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Verkehrunfall auf schneebedeckter Strasse – Haftungsquoten

Oberlandesgericht München

Az: 10 U 1701/07

Urteil vom 16.05.2008


In dem Rechtsstreit wegen Schadensersatzes erlässt der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16.05.2008 folgendes Endurteil:

1. Auf die Berufung des Klägers vom 16.01.2007 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 03.01.2007 (Az. 6 O 2157/05) in Nr. I. – IM. abgeändert und insoweit wie folgt neu gefaßt:

I. Die Beklagten werden verurteilt, an den Kläger samtverbindlich 39.353,91 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.05.2005 sowie weitere 596,30 EUR zu bezahlen.

II. Die Drittwiderklage wird abgewiesen.

III. Von den Gerichtskosten tragen die Beklagten samtverbindlich 86% und die Beklagte zu 1) darüber hinaus weitere 14%. Die Beklagten tragen samtverbindlich die außergerichtlichen Kosten des Klägers. Die Beklagte zu 1) trägt die außergerichtlichen Kosten des Drittwiderbeklagten. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

2. Die Anschlussberufung der Beklagten vom 12.02.2007 wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.
Der Kläger macht gegen die Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 21.02.2005 gegen 09.20 Uhr auf der B 15 im Bereich des Gewerbegebietes von S. bei R. in Höhe der Firma M. L, ereignete. Die Temperatur betrug um 0° Celsius, die Fahrbahn war jedenfalls teilweise schneebedeckt. Die Beklagte zu 1) fuhr mit dem bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw Opel Astra, amtl. Kennzeichen …57 Richtung R.. Der vormalige, am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligte Drittwiderbeklagte W. fuhr mit dem mit Molkekonzentrat beladenen, ca. 37 to schweren Sattelzug des Klägers, bestehend aus Zugmaschine Scania und Sattelauflieger, amtl. österreichische Kennzeichen …30 und …3, in der Gegenrichtung nach W./l. zum Entladen. Kurz nach einer leichten Rechtskurve – aus Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) gesehen – kam es aus zwischen den Parteien streitiger Ursache zur Kollision, wobei der Opel mit der Beifahrerseite gegen die Front der Zugmaschine stieß. Beide Fahrzeuge kamen von der Fahrbahn ab, die Beklagte zu 1) erlitt Kopfverletzungen, welche einen reversiblen Verlust der Erinnerungsfähigkeit an das Unfallgeschehen zur Folge hatten. Dem Kläger entstand Schaden und zwar am Lkw Sachschaden in Höhe von 36.630,02 EUR, Bergungs- und weitere Abschleppkosten in Höhe von 1.614,72 EUR und 472,50 EUR, Standgebühren für zwei Tage Standzeit beim Abschleppunternehmen (30,- EUR), Sachverständigenkosten in Höhe von 569,67 EUR und Kosten für Akteneinsicht in Höhe von 12,- EUR. Mit der Klage begehrt der Kläger weiter eine Unkostenpauschale von 25,- EUR sowie nicht anrechenbare vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 596,30 EUR, wozu die Beklagten aber einwenden, dass diese gegenüber dem Kläger nicht abgerechnet worden seien.

Der Kläger trägt vor, die Beklagte zu 1) sei ins Schleudern und auf die Gegenfahrbahn geraten, der Fahrer des klägerischen Gespanns habe trotz Bremsung und Ausweichens so weit wie möglich nach rechts eine Kollision nicht mehr vermeiden können, durch den Aufprall sei die Zugmaschine nochmals nach rechts versetzt worden und über das unbefestigte Bankett von der Fahrbahn abgekommen.

Die Beklagten haben zunächst vorgetragen, wegen starker Schneeverwehungen sei die Fahrbahn durch Winddrift deutlich schneebedeckt gewesen, die Beklagte zu 1) sei höchstens 40 km/h gefahren und der Lkw sei immer weiter über die Fahrbahnmitte auf die Beklagte zu 1) zugefahren; kurz vor einem Frontalzusammenstoß sei die Beklagte zu 1) auf die Fahrbahnseite des Lkw gezogen, sie habe das Steuer nach links gerissen und dabei sei der Opel von der Straße abgekommen. Der Beklagten zu 1) sei zuzubilligen gewesen, ihre Fahrbahnseite zu verlassen. Sodann haben die Beklagten vorgetragen, die Fahrbahn der Beklagten zu 1) sei durch den Lkw versperrt gewesen und als dieser es nicht schaffte, wieder auf seine Fahrbahnseite zu lenken, habe die Beklagte zu 1) versucht, links auszuweichen. Vor dem Landgericht Traunstein im Termin vom 25.01.2006 (Sitzungsniederschrift S. 2/3 = Bl. 53/54 d.A.) gab die Beklagte zu 1) unter anderem an, dass der Lkw in der Fahrbahnmitte fuhr und sie nicht nach rechts auswich, weil sie den Eindruck hatte, dass es dann zur Kollision gekommen wäre, weshalb sie auch nicht angehalten habe.

Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 03.01.2007 (Bl. 117/124 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht Traunstein hat nach Beiziehung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Traunstein 450 JS 8814/05, in welcher sich insbesondere sechs bei der Unfallaufnahme von der PI R. gefertigte Fotos (Bl. 8/10 der beigezogenen Akten) befinden, Anhörung der Beklagten zu 1) und des vormaligen Drittwiderbeklagten, Erholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens von Dipl.-Ing. W., eines ergänzenden Gutachtens und der Anhörung des Sachverständigen im Termin vom 13.08.2006 (Bl. 63/71, 83/86, 94/97 d.A.) auf der Grundlage einer Haftungsverteilung von 50% zu 50% die Beklagten verurteilt, an den Kläger 19.676,95 EUR nebst Zinsen sowie Anwaltskosten in Höhe von 429,90 EUR zu zahlen und im Übrigen die Klage sowie die isolierte Drittwiderklage abgewiesen. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses dem Kläger am 09.01.2007 zugestellte Urteil hat dieser mit einem beim Oberlandesgericht am 17.01.2007 eingegangenen Schriftsatz vom 16.01.2007 Berufung eingelegt (Bl. 127/128 d.A.) und diese mit einem beim Oberlandesgericht am 05.03.2007 eingegangenen Schriftsatz (Bl. 132/135 d.A.) begründet.

Die Beklagten haben gegen das ihnen am 11.01.2007 zugestellte Urteil mit einem beim Oberlandesgericht am 12.02.2007 eingegangenen Schriftsatz Anschlussberufung eingelegt und diese mit beim Oberlandesgericht am 10.04.2007 eingegangenem Schriftsatz begründet (Bl. 138/143 d.A.).

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Antrag erster Instanz zu erkennen und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen und auf die Anschlussberufung der Beklagten die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Senat hat gemäß Beweisanordnung vom 10.05.2007 (Bl. 147/151 d.A.) Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Wa., durch Erholung eines ergänzenden Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. W. und durch persönliche Anhörung der Beklagten zu 1) im Termin vom 06.07.2007.

Weiter hat der Senat Beweis erhoben gem. § 412 ZPO durch Erholung eines neuen Sachverständigengutachtens von Dipl.-Ing. K. gem. Beweisbeschluss vom 06.07.2007 (Bl. 168/170 d.A.) und durch mündliche Anhörung der Sachverständigen im Termin vom 16.05.2008.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 06.07.2007 (Bl. 158/166 d.A.) nebst Anlagen, vom 16.05.2008 (Bl. 252/259 d.A.) sowie auf das schriftliche Gutachten vom 30.01.2008 (Bl. 182/230) nebst Anlagen verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgenannten Berufungsbegründungsschriften, die weiteren im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze des Klägers vom 04.05.2007, 28.06.2007 (Bl. 144/146 sowie Bl. 157 d.A.), 13.02.2008 (Bl. 233/234 d.A.), 07.04.2008 (248/249 d.A.), 05.05.2008 (Bl. 250/251 d.A.) und der Beklagten vom 21.06.2007 (Bl. 154/156 d.A.), vom 26.03.2008 (Bl. 237/239 d.A.) sowie die Sitzungsniederschriften vom 06.07.2007 (Bl. 158/166 d.A.) und vom 16.05.2008 (Bl. 252/259 d.A.) Bezug genommen. In der Sitzung vom 16.05.2008 hat die Sachverständige – insoweit nicht protokolliert – noch angegeben, dass ein Bremsversuch mit dem konkreten Sattelzug bei den zum Unfallzeitpunkt gegebenen Bedingungen keine höhere Verzögerung als 3 – 4 m/sek. 2, sondern allenfalls eine geringere Verzögerung erwarten ließe.

