenfalls nach links zog. Bei einem Zusammenstoß mit einem Linksabbieger, der lediglich seine zweite Rückschaupflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO verletzt, und einem nachfolgenden Überholer kommt in der Regel eine Schadensteilung in der Regel 1 : 2 zu Lasten des Überholers in Betracht. Verletzt der Linksabbieger seine Pflicht aus § 9 Abs. 1 S. 2 StVO, sich zur Straßenmitte hin einzuordnen, wird er bei einem Zusammenstoß in der Regel eine Mithaftung von mindestens 50 % zu tragen haben. Unterlässt der Linksabbieger entgegen § 9 Abs. 1 S. 1 StVO die rechtzeitige Anzeige einer Abbiegeabsicht, hat er in der Regel die volle Haftung zu tragen. Eine Mithaftung des Überholers in Höhe der normalen Betriebsgefahr kommt jedoch unter Umständen in Betracht. Unterlässt der Linksabbieger das Blinken ganz, ist in der Regel von seiner Alleinhaftung auszugehen. Lässt sich letztlich die Betätigung des Blinkers nicht aufklären, kommt in der Regel eine Schadensteilung in Betracht, wobei den Linksabbieger der höhere Haftungsanteil treffen wird. Nach neuerer Rechtsprechung mancher Oberlandesgerichte soll in solchen Fällen im Grundsatz sogar von der vollen Haftung des Linksabbiegers auszugehen sein. (Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 13. Auflage, A II Nr. 7 Rd.-Nr. 161, 163, vor Rn. 169, 171, 176 jeweils mit weiteren Nachweisen). Im Einzelnen ergibt sich auf dieser Basis im vorliegenden Falle Folgendes:
aa) Es greift zunächst zu Lasten des Klägers ein Anscheinsbeweis ein, und zwar im Hinblick auf die Verletzung der zweiten Rückschau beim Abbiegen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO. Voraussetzung für einen solchen Anscheinsbeweis ist, dass sich unter Berücksichtigung aller unstreitigen und festgestellten Einzelumstände und besonderen Merkmale des Sachverhaltes ein für die zu beweisende Tatsache nach der Lebenserfahrung typischer Geschehensablauf ergibt. Dies ist vorliegend der Fall. Als der Zeuge xx mit dem klägerischen Multicar in der Absicht, in die Einmündung in Richtung xx einzubiegen, nach links zog, kam es zu einer seitlichen Kollision der beiden unfallbeteiligten Fahrzeuge. Es besteht ein Anschein dafür, dass es zu der Kollision auf der Gegenfahrbahn gekommen ist, weil der Zeuge xx dem rückwärtigen Verkehr – hier dem gerade überholenden PKW der Beklagten – nicht die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet hat.
Dass der Zeuge xxl erklärt hat, er habe sich sowohl über den Seitenspiegel als auch durch Schulterblick nach hinten orientiert und zwar Fahrzeuge hinter sich fahrend wahrgenommen, aber nicht auf der Gegenfahrbahn und nicht beim bzw. ohne Anhaltspunkte zum Ausscheren, führt zu keiner anderen Beurteilung, da sich der PKW der Beklagten dann jedenfalls beim Linksabbiegen schon vollständig auf der Überholspur und fast neben dem klägerischen PKW befunden hat. Er war daher bei ausreichender 2. Rückschau unmittelbar vor Beginn des Abbiegens grundsätzlich als überholendes Fahrzeug erkennbar. Die Tatsache, dass beide Fahrzeuge ausweislich des Sachverständigengutachtens (vgl. hierzu im Einzelnen unter bb) seitlich miteinander kollidiert sind, als der Beklagte nach links zog, lässt nur den Schluss zu, dass er sich vor Beginn des unmittelbaren Abbiegevorganges nicht mehr ausreichend nach hinten und zur Seite hin orientiert hat, denn dann hätte er das Überholmanöver der Beklagten zu 2. wahrnehmen können und müssen. Abgesehen davon haben die beiden Zeugen xx die hinter dem Pkw der Beklagten gefahren waren, überzeugend dargelegt, dass sich die Beklagte zu 2. mit dem Pkw Lexus schon längst auf der Überholspur befand, als der Zeuge xx zum unmittelbaren Linksabbiegen ansetzte (vgl. auch hierzu später).
