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Amtshaftung bei Badeunfall – verspätete Rettung

OLG Koblenz, Az.: 1 U 862/14, Urteil vom 07.01.2016

Die Berufung der Klägerin gegen das am 26. Juni 2014 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Amtshaftung bei Badeunfall - verspätete Rettung
Symbolfoto: Tomas Skopal / Shutterstock.com

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Badeunfall geltend. Die Beklagte zu 3) ist Betreiberin des Naturschwimmbades „…[A]“ in …[Z]. Die Beklagten zu 1) und 2) sind Angestellte der Beklagten zu 3), die in dem bezeichneten Naturschwimmbad als Badeaufsicht eingesetzt werden. Bei dem Schwimmbad „…[A]“ handelt es sich um einen künstlich angelegten, jedoch naturnah gestalteten Badesee. Dieser ist in zwei Becken (Nichtschwimmerbecken, Hauptbecken) aufgeteilt. Das Hauptbecken weist eine Gesamtgröße von etwa 1.410 qm auf. Es beinhaltet einen etwa 9 m breiten und 16 m langen Schwimmerbereich. In diesem Schwimmerbereich beträgt die Wassertiefe mehrere Meter. Im übrigen Bereich des Hauptbeckens bewegt sich die Wassertiefe kontinuierlich abnehmend zwischen 2,30 m und 0,60 m.

An der westlichen Seite des Schwimmerbereichs im Hauptbecken befindet sich ein Sprungfelsen mit einem sich anschließenden Sprungbereich. Dieser Sprungbereich weist eine Tiefe von 3,40 m auf und ist vom übrigen Schwimmerbereich mittels orangener Bojen abgegrenzt. Diese sind jeweils einzeln an einer auf dem Beckengrund befindlichen Verankerung in einem Abstand von 2,50 bis 3,00 m mittels Seilen befestigt. Diese Bojen sind nicht miteinander verbunden. Die Befestigungsseile waren zum Unfallzeitpunkt flexibel.

Am Samstag, dem 9. Juli 2010 besuchte die damals 12-jährige Klägerin zusammen mit ihren Eltern sowie ihrer damals 15-jährigen Schwester das oben beschriebene Naturfreibad. Sie hielt sich zunächst zusammen mit ihrer Schwester und einer Freundin im Schwimmerbereich des Hauptbeckens auf. Nachdem die Schwester der Klägerin und ihre Freundin den Schwimmerbereich verlassen hatten, um sich zu dem Sprungfelsen zu begeben, verfing sich die Klägerin aus ungeklärten Umständen in der Befestigungsschnur der hinteren linken Boje. Die Boje wurde hierdurch nach unten gezogen.

Die Badeaufsicht am Unfalltag oblag der Beklagten zu 1) und dem Beklagten zu 2). Darüber hinaus war ein weiterer Bademeistergehilfe zugegen.

Nachdem die Beklagten zu 1), die sich auf einem Steg im Bereich des Sprungfelsens aufhielt, auf die abgesenkte Boje aufmerksam geworden war, bat sie einen ihr bekannten, sich gerade in ihrer Nähe aufhaltenden Jugendlichen, nach der Boje zu schauen. Im Anschluss begab sich dann der Beklagte zu 2) selbst in das Wasser und überprüfte die Boje. Dabei stellte er fest, dass die Klägerin sich offenbar unter Wasser in dem Befestigungsseil verfangen hatte. Er befreite die Klägerin und verbrachte sie an Land, wo sie reanimiert wurde.

Die Klägerin erlitt massive, irreparable Hirnschädigungen, so dass sie schwerstbehindert ist und zeit ihres Lebens pflegebedürftig bleiben wird. Sie wurde über Monate hinweg stationär und ambulant behandelt und lebt aufgrund ihrer Behinderungen nunmehr in einem Pflegeheim.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Befestigung der Bojen sei pflichtwidrig gewesen. Durch die flexiblen Seile sei eine große Gefahr für die Schwimmer, damit auch für sie, geschaffen worden. Die Beklagte zu 3) habe damit die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt.