B.

Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Klagepartei hat in der Sache vollumfänglich Erfolg, hingegen war die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen.

I. Das Landgericht ist nach Auffassung des Senats zu Unrecht von einer Mithaftung der Klagepartei ausgegangen.

Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der bei dem verfahrensgegenständlichen Unfall entstandenen Schäden ergibt sich aus §§ 823 I BGB, 7 I, 17 I, II StVG, 3 Nr. 1 PflVersG a.F.

1. Der Senat ist auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme, der Angaben des Zeugen Wa. in Verbindung mit dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens von Dipl.-Ing. K. mit der im Rahmen von § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass es zum Unfall kam, weil die Beklagte zu 1) infolge eines Fahrfehlers in der leichten Rechtskurve die Beherrschung über ihr Fahrzeug verlor, ins Schleudern kam und auf die Gegenfahrbahn geriet, wo der Opel nahezu querstehend zur Fahrbahn im Bereich des rechten Vorderrades des Opel links der Frontmitte der Sattelzugmaschine in einem Kollisionswinkel von 70° – 80° kollidierte und der Lkw zum Kollisionszeitpunkt und auch vorher vollständig auf seiner Fahrbahnhälfte war und durch eine leichte Ausweichlenkung nach rechts sowie eine Bremsung versuchte, eine Kollision zu vermeiden.

Nach § 286 I ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine – ohnehin nicht erreichbare (vgl. RGZ 15, 339) – absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grdl. BGHZ 53, 245 [256] = NJW 1970, 946, stRspr., insbesondere NJW 1992, 39 [40]“ und zuletzt NJW 2004, 777 [778]; Senat, Urt. v. 27.01.2006 – 10 U 4904/05 = NZV 2006, 261; v. 28.07.2006 – 10 U 1684/06 [Juris]; v. 22.02.2008 – 10 U 4455/07).

Der Senat folgt dem Ergebnis der Sachverständigen Dipl.-Ing K., deren Sachkunde dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist und deren Sachkunde auch von den Parteien nicht in Zweifel gezogen wurde. Das Gutachten ist logisch aufgebaut, in sich schlüssig und nachvollziehbar, was der Senat, der als Spezialsenat für Verkehrsunfallsachen ständig mit Verkehrsunfällen aller Art und der Würdigung unfallanalytischer Gutachten befasst ist, hinreichend beurteilen kann. Das Gutachten der Sachverständigen wurde insbesondere erholt, weil das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. W. ungenügend war, nachdem dieser nicht die Unfallstelle besichtigte und demzufolge auch nicht vermessen hat, sondern an einer anderen Örtlichkeit zugegen war. Darüber hinaus hat die Sachverständige auf Grund ihrer Sachkunde aus den bei der Unfallaufnahme gefertigten Fotos und den Fahrzeugschäden weitere Anknüpfungstatsachen entnehmen können, welche eine weit genauere Einordnung des Kollisionsortes und des Kollisionswinkels ermöglichten, als dies auf Grund des in erster Instanz erholten Sachverständigengutachtens der Fall war. Hinsichtlich der Einwendungen der Beklagten (Schriftsatz vom 26.03.2008 (Bl. 237/239 d.A.) hat die Sachverständige im Rahmen ihrer mündlichen Anhörung im Termin vom 16.05.2008 überzeugend ausgeführt, dass zum einen die Auslösung der Airbags auf die Kollisionsstellung ohne Einfluß war und zum anderen die unterbliebene Auslösung des Beifahrerairbags auf die schweren Beschädigungen beim Erstanstoß zurückzuführen sein kann und aus dem Schadengutachten Wi. (Anlage zu Bl. 50 d.A.) und den vorhandenen Bildern über die Beschädigungen am Pkw Opel nicht zu ersehen war, ob die Seitenairbags rechts ausgelöst hatten. Weiter hat die Sachverständige dargelegt, dass die Beschädigungen an den Fahrzeugen, soweit für die Kollisionsanalyse relevant, berücksichtigt wurden (Protokoll v. 16.05. 2008 S. 3, 4 = Bl. 254/255 d.A.) und es ist nachvollziehbar, dass es angesichts der massiven Verformungen an Karosserieteilen (Gutachten S. 13 = Bl. 195 d.A.) für die Kollisionsanalyse irrelevant war, dass beispielsweise Teile der (Plastik-)Innenverkleidung an den stak verformten und nach innen gedrückten Karosserieteilen gebrochen waren.

a) Die Straßenbreite an der Unfallstelle wurde von der Sachverständigen K. nachgemessen und beträgt von den Innenkanten der Fahrbahnbegrenzungslinien gemessen 6,99 m, die Breite der Fahrbahnhälfte in Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) 3,50 – 3,60 m (Gutachten S. 10 = Bl. 192 d.A.). Von der Innenkante der Fahrbahnbegrenzungslinie bis zur Teerkante sind es weitere 23 – 24 cm. Daran schließt sich ein breiter Grünstreifen an, innerhalb dessen sich erst in einer Entfernung von 1,35 m (von den Innenkanten der Fahrbahnbegrenzungslinien gemessen) bzw. 1,11 m (von der Teerkante aus gemessen) ein kleinerer Graben befindet. Die Teerkante ist gegenüber dem Bankett um 10 cm erhöht (Gutachten S. 10 = Bl. 192 d.A.) Die Sichtweite auf den Gegenverkehr betrug in Fahrtrichtung der Beklagten zu 1) zunächst ca. 240 m und ab dem im Bereich der Kurve rechts neben dem Grünstreifen befindlichen Baum (Foto 21 zum Gutachten K.) ca. 280 m. Die Sichtweite in der Gegenrichtung belief sich auf ca. 280 m (Gutachten K. S. 10/11 = Bl. 192/193 d.A.). Nach den Ausführungen der Sachverständigen sind vorgenannte Werte auch für den Unfalltag zu Grunde zu legen, weil – wie sich aus der Inaugenscheinnahme der bei der Unfallaufnahme gefertigten Fotos ergibt – seinerzeit leichter Hochnebel herrschte, was aber in Verbindung mit der Schneebedeckung dazu führte, dass sich die Konturen der auf der B 15 fahrenden Fahrzeuge gegenüber dem Hintergrund deutlich abzeichneten. Die Zugmaschine ist 2,55 m breit (Foto 4 zum Schadensgutachten L = Anlage zu Schriftsatz der Beklagten vom 31.10.2005 = Bl. 45 d.A.).

