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Versorgungsausgleich – Rangfolge der Durchführung

OLG Schleswig-Holstein

Az: 13 UF 121/06

Beschluss vom 05.10.2006

Vorinstanz: Amtsgericht Meldorf, Az.: 13 F 31/05


In der Familiensache (Versorgungsausgleich) hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig am 5. Oktober 2006 beschlossen:

1. Den Parteien wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt.

Dem Antragsgegner wird Rechtsanwalt in und der Antragstellerin wird Rechtsanwalt in beigeordnet.

Sie haben keine Raten zu zahlen.

2. Auf die Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe vom 21. Juli 2006 wird die Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Meldorf zum Versorgungsausgleich in dem Urteil vom 09. August 2005 (Ziffern II. und III. des Urteilstenors) teilweise geändert und insoweit insgesamt wie folgt neu gefasst:

Von dem Rentenkonto der Ehefrau bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin (Versicherungsnummer: ) sind monatliche Rentenanwartschaften in Höhe von 74,87 €, bezogen auf den 31. Januar 2005 als Ende der Ehezeit, auf das Rentenkonto des Ehemannes bei der Bahnversicherungsanstalt – Bezirksleitung – (Versicherungsnummer ) zu übertragen.
Der Monatsbetrag der zu übertragenden Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte (West) umzurechnen.

Hinsichtlich der Kosten im ersten Rechtszug verbleibt es bei der Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil.
Gerichtliche Kosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben (§ 21 GKG).

Die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren werden gegeneinander aufgehoben (§ 93a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.000,00 € festgesetzt (§ 49 Ziffer III. GKG).

Gründe

I.

Die am 15.06.1970 geborene Antragstellerin und der am 29.03.1968 geborene Antragsgegner schlossen am 22.07.1994 die Ehe miteinander. Der Scheidungsantrag der Antragstellerin ist dem Antragsgegner am 24.02.2005 zugestellt worden.
Als Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB gilt die Zeit vom 01.07.1994 bis zum 31.01.2005.

Die Parteien haben in der Ehezeit folgende Versorgungsanwartschaften erworben:

Antragstellerin
1. Laut Auskunft der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin, jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund, vom 21.06.2005, monatliche Rentenanwartschaften von 264,78 €.
2. Anwartschaft auf Betriebsrente laut Auskunft der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder in Karlsruhe vom 12.04.2005 von monatlich 17,79 €. Die Anwartschaft ist in der Anwartschaftsphase statisch und in der Leistungsphase dynamisch. Realteilung im Sinne des § 1 Abs. 2 VAHRG ist nicht vorgesehen.

Antragsgegner
1. Anwartschaft der gesetzlichen Rentenversicherung laut Auskunft der Bahnversicherungsanstalt – Bezirksleitung – vom 18.04.2005 von monatlich 102,34 €.
2. Anwartschaft auf Betriebsrente (Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes) der Bahnversicherungsanstalt – Bezirksleitung – laut Auskunft vom 30.03.2005 von monatlich 27,94 €. Die Anwartschaft ist in der Anwartschaftsphase statisch und in der Leistungsphase dynamisch. Realteilung im Sinne des § 1 Abs. 2 VAHRG ist nicht vorgesehen.
3. Anwartschaft auf eine private Berufsunfähigkeitsrente, Leibrentenversicherung, der Aachen Münchener in laut Auskunft vom 22.03.2005 auf der Grundlage eines Deckungskapitals am Ende der Ehezeit unter Berücksichtigung der zur Erhöhung der Rente bestimmten Überschussanteile von 2.156,09 €. Zu Beginn der Ehezeit betrug das Deckungskapital 0,00 €. Die Rechtsform des Versicherungsträgers ist nicht öffentlich-rechtlich. Realteilung ist nicht vorgesehen.

II.

Die Beschwerde der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder ist gemäß § 621e ZPO zulässig, obwohl das angefochtene Urteil am 09.08.2005 ergangen und die Beschwerde erst am 21.07.2006 beim Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig eingegangen ist. Aus den Akten ergibt sich, dass das angefochtene Urteil der beteiligten Beschwerdeführerin nicht zugestellt worden ist. Die Beschwerdeführerin hat auch keine Ladung zum Verhandlungstermin vom 09.08.2005 oder Terminsmitteilung erhalten. Ihr war nur insofern das Scheidungsverfahren bekannt, als sie zur Auskunft über den Versorgungsausgleich aufgefordert worden ist, dem sie nachgekommen ist. Die Vorschrift des § 517 ZPO, nach der die Berufungsfrist einen Monat beträgt und mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils beginnt, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung, steht der Zulässigkeit der Beschwerde hier nicht entgegen. Dieser Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Partei, die vor Gericht streitig verhandelt, mit dem Erlass einer Entscheidung rechnen muss und es ihr daher zugemutet werden kann, sich danach zu erkundigen, ob und mit welchem Inhalt eine solche Entscheidung ergangen ist. Wenn dieser Grundgedanke im Einzelfall nicht zutrifft, kann ausnahmsweise auch die 5-Monats-Frist nicht zu laufen beginnen, was etwa dann in Betracht kommt, wenn die beschwerte Partei im Verhandlungstermin nicht vertreten und für diesen Termin auch nicht ordnungsgemäß geladen worden ist (BGH, Beschluss vom 02.03.1988, NJW 1989, 1432, 1433). Diese Voraussetzungen liegen hier zugunsten der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder vor. Ohne Kenntnis von dem Verhandlungstermin und ohne Zustellung des angefochtenen Urteils hatte die Beschwerdeführerin keinen Anlass, mit einer Entscheidung im August 2005 zu rechnen und sich nach dem Ergebnis zu erkundigen. Der Beschwerdeführerin wurde das angefochtene Urteil erst mit Schreiben des Amtsgerichts – Familiengericht – Meldorf vom 07.07.2006 übersandt und ist dort am 11.07.2006 eingegangen. Nach den Umständen hat der Lauf der 5-Monats-Frist nicht begonnen, so dass die am 21.07.2006 eingegangene Beschwerde zulässig ist. Der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bedarf es nicht, weil die Beschwerdeführerin keine Frist versäumt hat.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Zu Recht rügt die Beschwerdeführerin, dass das Familiengericht die in § 1587 b BGB festgelegte Rangfolge für die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht eingehalten habe. Der Versorgungsausgleich zu Lasten der Antragstellerin erfolgt insgesamt gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB. Ein Ausgleich der Anwartschaft der Antragstellerin auf Betriebsrente bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG entfällt. Bei der Dynamisierung der Anwartschaften der Antragstellerin bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder und des Antragsgegners bei der Bahnversicherungsanstalt, Zusatzversorgung, wird die Barwert-Verordnung in der Fassung vom 01.06.2006 berücksichtigt.
Auf dieser Grundlage ergibt sich folgender Versorgungsausgleich:

