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Abwasser- und Abfallgebühren – öffentliche Last auf Grundbesitz

Öffentliche Lasten auf Grundbesitz: Abwasser- und Abfallgebühren im Fokus

Das Urteil des VG Schleswig (Az.: 4 A 1/22) vom 15.11.2023 behandelt einen Rechtsstreit um rückständige Abwasser- und Abfallgebühren aus dem Jahr 2004, für die eine GbR als neue Eigentümerin eines Grundstücks in Anspruch genommen wird. Das Gericht hebt den Duldungsbescheid der Beklagten bezüglich der Gebühren auf, wobei die Klägerin 66% und die Beklagte 34% der Verfahrenskosten tragen muss. Zentrale Punkte sind die dingliche Haftung für öffentliche Lasten, die Rechtsfolgen des Insolvenzverfahrens des Voreigentümers sowie die Anwendbarkeit von Verjährungs- und Verwirkungsgrundsätzen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 4 A 1/22 >>>

✔ Das Wichtigste in Kürze

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Aufhebung des Duldungsbescheids für Abwasser- und Abfallgebühren aus 2004.
  2. Dingliche Haftung setzt eine spezifische gesetzliche Grundlage voraus.
  3. Keine automatische Haftung des neuen Eigentümers für öffentliche Lasten des Voreigentümers.
  4. Das Insolvenzverfahren des Voreigentümers unterbricht die Verjährung von Forderungen.
  5. Restschuldbefreiung des Voreigentümers entbindet nicht von der Haftung für bestimmte öffentliche Lasten.
  6. Die Anwendung von Verjährungsfristen muss individuell geprüft werden.
  7. Verwirkung von Ansprüchen benötigt ein Umstands- und Zeitmoment.
  8. Ermessensentscheidungen der Behörde müssen auf Treu und Glauben basieren.

Öffentliche Lasten auf Grundbesitz: Abwasser- und Abfallgebühren im Fokus

Öffentliche Lasten: Abwasser- & Abfallgebühren auf Grundbesitz
(Symbolfoto: Andrii Yalanskyi /Shutterstock.com)

Abwasser- und Abfallgebühren stellen öffentliche Lasten auf Grundbesitz dar, die in einem Bundes- oder Landesgesetz geregelt sind. Diese Gebühren sind unmittelbar oder mittelbar mit der Nutzung einer öffentlichen Einrichtung, wie einer öffentlichen Abwasseranlage, verbunden. Laut dem Bundesgerichtshof (BGH) sind Abgabenverpflichtungen nur dann öffentliche Grundstückslasten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG, wenn sie in einem solchen Gesetz verankert sind.

Gemäß dem Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ruht eine öffentliche Last aufgrund von Abfall- und Abwassergebühren auf dem Grundbesitz, sodass der Eigentümer die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden hat. In Nordrhein-Westfalen (NRW) sind grundstücksbezogene Benutzungsgebühren, wie beispielsweise Abfall- und Abwassergebühren, als öffentliche Last auf dem Grundstück gemäß § 5 KAG NRW zu verstehen.

Grundbesitz-Abgaben umfassen neben der Grundsteuer B auch Gebühren für Abfall, Abwasser, Straßenreinigung und Winterdienst. Diese öffentlichen Abgaben sind mit der Nutzung öffentlicher Einrichtungen verbunden und können unter bestimmten Umständen zur Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz führen.

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig (Az.: 4 A 1/22) vom 15.11.2023 befasst sich mit einem Rechtsstreit um rückständige Abwasser- und Abfallgebühren aus dem Jahr 2004, für die eine GbR als neue Eigentümerin eines Grundstücks in Anspruch genommen wird. Das Gericht hebt den Duldungsbescheid der Beklagten bezüglich der Gebühren auf, wobei die Klägerin 66% und die Beklagte 34% der Verfahrenskosten tragen muss. Das Urteil wirft ein Schlaglicht auf die dingliche Haftung für öffentliche Lasten, die Rechtsfolgen des Insolvenzverfahrens des Voreigentümers sowie die Anwendbarkeit von Verjährungs- und Verwirkungsgrundsätzen.

Wenn Sie Fragen zu einem ähnlichen Fall haben, bei dem es um öffentliche Lasten auf Grundbesitz und deren Auswirkungen auf Abwasser- und Abfallgebühren geht, zögern Sie nicht und fordern Sie noch heute unsere unverbindliche Ersteinschätzung an.

Öffentliche Lasten auf Grundbesitz: Abwasser- und Abfallgebühren im Fokus

Im Verwaltungsrecht sorgt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig (VG Schleswig, Az.: 4 A 1/22) für Aufsehen, das sich mit der Frage der öffentlichen Lasten durch Abwasser- und Abfallgebühren auf Grundbesitz befasst. Der Rechtsstreit drehte sich um die Duldungspflicht für rückständige Gebühren aus dem Jahr 2004, welche die neue Eigentümerin eines Grundstücks, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), betraf.

Zwischen Insolvenzverfahren und Eigentumsübergang

Die GbR erwarb das Grundstück vom Insolvenzverwalter des Vorbesitzers, wobei im Kaufvertrag die Übertragung „lastenfrei“ vereinbart wurde. Trotz dieser Vereinbarung wurden von der zuständigen Behörde rückständige Gebühren für Abwasser und Abfall als öffentliche Lasten auf dem Grundbesitz geltend gemacht. Interessanterweise erfolgte die Anmeldung dieser Forderungen bereits im Rahmen des Insolvenzverfahrens des Vorbesitzers.

Rechtliche Herausforderung und Gerichtsentscheidung

Der Kern der rechtlichen Auseinandersetzung lag in der Frage, ob und inwieweit die neuen Eigentümer für die Altlasten des Vorbesitzers aufkommen müssen. Das VG Schleswig entschied zugunsten der Klägerin, indem es den Duldungsbescheid hinsichtlich der Abwasser- und Abfallgebühren für das Jahr 2004 aufhob. Das Gericht begründete dies damit, dass die Gebühren nicht als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen, da die entsprechende gesetzliche Regelung erst nach dem Erwerb des Grundstücks durch die Klägerin in Kraft trat. Somit konnte kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in die Lastenfreiheit ihres Eigentums beeinträchtigt werden.

Unterschiedliche Behandlung von Grundsteuerforderungen

Interessanterweise traf das Gericht eine andere Entscheidung hinsichtlich der Grundsteuerforderungen für das gleiche Jahr. Diese wurden bestätigt, da die Grundsteuer auf dem Grundbesitz als öffentliche Last ruht und somit unabhängig von Eigentümerwechseln geltend gemacht werden kann. Diese Entscheidung verdeutlicht die Komplexität und Unterschiedlichkeit der Rechtslage bezüglich verschiedener Arten von öffentlichen Lasten auf Grundbesitz.

Fazit: Ein Urteil mit Signalwirkung

Das Urteil des VG Schleswig setzt wichtige Maßstäbe im Umgang mit öffentlichen Lasten auf Grundbesitz und deren Übertragbarkeit bei Eigentümerwechseln. Für Eigentümer und potenzielle Käufer von Grundbesitz bietet es Orientierung hinsichtlich der Risiken, die mit ungeklärten Altlasten verbunden sein können. Die Entscheidung unterstreicht die Bedeutung sorgfältiger Prüfung und Berücksichtigung von öffentlichen Lasten im Rahmen von Grundstückstransaktionen.

