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Alkoholkonsum (übermäßiger) führt nicht automatisch zum Verlust der Fahrerlaubnis

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz

Az.: 10 A 10062/07.OVG

Urteil vom 05.06.2007


In dem Verwaltungsrechtsstreit wegen Entziehung der Fahrerlaubnis hat der 10. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 5. Juni 2007 für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers werden unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 13. Februar 2006 der Fahrerlaubnisentziehungsbescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2004 und der dazu ergangene Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2005 aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der  Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis.

Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der im Jahre 1955 geborene Kläger ist Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen C1E, BE, M und L. Er betreibt …… in K…… eine Gaststätte; in demselben Anwesen wohnt er auch zusammen mit seiner Ehefrau.

Am Morgen des 28. Juli 2004 wurde die Polizei zu der Wohnung des Klägers gerufen, da es dort zu einer tätlichen Auseinandersetzung gekommen sein sollte. Da der Kläger, der beschuldigt wurde, seine in der Wohnung anwesende Stieftochter grundlos in das Gesicht geschlagen zu haben, erkennbar unter Alkoholeinfluss stand, wurde er einem Alkoholtest unterzogen, der eine Atemalkoholkonzentration von 3,01 Promille ergab. Ungeachtet dessen war der Kläger uneingeschränkt in der Lage, der Polizei Rede und Antwort zu stehen.

Nachdem die Polizei die Beklagte von dem Vorkommnis in Kenntnis gesetzt hatte, gab diese dem Kläger unter dem 6. Oktober 2004 zur Klärung der Frage, ob er alkoholabhängig sei, auf, ein verkehrsmedizinisches Gutachten beizubringen.

Da der Kläger darauf nicht reagierte, entzog sie ihm nach vorheriger Anhörung mit Bescheid vom 14. Dezember 2004 gestützt auf § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV – die Fahrerlaubnis; zugleich ordnete sie die sofortige Vollziehung der Verfügung an.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und suchte beim Verwaltungsgericht um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach. Er machte geltend, es habe kein Grund bestanden, von ihm die Beibringung des besagten Gutachtens zu verlangen. Das Verwaltungsgericht lehnte mit Beschluss vom 17. Januar 2005 – 4 L 2998/04.NW – die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Klägers ab. Die dagegen erhobene Beschwerde des Klägers wies der 7. Senat des Gerichts mit Beschluss vom 28. Februar 2005 – 7 B 10167/05.OVG – zurück. Zur Begründung führte er aus, das Ergebnis des durchgeführten Alkoholtests und der Umstand, dass der Kläger trotz seiner hohen Alkoholisierung der polizeilichen Befragung habe folgen können, hätten genügt, um den Verdacht seiner Alkoholabhängigkeit zu begründen.

Im Widerspruchsverfahren erklärte sich der Kläger unter dem 29. April/9. Mai 2005 mit der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einverstanden und bestimmte das Medizinisch-Psychologische Institut des TÜV Süd zum Gutachter. Dieses kam in seinem Gutachten vom 21. Juni 2005 zu dem Ergebnis, dass es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit des Klägers gebe, dass allerdings mit Rücksicht auf die Gewöhnung des Klägers an  hohe Alkoholmengen und sein mangelndes Problembewusstsein, was seinen Alkoholkonsum angehe, zu erwarten sei, dass er auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde. Das Gutachten leitete der Kläger allerdings nur hinsichtlich des verkehrsmedizinischen Teiles dem Rechtsausschuss der Beklagten zu, woraufhin die Beklagte diesem das vollständige Gutachten übergab.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Dazu wurde ausgeführt: Aufgrund der Feststellungen in dem vom Kläger vorgelegten Teil des Gutachtens lägen die Voraussetzungen für eine Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage der Fahreignung unter dem Gesichtspunkt des Alkoholmissbrauchs vor. Mit einer dahingehenden Begutachtung habe sich der Kläger auch ausdrücklich einverstanden erklärt, ohne dass er sich davon im Nachhinein lossagen könne. Da er das Gutachten jedoch hinsichtlich des verkehrspsychologischen Teils nicht vorgelegt habe, sei gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges aus Gründen des Alkoholmissbrauchs zu schließen.