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Die Endstellung der Fahrzeuge, die beide durch die Kollision jeweils nach rechts von der Fahrbahn abkamen, ist aus den polizeilichen Fotos 1 – 4 ersichtlich (Bl. 8/9 der beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Traunstein, Az. 450 JS 8814/05). Auf Grund der Endlagen und des auf Foto 3 der Lichtbildtafel erkennbaren Erdauswurfs rechts des Hinterrades des Opel und der Erdspuren im Bereich des rechten Schwellers (Fotoanlage 4 zum Schadensgutachten Wi. = Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 16.11.2005 = Bl. 50 d.A.) gelangte die Sachverständige K. zu dem Ergebnis, dass der Pkw nach der Kollision entgegen dem Uhrzeigersinn in seine Endlage schleuderte. Wesentliche Anhaltspunkte für die Kollisionsstelle sind nach den Ausführungen der Sachverständigen die auf den polizeilichen Fotos 4 und 5 sichtbare abgerissene Frontstoßstange (im Bereich des Aufliegerhecks) und Pkw-Kunststoffteile im Bereich der Auslaufspuren des Lkw (Gutachten S. 6 = Bl. 188 d.A.). Auf Grund der von der Sachverständigen festgestellten Beschädigungen am Pkw ist der Senat daher davon überzeugt, dass es sich um Bauteile des Pkw Opel handelt, deren Endstellung auf den Fotos ersichtlich ist. Die Sachverständige konnte an Hand der Schäden der Fahrzeuge weiter feststellen, dass sämtliche Bauteile im Frontbereich des Opel durch einen Stoß gegen die rechte Seite nach links versetzt wurden und die maximale Deformationstiefe im Bereich der rechten A-Säule vorlag, wo Berührspuren erkennbar sind, die der vorderen linken Ecke der Zugmaschine zuzuordnen waren (Gutachten S. 14/16 = Bl. 196/198 d.A.). Die Sachverständige K. gelangte daher aus den Endstellungen in Verbindung mit der Lage der abgerissenen Pkw-Kunststoffteile sowie den ebenfalls aus den polizeilichen Fotos und den vorgerichtlich erholten Gutachten der Sachverständigen Wi. (Anlage zum Schriftsatz der Klagepartei vom 16.11.2005 = Bl. 50 d.A.) und L. (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 31.10.2005 = Bl. 46 d.A.) ersichtlichen Beschädigungen zu dem überzeugenden Ergebnis, dass im Augenblick der Erstberührung der Pkw quer zum Fahrbahnverlauf etwa in Fahrbahnmitte im Bereich des rechten Vorderrades links der Frontmitte der Zugmaschine in einem wahrscheinlichen Winkel von 70°- 80° kollidierte (wodurch u.a. die Stoßstange des Opel abgerissen wurde), hierdurch einen Drehimpuls entgegen dem Uhrzeigersinn erhielt und es dadurch zu einer Zweitkollision kam, bei der der Opel mit seiner rechten Längsseite gegen die linke Längsseite der Sattelzugmaschine stieß. Soweit im Gutachten S. 15 = Bl. 197 d.A. ausgeführt wurde, dass das linke Vorderrad des Opel nach innen gedrückt wurde, handelte es sich, wie sich auch aus der dort befindlichen Skizze, dem Zusammenhang und der Zusammenfassung auf S. 40 des Gutachtens = Bl. 222 d.A. ergibt, um eine auf einem Übertragungsversehen beruhende Verwechslung, was die Sachverständige in der Sitzung vom 16.05.2008 bestätigte (Protokoll vom 16.05.2008 S. 5 = Bl. 256 d.A.). Ein Anstoß der rechten vorderen Pkw-Ecke gegen die Frontmitte der Sattelzugmaschine – wie vom Sachverständigen W. angenommen (Gutachten vom 27.03.2006 = Bl. 71 d.A.) – hätte nach den Ausführungen der Sachverständigen K. wegen der an der primären Anstoßstelle auftretenden maximalen Deformation weit stärkere Schäden an Motorhaube, vorderem Querträger und rechtem Kotflügel erfordert (Gutachten K. S. 16 = Bl. 198 d.A.). Der Senat folgt daher dem Ergebnis der Sachverständigen K. zu Kollisionswinkel und auch Kollisionsort. Im Hinblick auf den Kollisionswinkel und die Lage der abgerissenen Pkw-Teile in Verbindung mit den Endstellungen schließt sich der Senat dem Ergebnis der Sachverständigen K. an, wonach der Kollisionsort etwa dort war, wo der Sattelzug die Fahrbahn verließ und die Front der Zugmaschine zum Kollisionszeitpunkt vollständig in der Fahrbahnhälfte Richtung Wasserburg war und zwar entweder fahrbahnparallel oder in leichter Schrägstellung als Folge einer Ausweichlenkung nach rechts, was im Hinblick auf die Entfernung der Endposition vom Fahrbahnrand wahrscheinlicher war, zumal eine derartige Ausweichlenkung auch das Querstellen der Zugmaschine begünstigte (Gutachten S. 17/21 = Bl. 199/203 d.A.). Aus dem Kollisionswinkel und dem Kollisionsort war weiter zu folgern, dass der Pkw ins Schleudern geraten war, wobei ein Schleudern gegen den Uhrzeigersinn eine abrupte Lenkbewegung nach links erforderte, der Pkw aber auch dadurch in die Kollisionsstellung gelangt sein konnte, dass er infolge eines Fahrfehlers, etwa in Verbindung mit überhöhter Geschwindigkeit in Richtung Kurvenaußenseite ausbrach und im Uhrzeigersinn auf die Gegenfahrbahn schleuderte (Gutachten S. 18/19 = Bl. 200/201 d.A.)

Ein Anhaltspunkt für eine Kollision auf der Fahrbahnhälfte der Beklagten zu 1) ergibt sich insbesondere nicht aus den auf Foto 2 der polizeilichen Lichtbildtafel ersichtlichen Spuren. Bereits der Sachverständige W. hat mehrfach, so in seinem Ergänzungsgutachten vom 19.06.2006 (Bl. 83/86 d.A.) und zuletzt im Termin vom 06.07.2007 (Sitzungsniederschrift S. 6 = Bl. 163 d.A.) ausgeführt, dass die Fahrspuren des Lkw erst ab dem Moment verfolgt werden können, als der Lkw von der Straße weg auf das Bankett steuerte, die auf den Fotos sichtbaren Spuren auf der Fahrbahn überlagerte Spuren sind, weil der Verkehr Richtung R. nach dem Unfall an der Unfallörtlichkeit über die Gegenfahrbahn gelenkt wurde und der Eindruck bei oberflächlicher Betrachtung von Foto 2, dass Fahrspuren von der Fahrbahnseite der Beklagten zu 1) Richtung Stillstandsposition des Sattelzuges führten, durch Foto 4 eindeutig widerlegt ist. Die Sachverständige K. führte ebenfalls aus, dass dem Lkw zuordenbare Auslaufspuren erst außerhalb der Fahrbahn beginnen und eine Zuordnung von Spuren auf Foto 2, da es sich um überlagerte Spuren handelt, nicht möglich ist (Gutachten S. 6 = Bl. 188 d.A.)

c) Aus der Kopie der Diagrammscheibe (Bl. 35 d.A.) im EG-Kontrollgerät der Zugmaschine konnte die Sachverständige aus der aufgezeichneten Ausgangsgeschwindigkeit von 65 km/h einen steilen Abfall zur Nullinie auf Grund einer starken Verzögerung mit einer Verdickung bei 45 km/h als Folge einer starken Erschütterung feststellen (Gutachten S. 21/22 = Bl. 203/204 d.A.). Im Hinblick auf die nicht weiter aufklärbaren Fehlertoleranzen von ± 3 km/h und die von der Sachverständigen festgestellte Verschiebung der Nullinie (Aufschrieb um 2 km/h zu gering) ergab sich eine Ausgangsgeschwindigkeit des Sattelzuges von 64 – 70 km/h und eine Kollisionsgeschwindigkeit von 44 – 50 km/h. Hinsichtlich der von den Beklagten gewünschten weiteren Vergrößerung der Diagrammscheibe der Zugmaschine hat die Sachverständige ebenfalls überzeugend dargelegt, dass eine weitere Vergrößerung des Aufschriebs zu keinen vom Ergebnis des Gutachtens abweichenden Ergebnissen führt (Protokoll v. 16.05. 2008 S. 4 = Bl. 255 d.A.).

d) Das Schleudern des Pkw konnte technisch Folge einer abrupten Lenkbewegung nach links, bedingt durch eine Ausweichlenkung im Hinblick auf das Fahrverhalten des Lkw oder im Hinblick auf eine bereits zuvor bestehende Instabilität sein (Gutachten S. 34 unten = Bl. 216 d.A.), etwa als Folge unangepaßter Geschwindigkeit und/oder eines Fahrfehlers. Der Lkw konnte technisch in die Kollisionsposition geraten entweder auf seiner Fahrbahnhälfte oder durch ein Zurücklenken von der Fahrbahnmitte. Eine Ausweichbewegung nach rechts konnte auch eingeleitet worden sein, als der Lkw sich auf seiner Fahrbahnhälfte annäherte, um dem auf die Gegenfahrbahn schleudernden Pkw auszuweichen (Gutachten S. 27/29 = Bl. 209/211 d.A.)