✔ FAQ: Wichtige Fragen kurz erklärt

Was sind öffentliche Lasten und wie wirken sie sich auf Grundbesitz aus?

Öffentliche Lasten sind Belastungen eines Grundstücks oder grundstücksgleichen Rechts mit öffentlichen Abgaben, die im Grundbuch nicht eintragungsfähig sind. Sie sind auf öffentliches Recht beruhende Abgabeverpflichtungen für eine Sache, die durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistungen zu erfüllen sind, und für die der Schuldner persönlich dinglich haftet.

Zu den öffentlichen Lasten gehören in erster Linie kommunale Abgaben wie Erschließungskosten, Ausbaukosten, Straßenbaubeiträge oder Grundsteuer. Darüber hinaus sind auch Beiträge zu Wasser- und Bodenverbänden, Deichabgaben, Gebühren für die Kanalisation und Oberflächenentwässerung, Straßenreinigung und ähnliche Kosten zu den öffentlichen Lasten zu zählen.

Die Auswirkungen von öffentlichen Lasten auf den Grundbesitz sind vielfältig. Da die öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruht, bleibt sie auch bestehen, wenn das Grundstück veräußert wird, sofern die damit zusammenhängende Grundsteuerforderung der Gemeinde fällig und vollstreckbar ist. Dies bedeutet, dass der neue Eigentümer die Vollstreckung in das Grundstück dulden muss.

Öffentliche Lasten können sich auch wertmindernd auf ein Grundstück auswirken und daher für den Realkredit (Grundpfandrechte) Bedeutung besitzen. Sie können den Wert des Grundstücks beeinflussen und sind daher für potenzielle Käufer von Bedeutung.

Im Mietverhältnis dürfen laufende öffentliche Lasten des Grundstücks, wie die Grundsteuer, auf den Mieter umgelegt und in den Betriebskosten mit abgerechnet werden.

Es ist daher für jeden Grundstückseigentümer und potenziellen Käufer wichtig, sich über die bestehenden öffentlichen Lasten eines Grundstücks zu informieren, um unerwartete Kosten und Haftungsrisiken zu vermeiden.

Welche Rolle spielt die dingliche Haftung bei Abwasser- und Abfallgebühren?

Die dingliche Haftung spielt eine wichtige Rolle bei Abwasser- und Abfallgebühren, da sie die Verpflichtung des Grundstückseigentümers zur Zahlung dieser Gebühren festlegt. Die dingliche Haftung bedeutet, dass die Gebühren als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen und der Eigentümer für diese haftet, unabhängig davon, ob er das Grundstück selbst nutzt oder nicht.

Die Gebühren für Abwasser und Abfall sind grundstücksbezogene Benutzungsgebühren, da sie für die Entsorgung des auf dem Grundstück anfallenden Abwassers und Abfalls erhoben werden. Die Schuldner dieser Gebühren sind in der Regel die Grundstückseigentümer und nicht die Mieter. Die kommunale Gebührensatzung kann jedoch bestimmen, dass der Grundstückseigentümer neben dem Erbbauberechtigten als Gesamtschuldner für Abwassergebühren haftet.

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Die dingliche Haftung kann sich für den Erwerber des Grundstücks als problematisch erweisen, da er immer damit rechnen muss, wegen noch offenstehender Beträge herangezogen zu werden. Wenn ein Gebührenbescheid ergeht und der Schuldner nicht zahlt, kann die Gemeinde die Gebühren im Wege der Zwangsvollstreckung in das Grundstück eintreiben. Dabei ist zu beachten, dass die Frage der dinglichen Haftung erst aufkommt, wenn die Gebühren auf diese Weise eingetrieben werden.

Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass die persönliche Haftung grundsätzlich vor der dinglichen Haftung Vorrang hat. Das bedeutet, dass zunächst versucht wird, die Gebühren vom persönlich Beitragspflichtigen einzutreiben. Erst wenn dies erfolglos bleibt, wird die dingliche Haftung geltend gemacht.


Das vorliegende Urteil

VG Schleswig – Az.: 4 A 1/22 – Beschluss vom 15.11.2023

Der Bescheid der Beklagten vom 25. August 2021 und der Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2021 werden, soweit sie die Duldung wegen der rückständigen Abwasser- und Abfallgebühren 2004 in Höhe von Euro betreffen, aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 66% und die Beklagte zu 34%.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR), wendet sich gegen einen Duldungsbescheid, durch welchen sie als dinglich Haftende für rückständige Grundsteuern, Abwassergebühren und Abfallgebühren des Voreigentümers ihres Grundstücks in, Herrn, in Anspruch genommen wird.

Gesellschafter dieser GbR sind ### und die Erben der am 27. Juli 2023 verstorbenen ###.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2004 teilte die Beklagte dem Voreigentümer mit, dass für das o. g. Grundstück offene Beträge für das Jahr 2004 für Grundsteuer B ( Euro), Abwassergebühren ( Euro) und Abfallgebühren ( Euro) bestünden und gab hierfür die entsprechenden Fälligkeitstermine an: 15. Februar 2004: Euro, 15. Mai 2004: Euro, 15. August 2004: Euro und 15. November 2004: Euro. Die Beträge zu den Fälligkeitsterminen zum 15. Februar 2004 und 15. Mai 2004 in Höhe von jeweils Euro entrichtete er, die Fälligkeiten zu den Terminen zum 15. August 2004 und 15. November 2004 hingegen nicht.

Gegen den Voreigentümer wurde am 1. Januar 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Beklagte meldete die offene Forderung gegen den Voreigentümer für das Grundstück in in Höhe von insgesamt Euro ( Euro + Euro) zzgl. Nebenkosten am 7. Februar 2005 zur Insolvenztabelle an. Darin enthalten war der Zusatz, dass für das Objekt zudem die abgesonderte Befriedigung nach § 49 InsO beansprucht werde. Nachdem die Forderung zunächst am 1. März 2005 vorläufig vom Insolvenzverwalter bestritten wurde, wurde sie am 20. Oktober 2005 festgestellt.

Die Klägerin schloss am 1. März 2005 mit Herrn, handelnd als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Voreigentümers – -, einen Kaufvertrag (Urkundenrolle Nr., Notar: ) über das Grundvermögen in . In dem Kaufvertrag heißt es u. a. in § 1, dass der Kaufgegenstand pfand- und lastenfrei an den Käufer übertragen werde.

Mit Datum vom 18. August 2005 wurde die Klägerin als Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks in das Grundbuch, unter der Grundbuch Blatt Nr., eingetragen. Dort heißt es in der Spalte Eigentümer: „a), geboren am b), geboren am zu a) und b) in Gesellschaft bürgerlichen Rechts“. Der Grundbesitz wurde der Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 2006 steuerlich zugerechnet.

Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 26. Juni 2012 wurde dem Voreigentümer im Rahmen seines Insolvenzverfahrens Restschuldbefreiung erteilt. Der Voreigentümer verstarb am 27. Juli 2012. Am 24. September 2019 erfolgte auf die Forderung in Höhe von Euro eine Quotenzahlung im Rahmen des Insolvenzverfahrens auf die Grundsteuer in Höhe von Euro, sodass insgesamt ein Restbetrag in Höhe von Euro (Grundsteuer: Euro, Abwassergebühren: Euro, Abfallgebühren: Euro) verblieb. Das Insolvenzverfahren wurde am 2. Dezember 2019 aufgehoben.

