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Verkehrsunfall zwischen Schnellfahrer und Fahrspurwechsler auf Bundesautobahn

Haftung nach Autobahn-Unfall: Schnellfahrer gegen Spurwechsler

Der Verkehrsunfall auf der Autobahn, bei dem ein Schnellfahrer auf einen Fahrspurwechsler reagierte und dabei gegen Baustellenpfosten und die Mittelleitplanke prallte, führte zu einem Rechtsstreit, in dem der Kläger Schadenersatz und Schmerzensgeld von den Beklagten forderte, die das Manöver ausgelöst hatten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 21 O 359/12 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

  1. Der Kläger und der Beklagte waren in einen Verkehrsunfall verwickelt, bei dem der Kläger aufgrund eines Fahrstreifenwechsels des Beklagten zu Schaden kam.
  2. Das Gericht entschied, dass der Kläger teilweise Anspruch auf Schadenersatz hat, begrenzt auf 30 % der Schäden, da beide Parteien eine erhöhte Betriebsgefahr durch ihr Verhalten schufen.
  3. Die Klage wurde hinsichtlich der vollständigen Schadenersatzforderung und des Schmerzensgeldes nicht vollständig zugestanden.
  4. Es wurde festgestellt, dass der Fahrstreifenwechsel des Beklagten unfallursächlich war und der Kläger keine ausreichende Möglichkeit hatte, den Unfall zu vermeiden.
  5. Das Gericht wies darauf hin, dass ein Fahrstreifenwechsel nur dann erlaubt ist, wenn dadurch keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden.
  6. Die angeforderten Mietwagenkosten und weitere Schadenspositionen des Klägers wurden von den Beklagten bestritten und führten zu weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Fahrstreifenwechsel auf Autobahnen

Autobahnen ermöglichen zügiges Vorankommen und hohe Geschwindigkeiten. Gleichzeitig verlangt der Autobahnverkehr von allen Beteiligten höchste Aufmerksamkeit und umsichtiges Verhalten. Spurwechsel gehören zum Alltag, können aber gefährliche Situationen auslösen, wenn sie unvorsichtig ausgeführt werden.

Besonders kritisch sind Fahrstreifenwechsel bei hoher Geschwindigkeit, da die verbleibenden Reaktionszeiten gering sind. Deshalb dürfen Spurwechsel nur eingeleitet werden, wenn keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu befürchten ist. Zudem müssen Fahrer rechtzeitig blinken und die neue Spur besennen, sobald der Spurwechsel abgeschlossen ist.

➜ Der Fall im Detail


Unfallereignis auf der Bundesautobahn: Schnellfahrer gegen Fahrspurwechsler

Am 23. März 2012 kam es auf einer deutschen Bundesautobahn zu einem Verkehrsunfall, bei dem ein Fahrzeugführer, der einen BMW fuhr, in einen Unfall verwickelt wurde, ohne dass es zu einer direkten Kollision mit einem anderen Fahrzeug kam.

Verkehrsunfall zwischen Schnellfahrer und Fahrspurwechsler auf Autobahn
(Symbolfoto: Gorloff-KV /Shutterstock.com)

Der Unfall ereignete sich auf einem Abschnitt der Autobahn, der aufgrund einer Baustelle eine reduzierte Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h aufwies und eine der Fahrspuren gesperrt war. Der Kläger behauptet, er sei auf der linken Spur gefahren, während der Beklagte, der ein Kia-Fahrzeug führte, den mittleren Fahrstreifen benutzte. Der Vorfall begann, als der Beklagte plötzlich, ohne den Blinker zu setzen, einen Fahrstreifenwechsel nach links einleitete, was den Kläger zu einem Ausweichmanöver und einer scharfen Bremsung veranlasste. Dadurch prallte der Kläger gegen Baustellenpfosten und eine Leitplanke.

Rechtliche Auseinandersetzung und Forderungen

Der Kläger verlangte von den Beklagten, die für das Fahrzeug des Unfallgegners haftpflichtversichert waren, vollen Schadenersatz für die entstandenen Schäden sowie ein angemessenes Schmerzensgeld für erlittene Verletzungen, darunter eine HWS-Distorsion und starke Prellungen. Der materielle Schaden wurde auf insgesamt 6.763,94 € beziffert, inklusive Kosten für ein Ersatzfahrzeug und Sachverständigengebühren. Die Beklagten wiesen die Schuld von sich, indem sie behaupteten, der Kläger sei selbst durch überhöhte Geschwindigkeit und Unachtsamkeit verantwortlich.

Entscheidung des Landgerichts Dortmund

Das Landgericht Dortmund urteilte am 7. Januar 2014 unter dem Aktenzeichen 21 O 359/12. Das Gericht erkannte teilweise die Haftung der Beklagten an, beschränkte jedoch die Höhe des Schadenersatzanspruchs auf 30% der geltend gemachten Schäden. Diese Entscheidung basierte auf der Feststellung, dass beide Parteien durch ihr Fahrverhalten zur Erhöhung der Betriebsgefahr beigetragen hatten. Der Kläger erhielt demnach 2.034,75 € sowie einen Teil der vorgerichtlichen Anwaltskosten, aber das Gericht wies den Großteil der weiteren Forderungen zurück.

Gerichtliche Bewertung des Unfallhergangs

Das Gericht stellte fest, dass der Fahrstreifenwechsel des Beklagten zu einer Gefährdung geführt hatte, was einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung darstellt. Der Beklagte hatte zwar den Wechsel begonnen, diesen jedoch nicht abgeschlossen, was den Kläger zu einer Reaktion zwang. Die Beurteilung des Gerichts hing stark von den Aussagen der Beteiligten und dem eingeholten Sachverständigengutachten ab. Das Gericht berücksichtigte auch, dass der linke Fahrstreifen aufgrund der Baustelle nicht hätte benutzt werden sollen, was ebenfalls zur Klärung der Schuldfrage beitrug.