Darauf hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben und im Wesentlichen vorgetragen: Das TÜV-Gutachten habe bestätigt, dass er nicht alkoholabhängig sei. Gründe zu einer Begutachtung dahin, ob er zwischen dem Genuss von Alkohol und dem Führen eines Kraftfahrzeuges trennen könne, hätten nicht bestanden. Im Übrigen beruhten die verkehrspsychologischen Feststellungen im TÜV-Gutachten auf der irrigen Annahme, dass er schon einmal ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt habe.

Der Kläger hat beantragt, die Verfügung der Beklagten vom 14. Dezember 2004 und den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2005 aufzuheben.

Die Beklagte hat sich im erstinstanzlichen Verfahren nicht geäußert.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. Februar 2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis hätten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch vorgelegen. Die Beklagte habe den Kläger zu Recht gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Nr. 1 FeV zur Beibringung eines verkehrsmedizinischen Gutachtens aufgefordert. Die Begutachtung durch den TÜV Süd habe eine negative Prognose hinsichtlich der Fahreignung des Klägers ergeben. Dass sich der Gutachter nicht nur auf eine medizinische Untersuchung beschränkt habe, sei unerheblich, nachdem der Kläger das Gutachten vorgelegt habe. Im Übrigen hätte die Beklagte bei einer Beschränkung der Gutachtenerstattung auf die Frage der Alkoholabhängigkeit des Klägers mit Rücksicht auf die durch die medizinische Untersuchung des Klägers bekannt gewordenen Anzeichen für Alkoholmissbrauch eine medizinisch-psychologische Begutachtung verlangen müssen. Die medizinisch-psychologischen Wertungen im Gutachten des TÜV Süd seien nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger geltend mache, dass das Gutachten bereits von einer unzutreffenden Fragestellung ausgehe, dringe er damit nicht durch. Zum einen sei auch danach gefragt worden, ob als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums bei ihm Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges in Frage stellten. Zum anderen könne aus dem Umstand, dass er in der Vergangenheit im Straßenverkehr noch nicht auffällig geworden sei, mit Rücksicht auf die nur geringe Kontrolldichte durch die Polizei nicht gefolgert werden, dass er bislang nicht im alkoholisierten Zustand am Straßenverkehr teilgenommen habe.

Mit Beschluss vom 10. Januar 2007 hat der Senat auf den Antrag des Klägers die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts wegen ernstlicher Zweifel an dessen Richtigkeit zugelassen. Die Berufung hat der Kläger sodann fristgemäß unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen begründet. Ergänzend hebt er zur Begründung noch einmal besonders hervor, dass es sich bei dem Vorfall vom 28. Juli 2004 um ein einmaliges Geschehen im rein häuslichen Bereich ohne irgendeinen Bezug zum Straßenverkehr gehandelt habe; es bleibe jedoch jedem Bürger selbst überlassen, ob und wie viel er trinke; von daher sei schon die Anordnung seiner medizinischen Überprüfung rechtswidrig gewesen.

Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts nach seinem erstinstanzlichen Antrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Verwaltungsgerichts für zutreffend und nimmt auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie ihr Vorbringen in der ersten Instanz Bezug. Darüber hinaus verweist sie erneut darauf, dass seinerzeit Anlass zur Annahme einer Alkoholabhängigkeit des Klägers bestanden habe; das Gutachten des TÜV Süd habe dann auch ihre Zweifel an der Fahreignung des Klägers bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der von den Beteiligten zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze sowie der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen.

Die Verfügungen der Beklagten vom 14. Dezember 2004 in der Gestalt, die sie durch den Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2005 gefunden hat, verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die Voraussetzungen für eine Entziehung der Fahrerlaubnis des Klägers gemäß §§ 3 Abs. 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG -, 46 Abs. 1 FeV haben im Zeitpunkt der Widerspruchsbescheidung nicht vorgelegen.

Gemäß Nrn. 8.1 und 8.3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung (im Folgenden nur: Anlage 4) ist zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, wer das Führen von Kraftfahrzeugen und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher trennen kann – Alkoholmissbrauch – oder wer alkoholabhängig ist.