Mit Schreiben vom 22. Juli 2021 kündigte die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Duldungsbescheid an und gab ihr gleichzeitig Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Gesellschafter der Klägerin,, meldete sich daraufhin am 23. Juli 2021 telefonisch bei der Beklagten und teilte mit, dass er seiner Ansicht nach nicht zahlungspflichtig sei. Die Beklagte solle sich wegen der offenen Beträge an die Familie des verstorbenen Voreigentümers halten. Weiterhin teilte er der Beklagten mit Schreiben vom 28. Juli 2021 mit, dass nach Auskunft des damaligen Insolvenzverwalters des Voreigentümers die Steuerschuld verjährt sei und er die Angelegenheit deshalb als erledigt betrachte.

Mit Bescheid vom 25. August 2021 erging durch die Beklagte gegenüber der Klägerin – adressiert an und – der angekündigte Duldungsbescheid. Zur Begründung führte sie an, dass für den Grundbesitz in Grundbesitzabgaben aus dem Jahr 2004 von den vorherigen Eigentümern, Erben nach, nicht beglichen worden seien. Die Grundbesitzabgaben seien durch den Abgabenbescheid von 2004 festgesetzt / abgerechnet worden, am 15. August 2004 und am 15. November 2004 fällig gewesen und von dem Voreigentümer nicht vollständig entrichtet worden. Die Rückstände würden sich wie folgt zusammensetzen: Grundsteuer B 2004 in Höhe von Euro, Abwassergebühren 2004 in Höhe von Euro und Abfallgebühren 2004 in Höhe von Euro (insgesamt Euro).

Vollstreckungsmaßnahmen seien nicht möglich. Gemäß § 12 GrStG ruhe die Grundsteuer auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last. Ebenso ruhten nach § 6 Abs. 7 KAG die Abfall- und Abwassergebühren als öffentliche Last auf dem Grundstück. Die Forderungen seien auch nicht verjährt. Duldungsansprüche würden nicht der Festsetzungsverjährung unterliegen. Der die Festsetzungsverjährung regelnde § 169 AO sei nicht einschlägig, da er ausschließlich für die Steuerfestsetzung gelte. Weiterhin sei aufgrund des Insolvenzverfahrens gegenüber dem ursprünglichen Abgabenschuldner der Lauf der Zahlungsverjährung entsprechend § 231 Abs. 2 Nr. 4 AO bis zum 2. Dezember 2019 unterbrochen gewesen, sodass auch keine Zahlungsverjährung eingetreten sei. Die dingliche Haftung des Grundstücks könne also wie im bürgerlichen Recht im Wege der Zwangsvollstreckung geltend gemacht werden. Nach § 77 Abs. 2 AO hätten die Eigentümer des Grundbesitzes die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden. Zugunsten der Gemeinde gelte als Eigentümer, wer im Grundbuch eingetragen sei. Dies sei seit dem 18. August 2005 die Klägerin. Mit Wirkung zum 1. Januar 2006 sei ihr auch der streitgegenständliche Grundbesitz steuerlich zugerechnet worden. Wegen der genannten Grundbesitzabgabenforderungen sehe sie – die Beklagte – sich genötigt, die dingliche Haftung der auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last ruhenden Beträge nach § 12 GrStG und §§ 6 Abs. 7 und 11 KAG i. V. m. §§ 1 Abs. 2 Ziff. 4, 77 und 191 AO und § 269 LVwG geltend zu machen. Gleichzeitig räumte die Beklagte der Klägerin zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung ein Ablöserecht ein, wenn sie die noch offene Forderung begleichen würde.

Hiergegen erhob der Gesellschafter der Klägerin,, mit Schreiben vom 27. August 2021 Widerspruch. Zu Begründung führte er an, dass die Klägerin das Grundstück aus dem „Konkursverfahren“ mit sauberen Grundbüchern und frei von allen Lasten gekauft habe.

Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2021 – ebenso adressiert an und -, der Klägerin zugestellt am 4. Dezember 2021, zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die streitgegenständlichen Forderungen mit Bescheid vom 9. Januar 2004 entstanden seien (dieser lag dem Widerspruchsbescheid bei). Die Forderungen seien zu dem Insolvenzverfahren angemeldet worden. Aufgrund der gegenüber dem Voreigentümer erteilten Restschuldbefreiung vom 26. Juni 2012 habe eine Durchsetzung der offenen Forderungen gegenüber diesem gem. § 301 InsO nicht mehr erfolgen können. Weiterhin handele es sich bei dem – von der Klägerin genannten – lastenfreien Übergang um eine Regelung auf Grundlage des Privatrechts zwischen Käufer und Verkäufer des Grundstücks. Durch die vertragliche Vereinbarung in dem notariellen Kaufvertrag entstehe keine rechtliche Auswirkung auf den Fortbestand der Forderungen des öffentlichen Abgabenrechts.

Die Klägerin hat am 4. Januar 2022 Klage erhoben.

Zur Begründung trägt sie vor, dass ein Fall der Verwirkung vorliege. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne, selbst, wenn die 5-jährige Verjährungsfrist für Steuerforderungen nicht gelte – was auch hier zutreffend sein möge – ein Fall der Verwirkung vorliegen. Es könne nach dieser Entscheidung sein, dass sie – die Klägerin – schutzwürdig sei und habe annehmen dürfen, dass sie dem Duldungsanspruch nicht mehr ausgesetzt sei. Sowohl das hierfür erforderliche Zeitmoment als auch das Umstandsmoment seien gegeben. Sie habe das streitgegenständliche Grundstück vor 17 Jahren erworben; unter Berücksichtigung dieses Zeitablaufs und der erst nunmehr erfolgten Geltendmachung der Forderung durch die Beklagte sei ein besonders langes Zeitmoment gegeben. Auch ein Umstandsmoment liege vor. Die Klägerin habe alles getan, was ihr aus dem geschlossenen Kaufvertrag vom 1. März 2005 an Verpflichtungen erwachsen zu sein schien; von weiteren Verpflichtungen habe sie keine Kenntnis gehabt. Sie habe auch keinen Anlass gesehen, den Verkäufer – den Insolvenzverwalter – hinsichtlich weiterer Verpflichtungen zu befragen, da dieser im Kaufvertrag ausdrücklich die Lastenfreiheit erklärt habe.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 25. August 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2021 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, dass es auf die Regelung der Lastenfreiheit im Kaufvertrag nicht ankomme, da es den Parteien nicht obliege, über das Bestehen oder Nichtbestehen von Forderungen, die dem öffentlichen Abgabenrecht entstammen, zu disponieren. Entgegen der Ansicht der Klägerin stehe der Durchsetzbarkeit des Duldungsanspruchs auch nicht das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegen. Insbesondere liege das erforderliche Umstandsmoment nicht vor.

Hierfür sei neben dem bloßen Zeitablauf erforderlich, dass besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, dass er mit der Inanspruchnahme durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen brauche – was hier nicht der Fall sei. Zudem habe sie – die Beklagte – die Forderung ordnungsgemäß zur Insolvenztabelle angemeldet. Sie sei während des laufenden Vollstreckungsverfahrens vom 1. Januar 2005 bis zum 2. Dezember 2019 wegen des Vollstreckungsverbots aus § 89 InsO daran gehindert gewesen, die Forderung zu vollstrecken.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.

Die am 4. Januar 2022 erhobene Anfechtungsklage gegen den Duldungsbescheid der Beklagten vom 25. August 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2021 ist statthaft, vgl. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO.