bb) Die Verletzung der Sorgfaltspflichten beim Umschauen vor dem Linksabbiegen seitens des Zeugen xx ist im Übrigen auch durch das Gutachten des Sachverständigen xx und die Aussagen der beiden Zeugen xx nachgewiesen. Unter Berücksichtigung der Aussagen sämtlicher Beteiligter geht das Gericht zunächst davon aus, dass vor der Kollision mehrere Fahrzeuge, u. a. die Unfallbeteiligten, in einer langsam fahrenden Kolonne fuhren, die kurz vor der Kollision noch langsamer wurde. Dabei fuhr die Beklagte zu 2. zunächst nicht direkt hinter dem Multicar des Klägers, sodass dieser für die Beklagte zu 1. zunächst nicht ohne Weiteres wahrnehmbar war. Allerdings geht das Gericht – entgegen der Angaben der Beklagten zu 2. – unter Berücksichtigung der beiden Zeugen xx und der Zeugen xxl und xx davon aus, dass sich die Beklagte zu 2. mit dem Pkw Lexus zuletzt direkt hinter dem Multicar befunden hat, weil das zuletzt noch dazwischen fahrende Fahrzeug kurz vor der Einmündung Richtung xx den Multicar noch überholt hatte. Nach den überzeugenden Aussagen der – nicht unfallbeteiligten und daher nicht persönlich betroffenen – beiden Zeugen xx begann dann die Beklagte zu 2. ihren beabsichtigten Überholvorgang, und zwar nicht durch plötzliche Fahrbewegungen und extremes Beschleunigen, sondern eher gemächlich. Der Zeuge x xx hat geschildert, dass die Beklagte zu 2. zunächst geblinkt hat, dann vollständig auf die Gegenfahrbahn gefahren ist und dann langsam beschleunigt hat, bevor plötzlich der Multicar nach links zog und es zur Kollision kam. Die Zeugin xx hat geschildert, dass die Beklagte zu 2. zunächst geblinkt hat, dann recht langsam ausgeschert ist und es dann während des Vorbeifahrens zu der Kollision gekommen ist.
Dies korrespondiert mit dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige xx hat in seinem überzeugenden Gutachten zunächst die Unfallstelle, die Unfallendstellungen der Fahrzeuge und die Schäden an den Fahrzeugen dargestellt. Er hat sodann den Hergang des Verkehrsunfalles umfänglich analysiert und in diesem Zusammenhang zunächst die relative Kollisionsposition beider Fahrzeuge ermittelt (Abb. 1 auf Seite 26 des Gutachtens, Bl. 219 d.A.). Danach sind die beiden Fahrzeuge in einem Winkel zwischen 30° und 35° miteinander kollidiert. Der Multicar fuhr somit zum Kollisionszeitpunkt bereits schräg in Richtung der ebenfalls schräg verlaufenden Einmündung in Richtung xx. Diese relative Kollisionsposition entsprach angesichts der örtlichen Gegebenheiten dem Fahrkanal des Multicar beim Abbiegen, wie der Sachverständige in der Anlage 6 seines Gutachtens (Bl. 248 d.A.) skizziert hat. Danach befand sich der Multicar zum Kollisionszeitpunkt ausweislich der Anlagen 7.1 und 7.2 zum Gutachten (Bl. 249 f. d.A.) durchaus schon vollständig, aber schräg zu dem geradeaus überholenden Pkw der Beklagten auf der Gegenfahrbahn, als es zur Kollision kam.
Als unzutreffend hat sich die Aussage der Zeugen xx und xx erwiesen, dass der Multicar vor dem Abbiegen zunächst fast stand, denn der Sachverständige hat die Kollisionsgeschwindigkeit des Multicar überzeugend mit 30 bis 33 km/h ermittelt. Ebenfalls hat der Sachverständige die Geschwindigkeit des Pkws Lexus zum Kollisionszeitpunkt ermittelt, nämlich mit 55 bis 60 km/h. Unter Berücksichtigung der Aussage der beiden Zeugen N. hält das Gericht in diesem Zusammenhang die von dem Sachverständigen auf der Simulationszeichnung Anlage 9 (Bl. 260 d.A.) und im Gutachten auf Seite 38 (Bl. 231 d.A.) als möglich dargestellte Annäherung des Pkws Lexus an den Multicar vor der Kollision im Wesentlichen für zutreffend. Zwar konnte der Sachverständige nicht ermitteln, wo genau der Spurwechsel des Pkws Lexus eingeleitet wurde, weil dies im Nachhinein auf objektiver Basis nicht mehr zu rekonstruieren war. Dass der Pkw Lexus nicht erst ganz knapp vor der Kollision zum Überholen nach Links ausgeschert war, sondern sich bereits einen nicht nur unerheblichen Zeitraum auf der Gegenfahrbahn befunden hatte, ist zur Überzeugung des Gerichts allerdings durch die Aussagen der beiden Zeugen xx belegt.