Nach dem vom Kläger im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens nur hinsichtlich des verkehrsmedizinischen Teils überreichten medizinisch-psychologischen Gutachten des Medizinisch-Psychologischen Instituts des TÜV Süd vom 21. Juni 2005 gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Alkoholabhängigkeit des Klägers. Entgegen der in der Erwiderung auf den Berufungszulassungsantrag des Klägers geäußerten Auffassung der Beklagten (Seite 4 des Schriftsatzes vom 19. Mai 2006) lassen auch der im Gutachten (Seite 5 unten) festgestellte leichte Fingerspreiztremor und die Unsicherheit im Blindgang nicht auf eine Alkoholabhängigkeit schließen. So heißt es im Gutachten (Seite 11) offenbar mit Blick hierauf lediglich, die körperliche Untersuchung habe auffällige Befunde ergeben, die durch Alkoholmissbrauch verursacht sein könnten. Anders als die Beklagte des Weiteren in ihrem Schriftsatz vom 19. Mai 2006 offenbar gemeint hat (vgl. S. 5 1. Absatz), ist auch nicht etwa schon mit dem Beschluss des 7. Senats des Gerichts vom 28. Februar 2005 die Alkoholabhängigkeit des Klägers festgestellt worden. In ihm ist vielmehr allein darauf hingewiesen worden, dass der Verdacht einer Alkoholabhängigkeit des Klägers bestehe und deshalb die Aufforderung zur Beibringung eines verkehrsmedizinischen Gutachtens gerechtfertigt sei.

Mit der Teilvorlage des Gutachtens ist der Kläger schließlich der Aufforderung der Beklagten vom 6. Oktober 2004 zur Beibringung eines verkehrsmedizinischen Gutachtens – auf dessen Nichtbeibringung sie noch ihre Fahrerlaubnisentziehungsverfügung vom 14. September 2004 nach Maßgabe des § 11 Abs. 8 FeV gestützt hatte – jedenfalls im Widerspruchsverfahren nachgekommen.

Soweit der Kläger das Gutachten nicht vorgelegt hat, kann es entgegen der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung im vorliegenden Rechtsstreit keine Berücksichtigung finden. Die hierzu vom Verwaltungsgericht angeführte Rechtsprechung betrifft, wie es im Übrigen selbst zutreffend ausführt, die Frage, ob ein vom  Fahrerlaubnisinhaber vorgelegtes Gutachten ungeachtet der Rechtmäßigkeit der Anordnung seiner Beibringung zum Nachteil des Betroffenen verwertet werden darf. Daran fehlt es jedoch hier, was den verkehrspsychologischen Teil des TÜV-Gutachtens angeht. Dieses ist vielmehr – auf welche Weise auch immer – rechtswidrigerweise in den Besitz der Beklagten gelangt, die ihn darauf dem Stadtrechtsausschuss zugeleitet hat. So hat letzterer  denn auch seine Widerspruchsentscheidung – anders als es das Verwaltungsgericht im Urteil getan hat – insoweit eben nicht auf die verkehrspsychologischen Feststellungen im Gutachten, sondern auf die Bestimmung des § 11 Abs. 8 FeV gestützt.

Darüber hinaus kann dem Verwaltungsgericht aber auch insoweit nicht gefolgt werden, als es gemeint hat, es sei unerheblich, dass der Gutachter davon ausgegangen sei, dass der Kläger schon einmal ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss geführt habe. Es macht – selbstverständlich – einen Unterschied, ob die verkehrspsychologische Wertung die Frage betrifft, ob der Fahrerlaubnisinhaber, nachdem er sich bereits einmal als unfähig erwiesen hat, Alkoholkonsum und Kraftfahrzeugführung zu trennen, „die aus der ….. Vorgeschichte herzuleitenden Annahmen im Hinblick auf das zukünftige Verkehrsrisiko widerlegen“ kann (so das Gutachten Seite 2) bzw. „seine verkehrsbezogene Vorgeschichte und die persönlichen Voraussetzungen seines Fehlverhaltens gründlich und selbstkritisch aufgearbeitet hat“ (Seite 4 des Gutachtens) bzw. sein Alkoholverzicht auch dann noch aufrechterhalten werde, wenn „die Erinnerungen an die Deliktfolgen verblassen“ (Seite 13 des Gutachtens), oder ob zu beurteilen ist, ob ein Fahrerlaubnisinhaber ungeachtet seiner „Unbescholtenheit“, was seine Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss anlangt, allein wegen seines – ihm unbenommenen, eigenverantwortlichen – überhöhten Alkoholkonsums aufgrund bestimmter Umstände besorgen lässt, dass es künftig zu einer – ersten – Fahrt im alkoholisierten Zustand kommen wird (vgl. zum Vorstehenden auch z.B. den Beschluss des bis zum Jahresende 2005 für das Fahrerlaubnisrecht zuständig gewesenen 7. Senats des Gerichts vom 2. September 2004 – 7 B 11452/04.OVG -). Dass es in dem Zusammenhang nicht angeht, eine frühere Verkehrsteilnahme des Klägers unter Alkoholeinfluss mit Rücksicht auf die „nur geringe Kontrolldichte durch die Polizei“ zu unterstellen, wie es dem Verwaltungsgericht vorgeschwebt haben mag, sei dabei hier nur noch am Rande bemerkt.