Die Klägerin ist auch klagebefugt, was daraus folgt, dass sie (Inhalts-)Adressatin des belastenden Verwaltungsakts ist, vgl. § 42 Abs. 2 VwGO. Zwar wurde sowohl der Duldungsbescheid als auch der Widerspruchsbescheid nicht an die Klägerin adressiert, sondern an und – und dies nicht explizit in ihrer Funktion als Gesellschafter der Klägerin -, allerdings geht aus dem Inhalt dieser Bescheide hervor, dass Inhaltsadressatin die Klägerin ist, da die Bescheide unter Nennung der Grundbuch Blatt Nr. auf die Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks als Duldungspflichtige gemäß § 77 Abs. 2 AO Bezug nehmen. Ausweislich der Grundbuchauszüge (Stand: 4. Januar 2006 und 7. November 2023) ist die Klägerin Eigentümerin des Grundstücks.

Weiter wurde ein Vorverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO durchgeführt. Selbst wenn der Widerspruch der Klägerin hier gegebenenfalls nicht formgerecht eingelegt worden ist, weil lediglich der Gesellschafter und nicht auch die Gesellschafterin den Widerspruch erhoben hat, hat die Beklagte dies jedenfalls durch den Erlass ihres Widerspruchsbescheides am 3. Dezember 2021 geheilt. Der Beklagten als „Herrin des Vorverfahrens“ steht es frei, durch einen Widerspruchsbescheid – welcher hier durch sie am 3. Dezember 2021 ergangen ist – die Voraussetzungen für einen anschließenden Verwaltungsprozess zu schaffen, soweit nicht Dritte schutzwürdig betroffen sind – was vorliegend nicht der Fall ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 4. August 1982 – 4 C 42.79). Der Widerspruchsbescheid richtet sich auch – wie bereits dargestellt – an die Klägerin als Inhaltsadressatin.

Die Klägerin ist als GbR im Sinne von § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig, da anerkannt ist, dass sie Rechtsfähigkeit besitzt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten begründet (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00).

Die Klage ist zudem fristgerecht gem. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO binnen eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides schriftlich erhoben worden. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs wurde der Widerspruchsbescheid der Klägerin am 4. Dezember 2021 zugestellt, sodass die Klagefrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 222 Abs. 1, § 188 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 4. Januar 2022 endete und die Klageerhebung am selbigen Tage fristgemäß erfolgte.

Die Klage hat teilweise in der Sache Erfolg.

Soweit der Duldungsbescheid vom 25. August 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2021 die in Rede stehenden Abwasser- und Abfallgebühren für das Jahr 2004 in Höhe von Euro betrifft, ist er rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für den Duldungsbescheid betreffend die Abwasser- und Abfallgebühren ist § 191 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 77 Abs. 2 AO, welche gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 KAG auch für Abwasser- und Abfallgebühren anwendbar ist.

Anhaltspunkte, die gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Duldungsbescheides sprechen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere wurde die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juli 2021 durch die Beklagte angehört.

Der Duldungsbescheid ist allerdings, soweit er die Abwasser- und Abfallgebühren aus dem Jahre 2004 betrifft, materiell rechtswidrig.

Gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden. Nach § 77 Abs. 2 Satz 1 AO hat der Eigentümer wegen einer Steuer, die als öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruht, die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden.

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Abwasser- und Abfallgebühren für das Jahr 2004 in Höhe von insgesamt Euro (Abwassergebühren: Euro, Abfallgebühren: Euro) ruhen nicht als öffentliche Last auf dem Grundstück. Ob eine öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruht, ergibt sich aus dem einschlägigen Abgabengesetz (Rüsken, in: Klein, Abgabenordnung, 16. Auf. 2022, § 77 Rn. 5). Zwar heißt es in § 6 Abs. 7 KAG, dass grundstücksbezogene Benutzungsgebühren als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen. Bei den hier streitgegenständlichen Abwasser- und Abfallgebühren handelt es sich auch um grundstücksbezogene Benutzungsgebühren (Belz, in: Praxis der Kommunalverwaltung, KAG SH, Aufl. 5/2020, § 6 Rn. 300 m. w. N.).

Allerdings greift die Vorschrift des § 6 Abs. 7 KAG im vorliegenden Fall nicht. Diese Regelung ist erst durch Artikel 7 des Gesetzes zur Änderung kommunalverfassungs- und wahlrechtlicher Vorschriften vom 22. März 2012 (GVOBl. Schl.-H., S. 371, 385) in § 6 KAG eingefügt worden. Vor dem Inkrafttreten des § 6 Abs. 7 KAG bestanden öffentliche Lasten gemäß § 8 Abs. 7 KAG nur für Beiträge (vgl. auch Belz, in: Praxis der Kommunalverwaltung, KAG SH, Aufl. 5/2020, § 6 Rn. 300). Während bei Beiträgen nach § 8 KAG stets die Grundstücksbezogenheit gegeben ist, galt es bei der entsprechenden Regelung für Benutzungsgebühren klarstellend zu regeln, dass gerade nur solche als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen, die einen spezifischen Bezug zum Buchgrundstück aufweisen (vgl. auch Belz, in: Praxis der Kommunalverwaltung, KAG SH, Aufl. 5/2020, § 6 Rn. 300).

Aufgrund dieser nachträglich getroffenen Regelung ist § 6 Abs. 7 KAG mit Blick auf den verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz dahingehend auszulegen, dass der Eigentümer, der ein Grundstück vor Inkrafttreten der Neuregelung erworben hat, nicht wegen persönlicher Gebührenrückstände des Voreigentümers zur Duldung der Vollstreckung verpflichtet ist (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. November 2015 – 9 A 916/14). Der Landesgesetzgeber hat für § 6 Abs. 7 KAG in Art. 7 des Gesetzes zur Änderung kommunalverfassungs- und wahlrechtlicher Vorschriften vom 22. März 2012 keine Übergangsvorschrift vorgesehen. Auch sind den Gesetzgebungsmaterialien hierzu keine Ausführungen zu entnehmen (vgl. LT-Drs. 17/1633, S. 46). Unter Berücksichtigung dessen spricht zwar der Wortlaut des § 6 Abs. 7 KAG zunächst grundsätzlich dafür, dass auch Benutzungsgebühren, welche vor Inkrafttreten dieser gesetzlichen Regelung entstanden sind, fortan als öffentliche Last auf dem Grundstück ruhen (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 – IX ZR 127/09). Dies ist allerdings nicht uneingeschränkt der Fall. Vielmehr gilt es bei der Rückwirkung von Gesetzen zwischen der echten und der unechten Rückwirkung zu unterscheiden und die damit einhergehenden Grenzen zu beachten. Die echte Rückwirkung ist grundsätzlich unzulässig und liegt dann vor, wenn ein Gesetz nachträglich in bereits abgewickelte, also der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1960 – 2 BvL 4/59). Eine unechte Rückwirkung hingegen liegt vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte einwirkt und damit Rechtspositionen für die Zukunft entwertet (BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94). Der Zulässigkeit der unechten Rückwirkung sind dabei durch das zu berücksichtigende Vertrauensschutzprinzip und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Diese Grenze ist überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur Erreichung des Zwecks des Gesetzes nicht geeignet oder erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen (ständige Rechtsprechung des BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 – 1 BvF 1/94).