Die Beklagten zu 1) und 2) hätten auch zu langsam reagiert. Durch die Einschaltung des Jugendlichen sei wertvolle Zeit vergangen, so dass sie zu spät gerettet worden sei. Dieses pflichtwidrige Verzögern einer effektiven Rettung habe zu ihren irreparablen Schäden geführt.

Weiterhin sei die Wasseraufsicht fehlerhaft organisiert gewesen. Insbesondere sei nicht ausreichend qualifiziertes Personal eingesetzt worden.

Auch sei die Aufsicht nicht ordnungsgemäß erfolgt, da der Beklagte zu 1) ihr „Verschwinden“ von der Wasseroberfläche nicht rechtzeitig aufgefallen sei.

Wegen der Vielzahl von Fehlern und Mängeln müsse zu ihren Gunsten eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der nachzuweisenden Kausalität zwischen den Fehlern und den bei ihr eingetretenen irreparablen Schäden eingreifen. Zumindest müssten die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins zu ihren Gunsten angewendet werden.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, welches jedoch einen Betrag in Höhe von 500.000 € nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. April 2013 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 650 €, zahlbar bis spätestens zum 5. Werktag eines jeden Kalendermonats zu zahlen;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag in Höhe von 14.716,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

4. es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch dazu verpflichtet sind, ihr sämtlichen, zukünftig entstehenden materiellen und immateriellen Schaden, welcher auf den Schadensfall vom 9. Juli 2010 zurückzuführen ist, zu ersetzen, soweit dieser nicht auf einen Dritten oder einen Sozialversicherungsträger übergegangen ist bzw. zukünftig übergehen wird;

5. Die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, die der Klägerin vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 16.076,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben vorgetragen, dass zum einen völlig unklar sei, wie, auf welche Weise die Klägerin mit dem Befestigungsseil in Kontakt gekommen sei und sich darin verfangen habe. Die abgesenkte Boje habe keinen Anhaltspunkt für eine besondere Notsituation dargestellt. Ein sofortiges Eingreifen sei deshalb nicht zwingend erforderlich gewesen.

Das Landgericht hat die beigezogene Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Koblenz Az.; 2020 Js 74993/10 mit den darin enthaltenen Gutachten und Lichtbildern zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gemacht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass vorliegend keine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten vorlägen und auch schadenskausale Pflichtverletzungen der Beklagten zu 1) und 2) nicht gegeben seien. Weder die Verwendung der Bojen noch deren Befestigung mittels flexibler Seile am Beckenboden stellten einen Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten dar. Hierauf könne die Klägerin ihren Ersatzanspruch nicht gründen.

Auch lägen Aufsichts- und Organisationspflichtverletzungen nicht vor. Selbst bei unterstellten Pflichtverstößen der Beklagten zu 1) und 2) (verzögerte Rettung, mangelhafte Qualifikation) könne der für eine Haftung erforderliche Ursachenzusammenhang nicht nachgewiesen werden. Im vorliegenden Fall eines (behaupteten) pflichtwidrigen Unterlassens muss für eine Haftung und Eintreten einer Ersatzpflicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass bei ordnungsgemäßem Verhalten der nun eingetretene Schaden so nicht eingetreten wäre. Unter maßgeblicher Berücksichtigung der sachverständigen Feststellungen durch den Rechtsmediziner im Ermittlungs-, Strafverfahren sei dies nicht nachweisbar. Damit fehle es selbst bei unterstellter Pflichtwidrigkeit des Rettungsverhaltens der Beklagten zu 1) und 2) in jedem Fall an dem erforderlichen haftungsauslösenden Ursachenzusammenhang.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen, weist auf die verkehrssicherungswidrige Verwendung der Bojen und insbesondere deren Befestigung mit flexiblen Seilen hin. Weiterhin sei die Wasseraufsicht insbesondere im Hinblick auf die mangelhafte Qualifikation des eingesetzten Personals fehlerhaft organisiert worden. Die Schwimmer seien auch nicht in ausreichendem Maße überwacht worden. Bei ordnungsgemäßer Überwachung sei ihr „Verschwinden“ von der Wasseroberfläche sofort bemerkt und entsprechende Rettungsbemühungen eingeleitet worden. Vor allem aber sei ihre Rettung pflichtwidrig um mindestens drei Minuten verzögert worden. Bei rechtzeitiger und ordnungsgemäßer Rettung, der sofortigen Reaktion auf die abgesenkte Boje wäre der bei ihr eingetretene Schaden ausgeblieben.

