Oberlandesgericht Brandenburg
Az: 12 U 6/07
Urteil vom 27.09.2007
In dem Rechtsstreit hat der 12. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 6. September 2007 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29. November 2006 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichter – des Landgerichts Cottbus, Az.: 3 O 54/06, teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 44.381,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 33.292,14 € seit dem 22. März 2006, aus weiteren 5.689,68 € seit dem 13. Juli 2006 und aus weiteren 5.400,00 € seit dem 11. August 2006 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 20 % jedes Betrages zu erstatten, den sie aufgrund des Verkehrsunfalls vom 10. Januar 2003 auf der BAB … in Höhe des Kilometers 15,0 zwischen S…-Dreieck und C…, Richtung C…, mit den Beteiligten A… S…, …C…, R… K…, …, H… und W… St…, …, B…, als Haftpflichtversicherer der Beteiligten A… S… auf die bei dem Verkehrsunfall vom 10.01.2003 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden des W… St… bzw. der Halterin des von diesem geführten Fahrzeugs (S… GmbH & Co. KG) erbracht hat oder noch zu erbringen verpflichtet ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 60 % und die Beklagte 40 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Jede Partei darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme von 50 % der von ihr geleisteten Schadensersatzzahlungen aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 10.01.2003 gegen 16:00 Uhr auf der BAB … in Höhe von Kilometer 15 in Fahrtrichtung C…, bei dem zunächst der bei der Beklagten versicherte und von R… K… gefahrene Ford Transit ins Schleudern geriet und entgegen der Fahrtrichtung – auf beiden Fahrspuren der BAB teilweise stehend – zum Halten kam. In der Folge hielten der Geschädigte W… St… sowie der Zeuge S… B… jeweils mit ihren Fahrzeugen auf dem rechten Standstreifen. Herr K… verließ den Transporter und begab sich zu dem Fahrzeug des Zeugen B…, der auf gleicher Höhe mit dem Ford Transit gehalten hatte. Dort befand er sich noch, als die Versicherungsnehmerin der Klägerin, Frau A… S…, zwischen dem Ford Transit und dem Fahrzeug des Zeugen B… durchzufahren versuchte, dabei Herrn K… erfasste und danach auf das Fahrzeug des Geschädigten St… prallte. Herr St… wurde schwer verletzt, Herr K… verstarb am Unfallort. Die Parteien streiten über eine der Beklagten anzulastende Mithaftung des Herrn K… hinsichtlich der Kollision des Fahrzeuges der Frau S… mit dem von Herrn St… geführten Pkw, insbesondere über eine Unterbrechung der Zurechnung des ersten Unfalls an dieser Schädigung wie auch über eine Überlagerung der Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Versicherungsnehmers der Beklagten durch die Betriebsgefahr des von Frau S… geführten Fahrzeuges. Weiterhin begehrt die Klägerin die Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Schäden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit am 29.11.2006 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch aus übergegangenem Recht gegen die Beklagte nicht zu. Ein Anspruch des Verletzten St… oder der Halterin des von diesem geführten Fahrzeuges gegen Herrn K… bzw. den Halter des von diesem geführten Fahrzeuges und damit auch gegen die Beklagte bestünde nicht. Das Auffahren der Frau S… auf das Fahrzeug des Herrn St… sei dem ersten Unfall nicht mehr zuzurechnen. Auch trete die Betriebsgefahr des Ford Transit hinter der Betriebsgefahr des von der Versicherungsnehmerin der Klägerin geführten Fahrzeuges zurück. Der zweite Unfall sei schon nicht adäquat auf den ersten Unfall zurückzuführen, da bei vernünftiger Betrachtungsweise nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass ein Fahrzeug durch die Lücke zwischen dem Ford Transit und dem Pkw des Herrn B… gefahren wäre. Hiermit habe auch Herr K…, der sich in der Lücke befunden habe, nicht rechnen müssen. Jedenfalls überwiege das Verschulden der Frau S… derart, dass sowohl die