LG Stuttgart – Az.: 19 T 26/12 – Beschluss vom 21.03.2012
Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Verkehrswertfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg vom 10.01.2012 (1 K 50/11) wird als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 10.000,– €
Gründe
I.
Die Gläubigerin/Beschwerdegegnerin betreibt die Zwangsversteigerung des im Rubrum bezeichneten Grundbesitzes des Schuldners/Beschwerdeführers, die mit Beschluss des Amtsgerichts Ludwigsburg Vollstreckungsgericht – vom 10.03.2011 angeordnet wurde. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 10.01.2012, gegen den sich die sofortige Beschwerde des Schuldners wendet, wurde der Verkehrswert der Versteigerungsobjekte auf insg. 137.000,– € festgesetzt. Diesem Beschluss liegt ein Gutachten des vom Amtsgericht am 25.07.2011 beauftragten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, N.N., zugrunde.
Der Sachverständige hat den im Rubrum bezeichneten Grundbesitz am 25.08.2011 zum Zwecke der Wertfeststellung von außen besichtigt. Eine Innenbesichtigung war dem Sachverständigen nicht möglich, da der Schuldner bei dem o.g. Termin nicht angetroffen wurde, nachdem er bereits zuvor weder auf eine unter dem 01.08.2011 ergangene Terminankündigung für den 10.08.2011 reagiert hatte noch am 10.08.2011 zugegen war. Auch in der Folgezeit bis zur Abfassung seines Gutachtens war dem Sachverständigen keine Terminabsprache mit dem Schuldner möglich. Der Sachverständige berücksichtigte die unterbliebene Innenbesichtigung in Gestalt eines pauschalierten Risikoabschlags i.H.v. 5 % bei der Ableitung der marktüblichen Miete.
Das Amtsgericht übersandte dem Schuldner das bei Gericht am 05.09.2011 eingegangene Sachverständigengutachten am 27.09.2011 zum Verbleib und zur Stellungnahme. Inhaltliche Einwendungen wurden vonseiten des Schuldners hierauf weder innerhalb der vom Amtsgericht bestimmten dreiwöchigen Erklärungsfrist noch anderweitig bis zum Erlass des nunmehr angegriffenen Beschlusses vorgebracht. Insbesondere wurde schuldnerseits auch keine Nachholung der unterbliebenen Innenbesichtigung angeboten. Stattdessen erhob der Schuldner mit Telefax-Schreiben vom 23.01.2012 – zunächst ohne nähere Begründung – „Widerspruch“ gegen die Verkehrswertfestsetzung, welchem das Amtsgericht unter Auslegung des „Widerspruchs“ als sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 24.01.2012 nicht abgeholfen hat. Inhaltlich stützt der Schuldner die Verkehrswertbeschwerde im Wesentlichen auf die unterbliebene Innenbesichtigung der Versteigerungsobjektes durch den Sachverständigen.
Im Beschwerdeverfahren bestand Gelegenheit zur Stellungnahme.
II.
Der als gem. §§ 74a Abs. 5 Satz 3 ZVG, 793 ZPO statthafte sofortige Beschwerde auszulegende „Widerspruch“ des Schuldners gegen den Verkehrswertfestsetzungsbeschluss bleibt ohne Erfolg. Nachdem der Schuldner dem gerichtlich bestellten Sachverständigen den Zutritt zu den Räumlichkeiten des Versteigerungsobjekts in rechtlich vorwerfbarer Weise versagt hat, dem Sachverständigen ausschließlich deshalb keine Innenbesichtigung möglich war und im Übrigen weder das Gutachten noch der Wertfestsetzungsbeschluss offensichtlich an einem schwerwiegenden Mangel leiden, fehlt der Verkehrswertbeschwerde bereits das Rechtsschutzbedürfnis, weshalb das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen war.
Das Rechtsschutzbedürfnis als Voraussetzung jeder Rechtsverfolgung folgt aus dem Grundsatz, dass die Zivilgerichtsbarkeit dem Einzelnen Schutz nur im Rahmen der Gemeinschaft gewährt und niemand die Gerichte als Teil der Staatsgewalt für unnütze oder gar unlautere Zwecke bemühen darf (OLG Hamm MDR 1986, 858 und GRUR 1991, 336; LG Lüneburg, Beschl. v. 05.07.2007 – 4 T 92/07 – Rn. 4; LG Mühlhausen, Beschl. v. 05.05.2008 – 2 T 94/08 – Rn. 25 f.; AG Stuttgart, Beschl. v. 10.10.1989 – 8 C 7155/89 – alle zitiert nach juris). Im Rahmen der Zwangsversteigerung ist einem Schuldner unter Beachtung der vorstehend skizzierten rechtsstaatlichen Gesichtspunkte die Verkehrswertbeschwerde zu versagen, wenn er dem gerichtlich bestellten Sachverständigen den Zutritt zu den Räumlichkeiten des Versteigerungsobjektes verweigert hat (vgl. Stöber, ZVG, 19. Aufl. 2009, § 74a Rn. 10.5 m.w.N. in Fußn. 222). Dies muss zumindest dann gelten, wenn der Schuldner keine rechtfertigenden Gründe für seine Verweigerungshaltung vorbringen kann und weder das Gutachten noch der Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts offensichtlich an einem schwerwiegenden Mangel leiden.