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Aufgrund der zahlreichen Fehler, Pflichtwidrigkeiten und Mängel müssten die Beklagten den fehlenden Ursachenzusammenhang zwischen den Pflichtwidrigkeiten und den bei ihr eingetretenen Schäden nachweisen.

Sie beantragt im Berufungsverfahren, nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu entscheiden und die Beklagten entsprechend zu verurteilen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Sie begründen dies unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Bestreiten und Vorbringen vor allem auch damit, dass die Haftung der Beklagten zu 1) und 2) bereits wegen der Haftungsüberleitung nach Art. 34 GG ausscheide und damit diese beiden Beklagten im vorliegenden Verfahren nicht passivlegitimiert seien.

Weiterhin führen sie zur Ordnungsgemäßheit der Bojen und deren Befestigung aus. Selbst bei unterstelltem Fehlverhalten, verzögerten Rettungsbemühungen sei der Ursachenzusammenhang zu den eingetretenen Schäden bei der Klägerin nicht nachweisbar.

Der Senat hat die beigezogenen Strafakten 2020 Js 74993/10 StA Koblenz zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Er hat auf Grundlage des Beweisbeschlusses vom 29. Januar 2015 (Bl. 379 f d. A.) ein Gutachten zu den verwendeten Bojen nebst Befestigungen eingeholt (Gutachten des Sachverständigen …[B]). Weiterhin wurde dieser Gutachter sowie der Rechtsmediziner Universitätsprofessor Dr. med. …[C] von dem Senat in der Sitzung vom 5. November 2015 angehört (Bl. 476 ff d. A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze mit den weiter zu den Akten gereichten Unterlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Seite 2 – 6, Bl. 209 – 213 d. A.) verwiesen. Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 540 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Klägerin kann mit Erfolg keine Ansprüche gegen die Beklagten zu 1) und 2) geltend machen. Nach den übereinstimmenden Ausführungen der Parteien und auf Grundlage der vorgelegten Bade- und Benutzungsordnung für die Schwimmteichanlage „…[A]“ der Verbandsgemeinde …[Z] wird diese Anlage „als öffentliche Einrichtung zu gemeinnützigen Zwecken, insbesondere zur Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege, der Jugendpflege, Erholung und sportlichen Betätigung der Bevölkerung“ von der Verbandsgemeinde …[Z] betrieben. Auch das Benutzungsverhältnis ist öffentlich-rechtlich ausgestaltet (u.a. Benutzungsgebühr). Die beklagte Verbandsgemeinde hat zur Erfüllung dieser Aufgaben (Betrieb der Schwimmteichanlage) die Beklagten zu 1) und 2) eingesetzt. Damit handeln die Beklagten zu 1) und 2) in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes und sind haftungsrechtliche Beamte im Sinne von § 839 BGB (Stein, Itzel, Schwall, Praxishandbuch des Amts- und Staatshaftungsrechts, 2. Auflage, Rn. 18, 19). Da diese Eigenhaftung der Beklagten zu 1) und 2) (Beamte im haftungsrechtlichen Sinne) durch Art. 34 GG mit schuldbefreiender Wirkung auf den Staat bzw. auf die Kommune (hier die Verbandsgemeinde …[Z]) übergeleitet wird, kann ein Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Soweit ein Anspruch besteht, ist ausschließlich die Verbandsgemeinde …[Z] der richtige Anspruchsgegner. Damit scheidet jedweder Anspruch – eine Amtspflichtverletzung einmal unterstellt – gegen die Beklagten zu 1) und 2) persönlich aus Rechtsgründen aus.