Betriebsgefahr des Ford Transit als auch ein etwaiges Verschulden des Herrn K… gänzlich zurücktreten würden. Nicht kausal geworden sei bereits, dass Herr K… kein Warnblinklicht eingeschaltet und ein Warndreieck nicht aufgestellt habe, da Frau S… in ihrer Darstellung im Strafverfahren angegeben habe, den Unfall, insbesondere den gegen die Fahrtrichtung stehenden Ford Transit bereits 200 m vor der späteren Unfallstelle wahrgenommen zu haben. Wegen der Begründung im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 27.12.2006 zugestellte Urteil mit am 10.01.2007 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit am 27.02.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisantritten. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe zu Unrecht eine Unterbrechung des Kausalzusammenhangs angenommen. Der Fahrer des Ford Transit habe einen Verursachungsbeitrag zu dem Folgeunfall sowohl durch die Verursachung des Unfalls durch Unachtsamkeit bei Glatteis als auch durch das Betreten der Fahrbahn geleistet. Fehlerhaft habe das Landgericht in diesem Zusammenhang den Begriff der Adäquanz verwendet. Auch habe das Landgericht zu Unrecht ein vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr des Fahrzeuges des Herrn K… als auch von dessen Verschulden angenommen. Hierbei habe es insbesondere außer Betracht gelassen, dass nach den Feststellungen des Gutachters im Strafverfahren, die Kollision ihrer Versicherungsnehmerin mit Herrn K… auch für diesen vermeidbar gewesen wäre. Unzutreffend habe das Landgericht zudem die schriftliche Einlassung ihrer Versicherungsnehmerin vom 06.09.2004 im Strafverfahren gewürdigt. Diese habe zwar klargestellt, dass sie das Fahrzeug bereits in einer Entfernung von 200 m wahrgenommen habe, die Einzelheiten habe sie allerdings erst ca. 50 m vorher wahrnehmen können. Insofern sei auch eine Vernehmung der als Zeugin angebotenen Versicherungsnehmerin geboten gewesen. Schließlich habe das Landgericht zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass Herr K… das Warnblinklicht nicht eingeschaltet und ein Warndreieck nicht aufgestellt habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Cottbus vom 29.11.2006, zugestellt am 27.12.2006, die Beklagte zu verurteilen, an sie 110.954,54 € nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 83.230,34 € seit Klagezustellung, aus 14.224,20 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 05.07.2006 und aus 13.500,00 € seit Zustellung des Schriftsatzes vom 07.08.2006 zu zahlen sowie
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr 50 % jedes Betrages zu erstatten, den sie aufgrund des Verkehrsunfalls vom 10.01.2003 auf der BAB … in Höhe des Kilometers 15,0 zwischen S…-Dreieck und C…, Richtung C…, mit den Beteiligten A… S…, …, C…, R… K…, …., H… und W… St…, …, B…, als Haftpflichtversicherer der Beteiligten A… S… auf die bei dem Verkehrsunfall vom 10.01.2003 entstandenen materiellen und immateriellen Schäden des W… St… bzw. der Halterin des von diesem geführten Fahrzeugs (S… GmbH & Co. KG) erbracht hat oder noch zu erbringen verpflichtet ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie ist der Ansicht, der Kausalzusammenhang zwischen dem vorangegangenen Unfall K… und dem Folgeunfall sei unterbrochen. Allein das Fehlen eines Warndreiecks rechtfertige eine andere Beurteilung nicht, zumal das Aufstellen des Warndreiecks Herrn K… nicht zumutbar gewesen sei und schon unklar sei, an welcher Stelle – mitten auf der Autobahn oder auf dem rechten Standstreifen – das Warndreieck hätte aufgestellt werden müssen. Durch die beiden bereits stehenden Fahrzeuge, die das Warnblinklicht angeschaltet hatten, sei die Unfallstelle zudem unschwer als solche erkennbar gewesen. Auch sei es trotz des Unfalles anderen Fahrzeugen möglich gewesen, die Unfallstelle gefahrlos zu passieren bzw. ihre Fahrzeuge zum Halten zu bringen, obwohl sie mit höheren Geschwindigkeiten als die Versicherungsnehmerin der Klägerin gefahren seien.