Kostenverteilung und vorläufige Vollstreckbarkeit

Die Kosten des Rechtsstreits wurden entsprechend der Schuldanteile aufgeteilt, wobei der Kläger 73% und die Beklagten 27% der Kosten zu tragen hatten. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, allerdings unter der Bedingung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages durch den Kläger.

Durch diese Entscheidung wurden die rechtlichen Verpflichtungen und Rechte der beteiligten Parteien klar definiert, wobei das Gericht eine ausgewogene Betrachtung aller Umstände und Beweise vornahm.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Rolle spielt die Geschwindigkeit bei der Beurteilung der Schuld in einem Unfall?

Die Geschwindigkeit spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Schuld und Haftung in Unfallsituationen nach deutschem Recht. Grundsätzlich gilt, dass jeder Verkehrsteilnehmer seine Geschwindigkeit den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen hat (§ 3 Abs. 1 StVO).

Überschreitet ein Unfallbeteiligter die zulässige Höchstgeschwindigkeit oder fährt schneller als es die Umstände erlauben, kann ihm dies als Verschulden angelastet werden. Selbst wenn der Unfall hauptsächlich durch einen anderen Verkehrsteilnehmer verursacht wurde, kann dem zu schnell Fahrenden eine Mithaftung auferlegt werden. Dies gilt insbesondere, wenn die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf Autobahnen deutlich überschritten wurde.

Gerichte gehen davon aus, dass ein Autofahrer, der wesentlich schneller als 130 km/h fährt, kein „Idealfahrer“ ist und damit seinen Sorgfaltspflichten nicht vollumfänglich nachkommt. Um einer Mithaftung zu entgehen, muss der Schnellfahrer nachweisen, dass der Unfall auch bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit unvermeidbar gewesen wäre. Dieser Entlastungsbeweis gelingt in der Praxis jedoch selten.

Die Rechtsprechung berücksichtigt bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile, in welchem Maß die Geschwindigkeit überschritten wurde. Je höher die gefahrene Geschwindigkeit, desto schwerer wiegt der Verstoß und desto wahrscheinlicher ist eine Mithaftung des Schnellfahrers. Denn mit zunehmender Geschwindigkeit sinkt der Handlungsspielraum, um auf unvorhergesehene Verkehrssituationen angemessen zu reagieren.

Insgesamt zeigt sich, dass unangepasste und überhöhte Geschwindigkeit nicht nur ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellt, sondern auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Wer zu schnell fährt, läuft Gefahr, bei einem Unfall in Mithaftung genommen zu werden – selbst wenn der Unfall überwiegend durch einen anderen verursacht wurde.

Was sind die rechtlichen Folgen eines Verkehrsunfalls ohne Fahrzeugkontakt?

Die rechtlichen Folgen eines Verkehrsunfalls ohne direkten Fahrzeugkontakt hängen von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich kann auch bei einem berührungslosen Unfall eine Haftung des Unfallverursachers in Betracht kommen.

Entscheidend ist, ob der Unfall in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Fahrzeugs steht, das den Unfall verursacht hat. Die bloße Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle reicht für eine Haftung nach § 7 StVG nicht aus. Vielmehr muss das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben.

Typische Fälle eines haftungsrelevanten berührungslosen Unfalls sind Ausweichmanöver oder Schreckreaktionen, die durch das Fahrverhalten eines anderen Verkehrsteilnehmers ausgelöst werden. Selbst wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass das Ausweichmanöver objektiv nicht erforderlich war, kann der Verursacher haften, wenn er die Reaktion durch sein Verhalten provoziert hat.

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Bei der Bewertung spielen Aspekte wie die Fahrweise der Beteiligten, insbesondere Verstöße gegen Verkehrsregeln, eine wichtige Rolle. Überhöhte Geschwindigkeit oder riskante Überholmanöver des Verursachers sprechen für dessen Haftung. Andererseits kann auch dem Geschädigten ein Mitverschulden angelastet werden, wenn er selbst zu einem Unfall beigetragen hat, etwa durch eine überzogene Reaktion.

Kommt es zu einem Unfall infolge eines Ausweichmanövers, trägt grundsätzlich derjenige die Beweislast für einen Zurechnungszusammenhang, der Schadensersatzansprüche geltend macht. Allerdings kann auch der Anscheinsbeweis zu seinen Gunsten greifen, wenn ein typischer Geschehensablauf vorliegt.

Insgesamt zeigt sich, dass auch unfallbedingte Schäden ohne direkten Fahrzeugkontakt durchaus ersatzfähig sein können. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls, wobei vor allem das Verhalten der Unfallbeteiligten und der enge Zurechnungszusammenhang zum Betrieb eines der Fahrzeuge eine Rolle spielen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • § 7 I, 18 I StVG (Straßenverkehrsgesetz)
    Regelt die Haftung bei Betrieb eines Kraftfahrzeugs. Im Fall wurden diese Paragraphen herangezogen, um die Grundlage für die Schadenersatzansprüche des Klägers nach einem Verkehrsunfall zu bestimmen, indem die Betriebsgefahr des von den Beklagten geführten Fahrzeugs eine Rolle spielte.
  • § 115 VVG (Versicherungsvertragsgesetz)
    Betrifft die Direktansprüche gegen Versicherer im Schadensfall. Dieser Paragraph ist relevant, weil der Kläger Ansprüche direkt gegen die Haftpflichtversicherung des Unfallgegners geltend machte, welche das Fahrzeug des Beklagten versichert hatte.
  • § 823 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch)
    Stellt die Grundnorm für Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlungen dar. Obwohl im Text nicht explizit genannt, ist dieser Paragraph zentral, da er oft die rechtliche Grundlage für Ansprüche nach Verkehrsunfällen bildet, insbesondere bei Personenschäden.
  • § 249 BGB
    Regelt die Art und Weise der Schadenswiedergutmachung, typischerweise die Wiederherstellung des Zustandes vor dem Schadensereignis. Dies ist insbesondere relevant für die Berechnung des materiellen Schadens am Fahrzeug des Klägers und die Deckung der Kosten durch die Versicherung.
  • StVO, insbesondere § 7 V StVO (Straßenverkehrs-Ordnung)
    Besagt, dass Fahrstreifen nur gewechselt werden dürfen, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies war entscheidend, da der Unfall durch einen Fahrstreifenwechsel des Beklagten eingeleitet wurde.
  • ZPO (Zivilprozessordnung) hinsichtlich vorläufiger Vollstreckbarkeit
    Erläutert die Bedingungen, unter denen ein Urteil vorläufig vollstreckbar ist, inklusive der Sicherheitsleistung. Relevant für die Umsetzung des Urteils und finanzielle Sicherheiten, die vom Kläger zu erbringen waren, bevor die Entscheidung endgültig vollstreckt werden kann.