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Schließlich hat aber auch nicht der Rechtsausschuss der Beklagten bei seiner Entscheidung über den Widerspruch aus der teilweisen Nichtvorlage des TÜV-Gutachtens durch den Kläger auf dessen Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeuges schließen dürfen.

Hierzu ist er schon deshalb nicht berechtigt gewesen, weil ein Vorgehen nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gemäß Satz 2 der Bestimmung voraussetzt, dass der Fahrerlaubnisinhaber bei der Anordndung der Gutachtenbeibringung auf die Folgen der Nichtvorlage des Gutachtens hingewiesen wurde. Eine entsprechende Belehrung des Klägers lässt sich den Verwaltungsakten indessen nicht entnehmen. So wird im Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2005 als der einzigen wegen des Zustandekommens der Beauftragung des TÜV Süd zur Gutachtenerstattung zur Verfügung stehenden Erkenntnisquelle lediglich ausgeführt, der Kläger habe sich nach einem Gespräch zwischen ihm und der Beklagten, in dem auf die Reaktionsmöglichkeit der Beklagten – insbesondere § 13 Abs. 1 Nr. 2 FeV – hingewiesen worden sei, ausdrücklich mit der Erstattung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einverstanden erklärt (vgl. Seite 9 unten des Widerspruchsbescheids). Danach ist es bereits zweifelhaft, ob die Beklagte überhaupt die Beibringung eines solchen Gutachtens verlangt hat. Dazu bestand für sie seinerzeit schon kein Anlass, nachdem im Eilverfahren sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Oberverwaltungsgericht auf der Grundlage einer summarischen Überprüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit der auf § 11 Abs. 8 FeV gestützten Fahrerlaubnisentziehungsverfügung der Beklagten vom 14. Dezember 2004 ausgegangen waren und die Wiedergewinnung der Fahreignung nach Alkoholabhängigkeit regelmäßig eine Entwöhnungsbehandlung und den Nachweis einjähriger Alkoholabstinenz voraussetzt (Nr. 8.4 Anlage 4). Zudem soll der Darstellung des Widerspruchsbescheids zufolge in dem der Einverständniserklärung des Klägers vorausgehenden Gespräch seitens der Beklagten lediglich auf die Möglichkeit, von ihm die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangen zu können, hingewiesen worden sein. Schließlich wird im Widerspruchsbescheid als Grund für die Verpflichtung des Klägers zur Gutachtenvorlage allein dessen unwiderruflich erklärtes Einverständnis zur Begutachtung angegeben. Ist es sonach schon fraglich, ob der Kläger zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens „aufgefordert“ worden ist, so lässt sich der Begründung der Widerspruchsentscheidung schon gar nicht entnehmen, dass der Kläger nach Maßgabe des § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV belehrt worden ist. Soweit sich die Beklagte in der Berufungsverhandlung darauf berufen hat, dass der Kläger ja doch mit der Aufforderung zur Beibringung eines verkehrsmedizinischen Gutachtens vom 6. Oktober 2004 auf die Folgen einer Nichtvorlage des Gutachtens hingewiesen worden sei, ist festzustellen, dass er damit keineswegs zugleich für sämtliche nachfolgenden Begutachtungsansinnen der Beklagten als „belehrt“ zu betrachten ist. Das muss jedenfalls dann gelten, wenn – wie hier – nicht eine erneute Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens wie zuvor schon verlangt in Rede steht, sondern die Beibringung eines andersartigen Gutachtens aufgegeben wird. Vorliegend kommt hinzu, dass der Einverständniserklärung des Klägers vom 29. April/9. Mai 2005 jedenfalls keine der Gutachtenanforderung vom 6. Oktober 2004 entsprechende förmliche Anordnung vorausgegangen war. Dies hätte es erst recht nötig gemacht, den Kläger auf den „Ernst der Lage“ erneut hinzuweisen.