Die Akten 1620 Js 2032/03 der Staatsanwaltschaft Cottbus lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
II.
1.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Die Klägerin stützt ihr Rechtsmittel unter anderem darauf, das Landgericht habe sowohl zu Unrecht das Fortwirken der von dem verstorbenen Herrn K… gesetzten Unfallursachen für den Folgeunfall verneint als auch trotz des hierin liegenden erheblichen Verschuldens ein Zurücktreten der Betriebsgefahr des von Herrn K… geführten Fahrzeuges angenommen. Die Klägerin rügt damit Rechtsverletzungen im Sinne der §§ 513, 546 ZPO, auf denen das Urteil beruhen kann.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel nur teilweise Erfolg.
Die Klägerin kann von der Beklagten aufgrund des Verkehrsunfalls vom 10.01.2003 aus §§ 17 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG sowie aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 Nr. 1 PflVG, 426 Abs. 2 BGB die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 44.381,82 € verlangen, wobei für das Unfallgeschehen auf die Rechtslage nach Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 mit Wirkung zum 01.08.2002 abzustellen ist, da sich der Unfall nach der Gesetzesänderung ereignet hat.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist die Kollision der Versicherungsnehmerin der Klägerin mit dem Fahrzeug des Herrn St… noch dem Betrieb des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges zuzurechnen. Grundsätzlich ist wegen der hohen Verkehrsgefahr der Betriebsbegriff bei Kraftfahrzeugen weit zu fassen (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 38. Aufl., § 7 StVG, Rn. 4). So ist es dem Betrieb eines liegen gebliebenen Kraftfahrzeuges noch zuzurechnen, wenn ein Insasse aussteigt und die Fahrbahn betritt, etwa um weitere Fahrzeuge anzuhalten und hierbei verunglückt (OLG Frankfurt NZV 2004, S. 262; Hentschel, a.a.O., Rn. 8). Auch soweit durch einen Kfz-Unfall ein Hindernis gebildet wird, durch das ein weiteres an dem ersten Unfall unbeteiligtes Kfz verunglückt, ist dieser Folgeunfall dem Betrieb des am ersten Unfall beteiligten Kfz grundsätzlich zuzurechnen (BGH VersR 2004, S. 529; BGH VersR 1961, S. 330; Geigel-Kunschert, Haftpflichtprozess, 24. Aufl., 25. Kap., Rn. 72). Der Zurechnungszusammenhang ist erst dann unterbrochen, wenn der erste Unfall nur äußerer Anlass für den Folgeunfall gewesen ist, tatsächlich aber ein eigenständiges Verhalten eines Dritten dem Geschehen eine Wendung gibt, die die Wertung erlaubt, das mit dem Erstunfall gesetzte Risiko sei für den Zweitunfall von völlig untergeordneter Bedeutung, eine Haftung des Erstunfallverursachers sei daher nicht gerechtfertigt (BGH VersR 2004, a.a.O.; OLG Karlsruhe NZV 1991, S. 269; Geigel-Kunschert, a.a.O.). Ein haftungsrechtlicher Zusammenhang mit der Betriebsgefahr ist hingegen dann anzunehmen, wenn die durch den Unfall geschaffene Gefahrenlage fortbesteht und hierauf der neue Unfall zurückzuführen ist (OLG Karlsruhe, a.a.O.). Vorliegend ist es zu einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs zwischen den beiden Unfällen nicht gekommen. Die Kollision der Versicherungsnehmerin der Klägerin mit dem Fahrzeug des Geschädigten St… hängt vielmehr untrennbar damit zusammen, dass das Fahrzeug der Versicherungsnehmerin der Klägerin zunächst Herrn K… erfasste. So hat der im Strafverfahren mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragte Dipl.