e) Der Zeuge W. gab in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 06.07.2007 an, dass er das beladene, ca. 37 to schwere und mit Winterreifen ausgerüstete Gespann mit ca. 60 km/h auf seiner Fahrbahnhälfte rechtsorientiert fuhr, den Pkw aus einer Entfernung von ca. 200 – 300 m erstmals sah und das Schleudern des Pkw bemerkte, als dieser noch ca. 100 – 150 m entfernt war, sofort bremste, als er sah, dass der Pkw „rüber kam“ und soweit möglich ganz nach rechts draußen auswich, durch die Kollision noch weiter nach rechts versetzt wurde, aufs Bankett geriet, durch die Last des Fahrzeuges mit den rechten Rädern einsank, wodurch es das Lenkrad nach rechts verriss und der Sattelzug in die Wiese geriet. Schneeverwehungen im Bereich der Unfallstelle gab es nach den Angaben des Zeugen nicht. Im Termin vom 25.01.2006 vor dem Landgericht (Sitzungsniederschrift S. 4 = Bl. 55 d.A.) gab der Zeuge – seinerzeit noch Drittwiderbeklagter – an, dass er den Pkw erstmals gesehen habe, als dieser noch ca. 200 m entfernt war und er schätzte die Entfernung, als der Pkw zu schleudern begann, „d.h. zum Drehen angefangen hat“ auf ca. 50-100 m, worauf er sofort gebremst und den Lkw ganz nach rechts gezogen habe.

(1) Da die Beklagte zu 1) mit ihrem Fahrzeug in die Gegenfahrbahn schleuderte und eine Ausweichlenkung nach links im Hinblick darauf, dass der Sattelzug über die Mittellinie hinaus auf die Fahrbahnseite der Beklagten zu 1) geraten war, schon im Hinblick auf die Schilderung des Unfallhergangs durch den Zeugen nicht bewiesen ist (die Schilderung des Unfallhergangs durch den Zeugen ist nach den Ausführungen der Sachverständigen, denen der Senat folgt, an Hand der objektiven Anknüpfungstatsachen nachvollziehbar), spricht bereits der Beweis des ersten Anscheins für ein Verschulden der Beklagten zu 1) (BGH NJW-RR 1986, 384). Mangels Nachweises eines Überschreitens der Mittellinie durch den Sattelzug fehlt es auch nicht an der Typizität für die Annahme eines Anscheinsbeweises (BGH NJW 1996, 1828), welcher im Hinblick auf die Angaben des Zeugen Wa. in Verbindung mit den Ausführungen der Sachverständigen bereits nicht erschüttert ist.

(2) Darüber hinaus glaubt der Senat dem Zeugen. Daher ist davon auszugehen, dass der Sattelzug während der Annäherungsphase seine Fahrbahnhälfte nicht überschritt.

Die Angaben des Zeugen zur Ausgangsgeschwindigkeit und zur späteren Kollision im Verlauf einer Bremsung können an Hand der Diagrammscheibe objektiv nachvollzogen werden.

Schneeverwehungen auf der Fahrbahn oder im Bankett, wie sie von den Beklagten behauptet wurden, sind auch aus den anlässlich der polizeilichen Unfallaufnahme gefertigten Fotos nicht ersichtlich. Auf Grund der sichtbaren Erdspuren auf Höhe der Endstellungen der Fahrzeuge und des auf Foto 4 der polizeilichen Lichtbildtafel sichtbaren, teilweise heraussprießenden Grasbewuchses ist von einer unverdichteten Schneedecke in Höhe von etwa 10 cm auszugehen (Gutachten Dipl.-Ing. K. S. 5 = Bl. 185 d.A.).

(3) Die Schilderung des Unfallherganges durch die Beklagte zu 1) (Sitzungsniederschriften vom 25.01.2006, S. 2/3 = Bl. 53/54 d.A. sowie vom 06.07.2007, S. 8 = Bl. 165 d.A.) ist schon in sich nicht schlüssig. Der Senat glaubt der Darstellung der Beklagten zu 1), dass nämlich der Lkw sich teilweise auf ihrer Fahrbahnhälfte befand und sie ihren Pkw links am Sattelzug „vorbeiführen“ wollte, insbesondere aus den nachfolgend dargestellten Erwägungen nicht:

– Für eine Instabilität des Lkw vor der Kollision – die Beklagte zu 1) hat vor dem Senat (Sitzungsniederschrift vom 06.07.2007, S. 8 = Bl. 165 d.A.) angegeben, dass sie den Lkw „auf sich zurutschen“ sah – ergaben sich keine Anhaltspunkte (Gutachten K. S. 32 = Bl. 214 d.A.). Aus den Ausführungen der Sachverständigen Dipl.-Ing. K. (Protokoll vom 16.05.2008 S. 5 unten = Bl. 256 d.A.) ergibt sich in Verbindung mit dem Ergänzungsgutachten Dipl.-Ing. W. vom 19.06.2006 = Bl. 84 d.A.), dass schon wegen des Gewichts des (beladenen) Sattelzuges und des dadurch sowie bauartbedingt weitaus höheren Aufstandsdruckes der Reifen im Vergleich zum Pkw der Schneematsch auf der Fahrbahn von den Lkw-Reifen weitaus besser aus der Spur entfernt wird als seitens der Pkw-Reifen und die Kraft, die erforderlich ist, um den Lkw ins Rutschen zu bringen, weit aus größer ist als bei einem Pkw, da die Haftung um so größer ist, je schwerer ein Fahrzeug ist und je stärker es aufliegt. Überdies hatte der Lkw vor der Kollision keine Kurve zu durchfahren.

– An Hand der nach den Ausführungen der Sachverständigen erzielbaren Verzögerungswerte vom 3-4 m/sek.2, welche mittels einer Verzögerungsmessung auf schneebedeckter Fahrbahn nachvollzogen und überprüft wurden (Gutachten S. 25/26 = Bl. 207/208 d.A.) erfolgte die Reaktion des Zeugen Wa. unter Berücksichtigung einer Schwellzeit der Bremsanlage von 0,4 sek. und einer Reaktionszeit von 0,8 sek. 2,4 – 2,9 sek. vor der Kollision und in einer Entfernung vom späteren Kollisionsort von 39 – 51 m. Näherte sich die Beklagte zu 1) wie von ihr angegeben (zunächst nicht schleudernd) mit konstanter Geschwindigkeit 40 km/h, war sie zum Zeitpunkt der Reaktion des Zeugen Wa. noch 27 – 32 m vom Kollisionsort entfernt, was bedeutet, dass der Zeuge Wa. durch Lenken und Bremsen reagierte, als sich die Beklagte zu 1) nach ihren eigenen Angaben noch stabil in ihrer Fahrspur bewegte (Gutachten S. 28/29 = Bl. 210/211 d.A.).

Dies könnte nur dann nachvollzogen werden, wenn der Lkw deshalb reagierte, weil er über die Fahrbahnmitte in die Fahrbahnhälfte der Beklagten zu 1) gelangt war. Die Beklagte zu 1) gab die Entfernung, aus der sie den Lkw sah, mit 30 – 50 m an (Sitzungsniederschrift vom 25.01.2006, S. 2 = Bl. 53 d.A.). Für das behauptete bewusste Fahrmanöver der Beklagten zu 1) verblieb unter Berücksichtigung der Reaktionszeit eine Lenkzeit von 0,3 – 1,1 sek. (Gutachten a.a.O.). Da der Pkw innerhalb der verbleibenden Zeit zum Erreichen von Kollisionsort und Kollisionswinkel eine erhebliche Schrägstellung aufbauen und in die Gegenfahrbahn einfahren musste, gelangte die Sachverständige zu dem überzeugenden Ergebnis, dass der untere Wert fahrtechnisch nicht nachvollziehbar ist und auch der Wert von 1,1 sek. voraussetzt, dass die Beklagte das Lenkrad nach links verreißt. Damit lässt sich aber die letzte Unfallschilderung der Beklagten zu 1), wonach sie versuchte, ihr Fahrzeug „langsam an ihm vorbeizuführen“, nicht in Übereinstimmung bringen. Zudem hätte die Beklagte zu 1) dann bereits innerhalb ihrer Reaktionszeit bemerken können, dass der Lkw doch wieder zurückgelenkt wird, da dessen Richtungsänderung spätestens 1,6 – 2,1 sek. vor der Kollision eingeleitet worden sein musste, wenn der Lkw von der Fahrbahnmitte in die Kollisionsstellung zurückgelenkt wurde. Die Beklagte zu 1) schilderte demgegenüber, dass sie versuchte, ihren Pkw langsam links am Sattelzug vorbeizuführen und dieser erst dann wieder nach rechts gelenkt wurde (Prot, vom 06.07.2007, S. 8 = Bl. 165 d.A.).