Auf diesen Umstand wurde die Klägerin durch Beschluss des Senats vom 28. Juli 2015 bereits hingewiesen (Bl. 458 ff. d.A.). Eine rechtliche Entgegnung hierauf erfolgte nachfolgend nicht. Damit hat die Klage gegen die Beklagten zu 1) und 2) keinen Erfolg.

2. Auch greifen die geltend gemachten Ansprüche gegen die beklagte Verbandsgemeinde (Beklagte zu 3) im vorliegenden Fall nicht durch. Die Klage ist auch insoweit abzuweisen. Es liegen weder die im höchsten Maße bedauerlichen massivsten Schäden der Klägerin nachweisbar kausal verursachende Pflichtverletzungen von Bediensteten der Beklagten zu 3) vor, noch greifen die von Klägerseite beanspruchten Beweiserleichterungen im vorliegenden Fall zu ihren Gunsten ein.

a) Soweit die Klägerin der Beklagten zu 3) vorwirft, durch Verwendung ungeeigneter Bojen bzw. einer ordnungswidrigen Befestigung am Grunde pflichtwidrig ihren Unfall und die hieraus folgenden Schäden herbeigeführt zu haben, dringt sie mit dieser Anspruchsbegründung nicht durch.

Ein pflichtwidriges Verhalten der Beklagten zu 3) durch Verwendung der Bojen nebst der Befestigung zur Abgrenzung des Springer-, Sprungbereichs von dem übrigen Schwimmerbereich ist nicht zu beanstanden. Der Senat hat Beweis erhoben, ob die konkrete Verwendung dieser Bojen mit der entsprechenden Befestigung pflichtwidrig, gegen Vorschriften verstoßend war. Der gerichtliche Sachverständige …[B] hat sich zu dieser Frage eingehend und dezidiert geäußert. Bedenken gegen seine fachliche Kompetenz sind nicht ersichtlich, wurden auch von der Klägerin nicht erhoben. Der Senat folgt diesen überzeugenden Ausführungen in dem schriftlichen Gutachten sowie auch den gleichlautenden Bekundungen in der mündlichen Anhörung vor dem Senat am 5. November 2015 (Bl. 477 ff. d.A.). Danach gibt es für diese Abgrenzung zwischen Sprung-, Springer-, Eintauchbereich und dem übrigen Schwimmerbereich keine fachlichen, technischen Vorgaben in den einschlägigen Regelwerken hinsichtlich des Betriebes von Schwimmbädern u.a.. Der Sachverständige hat vielfältige Möglichkeiten der Abgrenzung dieser Bereiche aufgeführt und auch jeweils kenntlich gemacht, dass alle diese erforderlichen Abgrenzungen jeweils spezifische Gefahren für die Schwimmer bzw. bei einer missbräuchlichen Benutzung dieser Einrichtungen in sich tragen. Er sieht keinerlei Grund, diese konkrete Abgrenzung durch Bojen nebst der vorgenommenen Befestigung durch variable Schnüre, Seile zu beanstanden. Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Die eindeutige Stellungnahme ergibt sich sowohl aus dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen wie auch aus dessen vorgenannter Anhörung. Liegt damit keine Pflichtverletzung, insbesondere auch keine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte zu 3) bzw. deren Mitarbeiter vor, so scheidet dieser Umstand zur Begründung der geltend gemachten Ersatzansprüche der Klägerin aus. Der bedauerliche Unfall durch Verfangen der Klägerin in den Schnüren gründet sich demnach nicht auf ein irgendwie geartetes pflichtwidriges Verhalten, das der Beklagten zu 3) zuzurechnen wäre.