-Ing. Ka… festgestellt, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin den zwischen dem Lkw Ford Transit und dem Pkw des Zeugen B… vorhandenen Zwischenraum hätte durchfahren können, ohne dass es zu einer Kollision mit einem der dort stehenden Fahrzeuge gekommen wäre. Tatsächlich hat die Versicherungsnehmerin der Klägerin auch keines der Fahrzeuge berührt. Weiter hat der Sachverständige festgestellt, dass sie nach dem Durchfahren dieses Zwischenraumes und dem Erfassen des sich dort befindenden Herrn K… nach rechts auf den Standstreifen geraten und dort mit dem Pkw des Herrn St… kollidiert ist. Ohne die Kollision mit Herrn K… wäre es mithin nicht zu einem Abdriften des von Frau Sch… geführten Fahrzeugs und somit auch nicht zu der Kollision mit dem auf der Standspur stehenden Fahrzeug des Herrn St… gekommen. Zugleich ist der Aufenthalt des Herrn K… zwischen dem verunglückten Transporter und dem Fahrzeug des Zeugen B… wiederum dem Betrieb des bei der Beklagten versicherten Fahrzeuges zuzurechnen, da der Aufenthalt und auch das Gespräch zwischen K… und B… das weitere Vorgehen nach dem Unfall betrafen. Auch die weiteren Umstände des Geschehens lassen das durch den Erstunfall gesetzte Risiko gegenüber dem Verhalten der Versicherungsnehmerin der Klägerin nicht von völlig untergeordneter Bedeutung erscheinen, insbesondere ist ein Kausalzusammenhang nicht unter dem Gesichtspunkt der fehlenden Adäquanz zu verneinen. Zwar ist der Versuch der Versicherungsnehmerin, die Unfallstelle mit – nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Ka… – einer Geschwindigkeit von mehr als 70 km/h zwischen dem verunglückten Fahrzeug und einem auf der Standspur mit eingeschalteten Warnblinklicht stehenden Fahrzeug zu passieren, unverständlich. Das Durchfahren der Unfallstelle zwischen den stehenden Fahrzeugen stellt sich gleichwohl (noch) nicht als so unwahrscheinlich dar, dass hierdurch die Annahme einer Unterbrechung des Kausalzusammenhanges gerechtfertigt wäre. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass die für die Unterbrechung des Kausalzusammenhangs darlegungs- und beweispflichtige Beklagte weder den Vortrag der Versicherungsnehmerin der Klägerin widerlegt hat, wegen des weiteren Verkehrs sei ein Wechsel auf die linke Fahrspur nicht möglich gewesen, noch nachgewiesen hat, dass die Versicherungsnehmerin der Klägerin die Unfallstelle schon in einer Entfernung von mehr als den im Strafverfahren eingeräumten 200 Metern wahrgenommen hat, die nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. Ka… nicht ausgereicht hätte, dass Fahrzeug vor der Unfallstelle – vollständig – zum Halten zu bringen.
Die Klägerin kann von der Beklagten Erstattung von 20 % der von ihr ausgeglichenen Schäden des Verletzten St… bzw. der Halterin des von diesem geführten Fahrzeuges verlangen. Beide Parteien tragen keine Tatsachen vor, aus denen sich das Vorliegen eines unabwendbaren Ereignisses im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG ergeben könnte, sodass eine Abwägung der Verursachungsbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmen war. Bei der Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensanteile der Fahrer der beteiligten Fahrzeuge sind unter Berücksichtigung der von beiden Fahrzeugen ausgehenden Betriebsgefahr nur unstreitige bzw. zugestandene oder bewiesene Umstände zu berücksichtigen (vgl. KG NZV 1999, S. 512 m.w.N.; NZV 2003, S. 291). Jeder Beteiligte hat dabei die Umstände nachzuweisen, die der anderen Seite zum Verschulden gereichen und aus denen er für die nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmende Abwägung für sich günstige Rechtsfolgen herleiten will (BGH NZV 1996, S. 231).