Erweist sich nach alledem das auch nach der teilweisen Vorlage des TÜV-Gutachtens durch den Kläger weiterhin auf § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV gestützte Vorgehen der Beklagten gegen ihn schon aus den vorgenannten Gründen als rechtswidrig, sei gleichwohl abschließend festgestellt, dass auch aus „materiellen“ Gründen aus der Nichtvorlage des Gutachtens im Übrigen nicht auf die Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen hat geschlossen werden können – so die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens denn vom Kläger verlangt worden sein sollte. Eine derartige auf das Unterlassen der geforderten Mitwirkungshandlung gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis setzt voraus, dass das Gutachten zu Recht angefordert worden war.

Im April 2005 hat aber ebenso wenig wie im Oktober 2004 – als die Beklagte tatsächlich auch „nur“ ein verkehrsmedizinisches Gutachten zur Frage der Alkoholabhängigkeit des Klägers einforderte – ein Anlass bestanden, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage eines künftigen Alkoholmissbrauchs des Klägers anzuordnen.

Wie oben bereits hervorgehoben wurde, liegt nach der Legaldefinition in Nr. 8.1 Anlage 4 Alkoholmissbrauch nicht etwa – wie es vom allgemeinen Sprachgebrauch her nahe liegen mag – bereits dann vor, wenn jemand – ein Fahrerlaubnisinhaber – nicht nur gelegentlich übermäßig dem Alkohol zuspricht; Alkoholmissbrauch bedeutet danach vielmehr, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann. Dementsprechend kann einem Fahrerlaubnisinhaber die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Klärung der von ihm durch Alkoholmissbrauch ausgehenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer nur aufgegeben werden, wenn aufgrund bestimmter Umstände der begründete Verdacht besteht, dass er künftig ein Fahrzeug führen könnte, obwohl er hierzu wegen alkoholbedingter Beeinträchtigungen nicht mehr uneingeschränkt in der Lage ist.

Allein daraus, dass der Fahrerlaubnisinhaber aufgrund des Umfangs seines bisherigen Konsums von Alkoholika – der Trinkmengen und der Trinkhäufigkeit – massiv an Alkohol gewöhnt ist – wie es bei dem Kläger nach den Feststellungen in dem TÜV-Gutachten, soweit er dieses vorgelegt hat, der Fall ist (vgl. Seite 11 des Gutachtens) -, ergibt sich – entgegen der offenbar von der Beklagten vertretenen Auffassung (vgl. die Berufungserwiderung Seite 3) – ein solcher Verdacht noch nicht. Die auf Statistiken zur Rückfallgefährdung beruhende wissenschaftliche Erkenntnis der Alkoholforschung, dass Personen, die einmal mit einer hohen, normabweichende Trinkgewohnheiten deutlich machenden Blutalkoholkonzentration mit einem Fahrzeug – und sei es auch „nur“ einem Fahrrad (vgl. dazu z.B. den Beschluss des Senats vom 12. Juni 2006 – 10 B 10461/06.OVG -; ferner das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. September 1995, BVerwGE 99, 249) – am Straßenverkehr teilgenommen haben, weitere Fahrten unter Alkoholeinfluss besorgen lassen, kann mangels dahingehender wissenschaftlicher Nachweise nicht auf Personen übertragen werden, die bei einer Alkoholkontrolle außerhalb des Verkehrsgeschehens eine solche Blutalkoholkonzentration aufweisen, zu denen jedoch bislang jegliche Hinweise auf eine schon einmal vorgekommene Verkehrsteilnahme unter Alkoholeinfluss fehlen (vgl. dazu den bereits zitierten Beschluss des 7. Senats des Gerichts vom 2. September 2004). Ohne weiteres können von daher solche Personen nicht verdächtigt werden, eher als „Alkoholnormalverbraucher“ nach einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum nicht die nötige Selbstkontrolle aufzubringen und von der Teilnahme am Straßenverkehr abzusehen. Der Kläger ist aber noch nie – eine „latente Trennungsproblematik“ nahe legend – im alkoholisierten Zustand im Straßenverkehr aufgefallen. Namentlich stand auch die Durchführung eines Alkoholtests bei ihm am Morgen des 28. Juli 2004 mit dem das Vorgehen der Beklagten zunächst in Form der Überprüfung des Klägers auf Alkoholabhängigkeit auslösenden Ergebnis einer Atemalkoholkonzentration von 3,01 Promille – anders als in dem der Entscheidung des Senats vom 11. September 2006 (10 B 10734/06.OVG) zugrunde liegenden Fall – in keinerlei Zusammenhang mit einem straßenverkehrlichen Geschehen. Der Kläger wurde dem Test vielmehr in seiner eigenen Wohnung und mit Rücksicht auf die ihm von seiner Frau bzw. Stieftochter zur Last gelegten Gewaltanwendung unterzogen. Dabei hatte er den entsprechenden Alkohol seiner von der Beklagten nicht in Zweifel gezogenen – und durchaus glaubhaften – Darstellung zufolge in der von ihm im Erdgeschoss des Anwesens betriebenen Gaststätte zu sich genommen, in die er sich laut Polizeibericht vom 28. Juli 2004 nach der Testabnahme auch wieder „zum Schlafen“ zurückzog. Dass er nach dem Alkoholgenuss für die Heimkehr ein Fahrzeug geführt gehabt haben könnte, war so ebenfalls auszuschließen; zudem gab es so aber auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass er alsbald, schon vor Wiedererlangung der Fahrsicherheit, am Straßenverkehr teilnehmen werde. Aufgrund der besonderen Gegebenheiten im vorliegenden Fall, dass nämlich der Kläger im selben Haus wohnt und als Gastwirt tätig ist, lässt sich darüber hinaus sogar vermuten, dass sich auch der ihn in der Vergangenheit an hohe Alkoholtrinkmengen gewöhnende Umgang mit Alkohol in ähnlicher Weise abspielte, dass er sich mit anderen Worten „ohne irgendwelche Verkehrsberührung“ in die Alkoholgewöhnung trank.