Letzteres ist vorliegend der Fall. Es handelt sich hier zwar um eine – grundsätzlich zulässige – unechte Rückwirkung, welche allerdings aus Gründen des dargestellten Vertrauensgrundsatzes unzulässig ist, weil die Bestandsinteressen der Klägerin die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. Zunächst liegt eine unechte Rückwirkung vor. Es handelt es sich um ein Abgabeverfahren; solche Verfahren sind so lange nicht abgeschlossen, wie die Abgabe nicht entrichtet ist (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. November 2015 – 9 A 916/14). Eine Entrichtung der (vollständigen) Abwasser- und Abfallgebühren hat hier gerade nicht stattgefunden, sodass die Vorschrift des § 6 Abs. 7 KAG auf einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt einwirkt. Allerdings überwiegen die Bestandsinteressen der Klägerin hier die Veränderungsgründe des Gesetzgebers. Hat ein Käufer ein Grundstück, in das vollstreckt werden soll, vor Inkrafttreten der Neuregelung erworben, dann hat er es insoweit nach der zum Zeitpunkt des Erwerbs geltenden Rechtslage und damit „lastenfrei“ erworben (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. November 2015 – 9 A 916/14; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 – IX ZR 127/09 zum Vorliegen des Vertrauensschutzes, wenn ein die Zwangsversteigerung betreibender Gläubiger vor Inkrafttreten der Neuregelung bereits die Beschlagnahme erwirkt). Er hat dann ein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend erlangt, dass diese Rechtsposition nicht mehr durch die nachträgliche Begründung einer vorrangigen Belastung beeinträchtigt wird (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 – IX ZR 127/09). Hierfür spricht insbesondere auch, dass ein Käufer anderenfalls noch Jahre nach dem Erwerb des Grundstücks von vorrangigen Belastungen „überrascht“ werden würde. So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat das streitgegenständliche Grundstück im Jahre 2005 – und damit etwa sieben Jahre vor dem Inkrafttreten der Neuregelung – erworben. Nach den dargestellten Ausführungen hat sie das Grundstück damit im Jahre 2005 lastenfrei erworben und insoweit auch ein schutzwürdiges Vertrauen erlangt. Das Interesse des Gesetzgebers, welches darin besteht, den Kommunen eine effektive Durchsetzung des Gebührenaufkommens zu gewährleisten, tritt hinter dem – aus den vorgenannten Gründen schwerwiegenderem – Interesse der Klägerin, die erlangte Rechtsposition nicht mehr durch die nachträgliche Begründung einer vorrangigen Belastung beeinträchtigt zu wissen, zurück (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 – IX ZR 127/09).

Soweit der Duldungsbescheid vom 25. August 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 2021 die Grundsteuer für das Jahr 2004 in Höhe von Euro betrifft, ist er rechtmäßig und verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für den Duldungsbescheid ist ebenfalls § 191 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 77 Abs. 2 AO, die gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2, 4, § 3 Abs. 2 AO auch für die Grundsteuer anwendbar ist.

Soweit der Duldungsbescheid die Grundsteuer für das Jahr 2004 betrifft, ist er materiell rechtmäßig. Wie bereits ausgeführt, hat der Eigentümer wegen einer Steuer, die als öffentliche Last auf dem Grundbesitz ruht, die Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz zu dulden. Gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 AO gilt zugunsten der Finanzbehörde als Eigentümer, wer als solcher im Grundbuch eingetragen ist. Diese Vermutung ist unwiderleglich (Loose, in: Tipke/Kruse, AO/FGO Kommentar, 178. Lieferung 11/2023, § 77 AO Rn. 15).

Gemäß § 12 GrStG ruht die Grundsteuer auf dem Steuergegenstand als öffentliche Last (sog. dingliche Haftung). Steuergegenstand ist gemäß § 2 Nr. 2 GrStG der Grundbesitz im Sinne des Bewertungsgesetzes: die Grundstücke (§§ 68, 70 des Bewertungsgesetzes), mithin vorliegend das Grundstück in . Für den Abgabengläubiger begründet die öffentliche Last das Recht auf Befriedigung aus dem belasteten Gegenstand und verpflichtet gleichzeitig den Grundstückseigentümer, wegen der dinglich gesicherten Abgabenforderung, die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden, auch wenn er nicht persönlicher Schuldner der Abgabe ist (vgl. Stöckel/Volquardsen, Grundsteuerrecht, 2. Aufl. 2012, § 12 GrStG Rn. 2). Er ist dann aber berechtigt, durch Zahlung die Zwangsvollstreckung abzuwenden (VG Schleswig, Urteil vom 25. September 2019 – 4 A 605/17). Die Klägerin ist hier auch gemäß § 77 Abs. 2 Satz 2 AO Eigentümerin des Grundstücks in und damit duldungspflichtig. Ausweislich der Grundbuch Blatt Nr. ist sie seit dem 18. August 2005 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Es wird darauf hingewiesen, dass an dieser Eintragung ausweislich eines von der Beklagten vorgelegten Grundbuchauszugs vom 7. November 2023 – nach dem Tod der Gesellschafterin – keine Änderungen vorgenommen worden sind.

Weiter setzt die Duldungspflicht aus § 77 Abs. 2 Satz 1 AO aufgrund ihrer Akzessorietät zur sog. „Erstschuld“ voraus, dass die Steuerschuld besteht. Sie muss also entstanden und darf nicht wieder untergegangen sein (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Die Steuerschuld ist entstanden. Bei dem streitgegenständlichen Grundstück handelt es sich um einen tauglichen Steuergegenstand, da es sich um ein Grundstück im Sinne des § 2 Nr. 2 GrStG handelt. Die Grundsteuer entsteht gemäß § 9 Abs. 2 GrStG mit dem Beginn des Kalenderjahres, für das die Steuer festzusetzen ist. Danach ist der gegen den Voreigentümer gerichtete Grundsteueranspruch zu Beginn des Kalenderjahres 2004 in Höhe von Euro entstanden.

Die Steuerschuld („Erstschuld“) ist auch nicht (in ihrem Gesamtbetrag) wieder untergegangen. Der gesamte Grundsteueranspruch gegen den Voreigentümer in Höhe von Euro ist lediglich in Höhe von Euro erloschen, weil der Voreigentümer die Fälligkeiten zum 15. Februar 2004 und 15. Mai 2004 in Höhe von Euro ( Euro : 4 = Euro x 2 Fälligkeiten) entrichtet hat und im Rahmen des Insolvenzverfahrens gegen den Voreigentümer eine Quotenzahlung auf die Grundsteuer in Höhe von Euro erfolgt ist. Der hier noch streitgegenständliche Betrag für die Grundsteuer in Höhe von Euro ( Euro – Euro – Euro = Euro) ist hingegen nicht erloschen. Diesen Betrag hat der Voreigentümer weder entrichtet, noch ist hierauf eine Quotenzahlung im Rahmen des Insolvenzverfahrens erfolgt.