Der gerichtliche Sachverständige hat sich auch in ausreichendem Maße mit den schriftlichen Stellungnahmen des privaten Sachverständigen der Klägerin im Rahmen der Anhörung überzeugend vor dem Senat auseinandergesetzt. Auch die ergänzende Stellungnahme des Privatsachverständigen Prof. Dr. Ing. …[D] (Anlage BK16 zum Schriftsatz der Klägerin vom 7.12.2015) stellt die eindeutigen fachlich fundierten Bekundungen und Einschätzungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht in Frage. Gleiches gilt für den Umstand, dass eine derartige Abgrenzung mittels Bojen wohl eher unüblich ist und auch Unfälle laut Bekundung des Gerichtssachverständigen insoweit nicht bekannt geworden sind. Er schildert vielmehr Unfälle mit anderen Abgrenzungsmaterialien (Ketten u.a.). Aus der Unüblichkeit dieser Abgrenzung mittels Bojen folgt allerdings für den Senat nicht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Dabei schließt er sich auch der Auffassung des Sachverständigen an, dass jedwede Art des Einbringens von Gegenständen (zur erforderlichen Abgrenzung von verschiedenen Bereichen) jeweils eine spezifische Gefahr für die Schwimmer in sich trägt. Auch die gegebenenfalls vorhandene Unüblichkeit der konkret vorgenommenen Abgrenzung durch die Beklagte zu 3) führt im vorliegenden Fall auf Grundlage der sachverständigen Äußerungen nicht zu deren Haftung.

b) Gleiches gilt im Ergebnis für den Vorwurf der Klägerin, dass bei der vorhandenen Trübheit des Wassers der Badebetrieb hätte eingestellt werden müssen und es damit auch nicht zu ihrem Unfall gekommen wäre. Nach Vorlage der Datenblätter hinsichtlich des Schwimmbadbetriebes, aus denen sich auch die am Tage 3 Mal gemessenen Sichttiefen ergeben (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 3. Juli 2015, Bl. 442 ff., 447 ff. d.A.) wurde dieser Vorwurf seitens der Klägerin nicht weiterverfolgt. Aus diesen Datenblättern ergeben sich für den Unfalltag Sichttiefen von 3,5 m, 2,5 m und 1,5 m. Unter Berücksichtigung der fachlich nicht angegriffenen Bekundung des Gerichtssachverständigen (Anhörung vor dem Senat, Bl. 479 d.A.) sind Sichttiefen von 1,3 m einzuhalten. Diese wurden sogar deutlich im vorliegenden Fall auch an dem Unfalltag überschritten, so dass keinerlei Veranlassung bestand, den Badebetrieb in irgendeiner Weise – aus Sicherheitsgründen – einzuschränken. Auf diesen ehemals erhobenen Vorwurf kann die Klägerin ihre Ersatzansprüche nicht gründen.

c) Zu Recht rügt die Klägerin, dass sie früher gerettet (aus dem Wasser geborgen) hätte werden können, wenn die Beklagten zu 1) und 2) sofort gehandelt hätten. Dabei geht sie in ihrer Berufungsbegründung (Schriftsatz vom 23.9.2014, Bl. 261 ff., 287 d.A.) von einer tatsächlichen Zeit zwischen Erkennen der abgesenkten Boje bis zur erfolgreichen Bergung von ca. 250 Sekunden aus. Dem stellt sie eine tatsächliche Bergezeit von 75 Sekunden gegenüber. Damit begründet sie den behaupteten Zeitverlust von knapp 3 Minuten (175 Sekunden). Demgegenüber geht die Staatsanwaltschaft Koblenz ausweislich der beigezogenen Ermittlungsakte lediglich von einer zu verantwortenden Verzögerung von 90 Sekunden aus.

Selbst wenn der Senat in diesem Punkt der Klägerin folgt, so führt dies nicht zu einer Haftung der Beklagten zu 3). Nach der einhelligen Rechtsprechung und auch der ganz überwiegenden Auffassung in der Literatur kann ein Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung (zu späte Rettung) und dem eingetretenen Schaden (schwerste Schädigung der Klägerin) nur bejaht werden, wenn der Schadenseintritt bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden wäre; eine bloße Möglichkeit, ebenso eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen nicht (eingehend zu diesem Gesichtspunkt Wöstmann in Staudinger (213), § 839 Rn. 224 – mit weiteren zahlreichen Nachweisen sowie Stein, Itzel, Schwall, aaO, Rn. 160, 284). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass für den Senat für eine Bejahung der Haftung feststehen müsste, dass ohne den Zeitverzug von 3 Minuten der tatsächlich eingetretene Schaden bei der Klägerin ausgeblieben wäre oder zumindest nicht in der vollen Ausprägung eingetreten wäre.