Nach alldem besteht kein Zweifel daran, dass der Zeuge xxl – ausreichende Umschau nach hinten vorausgesetzt – den Pkw der Beklagten vor dem Abbiegen auf der Gegenfahrspur hätte wahrnehmen können. Er hätte in dieser Situation auch den beklagtenseitigen Pkw (wie auch das zuvor überholende Fahrzeug) noch vorbeilassen müssen und in dieser Situation nicht abbiegen dürfen.
cc) Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts auch nicht fest, dass der Beklagte vor dem Abbiegen links geblinkt und sich auch rechtzeitig zur Mitte hin eingeordnet hatte. Zwar hat der Zeuge xx im Rahmen seiner Vernehmung angegeben, rechtzeitig geblinkt und sich auch zur Mitte hin abgesetzt zu haben. Der Zeuge xx hat dies nicht selbst wahrgenommen, hat aber ausgesagt, er habe im Zusammenhang mit dem vorherigen Überholvorgang eines nicht unfallbeteiligten Fahrzeuges den Zeugen xx befragt, ob dieser geblinkt habe, was dieser bejaht habe. Auch dem Kläger gegenüber hatte der Zeuge xx nach dem Unfall, als der Kläger zur Unfallstelle gekommen war, gesagt, er habe geblinkt. Andererseits haben weder die Beklagte zu 2. noch die beiden Zeugen xx ein Blinken des Multicars nach links – trotz ausreichender Sicht – wahrgenommen. Sofern der Zeuge xx ursprünglich den linken Blinker gesetzt hatte, spricht danach nach Dafürhalten des Gerichts eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Blinker im Zusammenhang mit dem nochmaligen Abbremsen und doch nicht Abbiegen wegen eines Überholvorganges eines nicht am Unfall beteiligten Fahrzeuges wieder außer Funktion gegangen ist und nicht wieder eingeschaltet wurde, bevor es dann zur Kollision kam. Jedenfalls ist nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass der Zeuge xxl zum Zeitpunkt des Überholens durch die Beklagte zu 2. noch links geblinkt hat.
dd) Der Beklagten zu 2. fällt dem gegenüber ein Überholen bei unklarer Verkehrslage nicht zur Last. Eine unklare Verkehrslage gem. § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO liegt dann vor, wenn der Überholende unter den konkreten Umständen mit einem ungefährlichen Überholvorgang nicht rechnen darf. Dies ist dann der Fall, wenn sich nicht verlässlich beurteilen lässt, was der Vorausfahrende sogleich tun wird. Dies ist hier nicht nachgewiesen. Zwar ist die Fahrzeugkolonne bereits vor der Kollision längere Zeit auf der Bundesstraße – bei damals ausweislich der beigezogenen Akte noch erlaubten 100 km/h – unüblich langsam gefahren. Darüber hinaus hat sich das Tempo der Kolonne vor der Kollision nochmals erheblich verlangsamt. Daher musste die Beklagte in Betracht ziehen, dass Umstände zu dieser Fahrweise führen, die ein gefahrloses Überholen nicht zulassen, insbesondere musste sie die Möglichkeit des Linksabbiegens in die linksseitig befindliche Einmündung in Betracht ziehen. Allerdings begründet das bloße Fahren mit einer geringeren Geschwindigkeit als erlaubt nicht ohne Weiteres das Bestehen einer unklaren Verkehrslage. Im vorliegenden Falle geht das Gericht unter Zugrundelegung der überzeugenden Aussagen der beiden Zeugen xx davon aus, dass der Multicar vor der Einmündung nach links zwar langsamer wurde, aber sich gerade nicht rechtzeitig nach links abgesetzt hat und ein Blinken nach links auch nicht erkennbar war. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände lag daher zum Zeitpunkt des Beginns des Überholvorganges der Beklagten zu 2. keine unklare Verkehrslage vor, während dessen Vorliegen die Beklagte zu 2. nicht hätte überholen dürfen.