Dieser Anspruch ist auch nicht (zahlungs-) verjährt. Gemäß § 228 AO (auf die Grundsteuer gem. § 1 Abs. 2 Nr. 5 AO anwendbar) unterliegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis einer besonderen Zahlungsverjährung. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Gemäß § 229 Abs. 1 AO beginnt die Verjährung mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Die Grundsteuer ist gemäß § 28 GrStG zu je einem Viertel des Kalenderjahres am 15. Februar 2004, 15. Mai 2004, 15. August 2004 und 15. November 2004 fällig gewesen. Danach hätte die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2004 zu laufen begonnen und wäre mit Ablauf des Jahres 2009 abgelaufen. Die Verjährung wurde vorliegend jedoch gemäß § 231 AO unterbrochen. Nach § 231 Abs. 1 AO wird die Verjährung u. a. durch Anmeldung im Insolvenzverfahren unterbrochen. Die Unterbrechung aus diesem Grunde dauert gemäß § 231 Abs. 2 AO so lange fort, bis das Insolvenzverfahren beendet ist. Mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung geendet hat, beginnt eine neue Verjährungsfrist, vgl. § 231 Abs. 3 AO. Die Beklagte hat den Betrag in Höhe von insgesamt Euro, welcher den Betrag für die Grundsteuer in Höhe von Euro beinhaltet, am 7. Februar 2005 zur Insolvenztabelle angemeldet. Das Insolvenzverfahren wurde am 2. Dezember 2019 beendet, sodass mit Ablauf des Jahres 2019 eine neue Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat, welche gemäß § 231 Abs. 1 AO erst mit Ablauf des Jahres 2024 endet.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der Grundsteueranspruch auch nicht erloschen, weil im Kaufvertrag die Lastenfreiheit zugesichert wurde. Zwar heißt es in dem zwischen der Klägerin und dem Insolvenzverwalter, welcher über das Vermögen des Voreigentümers handelte, geschlossenen Kaufvertrag u. a. in § 1, dass der Kaufgegenstand pfand- und lastenfrei an den Käufer übertragen werde. Dies hat vorliegend allerdings keinerlei Auswirkungen, da individuelle Vereinbarungen – auch wenn diese in einem notariellen Vertrag zugesichert sind – den Steueranspruch nicht zum Erlöschen bringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85).

Weiter setzt der Duldungsanspruch gegen den Erwerber eines Grundstücks voraus, dass der Steueranspruch gegenüber dem Voreigentümer festgesetzt wurde, dass der Steueranspruch fällig, vollstreckbar und nicht durch Verjährung oder auf sonstige Weise erloschen ist (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85; Niedersächsisches FG, Urteil vom 23. August 2022 – 13 K 18/21; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 25. Juli 2000 – 2 M 24/00 – n.v). Dass der Steueranspruch gegenüber dem Voreigentümer festgesetzt werden muss, folgt aus § 218 Abs. 1 Satz 1 AO, wonach nur Steuer- und Haftungsbescheide Grundlage für die Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerverhältnis sein können; Duldungsbescheide sind dort nicht explizit aufgeführt (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85). Während ein Haftungsbescheid ergehen kann, ohne dass zuvor gegen den persönlichen Schuldner ein Steuerbescheid erlassen wurde, ist es für die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides gerade Voraussetzung, dass der Steueranspruch gegenüber dem Voreigentümer festgesetzt worden ist (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Die Grundsteuer wurde gegenüber dem Voreigentümer festgesetzt. Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 AO werden Steuern, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt.

Gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 AO ist Steuerbescheid der nach § 122 Abs. 1 AO bekannt gegebene Verwaltungsakt. Über die Steuerfestsetzung ist gemäß § 157 Abs. 1 Satz 1 AO ein schriftlicher Steuerbescheid zu erteilen. Ein solcher muss nach § 157 Abs. 1 Satz 2 AO die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet. Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass der Originalbescheid vom 9. Januar 2004 diese Voraussetzungen erfüllt. Zwar konnte die Beklagte den Originalbescheid nicht mehr beibringen, da dieser nach Auskunft der Beklagten in dem Datenbanksystem MPS geführt worden sei und ein analoger Vorgang hierzu nicht mehr existiere. Die Beklagte konnte deshalb lediglich einen Ausdruck dieses Bescheides beibringen. Auf diesem ist zwar die ausstellende Behörde nicht erkennbar; weiterhin ist der Passus über die Fälligkeit nicht enthalten. Dies dürfte nach Auffassung der Kammer aber lediglich dem Umstand geschuldet sein, dass es sich hierbei um einen Ausdruck und nicht um den Originalbescheid handelt. Anhaltspunkte dafür, dass diese Voraussetzungen auch auf dem Originalbescheid nicht enthalten sind, sind nicht ersichtlich und von der Klägerin im Übrigen auch nicht vorgetragen worden. Der Bescheid vom 9. Januar 2004 ist dem Voreigentümer zudem bekanntgegeben worden. Zwar konnte die Beklagte das Absenden des Bescheides – etwa durch einen Ab-Vermerk – nicht nachweisen, allerdings hat der Voreigentümer die in dem Bescheid genannten konkreten Beträge zu den Fälligkeiten zum 15. Februar 2004 und 15. Mai 2004 geleistet, was dafür spricht, dass er von dem Bescheid zumindest tatsächlich Kenntnis genommen hat (zur Heilung von Bekanntgabemängeln vgl. Ratschow, in: Klein, Abgabenordnung, Kommentar, 13. Aufl. 2016, § 122 Rn. 15 mit Verweis auf § 8 VwZG). Etwas Gegenteiliges wurde von der Klägerin nicht vorgetragen. Auch bezeichnet der Bescheid vom 9. Januar 2004 die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag und gibt an, wer die Steuer schuldet, vgl. § 157 Abs. 1 Satz 1 AO. In dem Bescheid ist der Voreigentümer – – sowohl als Bekanntgabeadressat als auch als Kontoinhaber genannt, wodurch deutlich wird, dass er die Steuer schuldet. Darauf folgend ist eine Tabelle abgebildet, welche die verschiedenen Abgabearten (u. a. die Grundsteuer), die Bemessungsgrundlage, den Gebühren-/Hebesatz, den Zeitraum und den Gesamtbetrag in Euro angibt. Für die Grundsteuer zeigt der Bescheid einen Gesamtbetrag in Höhe von insgesamt Euro an. Letztlich kann aber die Festsetzung durch Bescheid ohnehin dahinstehen, da die Feststellung der Forderung im Insolvenzverfahren die Festsetzung durch Verwaltungsakt ersetzt (vgl. Schober in: Gosch, AO/FGO, Kommentar, 177. EL 2023, § 218 AO Rn. 25). So liegt es auch hier.

Die Feststellung der Forderung ist hier am 20. Oktober 2005 erfolgt, sodass die Forderung jedenfalls als festgesetzt gilt.

Weiter ist die Grundsteuer für das Jahr 2004, wie bereits ausgeführt, fällig.

Die Grundsteuerforderung für das Jahr 2004 in Höhe von Euro ist letztlich vollstreckbar. Die Vollstreckbarkeit von Grundsteuerbescheiden richtet sich nach den landesrechtlichen Vorschriften, hier nach dem Landesverwaltungsgesetz, da § 3 Abs. 2 i. V. m. § 2 Abs. 2 AO nicht auf die Vorschriften des Sechsten Teils der AO verweisen, welcher sich mit der Vollstreckung befasst (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85; VG Schleswig, Urteil vom 25. September 2019 – 4 A 605/17). Dementsprechend sind hier die §§ 262 ff. LVwG anwendbar. Gemäß § 269 Abs. 1 Satz 1 LVwG darf die Vollstreckung erst beginnen, nachdem ein Verwaltungsakt vorliegt, durch den die Schuldnerin oder der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist (Leistungsbescheid) (1.), die Leistung fällig ist (2.) und die Schuldnerin oder der Schuldner mit einer Zahlungsfrist von einer Woche angemahnt worden ist (3.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben; der Voreigentümer ist zur Leistung aufgefordert worden und die Leistung ist fällig (s. o.). Weiter ist der Voreigentümer ausweislich des Verwaltungsvorganges mit Datum vom 8. September 2004 betreffend die Forderungen aus dem Bescheid vom 9. Januar 2004 zur Fälligkeit zum 15. August 2004 sowie mit Datum vom 8. Dezember 2004 betreffend die Forderungen aus dem Bescheid vom 9. Januar 2004 zur Fälligkeit zum 15. November 2004 gemahnt worden.

