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Wann steht Vorsorgevollmacht Bestellung eines Betreuers nicht entgegen?

LG Frankfurt – Az.: 2-21 T 217/19, 2-21 T 218/19 – Beschluss vom 06.12.2019

Die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Königstein i.Ts. vom 03.09.2009, Az..16 XVII 75 P, wird zurückgewiesen.

Die Beschwerde des Beschwerdeführers zu 2) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Königstein i.Ts. vom 03.09.2009, Az..16 XVII 75 P, wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässigen Beschwerden sind nicht begründet.

Zu Recht und mit der zutreffenden Begründung hat das Amtsgericht für den Betroffenen und Beschwerdeführer zu 2) einen Berufsbetreuer bestellt.

Zwar steht eine wirksam erteilte Vorsorgevollmacht der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen, § 1896 Abs. 2 BGB, weil die Betreuung dann nicht erforderlich ist, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden könne (BGH, FamRZ 2012, 969 = BeckRS 2012, 08883 Rdnr. 10; BGH NJW 2013, 3373, beck-online).

Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers jedoch dann nicht entgegen, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen (BGH NJW 2013, 3373, beck-online). Auch wenn die Redlichkeit des Vorsorgebevollmächtigten außer Zweifel steht, erfordert der Vorrang des Bevollmächtigten gegenüber der Anordnung einer Betreuung seine objektive Eignung, zum Wohl des Betroffenen zu handeln (BGH a.a.O.).

So liegt der Fall hier. Zwar hat der Betroffene am 18.03.2019 zu Gunsten der Beschwerdeführerin zu 1) notariell eine Generalvollmacht, Vorsorgevollmacht, vorsorgliche Betreuungsverfügung und Patientenverfügung beurkunden lassen (vgl. Bl. 40 ff. d.A.) Die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch die Beschwerdeführerin zu 1) würde jedoch eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründen; der Beschwerdeführerin zu 1) mangelt es jedenfalls an der objektiven Eignung, zum Wohl des Betroffenen zu handeln.

Zu Recht hat das Amtsgericht darauf abgestellt, dass die Beschwerdeführerin zu 1) sich nicht hinreichend um die angemessene Versorgung des Betroffenen gekümmert hat und hieraus eine Gesundheitsgefahr für den Betroffenen resultierte. Ausweislich der Lichtbilder (vgl. Bl. 123a d.A.) befindet sich die Wohnung, welcher Beschwerdeführer zu 2) bewohnt hat bzw. in der er sich zumindest teilweise noch aufhält in einem sehr vermüllten und äußerst schmutzigen Zustand.

Soweit die Beschwerdeführerin zu 1) im Schriftsatz vom 25.09.2019 und der Betroffene im Schriftsatz vom 02.10.2019 ausführen, der schlechte Zustand der Wohnung des Betroffenen sei darauf zurückzuführen, dass drei Einbrüche stattgefunden hätten und dass „auch aus diesen Gründen“ bzw. aus „finanziellen und organisatorischen Gründen“ der Lebensbereich „auf den unteren Teil des Hauses habe beschränkt werden müssen“ verfängt dies offensichtlich nicht.

Den dringendst erforderlichen Aufräum- und Putzarbeiten, also

•das Entsorgen des zahlreichen Mülls (Leergut, leere Plastikflaschen, Plastiktüten, Papier und Kartonreste, Sperrmüll, Konserven etc.)

•Abspülen des in der Spüle und den Möbeln sowie auf dem Boden hochgestapelten Geschirr (Töpfe, Pfannen, Teller, Gläser, Becher und Besteck etc.)

•Verstauen der Wäscheberge auf dem Boden und Betten und sonstigen Möbelstücken,

•Entsorgen der übelst verdorbenen Lebensmittel, die verschimmelt und von Schädlingen befallen sind, aus dem Kühlschrank nebst Reinigung des Kühlschranks,

•Zugänglichmachen, Entrümpeln und Reinigen des Bades,

•und überhaupt einer Grundreinigung der Wohnung insgesamt

stehen weder die angeblichen drei Einbrüche noch „finanzielle und organisatorische“ bzw. „sonstigen“ Gründe entgegen: diese Arbeiten erfordern nichts weniger als den Willen, diese Arbeiten praktisch selbst in die Hand zu nehmen und sie dann auch durchzuführen oder ggfs. ein Reinigungsunternehmen mit der Durchführung dieser Arbeiten zu beauftragen.

Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass der desaströse Zustand der Wohnung gerade in Betreff auf die verdorbenen und mit Schädlingen befallen Lebensmittel, das verschmutzte Geschirr und den zahlreichen, überall in der Wohnung verteilten Müll, bzw. der ungereinigte Zustand insgesamt, nicht auf irgendwelche Einbrüche zurückgeführt werden kann: Es handelt sich hierbei ausweislich der Lichtbilder um einen Zustand der langandauernden und fortschreitenden Verwahrlosung der Wohnung, der sich stetig über einen nicht unerheblichen Zeitraum hinweg entwickelt haben muss, was auch durch die unterschiedlichen ein Trocknungs-, Verschmutzung- und Schimmelgrade des Geschirrs und der Lebensmittel zu Tage tritt. Der durch die Lichtbilder dokumentierte Zustand der Wohnung lässt sich nicht damit erklären, dass nach den angeblichen Einbrüchen diese Wohnung verlassen wurde, vielmehr ergibt sich aus dem äußeren Bild des Wohnungszustandes – das zahlreiche benutzte Koch- und Essgeschirr, die leeren Getränkeflaschen, die Nahrungskonserven und Nahrungsgläser, die gestapelten Papier-, Plastik- und Sperrmüllreste sowie die zahlreichen, annähernd 100 Flaschen mit Bad- und Kosmetikzubehör auf und neben der Badewanne -, dass diese Wohnung tatsächlich über einen längeren Zeitraum in diesem verwahrlosten Zustand bewohnt wurde.

Die Beschwerdeführerin zu 1) hat gegenüber dem Sachverständigen … eingeräumt und bestätigt, dass sich die Wohnung des Betroffenen in dem durch die Lichtbilder dokumentierten Zustand befindet, und sie hat weiter auf richterliche Befragung eingeräumt, dass der Betroffene, da er sich „im Haupthaus noch wohl fühle“ ab und zu auch in diese Wohnung gehe. Für die Kammer steht daher außer Zweifel, dass der Betroffene sich in Kenntnis der Beschwerdeführerin zu 1) in dieser Wohnung über einen längeren Zeitraum aufgehalten hat und sich nach wie vor dort aufhält.

Dass der vorstehend geschilderte und durch die Lichtbilder belegte Zustand der Wohnung zwischenzeitlich beseitigt worden ist ist weder ersichtlich noch durch die Beschwerdeführer vorgetragen.

Dass dieser vermüllte und unhygienische Zustand die körperliche Gesundheit des Beschwerdeführers zu 2) erheblich gefährden kann, liegt auf der Hand und bedarf keiner vertieften Erörterung.

Weiter hat das Amtsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Beschwerdeführerin zu 1) sich auch deswegen nicht in angemessener Weise um die Angelegenheit des Betroffenen gekümmert hat, weil eine medizinische Abklärung der Demenzerkrankung des Betroffenen nicht erfolgt ist, und es der Beschwerdeführerin zu 1) auch weiter nicht gelungen ist, eine Krankenversicherung für den Betroffenen zu erlangen, so dass dieser über einen langen Zeitraum ohne Krankenversicherungsschutz war. Nach dem Inhalt der richterlichen Anhörung der Beschwerdeführerin zu 1) verhält es sich weiter so, dass auch die Blasenskrebserkrankung des Betroffenen nicht ärztlich begleitet wird, so sei nach Angaben der Beschwerdeführerin zu 1) vor 5 Jahren der letzte Kontrolltermin gewesen, und seitdem habe insofern eine ärztliche Untersuchung nicht mehr stattgefunden.