Aus dem schriftlichen Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin – Universitätsprofessor Dr. Dr. …[E], Universitätsprofessor Dr. med. …[C], vom 31. Mai 2003 (vom Amtsgericht Montabaur in dem oben bezeichneten Ermittlungs-, Strafverfahren eingeholt) ergibt sich zum einen, dass ausweislich der ausgewerteten und berücksichtigten Werte und medizinisch feststellbaren Gegebenheiten nicht festgestellt werden konnte, wie lange die Klägerin tatsächlich unter Wasser war. Der konkrete Zeitpunkt des „Verfangen“ der Klägerin im Bojenseil ist völlig offen und nicht feststellbar. Es wird gutachterlich eine Zeitspanne zwischen 3 bis 10 Minuten angegeben. Weiterhin wird auch sachverständig festgestellt, dass nach etwa 3 bis 5 Minuten ohne Sauerstoffzufuhr bleibende Schäden am Gehirn auftreten können. Abschließend führen die Sachverständigen noch in dem schriftlichen Gutachten aus, dass es durchaus möglich sein könnte, dass bei einer frühen Rettung (bis zu 90 Sekunden früher) die Klägerin unversehrt geblieben oder zumindest weniger geschädigt worden wäre. Ein Nachweis hierzu lasse sich allerdings nicht führen. Bei seiner Anhörung vor dem Senat bestätigt der Sachverständige Universitätsprofessor Dr. …[C] im Wesentlichen diese Feststellungen und Einschätzungen. Er bestätigt weiterhin, dass die konkret eingetretenen Schädigungen bei der Klägerin bereits nach 3 bis 5 Minuten ohne Sauerstoffzufuhr des Gehirns eingetreten sein können.

Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass völlig unklar ist wie lange die Klägerin tatsächlich unter Wasser gewesen war, kann aufgrund dieser sachverständigen Bekundungen nicht festgestellt werden, dass bei der Klägerin die vorhandenen Schädigungen ganz oder teilweise durch eine frühere Rettung (90 Sekunden früher bzw. 3 Minuten früher) ausgeblieben wären oder diese Schädigungen lediglich in geringerem abgrenzbarem Umfang eingetreten wären. Hierbei muss zum einen von der mitgeteilten und möglichen Unterwasser-Liegezeit der Klägerin von 10 Minuten ausgegangen werden. Wäre sie dann 3 Minuten früher gerettet worden, so läge die dann noch zugrunde zu legende Liegezeit unter Wasser bei 7 Minuten und damit deutlich über der Grenze von 3 bis 5 Minuten, die für den möglichen Eintritt der massiven, konkreten Schädigung der Klägerin sachverständig festgelegt wurde. Damit kann nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass bei einer früheren Rettung der Klägerin die Schädigungen ausgeblieben oder nur abgemildert eingetreten wären. Die Klägerin kann damit den Nachweis nicht führen, dass die bedauerlichen bei ihr nun vorliegenden massiven Schädigungen gerade durch (kausal bedingt) ein pflichtwidriges, verzögerliches Verhalten der Bediensteten der Beklagten zu 3) verursacht wurden. Die Möglichkeit, die Erhöhung der Chancen für einen schädigungslosen Verlauf durch eine frühere Bergung, Rettung reicht zur Haftungsbegründung aus Rechtsgründen nicht aus. Damit kann die Klägerin die geltend gemachten Ansprüche letztlich auch nicht auf diesen Gesichtspunkt der verspäteten Rettung gründen.

d) Auch die weiter von der Klägerin eingeführten organisatorischen Mängel und behaupteten Pflichtwidrigkeiten führen letztlich nicht zu einer Haftung der Beklagten zu 3). Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass die behauptete fehlende, mangelhafte Qualität der Auswahl und Ausbildung des eingesetzten Personals sich in irgendeiner Weise auf den Rettungsvorgang, von der oben unter c) ausgeführten späten Rettung abgesehen, negativ ausgewirkt hat. Damit kann die Klägerin eine Haftung der Beklagten zu 3) nicht begründen.

