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Verkehrsunfall zwischen überholenden Fahrzeug und Inline-Skater auf Wirtschaftsweg

Überholender Autofahrer trifft Inline-Skater: Verkehrsunfallurteil unterstreicht Pflichten der Verkehrsteilnehmer

Der Oberlandesgericht Frankfurt hat in einem kürzlich gefällten Urteil (Az.: 22 U 29/20) entschieden, dass ein Autofahrer, der einen Inline-Skater auf einem Wirtschaftsweg überholt und dabei einen Unfall verursacht, vollständig für den Schaden verantwortlich ist.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 22 U 29/20 >>>

Einleitung und Hintergrund des Falls

In diesem Fall ging es um einen Verkehrsunfall, der sich auf einem für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegebenen, aber durch das Zeichen 260 gesperrten Wirtschaftsweg ereignet hat. Der Inline-Skater, die Klägerin, wurde beim Überholmanöver vom Fahrzeug der Beklagten getroffen. Die Beklagten argumentierten, die Klägerin hätte den Wirtschaftsweg verbotswidrig mit Inline-Skates benutzt und trüge ein Mitverschulden von 30%.

Urteil und seine Auswirkungen

Trotz dieser Argumentation hat das Gericht festgestellt, dass die Berufung der Beklagten offensichtlich unbegründet ist. Sogar wenn die Klägerin den Wirtschaftsweg verbotswidrig benutzt hätte, hätte dies nach Gerichtsmeinung nichts daran geändert, dass der Beklagte in der gegebenen Situation nicht hätte überholen dürfen. Es war nämlich kein ausreichender Platz für ein sicheres Überholmanöver vorhanden.

Zusätzlich hat das Gericht betont, dass das Überholen des Beklagten ohne entsprechende Warnung der anderen Verkehrsteilnehmer ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten darstellt. Sogar wenn ein leichtes Mitverschulden der Klägerin bestanden hätte, würde es in Anbetracht der Schwere des Fehlverhaltens des Beklagten in vollem Umfang zurücktreten.

Relevanz für die Rechtspraxis

Das Urteil macht deutlich, dass Autofahrer beim Überholen von anderen Verkehrsteilnehmern – einschließlich Inline-Skatern – stets die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen treffen müssen, um die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten. Das Gericht hat mit seiner Entscheidung die Bedeutung von Rücksichtnahme und Sicherheit im Straßenverkehr unterstrichen. Es hebt auch hervor, dass bei der Beurteilung von Schuldfragen in solchen Situationen nicht nur die Einhaltung von Verkehrsvorschriften, sondern auch das allgemeine Verhalten der Verkehrsteilnehmer betrachtet wird.


Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt – Az.: 22 U 29/20 – Beschluss vom 15.10.2020

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom … wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass nach einer Teilrücknahme von … die in Ziff. 1 tenorierte Summe von … lediglich … beträgt.

Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Beklagtenseite.

Das angefochtene Urteil wird für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt.

Gründe

I.

Fahrzeug überholt und kollidiert mit Inline-Skater
Unvorsichtiges Überholmanöver trifft Inline-Skater: Urteil unterstreicht die volle Verantwortung des Autofahrers und die Wichtigkeit der Sicherheit im Straßenverkehr. (Symbolfoto: goffkein.pro/Shutterstock.com)

Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall vom … geltend gemacht. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage dem Grunde nach in vollem Umfang stattgegeben und lediglich einige Schadenspositionen nicht anerkannt. Die Beklagten hatten bereits vorgerichtlich ihre Ersatzverpflichtung auf einer Basis von 70 % anerkannt.

Das Landgericht ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Unfall ausschließlich durch den Beklagten zu … verursacht worden ist, weil dieser zu nah an der Klägerin vorbeifuhr und diese deshalb zu Fall brachte. Ein Mitverschulden der Klägerin hat das Landgericht abgelehnt.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten, mit der diese einige Schadenspositionen in Frage stellen und im Übrigen auf einem Mitverschulden der Klägerin i.H.v. 30 % bestehen.

II.

Die Berufung ist offensichtlich unbegründet.

Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Vereinheitlichung der obergerichtlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung.

Der Senat hat bereits ausführlich zur Rechtslage im Hinweisschreiben des Vorsitzenden vom … Stellung genommen. Auf die dortigen Ausführungen wird auch nach nochmaliger Rechtsprüfung in vollem Umfang Bezug genommen.

Die hiergegen von den Beklagten erhobenen Einwendungen greifen in vollem Umfang nicht durch.

Soweit die Beklagten meinen, die Klägerin habe verbotswidrig den Wirtschaftsweg mit Inline-Skatern benutzt, unterliegen sie offensichtlich einem Irrtum. Wie ausgeführt, handelte es sich bei der ehemaligen B 36 um eine Straße, die durch das Zeichen 260 gesperrt, aber für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben war. Aus der Sperre für Kraftfahrzeuge und Motorräder folgt im Umkehrschluss, dass die Fahrbahn für Radfahrer und Fußgänger freigegeben war. Nach der Systematik der Verkehrszeichen betrifft das Verbot immer genau die Fahrzeuge, die entsprechend gekennzeichnet sind. Hätte die Fahrbahn auch für Radfahrer und Fußgänger gesperrt werden sollen, hätten die entsprechenden Zeichen 254 oder 259 aufgestellt werden müssen.

Da, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, gemäß § 24 StVO Inlineskater Fußgängern gleichgestellt sind, war die Fahrbahn selbstverständlich frei für diese zu benutzen.

