LG Bochum
Az.: 8 O 775/08
Urteil vom 21.07.2009
Das Versäumnisurteil vom 12.05.2009 wird aufrechterhalten.
Der Kläger trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.
Tatbestand
Am 15.08.2005 befand sich der Kläger mit dem von ihm geführten Lkw auf dem Gelände der C in I. Der Kläger hatte den Wagen abgestellt und machte gerade Pause, als ein von einem U gesteuerter Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen … aus ungeklärter Ursache auf das Heck seines Fahrzeuges auffuhr. Der Kläger begab sich zum Führerhaus des Unfallfahrzeugs, wo er dessen Fahrer in nicht ansprechbarem Zustand vorfand. Trotz der vom Kläger geleisteten Hilfe verstarb U nach wenigen Minuten in seinen Armen.
Der Kläger behauptet, U habe die Kontrolle über seinem Lkw verloren. Aufgrund des miterlebten Todes des U habe er eine schwere Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten, deretwegen er bis heute arbeitsunfähig sei und seinen Beruf als Kraftfahrer nicht mehr ausüben könne. Er erhalte derzeit Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Kläger meint, ihm stünde wegen des Unfallgeschehens und dessen schwerer seelischer Folgen gegen die Beklagte ein Schmerzensgeldanspruch zu, den er auf 18.000,– € beziffert.
Durch Versäumnisurteil vom 12.05.2009 ist die Klage abgewiesen worden. Gegen dieses am 15.05.2009 zugestellte Versäumnisurteil hat der Kläger mit am 15.05.2009 eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 12.05.2009
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit sowie
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm allen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Versicherungsfall mit dem Versicherungsnehmer der Beklagten Spedition G am 15.08.2005 gegen 15.00 Uhr in I entstanden ist und noch entstehen werde, soweit der Anspruch nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder an Dritte übergegangen ist.
Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Beklagte bestreitet ihre Haftung. Der Kläger sei „lediglich“ Dritter, der einen Sterbenden durch Herzinfarkt beobachtet habe. Hierin habe sich nicht die typische Betriebsgefahr des versicherten Fahrzeugs verwirklicht. Insbesondere sei U angesichts der geringfügigen Sachschäden nicht an unfallbedingt erlittenen Verletzungen gestorben. Sie bestreite im übrigen, daß der Kläger an einer zur Erwerbsunfähigkeit führenden posttraumatischen Belastungsstörung leide sowie daß diese auf das Geschehen vom 15.08.2005 zurückzuführen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze sowie der dem Gericht überreichten Unterlagen ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Versäumnisurteil vom 12.05.2009 ist aufrechtzuerhalten, da die Klage unbegründet ist.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen aus §§ 7, 17 StVG, 823, 253 BGB, 115 VVG folgenden Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch.
Denn sogenannte Schockschäden, wie sie der Kläger hier geltend macht, stehen nur nahen Angehörigen zu ( Palandt-Heinrichs, 67. Aufl., Rn. 71 vor § 249 BGB ). Dem Kläger war jedoch der am 15.08.2005 verstorbene U unbekannt.
Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, daß der Tod des U der Beklagten im Rahmen der Gefährdungshaftung zurechenbar ist. Denn die Grenzen der Gefährdungshaftung sind nicht den Kriterien der adäquaten Kausalität und nur in modifizierter Form dem Schutzzweck der Norm zu entnehmen. Vielmehr kommt es darauf an, ob sich die spezifische Gefahr, für die der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, verwirklicht hat. Dabei genügt die gleichzeitige Anwesenheit des Geschädigten und der der Gefährdungshaftung unterworfenen Sache im Schadenszeitpunkt am Schadensort nicht; erforderlich ist vielmehr, daß die gefährliche Sache zur Schadensentstehung beigetragen, die Gefahrenlage mitgeprägt hat ( Geigel, Der Haftpflichtprozeß, I/26 m. w. N. ), wofür nach allgemeinen Grundsätzen der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast trägt.
Dass der Tod des U Folge der typischen Betriebsgefahr des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lkw war, ist nicht ersichtlich und wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn U an den Folgen unfallbedingt erlittener Verletzungen verstorben wäre. Da an dem Klägerfahrzeug jedoch unstreitig nur ein Schaden von 1.050,– € netto entstanden ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß U bei diesem sich bei geringfügiger Geschwindigkeit abspielenden Unfallgeschehen tödliche Verletzungen erlitten hat. Vorliegend sprechend die äußeren Umstände des Unfallgeschehens ( Kontrollverlust des U über das von ihm gesteuerte Fahrzeug ) vielmehr dafür, daß der Unfall Folge des Versterbens des U. war. Gegenteiliges hat der Kläger trotz eines entsprechenden Hinweises des Gerichts substantiiert nicht vorgetragen.
Das Versäumnisurteil war daher mit den aus §§ 91, 709 ZPO folgenden prozessualen Nebenentscheidungen aufrechtzuerhalten.