ee) Gleichwohl hat die Beklagte zu 2. den Unfall nach Dafürhalten des Gerichts zu einem – wenn auch geringen – Teil mitverschuldet. Zunächst hat die Beklagte zu 2. das sich vor der Unfallstelle rechtzeitig befindende Verkehrsschild, mit dem vor Gefahrensituationen wegen Linksabbiegern gewarnt wird, nicht beachtet. Ihr Einwand, sie habe dieses Schild nicht sehen können, weil sie ein anderes Fahrzeug überholt hat und die Sicht auf dieses Schild deshalb verdeckt war, ist durch die Aussagen der beiden Zeugen xx sowie xx und xx widerlegt. Danach hat, wie bereits vorstehend dargelegt, dieses andere Fahrzeug, an das sich die Beklagte zu 2. erinnert und das sie meint vor der Kollision überholt zu haben, zuvor den Multicar selbst überholt gehabt. Eine Sichtbehinderung auf das vorhandene Schild gab es somit nicht. Hinzu kommt, dass der Zeuge xx vor der Kollision – als sich die Beklagte zu 2. schon auf der Gegenfahrspur, aber noch hinter dem Multicar befand – wahrgenommen hat, dass der Multicar nach links zieht und im Folgenden auch auf die Gegenfahrbahn fährt. Auch die Beklagte zu 2. hätte dies grundsätzlich wahrnehmen können und in Ansehung des vor Linksabbiegern warnenden Schildes damit rechnen müssen, dass der Multicar nach links in die – baulich recht breit angelegte und daher auch nicht zu übersehende – Einmündung einfahren wird. Sie hätte daher in dieser Situation den Überholvorgang abbrechen müssen. Allerdings ergibt sich aus der persönlichen Anhörung der Beklagten zu 2., dass sie zuvor nicht nur im Hinblick auf das Schild am rechten Straßenrand, sondern auch im Hinblick auf das Fahrverhalten des Multicar nicht ausreichend aufmerksam war, denn sie war davon überrascht, dass dieser – für die Beklagte zu 2. plötzlich – vor ihr auf der Gegenfahrbahn auftauchte.
Nach alldem fällt im vorliegenden Falle dem Kläger nach Dafürhalten des Gerichts hinsichtlich des Verkehrsunfalles ein deutlich höherer Haftungsanteil zu Last, während andererseits die Beklagten ein geringfügiges Mitverschulden am Verkehrsunfall tragen, das zumindest dazu führt, dass die Betriebsgefahr des PKW nicht hinter das überwiegende Verschulden des Zeugen xx, welches sich der Kläger zurechnen lassen muss, zurücktritt.
Bei der gebotenen Gesamtwürdigung hält das Gericht eine Schadensteilung im Umfang von 80 % zu 20 % zu Lasten des Klägers für angemessen.
f) Durch den Verkehrsunfall ist dem Kläger ein Gesamtschaden in Höhe von 3.630,28 EUR entstanden, der der Regulierung zu Grunde zu legen ist. Von diesem Gesamtschaden haben die Beklagten nach den vorstehenden Ausführungen e) 20 % zu tragen. Dies sind 726,06 EUR. Die weitergehende Klage auf Zahlung an den Kläger in der Hauptsache war dem gegenüber – auch mangels weiterer zu Gunsten des Klägers eingreifender Anspruchsgrundlagen – abzuweisen.
2.
Der auf die berechtigte Hauptforderung bezogene Zinsanspruch ist aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB begründet (Prozesszinsen).
3.
Der Kläger hat einen Anspruch gegenüber den Beklagten auf Freistellung von vorgerichtlichen Sachverständigenkosten aus §§ 7 Abs. 1, 17, 18 StVG, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 4 VVG in Höhe von 153,02 EUR.