1. Offensichtliche Fehler lassen weder der angegriffene Verkehrswertbeschluss noch das diesem zugrunde liegende Sachverständigengutachten erkennen. Der Schuldner hat hierzu lediglich schlagwortartig (Verkehrsanbindung etc., vgl. Schriftsatz vom 14.02.2012, Bl. …) und im Ergebnis unsubstantiiert vorgetragen.
2. Da der Schuldner auch keine Gründe vorgetragen hat, die geeignet gewesen wären, die zumindest faktische Zutrittsverweigerung gegenüber dem Sachverständigen zu rechtfertigen, ist seine im Nachhinein unter Bezugnahme auf die unterbliebene sachverständige Innenbesichtigung der Versteigerungsobjekte erhobene Verkehrswertbeschwerde rechtsmissbräuchlich und unlauter und deshalb mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig zu verwerfen.
a) Der Schuldner hat nach seinen eigenen Ausführungen auf die unter dem 01.08.2011 ergangene Terminsankündigung des Sachverständigen nicht reagiert, sondern sich unmittelbar vor dem vom Sachverständigen anberaumten Ortstermin oder am Tag des in der Ankündigung bezeichneten Termins (10.08.2011) zu einer zahnärztlichen Behandlung [ins Ausland] begeben. Es wäre dem Schuldner jedoch zuzumuten gewesen, den Sachverständigen vor Reiseantritt über seine Verhinderung am 10.08.2011 zu informieren und seinerseits einen zeitnahen Alternativtermin vorzuschlagen; dass ihm dies nicht nur zuzumuten war, sondern auch unschwer möglich gewesen wäre, geht aus dem vom Schuldner als Anlage zu seinem Schriftsatz vom 19.03.2012 übermittelten, auf den 08.09.2011 datierten und an den Sachverständigen gerichteten Schreiben hervor. Wenn der Schuldner in seinem vorstehend bezeichneten Schriftsatz weiter ausführt, bis zum 27.08.2011 wegen ärztlicher Behandlungen auf Reisen und anschließend (13.09.2011) zur Krebsnachsorge sowie im Erholungsurlaub (14.09.2011 bis 04.10.2011) gewesen zu sein, wird hieraus deutlich, dass ihm eine Kontaktaufnahme mit dem Sachverständigen sowie die Durchführung einer Innenbesichtigung der Versteigerungsobjekte – deren Ausbleiben der Schuldner nunmehr beanstandet – überdies auch zwischen dem 28.08.2011 und dem 12.09.2011 möglich gewesen wäre.
b) Wenn der Schuldner den Sachverständigen – nach seinem eigenen Vortrag – seinerseits lediglich am 08.09.2011 schriftlich davon in Kenntnis gesetzt hat, ab dem 13.09.2011 erneut an einer Innenbesichtigung gehindert zu sein und dem Sachverständigen in diesem Zusammenhang – ohne nähere Einzelheiten – eine „Terminvereinbarung ab dem 11. Oktober“ in Aussicht gestellt hat – obwohl er seinem eigenen Vortrag zufolge bereits am 04.10.2011 aus dem Urlaub zurückkehrte und lediglich noch am 05.10.2011 verhindert war -, hat er seinen für die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses im Rahmen der hiesigen Verkehrswertbeschwerde erforderlichen Mitwirkungsobliegenheiten nicht – auch nicht ansatzweise – im erforderlichen Ausmaß Rechnung getragen.
c) Dies führt nicht – auch nicht mittelbar – dazu, dass der Schuldner zur Unterstützung der sachverständigen Verkehrswertermittlung verpflichtet wäre. Wer die Verkehrswertermittlung absichtlich – und ohne rechtfertigende Gründe – erschwert, handelt jedoch dann unredlich, wenn er die unter den von ihm geschaffenen Bedingungen zustande gekommene Wertfestsetzung im Nachhinein unter Berufung auf selbst zu verantwortende Umstände angreift (LG Lüneburg a.a.O. Rn. 9 ff.; LG Mühlhausen a.a.O. Rn. 34 – beide zitiert nach juris).
Nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben hat ein Schuldner, der sich einer Besichtigung des Objekts durch den Sachverständigen in den Weg stellt, auch das Risiko zu tragen, dass der Sachverständige mangels eingehender Untersuchung des Grundstücks und der Räumlichkeiten zu einer Wertfeststellung kommt, die nur auf äußeren Eindrücken, die ihm zugänglichen amtlichen Unterlagen sowie auf einer auf die fachliche Erfahrung gestützten Schätzung beruht und daher zwangsnotwendig gewisse Ungenauigkeiten birgt, weshalb ihm ein Rechtsmittel in einem solchen Fall zu versagen ist.
3. Nach alledem war die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten vorliegend nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (BGH, Beschl. v. 15.03.2007 – V ZB 95/06; Beschl. v. 20.07.2006 – V ZB 168/05; Beschl. v. 18.05.2005 – V ZB 142/05).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 574 ZPO liegen nicht vor. Da die Zutrittsverweigerung durch den Schuldner gegenüber dem Sachverständigen im Zwangsversteigerungsverfahren die Ausnahme darstellt, ist eine grundlegende Bedeutung der hier erörterten Fragen nicht erkennbar.