Der Vollstreckbarkeit der Grundsteuerforderung für das Jahr 2004 steht auch nicht die dem Voreigentümer erteilte Restschuldbefreiung entgegen, die nach § 201 Abs. 3 InsO den Grundsatz der Durchsetzbarkeit aus § 201 Abs. 1 und 2 InsO zu überwinden vermag, da die Grundsteuerforderung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt und dadurch nicht durch die Restschuldbefreiung berührt wird. Nach § 286 InsO gilt für die Restschuldbefreiung zwar der Grundsatz, dass der Schuldner als natürliche Person nach Maßgabe der §§ 287 bis 303a InsO von den im Insolvenzverfahren nicht erfüllten Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern befreit wird. Gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 InsO wirkt die Restschuldbefreiung, wenn sie erteilt wird, gegen alle Insolvenzgläubiger. Die nicht erfüllten Verbindlichkeiten wandeln sich aus Sicht des Schuldners zu sog. „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ um (Stephan, in: MüKo, 4. Aufl. 2020, § 301 InsO Rn. 19). Sie können zwar noch freiwillig erfüllt werden, sind aber nicht mehr erzwingbar (Stephan, a.a.O). Die Klägerin kann sich hier allerdings nicht auf die dem Voreigentümer erteilte Restschuldbefreiung berufen. Denn § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO durchbricht den Grundsatz der Undurchsetzbarkeit der Forderung (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 23. August 2022 – 13 K 18/21). Nach dieser Vorschrift werden die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners sowie die Rechte dieser Gläubiger aus einer zu ihrer Sicherung eingetragenen Vormerkung oder aus einem Recht, das im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Das Recht zur abgesonderten Befriedigung regeln die §§ 49 ff. InsO. Nach § 49 InsO sind Gläubiger, denen ein Recht auf Befriedigung aus Gegenständen zusteht, die der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegen (unbewegliche Gegenstände), nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung zur abgesonderten Befriedigung berechtigt. Dies ist vorliegend der Fall; die Grundsteuer berechtigt zur abgesonderten Befriedigung (so auch BGH, EuGH-Vorlage vom 12. März 2015 – V ZB 41/14; BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 – IX ZR 101/09). Gemäß § 12 GrStG ruht die Grundsteuer als öffentliche Last auf dem Grundstück. Unter dem Begriff der „öffentlichen Last“ ist eine Abgabenverpflichtung zu verstehen, welche durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistung zu erfüllen ist und nicht nur die persönliche Haftung des Schuldners, sondern auch die dingliche Haftung des Grundstücks voraussetzt (BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 – IX ZR 101/09). § 49 InsO nimmt dabei Bezug auf das Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (im Folgenden: ZVG). Nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG berechtigen öffentliche Lasten zur bevorrechtigten Befriedigung aus dem Grundstück. Es ist mittlerweile auch höchstrichterlich anerkannt, dass dieses Absonderungsrecht nicht erst und nur dann entsteht, wenn das Grundstück nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zwangsversteigert wird, denn die Anordnung der Zwangsversteigerung kann nicht zur Folge haben, dass ein Recht entsteht (BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 – IX ZR 101/09; so auch Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO Kommentar, 15. Aufl. 2019, § 49 Rn. 60). So ist auch § 12 GrStG zu verstehen; die Grundsteuer ruht als öffentliche Last auf dem Grundstück, unabhängig davon, ob ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet worden ist oder nicht. Im Übrigen werden auch die übrigen in § 10 Abs. 1 ZVG genannten Rechte mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu Absonderungsrechten und nicht erst und nur im Rahmen einer Zwangsversteigerung (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2010 – IX ZR 101/09).

Durch die Berechtigung der abgesonderten Befriedigung wird die Grundsteuerforderung von der dem Voreigentümer erteilten Restschuldbefreiung nicht berührt, was hier also dazu führt, dass die Grundsteuerforderung gegenüber der Klägerin noch vollstreckbar ist.

Der Duldungsanspruch ist letztlich nicht untergegangen. Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin hier überhaupt die Einrede der Verjährung erhoben hat, weil sie vorträgt, dass selbst, wenn die 5-jährige Verjährungsfrist für Steuerforderungen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht gelte und dies auch im vorliegenden Fall zutreffend sein möge, jedenfalls ein Fall der Verwirkung vorliegen könnte, ist der Duldungsanspruch hier ohnehin nicht durch Festsetzungsverjährung untergegangen, da der die Festsetzungsverjährung regelnde § 169 AO vorliegend nicht einschlägig ist. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO sind eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Ausweislich des Wortlauts („Steuerfestsetzung“) wird deutlich, dass die Festsetzungsverjährung lediglich für die Steuerfestsetzung gilt, nicht aber auch für die Duldungsschuld (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85). Die Vorschrift ist auch nicht entsprechend auf die Duldungsschuld anwendbar, denn gemäß § 191 Abs. 3 Satz 1 AO sind die Vorschriften über die Festsetzungsfrist auf den Erlass von Haftungsbescheiden entsprechend anwendbar, nicht aber auf den Erlass von Duldungsbescheiden. Weiter kommt eine entsprechende Anwendung des § 191 Abs. 3 Satz 1 AO auf Duldungsbescheide nicht in Betracht. Die Vorschrift des § 191 bezieht sich sowohl auf Haftungs- als auch auf Duldungsbescheide. Hätte der Gesetzgeber eine Festsetzungsverjährung für Duldungsbescheide beabsichtigt, hätte er diese mit in die Vorschrift aufgenommen. Zudem spricht hierfür die gesetzliche Ausgestaltung der öffentlichen Last – wie hier gemäß § 12 GrStG die Grundsteuer – als Grundpfandrecht (zur Ausgestaltung der Grundsteuer als ein auf öffentlichem Recht beruhendes Grundpfandrecht vgl. Rüsken, in: Klein, AO Kommentar, 13. Aufl. 2016, § 77 Rn. 3). Es ist nirgendwo vorgesehen, dass ein Grundpfandrecht bei Fortbestehen des zugrundeliegenden schuldrechtlichen Anspruchs allein infolge Zeitablaufs erlischt oder seine Geltendmachung aus einem solchen Grund unzulässig werden kann (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85).

Weiter hat die Beklagte beim Erlass des Duldungsbescheides das ihr in § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Bei der Ausübung des Entschließungsermessens gilt zu berücksichtigen, dass der Duldungsanspruch gegenüber dem Anspruch gegen den Steuerschuldner subsidiär ist (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85). Das bedeutet, dass der Duldungsschuldner erst in Anspruch genommen werden darf, wenn feststeht, dass die Durchsetzung der Forderung beim Steuerschuldner ohne Erfolg geblieben ist oder anzunehmen ist, dass eine Forderungsdurchsetzung aussichtslos sein würde (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 31. August 2009 – 9 LA 419/07). Diese Maßstäbe zugrunde gelegt, hat die Beklagte ihr Vorgehen am Zweck der Ermächtigung ausgerichtet. In dem Duldungsbescheid heißt es u. a. unter der Aufstellung der Forderung, dass Vollstreckungsmaßnahmen nicht möglich seien. Zudem heißt es im Widerspruchsbescheid u. a., dass eine Durchsetzung der offenen Forderungen gegenüber dem Voreigentümer gemäß § 301 InsO aufgrund der Restschuldbefreiung nicht mehr habe erfolgen können. Diese Ausführungen erreichen den Grad zur Ermessensfehlerhaftigkeit nicht (vgl. hierzu auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 23. August 2022 – 13 K 18/21 Rn. 83, welches es ebenfalls als ausreichend erachtet, wenn die Behörde ausführt, dass die Vollstreckung nicht möglich sei). Denn es wird jedenfalls deutlich – worauf es entscheidend ankommt -, dass sich die Beklagte der subsidiären Inanspruchnahme der Duldungspflichtigen bewusst war und dieser auch Rechnung getragen hat.