Das vorliegende Urteil

LG Dortmund – Az.: 21 O 359/12 – Urteil vom 07.01.2014

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.034,75 € (zweitausendvierunddreißig 75/100 Euro) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2012 zu zahlen.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger zum teilweisen Ausgleich der für vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit in dieser Angelegenheit entstandenen Kosten 226,46 € (zweihundertsechsundzwanzig 46/100 Euro) nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2012 zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 73 % und die Beklagten 27 %.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert für Rechtsstreit wird auf 7.513,94 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger verlangt Ersatz des Schadens, der ihm anlässlich eines Verkehrsunfalles entstanden ist, der sich am 23.03.2012 um 7:40 Uhr auf der Autobahn .. in Fahrtrichtung I in Höhe von Kilometer …, … in L, ca. 500 m vor dem L Kreuz, ereignet hat.

Bei dieser Gelegenheit sind das Fahrzeug des Klägers, ein Pkw BMW, amtliches Kennzeichen .-.. …, beschädigt und der Kläger selbst – so behauptet er – verletzt worden.

Der Unfall ereignete sich in einem Streckenabschnitt, auf dem die erlaubte Geschwindigkeit auf 100 km/h beschränkt war. Die Autobahn ist in diesem Bereich mit drei Fahrspuren in Richtung I ausgebaut, allerdings war eine vorausliegende Baustelle angekündigt, innerhalb derer dann die linke Fahrspur gesperrt sein sollte. Dementsprechend war die linke Fahrbahn auf ihrer linken Seite, in Richtung der Mittelleitplanke, bereits mit rot-weißen Baustellenpfosten versehen.

Das Unfallgeschehen entwickelte sich wie folgt, wobei Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind:

Der Kläger benutzte mit seinem Fahrzeug den linken Fahrstreifen, der Beklagte zu 1.) mit seinem Fahrzeug PKW Kia, amtliches Kennzeichen ..-.. …, für das bei der Beklagten zu 2.) die Haftpflichtversicherung bestand, den mittleren Fahrstreifen. In der letzten Phase vor dem Unfallgeschehen fuhr der Kläger mit höherer Geschwindigkeit als der Beklagte zu 1.).

Der Beklagte zu 1.) beabsichtigte, vom mittleren Fahrstreifen auf den linken Fahrstreifen zu wechseln. Er setzte dazu auch konkret an, brach den Spurwechsel dann aber wieder ab. Zwischen den Parteien ist streitig, bis zu welchem Punkt der an sich eingeleitete Fahrstreifenwechsel bereits durchgeführt war.

Jedenfalls führte der Kläger eine Lenkbewegung nach links und eine scharfe Bremsung durch. Dadurch geriet er gegen einen der aufgestellten Baustellenpfosten und anschließend gegen die linksseitig vorhandene Mittelleitplanke. Zu einer Berührung der beiden Fahrzeuge kam es nicht.

Der Kläger behauptet, er sei mit einer Geschwindigkeit von ca. 100 km/h gefahren und der PKW Kia habe sich auf dem mittleren Fahrstreifen nur etwas vor ihm mit einer Geschwindigkeit im Bereich von 90 km/h bis 100 km/h bewegt. Der BMW auf der linken Fahrspur sei dann schon etwa bis zur hälftigen Länge des Fahrzeuges Kia vorgerückt, so dass beide Fahrzeuge sich in einer diagonalen Position zueinander befunden hätten. Plötzlich und unvermittelt sei dann der Kia, sogar ohne vorherige Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers, nach links auf die linke Fahrspur gelenkt worden. Er, der Kläger, sei nach links hin ausgewichen, da sich der PKW Kia schon hälftig auf der linken Fahrspur befunden habe. Ohne ein solches Ausweichen wäre es zur Berührung der Fahrzeuge gekommen. Aufgrund dieses notwendigen Ausweichmanövers sei der BMW dann mit dem Baustellenpfosten kollidiert, woraus sich dann das weitere Unfallgeschehen entwickelt habe.

Der Kläger ist der Ansicht, bei diesem Unfallhergang seien die Beklagten zu vollem Schadensersatz verpflichtet. Für ihn sei das Unfallgeschehen ein unabwendbares Ereignis gewesen.

Der Kläger beziffert seinen materiellen Schaden insgesamt auf 6.763,94 € und macht im Einzelnen folgende Schadenspositionen geltend:

Fahrzeugsachschaden auf Totalschadensbasis 4.300,00 €,

Sachverständigenkosten 703,89 €,

Pauschale 25,00 €,

Kosten für ab- und Anmeldung des Fahrzeuges 75,00 €,

Mietwagenkosten 1.660,05 €.