Für den Senat ist die Argumentation der Beklagten, die Klägerin habe den Wirtschaftsweg schon deshalb nicht benutzen dürfen, weil kein Gehweg vorhanden gewesen sei, nicht nachvollziehbar. § 25 StVO sieht doch gerade vor, dass auch Straßen ohne Gehweg durch Fußgänger benutzt werden dürfen.

Schließlich ist auch unverständlich, wieso die Klägerin verpflichtet gewesen sei, von hinten herannahenden Fahrzeugen das Überholen zu ermöglichen. Es liegen zum einen überhaupt keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin vor dem Überholmanöver den Beklagten zu … und seine Überholabsicht wahrgenommen hatte. Zum anderen ist zunächst einmal der Überholende verpflichtet, so zu überholen, dass eine Gefährdung des überholten Verkehrs durch Einhaltung eines Sicherheitsabstands ausscheidet (§ 5 Abs. 4 StVO). Dass dies vorliegend nicht geschehen ist, ergibt sich eindeutig aus der Beweisaufnahme erster Instanz und auch den Fotografien des Anhängers, der nahezu die gesamte Fahrbahnbreite eingenommen hat.

Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin links hätte fahren müssen. Dass dies vorliegend unzumutbar war, hat das Landgericht in ausführlicher Deutlichkeit herausgearbeitet. Im Übrigen würde dies nichts daran ändern, dass der Beklagte zu … Klägerin auch dann nicht hätte überholen dürfen, weil kein ausreichender Platz vorhanden war.

Das Überholen des Beklagten zu … in der fraglichen Situation ohne entsprechende Warnung der anderen Verkehrsteilnehmer stellt ein so grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Verhalten dar, dass bei einer Abwägung gemäß § 254 BGB selbst ein leichtes Mitverschulden der Klägerin in vollem Umfang zurücktreten würde. Ein solches kann vorliegend aber, wie dargelegt, überhaupt nicht festgestellt werden.

Hinsichtlich der weiteren Schadensersatz- und Schmerzensgeldpositionen kann, da insoweit keine weiteren Einwendungen erhoben worden sind, auf das Hinweisschreiben des Vorsitzenden Bezug genommen werden.

Die Klägerin hat auf den Hinweis die Klage i.H.v. … zurückgenommen. Dem hat die Beklagtenseite zugestimmt, indem sie Kostenantrag gestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97, 92 Abs. 2, 269 ZPO. Die zurückgenommene Zuvielforderung ist so geringfügig, dass eine Kostenverteilung hinsichtlich dieses Betrags nicht in Betracht kommt.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen im Übrigen aus den §§ 708 Nr. 10, 544 ZPO. Anhaltspunkte für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, da eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung nicht vorliegt (§ 543 ZPO).


Die folgenden rechtlichen Bereiche sind u.a. in diesem Urteil relevant

  1. Verkehrsrecht: Das Verkehrsrecht ist das Hauptrechtsgebiet, das in diesem Fall betroffen ist. Es regelt das Verhalten der Verkehrsteilnehmer auf öffentlichen Straßen und Wegen und ist hier besonders relevant, da der Unfall zwischen einem Autofahrer und einem Inline-Skater auf einem öffentlichen Weg stattgefunden hat. Die Entscheidung des Gerichts beruht insbesondere auf dem Verkehrsrecht, da es das Überholverhalten des Autofahrers bewertet und als Hauptursache des Unfalls identifiziert hat.
  2. Schadensersatzrecht (§ 249 BGB): Dieser Bereich des Zivilrechts ist relevant, da der Autofahrer dazu verurteilt wurde, den vollen Schaden zu ersetzen. Nach § 249 BGB ist der Schädiger dazu verpflichtet, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. In diesem Fall bedeutet das, dass der Autofahrer die Kosten für jegliche Schäden (körperlich und materiell) tragen muss, die durch den Unfall verursacht wurden.
  3. Haftungsrecht: In Deutschland basiert die Haftung für Schäden im Straßenverkehr auf der sogenannten „Betriebsgefahr“. Diese ergibt sich aus der allgemeinen Gefahr, die von einem Fahrzeug im Straßenverkehr ausgeht. Im vorliegenden Fall ist das Haftungsrecht relevant, weil das Gericht die Haftung des Autofahrers für den Unfall festgestellt hat.
  4. Mitverschuldensrecht (§ 254 BGB): Dieser Aspekt des deutschen Zivilrechts betrifft die Frage, inwieweit das Opfer eines Unfalls durch eigenes Fehlverhalten zur Entstehung oder Verschlimmerung des Schadens beigetragen hat. Im vorliegenden Fall hat das Gericht ein Mitverschulden der Inline-Skaterin abgelehnt, obwohl sie den Wirtschaftsweg möglicherweise verbotswidrig benutzt hat.
  5. Verkehrszeichenrecht: Hierbei handelt es sich um die Regelungen, die die Bedeutung und Verwendung von Verkehrszeichen bestimmen. Im vorliegenden Fall ist das Verkehrszeichenrecht relevant, da der Wirtschaftsweg, auf dem der Unfall stattfand, durch das Zeichen 260 gesperrt, aber für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben war.
  6. Straßenverkehrsordnung (StVO): Die StVO regelt das Verhalten von Verkehrsteilnehmern auf öffentlichen Straßen und Wegen. Sie enthält unter anderem Vorschriften zum Überholen. Im vorliegenden Fall ist die StVO relevant, da der Autofahrer die Inline-Skaterin überholt hat und das Gericht dieses Verhalten als grob verkehrswidrig und rücksichtslos beurteilt hat.

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