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Vorbehalt zukünftiger immaterieller Schäden bei Schmerzensgeldverurteilung

OLG Nürnberg, Az.: 5 U 994/15, Urteil vom 27.11.2015

I.

Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23.04.2015 wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des Ersturteils wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).

Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 29.04.2015 zugestellte Endurteil mit am 28.05.2015 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese rechtzeitig begründet.

Sie wendet sich nur noch gegen die Feststellung ihrer Ersatzpflicht für zukünftig noch entstehenden immateriellen Schaden. Sie rügt, dass das Urteil insoweit keinerlei Ausführungen enthalte. Der Schmerzensgeldanspruch sei unteilbar. Die Verurteilung zu Schmerzensgeld in Höhe von 130.000,00 € umfasse den gesamten Schmerzensgeldanspruch. Der Zustand der Klägerin sei ausführlichst aufgeklärt gewesen, die weitere Entwicklung absehbar. Eine Ersatzpflicht für künftig entstehende immaterielle Schäden bestehe daher nicht.

Die Beklagte beantragt:

I. Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 23.04.2015, AZ: 4 O 1068/10, zugestellt am 28.04.2015, wird insoweit aufgehoben, als in Ziffer II festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den aus der fehlerhaften Behandlung der Handphlegmone im Jahre 2007 zukünftig noch entstehenden immateriellen Schaden zu ersetzen.

II. Die Klägerin und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.“

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Ersturteil. Es sei im Ergebnis richtig. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass die naheliegende Möglichkeit späterer Verschlechterungen des Gesundheitszustandes der Klägerin bestehe. Das Landgericht beziehe das Schmerzensgeld ausdrücklich auf die Folgen, die bereits eingetreten und bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung positiv festgestellt worden seien.

Der Senat hat zusätzliche Feststellungen nicht getroffen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Feststellungsausspruch erweist sich im Ergebnis als begründet. Insbesondere schließt die Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld nicht den Vorbehalt hinsichtlich möglicher weiterer künftiger immaterieller Schäden aus.

Da die Schmerzensgeldforderung auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet ist, ist sie grundsätzlich teilbar (BGH, NJW 2004, 1243), obwohl es sich um einen einheitlichen Anspruch handelt. Es ist daher möglich und zulässig, nur einen Teilbetrag eines Schmerzensgeldes geltend zu machen und ihn quantitativ auf die Verletzungsfolgen zu beschränken, die bereits zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind (BGH, a.a.O.). Wird eine Beschränkung allerdings nicht vorgenommen, erfassen Antrag und Verurteilung alle diejenigen Schadensfolgen, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren und deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte.

Vorliegend hat die Klägerin allein durch ihre Anspruchstellung (Kombination von Schmerzensgeldantrag und immateriellem Vorbehalt) klar zu erkennen gegeben, dass ihr Zahlungsantrag auf die bereits eingetretenen Folgen der Körperverletzung beschränkt sein sollte und eben nicht auch die zukünftig zu erwartenden Schäden umfassen sollte. Sie hat dies auch in der Klagebegründung (S. 27) unter Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung zusätzlich ausdrücklich betont.

Die Klägerin hat daher Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht zukünftiger immaterieller Schäden. Das sind alle auf der Fehlbehandlung beruhenden Schäden, die nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht eingetreten sind. Die bis dahin eingetretenen Schäden sind durch die rechtskräftig gewordene Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 130.000,00 € abgegolten.

Im Übrigen ist das Feststellungsinteresse der Klägerin deshalb begründet, weil zumindest die Möglichkeit eines zukünftigen Schadenseintritts besteht, auch wenn eine sichere Entwicklungsprognose derzeit nicht möglich ist. Vielmehr besteht sogar die naheliegende Gefahr von Abnutzungsschäden, beispielsweise an den Bandscheiben, und der Bildung eines Schlottergelenks. Auch insoweit kann nicht die Rede davon sein, dass -wie die Beklagte meint- die weitere Entwicklung absehbar ist. Der Sachverständige Prof. Dr. … hat diese weiteren Schädigungen gerade nicht als zwangsläufige Folge für die Zukunft prognostiziert. Sie konnten daher noch gar nicht in die Abwägung der Schmerzensgeldhöhe einbezogen werden.

Die vom Schmerzensgeldausspruch umfassten Schäden, also diejenigen, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren, sind hinreichend abgrenzbar von den Schäden, die (möglicherweise) zukünftig noch entstehen.

Soweit die Beklagte Anzeichen dafür sieht, dass in die Schmerzensgeldbemessung auch die vermutete Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin einbezogen wurde, kann dem nicht gefolgt werden. Das Landgericht weist zwar auf befürchtete weitere Beeinträchtigungen hin, betont aber ebenso, dass diese nicht zwangsläufig eintreten würden. Vielmehr folgt aus dem Zusammenhang der Ausführungen zur Schmerzensgeldhöhe, dass weder das Vorliegen des Schlottergelenks, noch Abnutzungsschäden an den Bandscheiben berücksichtigt wurden. So wird ausgeführt, dass am rechten Arm „zwar“ noch kein Schlottergelenk vorliege, dieser „jedoch“ schon in seiner Funktionsfähigkeit beschränkt sei. Es ist daher davon auszugehen, dass nur die derzeitige Beschränkung der Funktionsfähigkeit des rechten Armes berücksichtigt wurde, nicht aber mögliche weitere Beeinträchtigungen.

Nach alledem ist die Berufung zurückzuweisen.

Kosten: § 97 ZPO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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