Betreffend die Mietwagenkosten legt der Kläger die Rechnung der Firma U Autovermietung vom 5.4.2012 über 1.066,05 € vor.

Danach hat er im Zeitraum vom 23.03.2012, 15.30 Uhr, bis zum 5. April 2012,18.00 Uhr, einen Mietwagen in Anspruch genommen und über eine Strecke von 1223 km benutzt. Der Rechnungsbetrag ergibt sich unter Einbeziehung einer „Zusatzgebühr“ für Zustellung/Abholung in Höhe von insgesamt 30,00 EUR netto sowie eines Kostenanteils von 120,00 € für eine Haftungsreduzierung auf 500,00 € Selbstbeteiligung. Der Kläger vertritt die Auffassung, die Inanspruchnahme eines Mietfahrzeuges sei notwendig gewesen und der vereinbarte Preis auch schadensrechtlich gerechtfertigt. Er verweist dazu darauf, dass nach dem Sachverständigengutachten ein Wiederbeschaffungszeitraum von 14 Kalendertagen als erforderlich angesehen worden war und er ein Ersatzfahrzeug auch tatsächlich am 05.04.2012 angemeldet hat, wie die als Anlage K4 zur Klageschrift vorgelegte Zulassungsbescheinigung des Straßenverkehrsamtes der Stadt Essen bestätigt.

Der Kläger behauptet, bei dem Unfall auch verletzt worden zu sein. Er habe eine HWS-Distorsion, starke Prellungen der Brustwirbelsäule und Lumbosakralregion sowie des Beckens erlitten. Im Bereich der Halswirbelsäule seien deutliche paravertebrale Myogelosen aufgetreten.

Er verweist darauf, dass ihm für den Zeitraum vom 07.03.2012 bis zum 09.04.2012 Arbeitsunfähigkeit bescheinigt worden ist. Er behauptet, seine Mobilität sei sogar noch einige Wochen lang nach dem Unfall eingeschränkt gewesen. Während dieser Zeit habe er Sport gar nicht treiben können und auch das Laufen sei nur unter Schmerzen möglich gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die als Anlagen K6 bis K9 zur Klageschrift vorgelegten ärztlichen Unterlagen Bezug genommen.

Der Kläger verlangt auch den Ausgleich der Kosten, die durch die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit in dieser Sache entstanden sind.

Der Kläger beantragt,

· 1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn Schadenersatz i.H.v. 6.763,94 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2012 zu zahlen,

· 2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.05.2012 zu zahlen,

· 3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten i.H.v. 603,93 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2012 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Sie stellen eine Haftung schon dem Grunde nach in Abrede. Sie behaupten, die Absicht des Beklagten zu 1.), die Fahrspur zu wechseln, sei für das Unfallgeschehen gar nicht ursächlich gewesen. Der Beklagte zu 1.) sei mit seinem Fahrzeug auch überhaupt nicht in den linken Fahrstreifen vorgedrungen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass der Kläger durch Unachtsamkeit und deutlich überhöhte Geschwindigkeit in das Stauende gefahren sei und selbst verschuldet die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren habe.

Ohne nähere Darlegung bestreiten die Beklagten eine Wiederbeschaffungsaufwand i.H.v. 4.300,00 €.

Sie bestreiten, dass dem Kläger Ab- und Anmeldungskosten i.H.v. insgesamt 75,00 € entstanden sind.

Hinsichtlich der Mietwagenkosten erheben die Beklagten auch zur Höhe Einwendungen. Der Rechnungsbetrag der Autovermietung Firma U übersteige deutlich den Betrag, der an sich notwendig gewesen sei, um ein Mietfahrzeug für diesen Zeitraum anzumieten.

Die Beklagten bestreiten im übrigen, dass der Kläger bei dem Unfallgeschehen verletzt worden ist. Mit den ärztlichen Unterlagen werde lediglich dokumentiert, von welchem Verletzungsbild die behandelnden Ärzte vorsorglich ausgegangen seien, um die konkreten Therapiemaßnahmen zu bestimmen. Sie reichten allerdings nicht als Grundlage dafür aus, um feststellen zu können, dass die diagnostizierten Verletzungen überhaupt tatsächlich vorgelegen haben.

Ihre Bedenken gegen die Aktivlegitimation des Klägers betreffend die für vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit entstanden Kosten haben die Beklagten fallen gelassen, nachdem der Kläger das Schreiben seiner Rechtsschutzversicherung vom 24.05.2013 als Anlage K 18 seines Schriftsatzes vom 24.05.2013 vorgelegt hat.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Das Gericht hat den Kläger und den Beklagten zu 1.) persönlich angehört.

Wegen ihrer Erklärungen wird auf das Protokoll des Termins vom 04.06.2013 verwiesen.

Es ist Beweis erhoben worden durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

Der Sachverständige T hat sein Gutachten im Termin am 09.12.2013 mündlich erstattet.

Für das Ergebnis des Sachverständigengutachtens wird auf das Protokoll des Termins vom 09.12.2013 sowie auf die schriftlichen Anlagen Bezug genommen, die der Sachverständige vorgelegt hat und anhand derer er sein mündliches Erstattet hat.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Dem Grunde nach besteht ein Anspruch des Klägers, und zwar nach §§ 7 I, 18 I StVG, 115 VVG.

Das Fahrzeug des Klägers ist bei dem Betrieb des bei der Beklagten zu 2.) versicherten und von dem Beklagten zu 1.) in der Unfallsituation geführten und von ihm auch gehaltenen Fahrzeug beschädigt worden. Ferner ist bei dieser Gelegenheit der Kläger auch in seiner Gesundheit verletzt worden.

– I. Zu den unmittelbaren Sachschäden und Folgeschäden der Eigentumsverletzung bezüglich des Fahrzeuges:

– 1. Der Kläger hat insoweit nicht Anspruch auf vollen Ausgleich des Schadens, sondern ist in der Anspruchshöhe beschränkt auf eine Quote von 30 %.