Dies gilt auch für ihre Forderung, dass jeder Schwimmer eigentlich von der entsprechenden Badeaufsicht ständig zu beobachten wäre. Eine derartige weitgehende Pflicht besteht nach Überzeugung des Senats, der sich insoweit auch in Übereinstimmung mit weiteren gerichtlichen Entscheidungen befindet, nicht. Auf diesen Umstand wurde die Klägerin auch in der Sitzung vom 18. Dezember 2014 hingewiesen (Bl. 357 d.A.). Sie hat diesen Vorwurf sodann auch nicht mehr weiterverfolgt. Für den Senat besteht keinerlei Pflicht, dass die Badeaufsicht ständig jeden der anwesenden Schwimmer im Blick hat und auf Besonderheiten jedes Einzelnen achtet (so bereits BGH, NJW 1980, 392 f; OLG Saarbrücken, VersR 1995, 472; Möhlenkamp, Die Aufsicht in öffentlichen Bädern, VersR 2012, 833 ff (834)). Dies würde die Badeaufsicht völlig überfordern und einen Badebetrieb unmöglich machen. Insoweit besteht keine Pflichtigkeit der Beklagten zu 3), einen entsprechenden Badebetrieb dergestalt zu organisieren. Eine Pflichtverletzung ist damit auch in diesem Punkt nicht gegeben und die Klägerin kann auf diesen behaupteten Aufsichtsmangel ihr Begehren nicht stützen.

Die abgesenkte Boje allein führte nach Überzeugung des Senats nicht zu einer sofortigen eigenen Handlungspflicht der Bediensteten der Beklagten zu 3). Selbst wenn eine derartige sofortige Handlungspflicht bestanden hätte, greift eine Haftung aus den oben unter c) eingehend dargestellten Gründen nicht ein (fehlender Kausalitätsnachweis).

e) Zugunsten der Klägerin greifen Beweiserleichterungen im vorliegenden Fall nicht ein. Die Geschädigte hat darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, in welcher für sie günstigen Weise das Geschehen bei Vornahme der gebotenen Amtshandlung (frühere Rettungshandlung) verlaufen wäre (Wöstmann, a.a.O.). Die Voraussetzungen für die Annahme eines Anscheinsbeweises sind insbesondere nach den sachverständigen Feststellungen im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es fehlt an einem pflichtwidrigen Handeln bzw. an einem typischen Geschehensablauf. Auch liegt nach allem zur Überzeugung des Senats keinerlei grob fahrlässiges Verhalten der Bediensteten der Beklagten zu 3) vor, was bei Hinzutreten weiterer Umstände gegebenenfalls (wie im Arzthaftungsrecht) zu einer Beweiserleichterung hätte führen können. Diese greift im vorliegenden Fall die Haftung nach Amtshaftungsrecht nicht ein. Damit ist die Klägerin in vollem Umfang für das Vorliegen einer Amtspflichtwidrigkeit, einer Pflichtverletzung sowie eines hierauf kausal aufbauenden Schadens nach den oben genannten Kriterien darlegungs- und beweispflichtig.

3. Nach allem kann die Klägerin Ersatzansprüche gegen die Beklagten zu 1), 2) und 3) nicht mit Erfolg geltend machen. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; ihr Rechtsmittel hiergegen (Berufung) hat keinen Erfolg und ist demnach zurückzuweisen.

Die Revision gegen dieses Urteil ist nicht zuzulassen, da die gesetzlich vorausgesetzten Gründe nicht gegeben sind. Der Senat hat unter maßgeblicher Berücksichtigung der Sachverständigenäußerungen (schriftliche Gutachten sowie Anhörung vor dem Senat) eine Entscheidung im Einzelfall getroffen und befindet sich auch hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast in Übereinstimmung mit der an diesem Punkt einheitlichen Rechtsprechung.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 1.284.717,00 € festgesetzt.

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