Auf Seiten des Versicherungsnehmers der Beklagten ist dabei zunächst ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1 StVO zu berücksichtigen. Gerät ein Fahrzeug auf eis- oder schneeglatter Straße ins Schleudern und verunfallt, so spricht der Beweis der ersten Anscheins dafür, dass es mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist (BGH VersR 1963, S. 585; OLG Hamm NZV 1998, S. 115; Hentschel, a.a.O., § 3 StVO, Rn. 66 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Die Beklagte hat eingeräumt, dass das Fahrzeug ihres Versicherungsnehmer an einer glatten Stelle ins Rutschen geraten ist. Ihr weiterer Vortrag, die Stelle sei nicht ohne weiteres als glatt erkennbar gewesen, wird hingegen bereits durch die von den unfallaufnehmenden Polizeibeamten gefertigten Lichtbilder widerlegt, auf denen die Schleuderspur des Transporters erkennbar ist, die zugleich verdeutlicht, dass schon im Unfallzeitpunkt Fahrbahnverhältnisse herrschten, bei denen mit Glätte zu rechnen war. Ferner war zu Lasten der Beklagten eine Erhöhung der Betriebsgefahr deshalb zu berücksichtigen, weil sich ihr Versicherungsnehmer nach dem Unfall weiter im Fahrbahnbereich aufgehalten hat. Ein Verstoß des Versicherungsnehmers der Beklagten gegen § 18 Abs. 9 StVO ist hingegen nicht gegeben. Zwar ist es Fußgängern verboten sich auf die Autobahn zu begeben, in Ausnahmefällen – etwa nach einem Unfall – ist unter Beachtung der gebotenen Vorsicht das Betreten der Fahrbahn oder der Standspur allerdings zulässig (vgl. Hentschel, a.a.O., § 18 StVO, Rn. 27). Vorliegend stand das Verhalten des Herrn K… noch in Zusammenhang mit den nach dem Unfall erforderlichen Maßnahmen, so diente das Gespräch mit dem Zeugen B… – nach dessen Ende es unmittelbar zu dem Unfall kam – der Klärung der Frage, ob die Polizei bereits unterrichtet war. Der Versicherungsnehmer der Beklagten ist daher einem Fußgänger, der sich verbotenerweise auf der Autobahn aufhält, nicht gleichzustellen.
Auch ein Verstoß des Versicherungsnehmers der Beklagten gegen § 15 StVO ist im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge nicht zu berücksichtigen. Zwar war an dem Ford Transit entgegen § 15 Satz 1 StVO das Warnblinklicht nicht eingeschaltet. Auch spricht in einem solchen Fall der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die unzureichende Absicherung für den Unfall kausal geworden ist (BGH VersR 1971, a.a.O.; OLG Düsseldorf DAR 1977, S. 186). Der Anscheinsbeweis ist vorliegend jedoch durch die übrigen unstreitigen Umstände erschüttert. Da nämlich an dem auf gleicher Höhe mit dem Transporter stehenden Fahrzeug des Zeugen B… das Warnblinklicht eingeschaltet war und zudem der Transporter mit eingeschaltetem Licht entgegen der Fahrtrichtung stand, war das Vorhandensein einer Unfallstelle für den sich nähernden Verkehr in gleicher Weise erkennbar, wie bei zusätzlichem Einschalten des Warnblinklichts des Transporters. Dies hat letztlich auch die Versicherungsnehmerin der Klägerin in ihrer schriftlichen Erklärung im Strafverfahren durch ihre Angabe bestätigt, bereits ca. 200 m vor der Unfallstelle den entgegen der Fahrtrichtung stehenden Transporter als Hindernis wahrgenommen zu haben. Auch ein Verstoß gegen § 15 Satz 2 StVO ist dem Versicherungsnehmer der Beklagten nicht anzulasten. Auch wenn ein Warndreieck so untergebracht werden muss, dass es bei Bedarf sofort gefunden und benutzt werden kann (Hentschel, a.a.O., § 53 a StVZO, Rn. 3), ist zu berücksichtigen, dass der Fahrer seinen Gurt lösen und das Fahrzeug verlassen muss, ferner muss er das Warndreieck hervorholen, der Verpackung entnehmen, aufklappen und in einer Entfernung von 100 m vor der Unfallstelle aufstellen. Es lässt sich nicht feststellen, dass dies von Herrn K… in der seit dem ersten Unfall verstrichenen Zeit bis zum Eintreffen der Versicherungsnehmerin der Klägerin zu bewältigen war.