Das ergibt sich aus folgendem:

Für keinen der Unfallbeteiligten war das Unfallgeschehen ein unvermeidbares Ereignis. Im Gegenteil war die eigene Betriebsgefahr durch ein Verschulden der jeweiligen Fahrer erhöht.

Dem Beklagten zu 1.) ist ein Verstoß gegen § 7 V StVO vorzuwerfen. Danach darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.

Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass der Kläger den Fahrstreifenwechsel nicht nur beabsichtigt hatte, sondern diesen Vorgang auch bereits eingeleitet hatte.

Er hat in seiner persönlichen Befragung geschildert, dass er sich zuvor im mittleren Fahrstreifen eher rechts orientiert bewegt hatte. Er habe dann aber den Blinker nach links gesetzt, sich über die Verkehrssituation auf dem linken Fahrstreifen informiert und dann sein Fahrzeug innerhalb des mittleren Fahrstreifen nach links hin gelenkt.

Das geschilderte Fahrmanöver ist der Beginn des Fahrstreifenwechsels. Der Fahrstreifenwechsel beginnt nicht erst, wenn ein Teil des wechselnden Fahrzeuges den Raum in dem Fahrstreifen bereits erreicht hat, der dann angesteuert werden soll. Der Fahrstreifenwechsel umfasst vielmehr den gesamten Vorgang, während dessen sich das Fahrzeug aus der zuvor innerhalb des vorher benutzten Fahrstreifens eingenommenen Position herausbewegt bis zu dem Zeitpunkt, wenn das Fahrzeug in dem dann angesteuerten Fahrstreifen seine endgültige Fahrposition gefunden hat.

Die Querbewegung, die das Fahrzeug des Beklagten zu 1.) nach links in die Richtung des linken Fahrstreifens durchgeführt hat, ist zur Überzeugung des Gerichts auch unfallursächlich gewesen. Eine andere mögliche Ursache für die konkrete Reaktion des Klägers ist nicht erkennbar. Insbesondere kann die Reaktion des Klägers, nämlich zu bremsen und nach links hin zu lenken, nicht durch andere Fahrzeuge auf dem linken Fahrstreifen ausgelöst worden sein. Der Beklagte zu 1.) hat die Gesamtverkehrssituation dahingehend geschildert, dass an sich der linke Fahrstreifen in diesem Bereich schon von Fahrzeugen nicht mehr benutzt wurde, weil die Beschilderung angezeigt hatte, dass dieser Fahrstreifen dann enden würde. Ein „Stau“ auf dem linken Fahrstreifen war damit nicht gegeben.

Die Notreaktion des Klägers war schon dadurch herausgefordert, dass der Beklagte zu 1.) zum Fahrstreifenwechsel angesetzt hat. Für den Kläger war nicht vorhersehbar, ob und wann der Beklagte zu 1.) den Fahrstreifenwechsel doch noch abbrechen würde bzw. in welchem Maße er nicht doch in den linken Fahrstreifen eindringen würde. Angesichts der hohen Geschwindigkeit, mit der der Kläger fuhr, verblieb objektiv ohnehin nicht genügend Zeit für eine Reaktion, mit der ein Unfall zuverlässig vermieden werden konnte. Erst recht nicht wäre es sachgerecht gewesen, das weitere Verhalten des Beklagten zu 1.) zunächst abzuwarten und mit mehr oder weniger unverminderter Geschwindigkeit auf dem linken Fahrstreifen zunächst weiterzufahren, um das weitere Fahrverhalten des Beklagten zu 1.) zu beobachten.

Aber auch der Kläger hat gegen Verkehrsvorschriften verstoßen. Er hat die erlaubte Geschwindigkeit von 100 km/h mehr als deutlich überschritten.

Die Eigenangabe des Klägers, er habe sofort eine Vollbremsung durchgeführt und in diesem Moment, wie ihm ein konkreter Blick auf den Tacho gezeigt habe, eine Geschwindigkeit von 105 km/h gehabt, ist vermutlich bewusst falsch, jedenfalls objektiv unrichtig.

Der Sachverständige T hat in seinem Gutachten die einzelnen Phasen des Geschehens, in denen das Fahrzeug des Klägers außer Kontrolle geraten war, analysiert und die dabei aufgetretenen Verzögerungen im Rahmen einer Rückrechnung berücksichtigt. Er hat ausdrücklich klargestellt, dass dabei die jeweiligen Werte zu Gunsten des Klägers gering angesetzt worden sind. Das entspricht der rechtlichen Situation, dass zu Lasten einer Partei eine Erhöhung der Betriebsgefahr nur im Hinblick auf die Umstände und nur in dem Maß zu Grunde gelegt werden kann, wie solche Umstände unstreitig, zugestanden oder bewiesen sind.

Der Sachverständige hat für die Feststellungen zur Geschwindigkeit einen wesentlichen Anknüpfungspunkt in dem Radius von 150 m gefunden, den die Driftspur, die in der Anlage A 16 dargestellt worden ist, aufgewiesen hat. Nach der überzeugenden Erläuterung des Sachverständigen gibt es einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Radius der Bewegung und der Geschwindigkeit des Fahrzeuges in dieser Phase. Dem Radius von 150 m ist eine Geschwindigkeit von 120 km/h zuzuordnen.

Da die Verzögerung während dieser Driftphase nach der Aussage des Sachverständigen mit 7 m/sec2 zu erfassen ist, würde dies bedeuten, dass das Fahrzeug letztlich mit einer Geschwindigkeit von 90 km/h gegen die Leitplanke geraten ist. Dies, so hat es der Sachverständige erläutert, entspricht auch dem entstandenen Schadensbild, so dass darin eine weitere Bestätigung für die Geschwindigkeit des Fahrzeuges während der Driftphase gesehen werden muss.