Schließlich stellt das Amtsgericht zutreffend darauf ab, dass bei einer angemessenen und umsichtigen Versorgung des Betroffenen durch die Beschwerdeführerin zu 1) letztlich auch das Insolvenzverfahren hätte vermieden werden können, da die Beschwerdeführerin zu 1) für eine rechtzeitige Abgabe der Steuererklärung und für die rechtzeitige Bezahlung der offenen Rechnungen hätte sorgen können; dies wird auch dadurch untermauert, dass nach eigenen Angaben der Beschwerdeführerin zu 1) „das Vermögen die Schulden um ein Vielfaches übersteigt“.

Nicht unberücksichtigt bleiben kann weiter, dass auch der sonstige Zustand des vom Betroffenen bewohnten Hauses Zeichen deutlicher Vernachlässigung zeigt: Nach dem Gutachten des Ingenieurbüros … vom 24. September 2019 sind große Teile des umlaufenden Balkons erheblich beschädigt, so fehlen einzelne Bohlen bis zu einer Länge von 2,50 m, ebenso ist das Balkongeländer stellenweise eingestürzt oder hängt unbefestigt an der Balkonkonstruktion. Dieser schlechte Zustand wird auch durch das Lichtbild Nr. 41 untermauert, auf dem ersichtlich ist, dass hier die gesamte Holzkonstruktion abgesackt ist.

In der Gesamtschau zeigt sich damit, dass die Beschwerdeführerin zu 1) jedenfalls objektiv nicht in der Lage war, sich auch nur ansatzweise in angemessener ausreichender Weise um die persönlichen, gesundheitlichen und die vermögensrechtlichen Angelegenheiten des Betroffenen zu kümmern. Das bisherige Versagen der Beschwerdeführerin zu 1) hierbei rechtfertigt die Annahme, dass diese auch in Zukunft nicht in der Lage sein wird, sich in angemessener Weise um die Angelegenheiten des Betroffenen zu kümmern.

Vorsorglich weist die Kammer darauf hin, dass aus diesen Gründen auch eine Bestellung der Beschwerdeführerin zu 1) als Betreuerin des Betroffenen ausscheiden würde.

Im Übrigen liegen die Voraussetzungen zur Bestellung eines Berufsbetreuers vor, § 1896 Abs. 1 – 3 BGB. Der Betroffene leidet an einem dementiellen Abbauprozess des Gehirns mit Störungen der Orientierung, der Gedächtnisleistung des Antriebs und der Urteilsfähigkeit. Aufgrund dieses chronischen dementiellen Krankheitsprozesses ist der Betroffene nicht mehr in der Lage, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der krankheitsbedingten Beeinträchtigung zu bilden, so dass zur Abwehr erheblicher Gefahren für sein gesundheitliches Wohl und für seine vermögensrechtlichen Angelegenheiten die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes und die Bestellung eines Betreuers erforderlich ist.

Von daher ist auch der für den Betreuer festgelegte Aufgabenkreis wie vom Amtsgericht im Beschluss vom 3.9.2019 festgelegt nicht zu beanstanden.

Im Übrigen bestehen auch keine nachvollziehbaren Zweifel an der Eignung des bestellten Berufsbetreuers. An der fachlichen Qualifikation des eingesetzten Betreuers bestehen keine Zweifel. Konkrete Anhaltspunkte, die der Eignung des bestellten Betreuers zur Ausübung dieser Tätigkeit entgegenstehen werden seitens der Beschwerdeführer nicht dargetan. Soweit der Betroffene in seiner Beschwerdebegründung ausführt, der als Berufsbetreuer eingesetzte Rechtsanwalt … habe „hinter dem Rücken des Betroffenen Kontakt zu allen möglichen Personen aufgenommen“ (vergleiche Bl. 306 der Akte) bietet dies keinen Anlass, an der Eignung des Berufsbetreuers zu zweifeln; da der Betreuer im Rahmen des ihm übertragenen Aufgabenkreises für den Betroffenen tätig werden muss, liegt es vielmehr auf der Hand, dass der Betreuer dann auch mit verschiedensten Personen Kontakt aufnimmt.

Eine erneute Anhörung des Betroffenen war nicht erforderlich gem. § 68 Abs. 3 FamFG, da hiervon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren. Der Betroffene wurde zeitnah vom Amtsgericht und von seiner Verfahrenspflegerin angehört.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die über den Beschwerdewert auf § 61, 36 Abs. 2 GerNotKG.

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