Auf Seiten der Klägerin ist demgegenüber ein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 S. 4 StVO zu berücksichtigen. Auch auf Autobahnen muss mit plötzlichen Hindernissen gerechnet werden, sodass mit entsprechend angepasster Geschwindigkeit zu fahren ist (OLG Braunschweig NZV 2002, S. 176; Hentschel, a.a.O., § 3 StVO, Rn. 27). Hiergegen hat die Versicherungsnehmerin der Klägerin verstoßen. Sie hätte lediglich mit einer Geschwindigkeit fahren dürfen, die es ihr ermöglicht hätte, rechtzeitig vor dem gut wahrnehmbaren Hindernis, das der beleuchtete und entgegen der Fahrtrichtung auf der Autobahn stehende Ford Transit darstellte, anzuhalten. Unerheblich ist insoweit, ob die Versicherungsnehmerin der Klägerin nach links hätte ausweichen können bzw. in welcher Entfernung sie das Hindernis tatsächlich als solches erkannte. Ebensowenig kommt es darauf an, ob das Fahrzeug der Versicherungsnehmerin der Klägerin auf einen eingeleiteten Bremsvorgang nicht mehr reagierte. Da der Sachverständige Dipl.-Ing. Ka… einen technischen Defekt am Fahrzeug der Versicherungsnehmerin der Klägerin nicht feststellen konnte, kommen als Ursache des behaupteten Bremsversagens lediglich die Witterungsverhältnisse in Betracht, die aber von der Versicherungsnehmerin der Klägerin ebenso bei der Wahl der Geschwindigkeit zu berücksichtigen waren wie vom Versicherungsnehmer der Beklagten.
Im Ergebnis der Abwägung der Verursachungsbeiträge sieht der Senat ein ganz deutliches Überwiegen auf der Seite der Versicherungsnehmerin der Klägerin, deren Durchfahren der weithin sichtbaren Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von über 70 km/h unverständlich ist, gleichwohl ist es angesichts des vorwerfbaren Geschwindigkeitsverstoßes des Versicherungsnehmers der Beklagten wie auch aufgrund der Gefährlichkeit des weiteren Aufenthaltes des Versicherungsnehmers der Beklagten auf der Fahrbahn nicht gerechtfertigt, eine alleinige Haftung der Klägerseite anzunehmen.
Unstreitig hat die Klägerin bislang Schadensersatzzahlungen von 221.909,10 € erbracht. Der von der Beklagten auszugleichende 20%ige Anteil beträgt mithin 44.381,82 €.
Aus den vorgenannten Gründen besteht ein weitergehender Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, 253 BGB, 3 Abs. 1 StVO, 3 Nr. 1 PflVG, 426 Abs. 2 BGB nicht.
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz kann die Klägerin aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB verlangen. Ein höherer Zinssatz ist von der Beklagten nicht geschuldet. Bei den Ansprüchen der Klägerin handelt es sich nicht um eine rechtsgeschäftliche Forderung im Sinne von § 288 Abs. 2 BGB.
Schließlich ist auch der Feststellungsantrag der Klägerin betreffend eine Ersatzpflicht der Beklagten bezüglich 20 % der von der Klägerin über den bezifferten Betrag hinaus auszugleichenden Schäden des Herrn St… bzw. der Halterin des von diesem geführten Fahrzeuges begründet. Vorliegend besteht eine nicht ganz entfernt liegende Möglichkeit eines weiteren Schadens, da der Verletzte St… ganz erhebliche Dauerschäden erlitten hat, aufgrund derer – ausweislich der eingereichten Schadensbelege – Rentenzahlungen an den Geschädigten geleistet werden.
3.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 S. 1, 2 ZPO.
Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchstgerichtlichen oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 130.954,54 € festgesetzt, § 47 Abs. 1 GKG Zahlungsantrag: 110.954,54 €; Feststellungsantrag: 20.000,00 €).
Wert der Beschwer für die Klägerin: 78.572,72 €; Wert der Beschwer für die Beklagte: 52.381,82 €.