Der Sachverständige hat dann die Phasen, die durchlaufen worden sind, bevor das Fahrzeug den Scheitelpunkt des Radius erreicht hatte, im einzelnen dargestellt und bewertet:

Er hat überzeugend begründet, dass der BMW sich zu Beginn der Spurzeichnung mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h bewegt hat, zuvor eine Geschwindigkeit von mindestens 140 km/h aufwies, als er sich am linken Rand des linken Fahrstreifens befand und dass die Ausgangsgeschwindigkeit mindestens 165 km/h betragen haben muss, wenn zuvor noch über einen Zeitraum von auch nur 1 Sekunde eine Verzögerung unter den Bedingungen einer Vollbremsung durchgeführt worden war.

Die letztgenannte Annahme des Sachverständigen ist zutreffend. Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger sofort mit einer Vollbremsung reagiert hat. Denn dies hat er im Rahmen seiner Anhörung selbst geschildert.

Der Sachverständige hat im übrigen, wie es in den Anlagen K 19 und 20 konkretisiert ist, festgestellt, dass insgesamt die Angaben der Beteiligten sich mit einer solchen Ausgangsgeschwindigkeit von ca. 165 km/h gut in Übereinstimmung bringen lassen. Das erhöht die Plausibilität so sehr, dass das Gericht insgesamt von einem solchen Unfallhergang überzeugt ist.

Die Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers ist unfallursächlich gewesen. Der Sachverständige hat sogar ausgeführt und im Rahmen seiner Anlage A 21 konkret dargestellt, dass schon bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 140 km/h eine Möglichkeit zur Unfallvermeidung bestanden hätte und bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 130 km/h schon nur noch eine leichte Angleichungsbremsung angezeigt gewesen wäre.

In der Abwägung hat der Verkehrsverstoß des Klägers das deutliche Übergewicht. Schon das reine Maß der Geschwindigkeitsüberschreitung von hier 65 % gegenüber der erlaubten Geschwindigkeit spricht für sich. Der Kläger durfte auch nicht darauf vertrauen, dass Fahrzeuge, die sich zwischenzeitlich bereits auf dem mittleren Fahrstreifen befunden hatten, nun nicht doch noch ausscheren würden, um für die letzte Teilstrecke, auf der ein dritter, linker Fahrstreifen vorhanden war, diesen zu benutzen. An sich ist die Weiterfahrt auf diesem Fahrstreifen, auch wenn vorangezeigt ist, dass dieser Fahrstreifen enden wird, bis zum Ende hin erlaubt, bevor dann das Reißverschlussverfahren Anwendung zu finden hat (§ 7 IV StVO.

– 2. Hinsichtlich der Höhe des berücksichtigungsfähigen materiellen Schadens gilt das folgende:

a) Der erforderliche Wiederbeschaffungsaufwand betrug 4.300,00 €. Das ist durch das außergerichtliche Schadensgutachten überzeugend belegt. Die Beklagten haben nur in pauschaler Weise diesen Wert bestritten, ohne darzulegen, an welcher Stelle sie die maßgeblichen Bewertungsparameter des Schadensgutachtens angreifen wollen.

b) Die Kosten für das Sachverständigengutachten und die Nebenkostenpauschale sind in ihrer Berechtigung als Schadensposition nicht im Streit.

c) Die vorgelegte Zulassungsbescheinigung für das Ersatzfahrzeug zeigt, dass tatsächlich Abmeldekosten für das Unfallfahrzeug entstanden sein müssen und Anmeldekosten für ein neues Fahrzeug entstanden sind. Das Gericht schätzt die Höhe dieser Kosten und folgt dem Ansatz der Klageschrift. 75,00 € insgesamt erscheint sachgerecht und angemessen.

d) Mietwagenkosten allerdings sind nicht in der Höhe der Rechnung der Autovermietung U in Ansatz zu bringen.

Insoweit ist folgendes auszuführen:

Wenn, wie hier, dem Geschädigten dem Grunde nach ein Anspruch im Hinblick darauf zusteht, dass er wegen der Beschädigung seines Fahrzeuges dieses für einen bestimmten Zeitraum tatsächlich nicht nutzen konnte und sich aus diesem Grunde einen Mietwagen genommen hat, bilden die dem Geschädigten konkret entstandenen Kosten für diese Schadensposition die Obergrenze seines erstattungsfähigen Schadens. Tatsächlich besteht der erstattungsfähige Schaden allerdings nur in Höhe der schadensrechtlich notwendigen Kosten, wenn diese geringer als die tatsächlich angefallenen Kosten waren. Berücksichtigt werden kann nämlich nur, was ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Wenn, wie hier, keine besonderen Umstände gegeben sind, geht es insoweit um die Tatsachenfeststellung dazu, welcher Preis in der konkreten Situation marktüblich war.

Dieser rechtlich ersatzfähige „Normaltarif“ kann nur im Wege einer Schätzung in Ausübung tatrichterlichen Ermessens gemäß § 287 ZPO festgestellt werden.

Die Rechtsprechung insgesamt bedient sich dazu des statistischen Materials, das einerseits vom Frauenhofer Institut in der Reihe „Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland“ (im Folgenden: Fraunhofer-Liste) und andererseits von der Schwacke-Bewertung GmbH & Co. KG in der Reihe „Automietpreisspiegel“ (im Folgenden: Schwacke-Liste) veröffentlicht wird.

Rechtlich falsch ist nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, NJW 2011,1947) eine Schätzung auch dann nicht von vorneherein, wenn sie sich ausschließlich auf das statistische Material der Fraunhofer Liste oder ausschließlich auf das statistische Material der Schwacke Liste stützt.