Antragstellerin
1. Anwartschaft auf Betriebsrente bei der VBL:
Statischer Monatsbetrag 17,79 €.
Jahresrente 17,79 € x 12 = 213,48 €.
Diese statische Jahresrente ist gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 der Barwert-Verordnung, Stand Juni 2006, unter Anwendung der Tabelle 1 und Erhöhung des Altersfaktors um 50 % bei einem Alter der Antragstellerin zum Ende der Ehezeit von 34 Jahren mit dem Faktor 4,5 (3 + 50 %) zu multiplizieren. Es errechnet sich ein Barwert von 960,66 €.

Dieser Barwert ist nach der Tabelle 5 der Rechengrößenverordnung mit dem zum Ehezeitende geltenden Faktor 0,0001734318 in Entgeltpunkte (EP) umzurechnen. Es ergeben sich 0,16660 EP, abgerundet auf vier Stellen nach dem Komma von 0,1666 EP.

Diese Entgeltpunkte sind durch Multiplikation mit dem am Ende der Ehezeit geltenden aktuellen Rentenwert von 26,13 € auf monatliche dynamisierte Rentenanwartschaften umzurechnen. Es ergibt sich eine dynamische monatliche Anwartschaft von 4,35 €.

2. Monatliche Rentenanwartschaft bei der Deutschen
Rentenversicherung Bund 264,78 €
Ehezeitliche dynamische Anwartschaften der
Antragstellerin insgesamt 269,13 €

Antragsgegner
1. Statischer Monatsbetrag der Betriebsrente bei der Bahnversicherungsanstalt von monatlich 27,94 €.
Statische Jahresrente 27,94 € x 12 = 335,28 €.
Diese statische Jahresrente ist gemäß § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 der Barwert-Verordnung, Stand Juni 2006, unter Anwendung der Tabelle 1 und Erhöhung des Altersfaktors um 50 % bei einem Alter des Antragsgegners zum Ende der Ehezeit von 36 Jahren mit dem Faktor 4,8 (3,2 + 50 %) zu multiplizieren. Es errechnet sich ein Barwert von 1.609.34 €.
Dieser Barwert ist nach der Tabelle 5 der Rechengrößenverordnung mit dem zum Ehezeitende geltenden Faktor 0,0001734318 in Entgeltpunkte (EP) umzurechnen. Er ergeben sich 0,27911 EP, abgerundet auf vier Stellen nach dem Komma von 0,2791 EP.
Diese Entgeltpunkte sind durch Multiplikation mit dem am Ende der Ehezeit geltenden aktuellen Rentenwert von 26,13 € auf monatliche dynamisierte Rentenanwartschaften umzurechnen. Es ergibt sich eine dynamische monatliche Anwartschaft von 7,29 €.

2. Das Deckungskapital der Leibrente bei der Aachen
Münchener ist wie folgt in eine volldynamische Renten-
anwartschaft umzurechnen:
Umrechnung des Deckungskapitals in Entgeltpunkte
nach der Tabelle 5 der Rechengrößenverordnung
mit dem zum Ehezeitende geltenden Faktor
0,0001734318: 2.156,09 € x 0,0001734318 =
0,37393 EP, abgerundet auf 4 Stellen nach dem
Komma von 0,3739 EP.
Umrechnung der EP in dynamische Rentenanwart-
schaften durch Multiplikation mit den aktuellen
Rentenwerten von 26,13 €:
0,3739 x 26,13 € = 9,77 €

3. Dynamische Rentenanwartschaft bei der Bahnver-
sicherungsanstalt in Höhe von monatlich 102,34 €
Ehezeitliche dynamische Anwartschaften des
Antragsgegners insgesamt 119,40 €

Der Versorgungsausgleich erfolgt im Wege des
Rentensplittings gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB wie folgt:
Dynamische Anwartschaften
der Antragstellerin 269,13 €
des Antragsgegners 119,40 €
Differenz der Anwartschaften 149,73 €
: 2 = 74,87 €

Diese monatliche Rentenanwartschaft von 74,87 € ist von dem Rentenversicherungskonto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund auf das Rentenversicherungskonto des Antragsgegners bei der Bahnversicherungsanstalt, gesetzliche Rentenversicherung, zu übertragen. Der Höchstbetrag im Sinne des § 1587 b Abs. 5 BGB wird nicht überschritten.

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