Unstrittig sind für die vorgerichtliche Begutachtung des Schadens am klägerischen Multicar Sachverständigenkosten in Höhe von 765,11 EUR entstanden. Hinsichtlich dieser Sachverständigenkosten hatte der Kläger ebenfalls unstrittig seinen Schadenersatzanspruch an den Sachverständigen abgetreten. Wegen des dem Grunde nach bestehenden Schadenersatzanspruches wird auf die vorstehenden Ausführungen unter 1. verwiesen, ebenfalls auf die nach dem Verkehrsunfall bestehende Haftung der Beklagten im Umfang von 20 %. In Höhe von 20 % von 765,11 EUR = 153,02 EUR kann der Kläger daher gegenüber dem Beklagten auch die Freistellung von den vorgerichtlichen Sachverständigenkosten mit Erfolg beanspruchen, während die weitergehende Klage auch insoweit abzuweisen war.
4.
Keinen Anspruch hat der Kläger gegenüber den Beklagten auf Zahlung von Zinsen in Bezug auf die vorgerichtlichen Sachverständigenkosten, deren Freistellung er begehrt. Sowohl Verzugszinsen als auch Prozesszinsen setzen voraus, dass eine Geldschuld eingeklagt wird. Im vorliegenden Falle macht der Kläger lediglich Freistellung geltend. Freistellungsansprüche stellen keine Geldschuld i.S.v. § 291 ZPO dar (Palandt-Grüneberg, a.a.O., § 291 Rdnr. 3 sowie § 288 Rdnr. 6). Dass dem Kläger wegen der Nichtzahlung der vorgerichtlichen Sachverständigenkosten durch entsprechende Inanspruchnahme seitens des Sachverständigen zwischenzeitlich ein Verzugsschaden entstanden ist, ist bereits nicht dargelegt.
5.
Darüber hinaus hat der Kläger gegenüber den Beklagten einen Anspruch auf anteilige Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 249 BGB i. V. m. §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1 und 2, 18 StVG, 115 VVG, 13, 14 RVG in Höhe von insgesamt 148,51 EUR.
Zu dem erstattungsfähigen Schaden aus dem Verkehrsunfall gehören auch die hierdurch im Rahmen der Regulierung verursachten Rechtsanwaltskosten; § 249 BGB. Der Anspruch besteht in dem Umfang, in dem der Kläger die Beklagten vorgerichtlich zu Recht auf Schadensersatz in Anspruch genommen hat. Danach ist für die außergerichtlichen Kosten von einem (berechtigten) Gegenstandswert in Höhe von 879,08 EUR auszugehen. Wegen dieser Höhe der berechtigten Schadensersatzforderung wird auf die Ausführungen unter 1. f) und 3. verwiesen. Die danach nicht anrechenbare Geschäftsgebühr zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale und zuzüglich Mehrwertsteuer beträgt im vorliegenden Falle 148,51 EUR, wobei das Gericht vom Ansatz einer (auch unstrittigen) 1,3 Geschäftsgebühr ausgegangen ist.
6.
Auch der Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang unter Berücksichtigung der unter 1. dargelegten Haftungsquote teilweise begründet.
Ist eine Klage auf Leistung (noch) nicht möglich, fehlt der Feststellungsklage in der Regel nicht das erforderliche Feststellungsinteresse. So liegt der Fall hier. Der Kläger hat den durch den Unfall beschädigten Multicar ausweislich der Rechnung (Anlage K 5, Bl. 29 d.A.) nach dem Verkehrsunfall reparieren lassen. Während dieser Zeit konnte er das betrieblich genutzte Fahrzeug nicht innerbetrieblich einsetzen. Es besteht daher durchaus die Möglichkeit, dass der Kläger einen wirtschaftlichen Nutzungsausfall erlitten hat. Der Kläger hat hierzu ein berechtigtes Interesse an der Feststellung auch vorgetragen, da – mit Blick auf den Unfallzeitpunkt durchaus nachvollziehbar – die erforderliche betriebswirtschaftliche Auswertung für den Reparaturzeitpunkt ihm bei Klageerhebung noch nicht vorgelegen haben muss.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits im Verhältnis ihres Obsiegens bzw. Unterliegens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist auf §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO begründet.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 3 ZPO i. V. m. §§ 48 Abs. 1, 43 Abs. 1 GKG. Die Nebenforderungen (Zinsen, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) bleiben für die Streitwertfestsetzung außer Betracht, sodass auf den Gesamtbetrag der eingeklagten Hauptforderung abzustellen war, zzgl. 500 EUR für den Feststellungsantrag.