Bereits in seiner Entscheidung vom 18.05.2010 (NJW-RR 2010,1251, VI ZR 293/08) hat der BGH allerdings ausdrücklich bestätigt, dass die Schätzung auch beide Listen heranziehen und sich dann an dem sich daraus ergebenden arithmetischen Mittel beider Markterhebungen orientieren darf.

Die Kammer erachtet den letztgenannten Weg in ihrer (seit dem Urteil vom 19.07.2010 in dem Verfahren 21 O 489/08) ständigen Rechtsprechung für den am besten geeigneten. Denn die Mittelwertbildung aus zwei halbwegs geeigneten Schätzungsgrundlagen erscheint immer noch deutlich verlässlicher als die alleinige (willkürliche) Heranziehung einer der beiden Schätzungsgrundlagen, wenn nicht zu klären ist, welcher eher der Vorzug gebührt.

Das OLG Hamm hat in der Berufungsentscheidung in der vorgenannten Sache (Urteil vom 20.7.2011, I-13 U 108/10, r+s 2011, 536) diesen Ansatz gebilligt. Andere, davon abweichende Einschätzungen des OLG Hamm liegen, soweit ersichtlich nicht vor.

Auf das arithmetische Mittel der beiden Listen rekurrieren bei der Schätzung der erforderlichen Mietwagenkosten auch das OLG Celle (Urteil vom 29.02.2012, 14 U 49/11, NJW-RR 2012, 802), das OLG Karlsruhe (Urteil vom 11.08.2011, 1 U 27/11, NJW-RR 2012, 26), das OLG Saarbrücken (Urteil vom 22. 12. 2009, 4 U 294/09, NJW-RR 2010, = NZV 2010,242) und (unter ausdrücklicher Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung) in einer neuen Entscheidung der 15. Senat des OLG Köln (Urteil vom 01.08.2013, 15 U 9/12, bei Beck-online unter BeckRS 2013, 15119).

Tabellenwerte

Wegen der Begründungen im Einzelnen dazu, wie in den beiden Listen die Position des konkret maßgeblichen Tabellenwerts zu bestimmen ist, wird auf die vorgenannten Entscheidungen der Kammer und des OLG Hamm Bezug genommen.

Danach gilt im Ergebnis folgendes:

(1) Maßgeblicher Postleitzahlbezirk

Anzuknüpfen ist in der Regel an den Postleitzahlbezirk des Anmietungsortes, nicht etwa des Wohnortes oder des Unfallortes. Für den der Schwacke-Liste zu entnehmenden Wert ist der sich daraus ergebende dreistellige Postleitzahlbezirk maßgeblich, für den der Fraunhofer-Liste zu entnehmenden Wert ist der sich daraus ergebende zweistellige Postleitzahlbezirk im Abschnitt „Ergebnisse nach Schwacke-Klassifikation für den zweistelligen Postleitzahlbereich“ maßgeblich.

(2) Mietdauer

Bei einer Mietdauer

· von einem oder zwei Tagen stellen die Werte des „Arithmetischen Mittels“ der „1-Tagespauschale“ in der Schwacke-Liste und der „Mittelwert“ im Spaltenblock „1 Tag“ in der Fraunhofer-Liste die Ausgangswerte dar,

· von drei, vier fünf oder sechs Tagen stellen die Werte des „Arithmetischen Mittels“ der „3-Tagespauschale“ in der Schwacke-Liste und der „Mittelwert“ im Spaltenblock „3 Tage“ in der Fraunhofer-Liste die Ausgangswerte dar,

· von mehr als 6 Tagen stellen die Werte des „Arithmetischen Mittels“ der „Wochenpauschale“ in der Schwacke-Liste und der „Mittelwert“ im Spaltenblock „7 Tage“ in der Fraunhofer-Liste die Ausgangswerte dar.

(3) Fahrzeugklasse

Maßgeblich ist die Fahrzeugklasse des beschädigten Fahrzeuges (nicht etwa des angemieteten Fahrzeuges).

(4) Nebenkosten

Dann, aber auch nur dann, wenn Nebenleistungen tatsächlich in Anspruch genommen worden sind, sind die entsprechenden Werte des „Arithmetischen Mittels“ aus der „Nebenkostentabelle“ der Schwacke Liste zu entnehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob das betreffende Mietwagenunternehmen Kosten für solche Nebenleistungen in der Rechnung gesondert ausweist oder nicht.

Berechnungsschritte

(1) Der schadensrechtlich notwendige „Mietpreis ohne Nebenleistungen“ bestimmt sich dann wie folgt:

(a) Bei der Anwendung der Tabellen ist von der Gesamtmietdauer auszugehen und daraus dann der jeweilige Tagesmietpreis zu errechnen, also beispielsweise bei einer Mietdauer von 4 Tagen insgesamt der Tagesmietpreis bei einer Anmietung für 3 Tage und nicht etwa der Preis für 3 Miettage zuzüglich des Preises für lediglich einen Miettag (ausdrücklich OLG Hamm a.a.O. m.w.N.). Entsprechend gilt, dass bei einer Mietdauer von einer Woche oder mehr der einheitliche Tagesmietpreis sich als siebter Teil des Wochentarifs errechnet.

(b) Aus den so für die beiden Listen getrennt ermittelten „Tagesmietpreisen“ ist das arithmetische Mittel zu bilden, das den geschätzten marktüblichen Tagesmietpreis bei solcher Mietdauer ergibt. Dieser Wert wird dann mit der Anzahl der tatsächlich berücksichtigungsfähigen Miettage multipliziert.

(2) Anschließend werden die Nebenkosten addiert.

(3) Der sich so errechnete Wert repräsentiert die schadensrechtlich notwendigen Mietwagenkosten einschließlich nicht nur der Umsatzsteuer, sondern auch einschließlich des Kostenanteils für die Einbeziehung der Vollkaskoversicherung. In dem Tabellenwerk für das Jahr 2012 ist auch bei dem statistischen Material der Schwacke-Liste diese Kostenposition in die ausgewiesenen Endpreise eingerechnet (vergleiche Seite 3 des Schwacke-Liste Automietpreisspiegels 2012, „Editorial“, Seite 3).