Auch hinsichtlich des Auswahlermessens sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte dieses hier ermessensfehlerhaft ausgeübt haben könnte. Insbesondere kommen vorliegend keine anderen Duldungspflichtigen in Betracht. Ausweislich des Grundbuchauszugs ist die Klägerin seit dem 18. August 2005 als (alleinige) Eigentümerin des streitgegenständlichen Grundstücks eingetragen.

Weiter ist die Ermessensausübung auch nicht fehlerhaft, weil die Beklagte die Klägerin nicht rechtzeitig von der Möglichkeit der Inanspruchnahme unterrichtet hat oder der Anspruch verwirkt ist. Die Ermessensausübung nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann auch dann fehlerhaft sein, wenn sich die Inanspruchnahme des Duldungspflichtigen mit Rücksicht auf das vorangegangene Verhalten des Steuergläubigers als treuwidrig darstellt, weil dieser den Sachverhallt, auf den er sich stützt, treuwidrig herbeigeführt hat oder aufgrund seines vorangegangenen Verhaltens die Verwirkung des Duldungsanspruchs angenommen werden kann (BVerwG, Urteil vom Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85; VG Köln, Beschluss vom 3. Juni 2014 – 14 L 692/14).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Beklagte hat sich zunächst nicht treuwidrig verhalten. Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie von den Abgaberückständen keine Kenntnis gehabt habe und auch von der Anmeldung zur Insolvenztabelle erst zehn Jahre später erfahren habe, geht dies jedenfalls nicht zu Lasten der Beklagten, da diese nicht dazu verpflichtet gewesen ist, die Klägerin hierüber zu unterrichten. Es gibt keine Vorschrift, durch welche der Steuergläubiger verpflichtet wird, den dinglich Haftenden ohne dessen Ersuchen über die Sachlage zu unterrichten (BVerwG, Urteil vom Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85). Die hier anzuwendenden bundesrechtlichen Vorschriften über die materielle Duldungspflicht, § 77 Abs. 2 Satz 1 AO und § 191 Abs. 1 Satz 1 AO, geben nichts dafür her, dass eine solche Annahme besteht (BVerwG, Urteil vom Urteil vom 13. Februar 1987 – 8 C 25.85). Auch geben die landesrechtlichen Vorschriften keine Anhaltspunkte für eine solche Unterrichtungspflicht her.

Die Beklagte hat – entgegen der Ansicht der Klägerin – den Duldungsanspruch zudem nicht verwirkt. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist positivrechtlich nicht geregelt, wird aber aus dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben hergeleitet (BVerwG, Urteil vom 24. November 1971 – IV C 24.70). Nach diesem Grundsatz kann die Zulässigkeit einer Verfahrenshandlung, die Geltendmachung einer Befugnis oder eines Rechts ausgeschlossen sein, wenn sowohl ein sog. Umstandsmoment als auch ein Zeitmoment gegeben ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 53 Rn. 41 m. w. N.). Für das Vorliegen der Verwirkung ist es nicht ausreichend, dass nur eines dieser Elemente gegeben ist (BFH, Urteil vom 26. Oktober 2005 – II R 9/21). Ein Umstandsmoment ist dann gegeben, wenn der Pflichtige aufgrund des Verhaltens des Anspruchsberechtigten unter Berücksichtigung der Gesamtumstände nach Treu und Glauben erwarten darf, dass dieser von seinem Recht keinen Gebrauch mehr machen wird (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, § 53 Rn. 41). Ein Zeitmoment liegt hingegen dann vor, wenn der Pflichtige erwarten darf, dass der Anspruchsberechtigte das Recht auf Dauer nicht mehr geltend machen werde; dieser Vertrauenstatbestand muss beim Betroffenen über einen längeren Zeitraum entstanden sein und angedauert haben (Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn. 47).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Zwar ist der Klägerin insoweit zuzustimmen, dass bis zum Erlass des Duldungsbescheides ein erheblicher Zeitablauf – von über 17 Jahren – eingetreten ist. Ob man diesen Zeitablauf unter Berücksichtigung des von 2005 bis 2019 laufenden Insolvenzverfahrens, in welchem eine Vollstreckung gegen den Voreigentümer nicht angezeigt war (§ 89 Abs. 1 InsO), überhaupt als Zeitmoment werten kann, mag dahingestellt bleiben, da jedenfalls kein Umstandsmoment gegeben ist. Die Beklagte hat sich nicht derart verhalten, dass die Klägerin hier in schutzwürdiger Weise annehmen durfte, dass diese den Duldungsanspruch nicht mehr geltend machen werde. Soweit der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, dass ein Umstandsmoment gegeben sei, weil die Beklagte gar nichts unternommen habe, kann die Klägerin damit nicht gehört werden. Denn unabhängig davon, dass dieses Argument eher dem Zeitmoment zuzuordnen wäre, kommt es für das Vorliegen eines Umstandsmoments gerade auf ein bestimmtes Verhalten der Beklagten an, welches nach dem klägerischen Vortrag gerade nicht vorliegt. Soweit die Klägerin sich weiter darauf stützt, dass ein Umstandsmoment gegeben sei, weil sie keine Kenntnis von den Abgaberückständen gehabt habe und auch beim Abschluss des Kaufvertrages sich nicht dazu veranlasst gesehen habe, den Insolvenzverwalter hierüber nochmals zu befragen, da im Kaufvertrag bereits die Lastenfreiheit vertraglich geregelt worden sei, wird erneut darauf hingewiesen, dass die Beklagte nicht dazu verpflichtet gewesen ist, die Klägerin als Erwerberin des Grundstücks über die Grundsteuerrückstände des Voreigentümers zu informieren. Auch kann das Argument in Bezug auf den Kaufvertrag nicht zu Lasten der Beklagten gehen, denn diese hat keinen Einfluss darauf, was die Vertragsparteien untereinander vertraglich festhalten. Jedenfalls kann durch die kaufvertragliche Regelung nicht darauf geschlossen werden, dass die Beklagte – welche an dem Kaufvertrag in keiner Weise beteiligt war – ihren Anspruch nicht mehr geltend machen werde. Im Übrigen hat die Beklagte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Voreigentümer das für sie Mögliche getan und die Grundsteuerforderung gegen diesen am 7. Februar 2005 zur Insolvenztabelle angemeldet. Dadurch hat sie zum Ausdruck gebracht, dass sie die Absicht hat, die Steuerforderung weiter zu verfolgen. Zudem war die Beklagte – wie bereits erläutert – aufgrund des laufenden Insolvenzverfahrens bis zum 2. Dezember 2019 gemäß § 89 Abs. 1 InsO daran gehindert gewesen, die Grundsteuerforderung gegen den Voreigentümer zu vollstrecken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

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