Allerdings vermag in eng begrenzten Ausnahmefällen auch eine außerhalb des Straßenverkehrs aufgetretene Alkoholauffälligkeit eines zuvor noch nie einschlägig in Erscheinung getretenen Fahrerlaubnisinhabers eine Maßnahme nach § 13 Nr. 2 FeV zu rechtfertigen. Ein solches Vorgehen kommt dann jedoch nur in Betracht, wenn über die bloße Tatsache der Alkoholgewöhnung als Fahrerlaubnisinhaber hinaus es besondere – verkehrsbezogene – Umstände nahe legen, dass er schon in überschaubarer Zukunft auch nach dem Genuss von Alkohol ein Kraftfahrzeug führen werde (vgl. dazu den oben bereits angeführten Beschluss des Senats vom 11. September 2006).

Das kann vor allem dann der Fall sein, wenn der Fahrerlaubnisinhaber in besonderer Weise – „zwingend“ – auf das regelmäßige Führen eines Kraftfahrzeuges im Straßenverkehr angewiesen ist und es von daher mit Rücksicht auf die Häufigkeit und Intensität seines Alkoholkonsums letztlich nur eine Frage der Zeit sein kann, dass er sich mit der Situation konfrontiert sieht, am Straßenverkehr teilnehmen zu „müssen“, obwohl er alkoholbedingt fahruntüchtig ist. Von einer derartigen Fallkonstellation kann hier indes schon vom Ansatz her nicht die Rede sein. Der Kläger braucht nicht einmal am Straßenverkehr teilzunehmen, um seine Arbeitsstätte aufzusuchen; und im Übrigen ist er völlig frei, ob und wann er Auto fährt.

Ob besondere Umstände im oben bezeichneten Sinn auch dann vorliegen können, wenn sich der Fahrerlaubnisinhaber zumindest bereits als rücksichtsloser, sich in schwerwiegender Weise über fremde Verkehrsinteressen hinwegsetzender Kraftfahrzeugführer hervorgetan hat, kann vorliegend offen bleiben, da der Kläger auch in dieser Hinsicht bislang nicht in Erscheinung getreten ist.

Der „Rücksichtslosigkeit“, die der Kläger gegenüber der Stieftochter am Morgen des 28. Juli 2004 gezeigt haben soll, fehlt schließlich jeglicher Verkehrsbezug; es handelte sich vielmehr um eine innerfamiliäre „Beziehungstat“ im häuslichen Umfeld.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.  1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Art nicht vorliegen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.500,– € festgesetzt (§§ 52 Abs. 1, 47 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i.V.m. Nr. 46 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2004, 1327).

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