(4) Aus diesem Wert errechnet sich die Höhe des erstattungsfähigen Schadens dann nach Abzug eines Anteils von 5 % unter dem Gesichtspunkt des Vorteilsausgleiches wegen der während der Mietzeit nicht eingetretenen Abnutzung des eigenen Fahrzeuges.

Schadenshöhe wegen Inanspruchnahme eines Mietwagens hier:

Hier waren aus den Tabellenwerken die Werte mit den folgenden Parametern auszulesen:

Schwacke-Liste Fraunhofer-Liste

Postleitzahlgebiet 453 45

Mietperiode 14 Tage

Fahrzeugklasse Gruppe 6

Aus den abgelesenen Werten von

646,48 € für die Schwacke-Liste

und

278,64 € für die Fraunhofer -Liste

ergeben sich die Tagesmietpreise von

92,35 € für die Schwacke-Liste

und

39,81 € für die Fraunhofer-Liste,

sodass der maßgebliche geschätzte marktübliche Tagesmietpreis 66,08 € betrug.

Für die hier relevante Gesamtmietdauer von 14 Tagen führt dies zu einem „schadensrechtlich notwendigen Mietpreis ohne Nebenkosten i Höhe von 925,12 €.

Als Nebenkosten kommen die Beträge für das Zustellen und Abholen des Mietwagens in Höhe von jeweils 26,18 € hinzu, insgesamt also 52,36 €.

Die schadensrechtlich notwendigen Mietwagenkosten betrugen deshalb im vorliegenden Fall insgesamt 977,48 €.

Unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen ist in Abzug zu bringen ein Anteil von 5 % dieses Betrages, also 48,87 €,

sodass sich der wegen der Inanspruchnahme eines Mietwagens erstattungsfähige Schaden abschließend auf 928,61 € beläuft.

Damit ergibt sich der berücksichtigungsfähigen materiellen Schaden insgesamt mit 6.032,50 EUR, nämlich

Wiederbeschaffungsaufwand 4.300,00 €,

Sachverständigenkosten 703,89 €,

Unkostenpauschale 25,00 €,

Kosten für An-und Abmeldung 75,00 €,

Mietwagenkosten 928,61 €.

Im Hinblick auf den materiellen Schaden beziffert sich der berechtigte Anspruch des Klägers auf einen Anteil von 30 % dieses Betrages, also auf einen Betrag von 1.809,75 €.

– II. Bezüglich des immateriellen Schadens gilt:

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Kläger bei dem Unfall die in den ärztlichen Bescheinigungen genannten Verletzungen, auf die die Therapie eingestellt worden ist, auch tatsächlich erlitten hat. Der Kläger hatte ersichtlich Symptome und Beschwerden beschrieben, die zu solchen Verletzungen „passten“. Auch wenn der Kläger bei der Schilderung seines Verhaltens vor dem Unfall im Rahmen dieses Prozesses (Ausgangsgeschwindigkeit) die Verhältnisse objektiv falsch dargestellt hat, so bestehen doch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, er könne auch gegenüber den Ärzten, die ihn nach dem Unfall untersucht haben, Beschwerden fingiert oder übertrieben stark dargestellt haben.

Ein Maß an Beschwerden, wie sie der Klägers offensichtlich geschildert hat, sind nämlich insgesamt angesichts des Unfallablaufs plausibel. Es hat sich um einen Unfall im Hochgeschwindigkeitsbereich gehandelt. Der Körper des Klägers ist im Zuge des Unfallgeschehens mehrfach erheblichen Geschwindigkeitsänderungen ausgesetzt worden. Immerhin hatte auch der Seitenairbag des Fahrzeuges ausgelöst, und die Belastungen sind aus einer Rotationsbewegung des Fahrzeuges heraus erfolgt.

In Übereinstimmung mit der Einschätzung des Sachverständigen T ist das Gericht davon überzeugt, dass diese Belastungen objektiv durchaus geeignet sind, Verletzungen hervorzurufen. Im Zusammenhang mit den eigenen Angaben des Klägers genügt dies, um dem Gericht die Gewissheit zu vermitteln, dass sich der Kläger bei dem Unfall tatsächlich verletzt hat.

Das dafür von ihm selbst als angemessen erachtete Schmerzensgeld von 750,00 € ist – wenn man den Aspekt einer Eigenmithaftung außer Acht lässt – in dieser Höhe gerechtfertigt. Das hohe Eigenverschulden des Klägers führt dann dazu, dass als angemessener Betrag zum Ausgleich des immateriellen Schadens 30 % von 750,00 €, also 225,00 €, zuzusprechen waren.

Insgesamt war der Klage deshalb – unter Abweisung im übrigen – betreffend die Hauptforderung in Höhe von 2.034,75 € stattzugeben.

Die auf diesen Betrag zugesprochenen Zinsen sind gerechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Verzuges.

Ausgleich der für vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit entstandenen Kosten kann der Kläger als Prozessstandschafter für die seiner Rechtsschutzversicherung als der materiell Berechtigten in der Höhe geltend machen, wie diese Anwaltskosten notwendigerweise entstehen mussten, um den Anspruch in der tatsächlich bestehenden Höhe außergerichtlich zu verfolgen. Maßgeblich ist deshalb ein Streitwert von bis zu 2.500,00 €. Ausgehend von einer einfachen Gebühr von 161,00 € ergibt sich dann bei einem Steigerungssatz von 1,3 für die Geschäftsgebühr und Einbeziehung der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG sowie Hinzurechnen der Umsatzsteuer der insoweit zugesprochene Betrag von 226,46 EUR.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 709 ZPO.

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