Hinsichtlich des Einwands der Beklagten, dass kein Bremsversuch mit dem konkreten Sattelzug durchgeführt wurde, hat die Sachverständige im Termin vom 16.05.2008 überzeugend ausgeführt, dass der Sattelzug in der Zeit nach der Kollision bis zum Stillstand mit mindestens 2 m/sek.2 verzögert wurde, eine stärkere Verzögerung vor der Kollision als die im Gutachten zu Grunde gelegten, als realistisch zu betrachtenden 3-4 m/sek.2 nicht zu erwarten ist, sondern allenfalls möglicherweise eine geringere Verzögerung, sich aber die Bedingungen zum Unfallzeitpunkt nicht reproduzieren lassen. Von der Durchführung eines Bremsversuches war daher abzusehen, da eine Beweissicherheit dahingehend, dass bei den zum Unfallzeitpunkt herrschenden Bedingungen vor der Kollision nur ein Verzögerungswert von 2-3 m/sek.2 oder ein Verzögerungswert von mehr als 3 – 4 m/sek.2 erzielt werden konnte, nicht zu erreichen ist.

– Darüber hinaus ist auch die Einlassung der Beklagten zu 1), sie habe den Lkw gesehen, „als sie aus der Kurve rauskam auf das lange gerade Stück“, wobei sie die Entfernung auf 30 – 50 m schätzte, angesichts der Sichtweiten von 240 m und der Blickrichtung auf den Kurvenverlauf aus der Annäherungsrichtung der Beklagten zu 1) unverständlich (Fotos 22 bis 24 zum Gutachten K., oben unter a).

– Abgesehen von der unter Berücksichtigung der Reaktionszeit und Lenkansprechzeit geringen Zeitspanne, die für das von der Beklagten zu 1) behauptete Fahrmanöver verbleibt, ist in der von der Beklagten zu 1) behaupteten Situation das geschilderte Lenkmanöver zur Gefahr hin aus Sicht des Senats äußerst unwahrscheinlich. Bei einer Reaktionszeit von 0,8 sek., einer Bremsschwellzeit von 0,2 sek. und einer anzusetzenden Bremsverzögerung des mit ABS-System ausgestatteten Pkw von 3-4 m/sek.2, die auch bei den gegebenen Fahrbahnverhältnissen nach den Ausführungen der Sachverständigen erzielbar waren, ergab sich ein Anhalteweg von 26,54 – 31,68 m, verbunden mit der Möglichkeit nach rechts an den Fahrbahnrand oder weiter in den Grünstreifen auszuweichen. Die Beklagte zu 1) gab an, dass sich der Lkw etwa „zur Hälfte“ auf ihrer Fahrbahn befand, so dass bei der Breite des Sattelzuges von 2,55 m für den Pkw noch ein Verkehrsraum innerhalb der Fahrbahn (bis zur Innenkante der Fahrbahnbegrenzungslinie) von ca. 2,26 m und bis zur Teerkante von 2,45 m verblieb. Das Fahrzeug der Beklagten zu 1) war 1,75 m breit. Ein Ausweichen unter Benutzung auch des Grünstreifens mit einer Breite von mindestens 1,11 m bis zum Übergang in den Graben wäre angesichts der geringen Geschwindigkeit und der Oberflächenbeschaffenheit am Fahrbahnrand (siehe oben unter a) gefahrlos möglich gewesen (Gutachten S. 37/38 = Bl. 219/220 d.A.), insbesondere waren am Fahrbahnrand oder Bankett keine Schneeverwehungen oder Schneemassen vorhanden, wie die Inaugenscheinnahme der unfallnah aufgenommenen polizeilichen Fotos zeigt. Dies hat auch der Zeuge Wa. bestätigt und die Sachverständige gelangte auf Grund der Auswertung der polizeilichen Fotos ebenso zu diesem Ergebnis. Angesichts dieser Situation ist die Schilderung der Beklagten zu 1) eines bewussten Lenkvorganges vor die Front des Lkw, um den Pkw langsam an diesem vorbeizuführen, nicht verständlich, zumal der zuletzt abgegebene Erklärungsversuch der Beklagten zu 1), warum sie nicht nach rechts ausweichen konnte (Sitzungsniederschrift vom 06.07.2007, S. 8 = Bl. 165 d.A: „weil es da glatt hätte sein können“) angesichts der Schneebedeckung des Geländes am Fahrbahnrand und außerhalb der Straße, der Temperatur um 0° Celsius und der als matschig zu bezeichnenden Fahrbahnverhältnisse nicht überzeugen konnte.

– Weiter hat die Beklagte zu 1) anlässlich ihrer persönlichen Anhörung als auch die Beklagten ihre Einlassungen mehrfach gewechselt. Eine Partei ist nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits, auch in der Berufungsinstanz, zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen (BGH NJW-RR 1995, 1340; 2000, 208; Senat, Urt. v. 08.04.2005 – 10 U 5279/04 = DAR 2005, 684; Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, 5. Aufl. 1994, Rz. 101). Der Umstand, dass der Vortrag zu dem eigenen früheren Vortrag in Widerspruch steht, kann aber im Rahmen der Verhandlungswürdigung nach § 286 I ZPO Beachtung finden (BGH NJW-RR 2000, 208; OLG Rostock OLG-NL 2004,118 [120]; Hohlweck JuS 2001, 584 [585]). So haben die Beklagten zunächst behauptet, die 2000, Beklagte zu 1) habe das Steuer kurz vor einem Frontalzusammenstoß nach links gerissen (Schriftsatz vom 20.07.2005 S. 3 unter II. dort erster Absatz a.E. = Bl. 13d.A.). Sodann wurde vorgetragen (Schriftsatz vom 20.09.2005, S. 1, zweiter Absatz = Bl. 37 d.A.), der Lkw sei auf der Fahrbahnseite der Beklagten zu 1) entgegengekommen und die Fahrbahnseite der Beklagten zu 1) sei durch den Lkw versperrt gewesen. Die Beklagte zu 1) gab in der Sitzung vor dem Landgericht dann an, der Lkw sei in der Fahrbahnmitte, also zur Hälfte auf ihrer Seite gefahren und habe einen „Drall nach rechts“ gehabt (Bl. 53 d.A.), wobei sie „vorsichtig“ habe ausweichen müssen. Zuletzt behauptete die Beklagte zu 1), sie habe den Lkw „auf sich zurutschen“ gesehen, als sie aus der Kurve kam.

Der Senat glaubt auf Grund der dargestellten Erwägungen dem Zeugen W. und ist daher der Überzeugung, dass die Beklagte zu 1) auf Grund eines Fahrfehlers ins Schleudern und auf die Gegenfahrbahn vor die Front der vom Zeugen W. auf seiner Fahrbahnhälfte geführten Sattelzugmaschine geriet.

2. Der Unfall war für den Zeugen W. nicht unvermeidbar gemäß § 17 III StVG. Bei § 17 III StVG handelt es sich um einen neben § 7 II StVG tretenden Ausschlußtatbestand, welcher nur aus praktischen Gründen als Grenze der nach § 17 I und II StVG möglichen Abwägung behandelt werden soll (Senat DAR 2007, 465 f.; zur systematischen Stellung des § 17 III StVG ferner eingehend Ady VersR 2003, 1101 [1103 unter III 3]). Die Fragen der Unabwendbarkeit und der Haftungsverteilung sind deshalb streng voneinander zu trennen (OLG Hamm NZV 2002, 373 zu § 7 II StVG a.F.; KG NZV 2004, 579 = VRS 107 [2004] 23 = KGR 2004, 459 [die Frage der Haftungsverteilung ist logisch nachrangig]; Senat DAR 2007, 465 f).

Für die Unabwendbarkeit im Rahmen des § 17 III StVG ist der in Anspruch genommene Halter beweisbelastet (BGH VersR 1973, 83 = DAR 1973, 72 = Verk-Mitt. 1973, Nr. 49 = NJW 1973, 44 [46] = MDR 1973, 208; DAR 1976, 246; OLG München – 24. ZS – VersR 1976, 1143 [1144]; OLG Köln NZV 1994, 230 = VersR 1994, 573 = r+s 1994, 94 = VRS 87 [1994] 92; DAR 1995, 484; OLG Brandenburg VRS 106 [2004] 99; KG NZV 2004, 579 = VRS 107 [2004] 23 = KGR 2004, 459; OLG Celle OLGR 2007, 854; Kirchhoff MDR 1998, 12 [14] zu § 7 II StVG a.F.; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007 § 3 Rz. 409-410; Geigel/Kaufmann, Der Haftpflichtprozeß, 25. Aufl. 2008, Kap. 25 Rz. 255; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. 2007, § 17 StVG Rz. 23 m.w.N.).

Die Klagepartei konnte den ihr gemäß § 17 III StVG obliegenden Unabwendbarkeitsnachweis nicht führen. Bei der Entfernungsangabe des Zeugen W. von 100 m bis 150 m, aus der er das Schleudern des Pkw nach seinen Angaben in der Sitzung vom 06.07.2007 erstmals beobachten konnte, handelt es sich naturgemäß um eine mit Unsicherheiten verbundene Schätzung. Im Rahmen seiner Anhörung in erster Instanz (Sitzungsniederschrift vom 25.01.2006, S. 4 = Bl. 55 d.A.) als Drittwiderbeklagter gab er an, den Pkw aus einer Entfernung von ca. 200 m erstmals gesehen zu haben und dass der Pkw, als er zu Schleudern begann, „das heißt zum Drehen angefangen hat“ nicht mehr weit entfernt war, wobei die Entfernung seiner Meinung nach zwischen 50 m und 100 m betrug. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass bei einer angesichts der Fahrbahnverhältnisse anzusetzenden Bremsverzögerung von 3 – 4 m sek. 2 und einer Reaktionszeit von 0,8 sek. und einer Bremsschwellzeit von 0,4 sek. bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h der Lkw, falls der Zeuge Wa. das Schleudern tatsächlich bereits aus einer Entfernung von 100 m beobachten konnte, 10,2 – 10,5 m vor dem Kollisionsort hätte anhalten können und der schleudernde Pkw zum Stillstand gekommen wäre, ohne dass es zu einer Berührung der Fahrzeuge gekommen wäre (Gutachten S. 33/34 = Bl. 215/216 d.A.), was weiter voraussetzt, dass die Beklagte zu 1) sich aus einer Ausgangsgeschwindigkeit von 40 km/h annäherte, was auf Grund der insoweit nicht zu widerlegenden Behauptung der Beklagten nicht auszuschließen ist. Da eine Reaktionsaufforderung für den Zeugen Wa. aus einer Entfernung von 100 m bei einer Ausgangsgeschwindigkeit der Beklagten zu 1) von 40 km/h in Betracht zu ziehen ist, wäre es bei einer sofortigen Reaktion des Zeugen Wa. bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit möglicherweise nicht zu einer Kollision gekommen. Eine sofortige Reaktion des Lkw-Fahrers bei einer Reaktionsaufforderung erst aus einer Entfernung von weniger als 100 – 50 m zwischen den Fahrzeugen konnte die Klagepartei nicht nachweisen, weshalb ihr der Unabwendbarkeitsbeweis nicht gelungen ist.

3. § 17 II StVG betrifft die Ausgleichspflicht zwischen mehreren beteiligten Kfz-Haltern für selbst erlittene Schäden.

Der Haftungsanteil ergibt sich dabei aus einer Gesamtbetrachtung der aus § 7 I StVG folgenden, grundsätzlich bestehenden Betriebsgefahr sowie aus gefahrerhöhenden Umständen, die sich der Kfz-Halter im konkreten Fall zurechnen lassen muss. Hierbei bildet er eine Haftungseinheit mit dem Fahrer seines Fahrzeugs, d.h. er muss sich dessen (Fehl-) Verhalten zurechnen lassen (vgl. Kirch hoff MDR 1998, 12 [14]).

Im Rahmen der Abwägung nach § 17 I und II StVG gilt der Grundsatz, dass jeder Halter die Umstände beweisen muss, die zu Ungunsten des anderen Halters berücksichtigt werden sollen (BGH NJW 1996, 1405 [1406]; BGH VersR 2007, 681 = NZV 2007, 294 = SP 2007, 240 = VRS 112 (2007) 445 = r+s 2007, 211 = zfs 2007, 439 = VerkMitt. 2007, 82 (83) = MDR 2007, 884 = NJW-RR 2007, 1077; OLG Frankfurt a.M. 1995, 400 [401]; Senat, Urt. v. 24.11.2006 – 10 U 2555/06 [Juris]; v. 01.12.2006 – 10 U 4707/06 [Juris]; DAR 2007, 465 f.; Kirchhoff MDR 1998, 12 [14]; Brögelmann JA 2003, 872 [878]; Garbe/Hagedorn JuS 2004, 287 [292]; Hentschel/König a.a.O. § 17 StVG Rz. 31). Dies führt bei Unaufklärbarkeit des Unfallgeschehens hinsichtlich derselben Tatsache bei § 17 II StVG und § 17 III StVG zu wechselnden Beweislastentscheidungen (Kirchhoff MDR 1998, 12 [14]; Senat, Urt. v. 24.11.2006 – 10 U 2555/06 [Juris]; v. 01.12.2006 – 10 U 4707/06 [Juris]; DAR 2007, 465 f.). Falsch wäre es, aus dem Umstand, daß sich eine Partei nicht entlasten kann, das Gegenteil als bewiesen anzusehen (Senat, Urt. v. 24.11.2006 – 10 U 2555/06 [Juris]; v. 01.12.2006 – 10 U 4707/06 [Juris]; DAR 2007, 465 f.; Kirchhoff MDR 1998, 12 [14]). Bei der Ausgleichspflicht mehrerer Unfallbeteiligter gem. § 17 I, II StVG dürfen nur zugestandene, unstreitige oder nach § 286 I ZPO bewiesene Umstände herangezogen werden; für Verschuldensvermutungen ist kein Raum (BGH NJW 1957, 99; 1996, 1405 [1406]; 2000, 3069 [3071]; Senat, Urt. v. 24.11.2006 – 10 U 2555/06 [Juris]; v. 01.12.2006-10 U 4707/06 [Juris]).

Die genannten Umstände führen allerdings nur dann zu einer Erhöhung des Verursachungsanteils, wenn sie sich auf die Schadensentstehung oder-höhe tatsächlich ausgewirkt haben (BGH NJW 2000, 3069 [3071]; umfassende Aufstellung bei Kirchhoff MDR 1998, 12 [14 f.]) und vom Schutzzweck der Norm gedeckt sind (BGH VersR 1981, 837 = VRS 61 [1981] 180 = VerkMitt. 1981 Nr. 86 = NJW 1981, 2301 = MDR 1982, 47 zu § 2 II StVO; OLG Düsseldorf NZV 1991, 392 = DAR 1991, 426 zu § 9 V StVO; Kirchhoff MDR 1998, 12 [14 f.]; Senat, Urt. v. 24.11.2006 – 10 U 2555/06; v. 01.12.2006 – 10 U 4707/06 (Juris); v. 02.02.2007 -10 U 4976/06 = DAR 2007, 465 f.).

a) Eine unfallursächliche, zumindest den Schaden verstärkende Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit konnten die Beklagten nicht nachweisen.

Maßstab ist vorliegend gem. § 3 III Nr. 2 b StVO angesichts der Straßen-, Sicht- und Fahrbahnverhältnisse auf der breiten, gut ausgebauten Bundesstraße die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h. Eine geringere Geschwindigkeit des Lkw war angesichts der Beladung, Bereifung und des Gewichts des Zuggespannes von ca. 37 to bei den gegebenen Sicht- und Fahrbahnverhältnissen nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen in der Sitzung vom 16.05.2008 (Sitzungsniederschrift S. 6 = Bl. 257 d.A.), denen der Senat folgt, nicht veranlasst. Der Anhalteweg betrug nach aus einer Geschwindigkeit von 60 km/h = 16,66 m/sek. bei Berücksichtigung einer Reaktionszeit von 0,8 sek. und einer Schwellzeit der Bremsanlage von 0,4 sek. bei der anzusetzenden Bremsverzögerung von 3-4 m/sek.2 ohne Berücksichtigung der Bremsverzögerung während der Bremsschwellzeit 66,25 m (mittlere Bremsverzögerung 3 m/sek.2) bis 54,68 m (mittlere Bremsverzögerung 4 m/sek.2) und lag damit ohne weiteres innerhalb der Sichtweite. Anhaltspunkte dafür, dass der Lkw bei dieser Geschwindigkeit nicht gefahrlos lenken und rechtzeitig gefahrlos anhalten konnte, bestehen nicht (vgl. BGH VersR 1966,1077; NZV 1988, 100). Insbesondere ist nach den Angaben des Zeugen Waldauf, bestätigt durch die polizeilichen Fotos nicht von Schneeqlätte zum Unfallzeitpunkt auszugehen. Die Fahrbahn war zwar teilweise, wie ausgeführt mit einer unverdichteten Schneedecke oder Schneematsch bedeckt, nicht aber mit einer festgefahrenen Schneeschicht.

(1) Hinsichtlich der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 4-10 km/h ist zunächst zu beachten, dass die Beklagten eine Überschreitung um mehr als 4 km/h nicht nachweisen konnten. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass eine nähere Eingrenzung der in Betracht kommenden Geschwindigkeiten wegen der im technischen Toleranzbereich der Aufzeichnungsgeräte liegenden Abweichungen des Aufschriebs gegenüber der Realität von ± 3 km/h nicht möglich ist. Die aufgezeichnete Ausgangsgeschwindigkeit des Lkw von 65 km/h ist im Hinblick auf die verschobene Nullinie um 2 km/h nach oben zu korrigieren. Der aufgezeichneten Geschwindigkeit nach Korrektur von 67 km/h entspricht im Hinblick auf die zu berücksichtigende Fehlertoleranz eine tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit von 64 – 70 km/h. Eine höhere Ausgangsgeschwindigkeit als 64 km/h ist daher nicht nachgewiesen.

(2) Die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 4 km/h war vorliegend nicht nachweisbar unfallursächlich. Die Alarmierung des Zeugen erfolgte, ausgehend von einer Bremsverzögerung von 3-4 m/sek.2 39 m – 51 m vor der Kollision, der Anhalteweg belief sich bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 51 – 63 m (Gutachten S. 30/31 = Bl. 212/213 d.A.), so dass eine wegmäßige Vermeidbarkeit nicht nachgewiesen ist. Eine andere Bremsverzögerung ist nicht nachgewiesen und nach den Ausführungen der Sachverständigen mangels Reproduzierbarkeit der Bedingungen auch nicht nachweisbar, [vgl. 1 e (3) 2. Spiegelstrich aE der Gründe], so dass bei der weiteren Prüfung der zeitlichen Vermeidbarkeit im Hinblick auf die Ausführungen der Sachverständigen und den durchgeführten Bremsversuch unter ähnlichen Bedingungen mit einem Vergleichsfahrzeug VW T 4, welcher eine mittlere Bremsverzögerung von ca. 3 m/sek.2 ergab, im Rahmen von § 17 II StVG mit den von der Sachverständigen angegebenen Verzögerungswerten von 3-4 m/sek.2 zu rechnen ist. Zeitlich hätte der Lkw den Kollisionsort geringfügig später erreicht, wobei ihm der Pkw weiter entgegengeschleudert wäre und sich die Kollisionsgeschwindigkeit des Lkw bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 60 km/h statt 64 km/h noch auf 38 km/h und bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 60 km/h statt 67 km/h noch auf 35 km/h belaufen hätte. Der Senat gelangt zu dieser Überzeugung auf Grund der Ausführungen der Sachverständigen im Rahmen ihrer mündlichen Anhörung am 16.05.2008 (Protokoll S. 6 = Bl. 257 d.A.). Die Ergebnisse der Sachverständigen sind nachvollziehbar, weil sich, je größer die Differenz zwischen tatsächlich (nachweisbar) gefahrener Geschwindigkeit und der zulässigen Geschwindigkeit ist, die während der Reaktions- und Bremsschwellzeit durchfahrene Strecke verlängert und auf dieser Strecke keine bzw. nur die halbe Verzögerung erzielt wird und die Kollisionsgeschwindigkeit bei sonst gleichen Bedingungen um so geringer ist, je geringer die Ausgangsgeschwindigkeit und je höher die erzielbare Bremsverzögerung. Da eine höhere Ausgangsgeschwindigkeit als 64 km/h und eine höhere Bremsverzögerung als 3 – 4 m/sek.2 nicht nachgewiesen ist, ist die von der Sachverständigen bei Einhaltung einer Ausgangsgeschwindigkeit von 60 km/h ermittelte Kollisionsgeschwindigkeit von 38 km/h zu Grunde zu legen. Am Pkw wäre angesichts des Masseunterschiedes ebenfalls Totalschaden eingetreten und das Schadensbild am Lkw wäre möglicherweise im Hinblick auf die geringere Geschwindigkeit und einen veränderten Kollisionswinkel ein anderes. Dass die Kollision in diesem Fall bezifferbar zu einem betragsmäßig geringeren Schaden geführt hätte, kann nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen im Termin vom 16.05.2008 („mit wesentlich geringeren Schäden an beiden Fahrzeugen war nicht zu rechnen“), denen der Senat folgt, schon deshalb nicht mit der im Rahmen von § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit bejaht werden, weil auch der schleudernde Pkw seine relative Position zum Sattelzug verändert hätte und angesichts der vorhandenen Unsicherheiten zum Schleudervorgang des Pkw nicht mit der erforderlichen Sicherheit rekonstruierbar ist, welches Bauteil am Pkw der Lkw mit welchem seiner Bauteile in welchem Kollisionswinkel mit noch 38 km/h gerammt hätte und insbesondere nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Lkw bei der geringeren Kollisionsgeschwindigkeit nicht von der Fahrbahn abgekommen wäre.

b) Die Beklagten konnten eine verzögerte Reaktion des Zeugen Wa. bei einer Reaktionsaufforderung bereits aus einer Entfernung von 100 – 150 m nicht nachweisen. Die Reaktion des Zeugen erfolgte tatsächlich 39 m – 51 m vor dem Kollisionsort. Im Hinblick auf den zu diesem Zeitpunkt für den Zeugen Wa. erkennbaren Schleudervorgang des Pkw ergab sich aus einer Geschwindigkeit des Pkw zum Zeitpunkt der Reaktion des Zeugen von 23 km/h bis 51 km/h ein Abstand zwischen den Fahrzeugen von 49 – 80 m (Gutachten Dipl.-Ing. K. S. 26/27 = Bl. 208/209 d.A.).

Zwar gab der Zeuge bei seiner Einvernahme im Termin vom 06.07.2007 an, dass er den Pkw erstmals in einer Entfernung von 200 – 300 m sah und das Schleudern aus einer Entfernung von etwa 100 – 150 m beobachtete und sofort bremste, als er „dann sah“, dass der Pkw auf die Gegenfahrbahn „rüber kam“. Aus diesen Angaben kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit der Schluss gezogen werden, dass zwischen dem erstmaligen Beobachten des Schleuderns und der Reaktion des Zeugen eine Zeitspanne verging, die die dem Zeugen zuzubilligende Reaktionszeit von 0,8 sek. überschritt, da nicht bekannt ist, wo genau der Pkw und mit welcher genauen Geschwindigkeit, welchem Bewegungsverhalten und mit welcher genauen Verzögerung zwischen 1,5 m/sek. 2 bis 2,5 m/sek. 2 (Gutachten Dipl.-Ing. K. S. 26 = Bl. 208 d.A.) für den Gegenverkehr erkennbar instabil wurde und in welchem Abstand genau für den Gegenverkehr im Hinblick auf die Instabilität eine Reaktionsaufforderung zu sofortiger Bremsung vorlag.

Die Sachverständige hat zwar ausgeführt, dass bei einer angesichts der Fahrbahnverhältnisse anzusetzenden Bremsverzögerung von 3 – 4 m sek. 2 und einer Reaktionszeit von 0,8 sek. und einer Bremsschwellzeit von 0,4 sek. bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit der Lkw, falls der Zeuge Wa. das Schleudern tatsächlich bereits aus einer Entfernung von 100 m beobachten konnte, 10,2 m – 10,5 m vor dem Kollisionsort hätte anhalten können und der schleudernde Pkw zum Stillstand gekommen wäre, ohne dass es zu einer Berührung der Fahrzeuge gekommen wäre (Gutachten S. 33/34 = Bl. 215/216 d.A.).

Zum einen ist aber zu bedenken, dass es sich bei den Entfernungsangaben um mit erheblichen Unsicherheiten behaftete Schätzungen handelt. Im Rahmen seiner Anhörung in erster Instanz (Sitzungsniederschrift vom 25.01.2006, S. 4 = Bl. 55 d.A.) als Drittwiderbeklagter gab der Lkw-Fahrer an, den Pkw aus einer Entfernung von ca. 200 m erstmals gesehen zu haben und dass der Pkw, als er zu Schleudern begann, „das heißt zum Drehen angefangen hat“ nicht mehr weit entfernt war, wobei die Entfernung seiner Meinung nach zwischen 50 m und 100 m betrug. Die Sachverständige hat ausgeführt, dass angesichts der Bedingungen am Unfallort im Hinblick auf den Kurvenverlauf und die schneebedeckte Fahrbahn, auf der die Leitlinie nur teilweise zu sehen war, ein Schleudervorgang frühestens in einer Entfernung von 100 m erkennbar ist. Auf Grund der verbleibenden, nicht weiter aufklärbaren Unsicherheiten zur Entfernung zwischen den Fahrzeugen bei erkennbarer Instabilität des Pkw für den Gegenverkehr kann sich der Senat nicht mit der im Rahmen von § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit davon überzeugen, dass eine Reaktionsaufforderung für den Zeugen bereits in einer Entfernung bestand, aus der bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ohne Reaktionsverzug der Unfall vermieden worden wäre oder es zwar zu einer Kollision, jedoch mit geringeren Schäden am Lkw gekommen wäre.

Zum anderen führt nicht jedwede erkennbare Instabilität eines Fahrzeuges dazu, dass für den Gegenverkehr eine Reaktionsaufforderung zu sofortiger Bremsung oder Vollbremsung gegeben ist, zumal nicht bei den gegebenen schwierigen Straßenverhältnissen. Eine Reaktionsaufforderung besteht nach Auffassung des Senats erst, wenn Art und/oder Dauer und/oder Intensität der Instabilität eine konkrete Gefährdung des Gegenverkehrs erkennbar werden lassen. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn ein Pkw beginnt, sich zu drehen und im Begriff ist, auf die Gegenfahrbahn zu geraten. Davon, dass insoweit eine Reaktionsaufforderung für den Zeugen bereits in einer Entfernung bestand, aus der bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ohne Reaktionsverzug der Unfall vermieden worden wäre oder es zwar zu einer Kollision, jedoch mit geringeren Schäden am Lkw gekommen wäre, kann sich der Senat auf Grund der dargestellten Unwägbarkeiten ebenfalls nicht mit der im Rahmen von § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit überzeugen.

Daher ist eine verspätete Reaktion des Zeugen Wa. nicht mit der im Rahmen von § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit nachgewiesen und kann nicht in die Abwägung nach § 17 II StVG eingestellt werden.

c) Insgesamt kann daher nur die Betriebsgefahr des Sattelzuggespannes in die Abwägung nach § 17 I, II StVG einbezogen werden. Diese tritt hinter dem Verschulden der Beklagten zu 1) und der durch ihren schweren Fahrfehler bedingten Instabilität des Pkw und dessen Abkommen auf die Gegenfahrbahn verursachten besonderen Erhöhung der Betriebsgefahr zurück . Auch wenn ein in einer geringfügigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 4 km/h liegendes Verschulden des Zeugen Wa. sowie der Umstand, dass der Zeuge (erst) bremste, als der Pkw im Begriff war , auf die Gegenfahrbahn zu schleudern, zusammen mit der Betriebsgefahr des Zuggespannes in die Abwägung eingestellt würde, ist der Senat der Auffassung, dass diese vorliegend aus den vorerwähnten Erwägungen gegenüber dem Verschuldens- und Verursachungsbeitrag der Beklagten zu 1) zurücktreten (vgl. auch BGH VersR 1960, 907; 1961, 232; 1962, 158; 1966, 1067; 1967, 286; vgl. weiter Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen, 10. Aufl. 2007, Rz. 242; 244, 245 und 14 sowie Senat, Beschl. v. 06.02.2007 – 10 U 5111/06).

4. Die Klagepartei hat daher Anspruch auf Ersatz des gesamten Schadens. Dieser beläuft sich nach dem von den Beklagten nicht bestrittenen Vorbringen (§ 138 III ZPO) auf 36.630,02 EUR Sachschaden am Lkw, Bergungs- und weitere Abschleppkosten in Höhe von 1.614,72 EUR und 472,50 EUR, Standgebühren für zwei Tage Standzeit beim Abschleppunternehmen (30,- EUR), Sachverständigenkosten in Höhe von 569,67 EUR und Kosten für Akteneinsicht (12,- EUR) sowie die Unkostenpauschale in Höhe von 25,- EUR.

Die Rechtsanwaltskosten können wie bereits angefallene Sachverständigenkosten oder geschätzte Reparaturkosten im Schadensersatzprozess geltend gemacht werden (Senat AnwBl 2006, 768 f. = RVGreport 2006, 467 = zfs 2007, 48 = VersR 2007, 267 = NZV 2007, 211). Der Geltendmachung kann nicht entgegengehalten werden, dass der Schadensersatzgläubiger mangels entsprechender Rechnungsstellung die Anwaltsgebühren nicht zu entrichten habe und es deshalb an einem ersatzfähigen Schaden fehle. Die Rechnungsstellung nach § 10 I RVG (= § 18 BRAGO) betrifft (nur) die Einforderbarkeit der Vergütung im Verhältnis zum Mandanten des Anwalts (Senat aaO). § 10 I RVG gilt nicht im Bereich des materiellrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs (Senat aaO). Weiter ist zu bedenken, dass bei Zugrundelegung der gegenteiligen Ansicht der Schadensersatzgläubiger einen Befreiungsanspruch gegen den Schädiger hätte, worauf ihn das Gericht nach § 139 I 2 ZPO hinweisen müsste, um ihm die Möglichkeit der Klageumstellung nach § 264 Nr. 3 ZPO (Senat aaO) zu eröffnen.

Insoweit ergibt sich ein Anspruch der Klagepartei auf nicht anrechenbare vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 39.353,91 EUR. Die 1,3 Geschäftsgebühr beträgt 1.172,60 EUR; diese begehrt der Kläger zur Hälfte (vgl. insoweit zur Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die nachfolgend entstehende Verhandlungsgebühr BGH NJW 2007, 2049 = zfs 2007, 344 = JurBüro 2007, 357 = AGS 2007, 283 = DAR 2007, 493 = MDR 2007, 984 m. zust. Anm. Streppel MDR 2007, 929), so dass sich 586,30 EUR zuzüglich Auslagenpauschale in Höhe von 20,- EUR zuzüglich 16% Mehrwertsteuer, mithin insgesamt 703,31 EUR ergeben. Die geltend gemachte Nebenforderung (BGH MDR 2007, 919 = VersR 2007, 1102 = NJW 2007, 3289; MDR 2007, 1149 = BGHReport 2007, 845 = FamRZ 2007, 1319 [nur. Ls.]; Senat, Beschl. v. 24.04.2007 – 10 U 5744/06 m.w.N.) war daher wie beantragt (596,30 EUR) vollumfänglich zuzusprechen.

II. Die Kostenentscheidung beruht für die erste Instanz auf §§ 91 I, 100 II, IV ZPO und für das Berufungsverfahren auf §§ 91 I, 97 I, 100 IV ZPO.

III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft, ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.

 

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