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Anlageberatungsvertrag: Haftung eines unabhängigen Finanzdienstleisters

LG Hannover, Az.: 8 O 35/12

Urteil vom 19.12.2013

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen Verletzung von Beratungspflichten aus einem Anlageberatungsvertrag.

Anlageberatungsvertrag: Haftung eines unabhängigen Finanzdienstleisters
Symbolfoto: alexraths/Bigstock

Der Kläger unterzeichnete am 20.03.2001 eine Beitrittserklärung für eine Beteiligung an dem geschlossenen Immobilienfonds x mit einer Summe von 20.000,- DM zuzüglich Abwicklungsgebühr in Höhe von 5 % (Anl. B 6). Zweck der Gesellschaft ist der Erwerb sowie die Verwaltung und Vermietung von Gewerbeimmobilien. Der Beteiligung waren Gespräche mit dem für die Beklagte tätigen Handelsvertreter x vorausgegangen. Der Kläger unterzeichnete am 20.03.2001 eine „Gesprächsnotiz zur Vermittlung eines geschlossenen Immobilienfonds“, in der auf einzelne Risiken der Beteiligung hingewiesen wird (Anl. B 15). In dem seitens des Klägers am 11.04.2001 unterzeichneten Formular für ein Beratungsprotokoll bestätigte der Kläger außerdem, dass der Prospekt besprochen und übergeben worden sei und er vor Unterschrift ausreichend Zeit gehabt habe, die überlassenen Unterlagen durchzusehen (Anl. B 16).

Die laut Prospekt prognostizierten Ausschüttungen von anfänglich 7 % wurden für das Jahr 2004 auf 3,5 %, für das Jahr 2005 auf 2,5 % und für die Jahre 2006 und 2007 auf 1,5 % reduziert. Für die Jahre 2008 und 2009 erfolgten keine Ausschüttungen.

Der Kläger behauptet, er habe das Geld streng konservativ anlegen wollen. Ihm sei erklärt worden, es gebe kein Ausfallrisiko und es werde eine überdurchschnittliche Rendite erzielt. Für die Vermittlung habe die Beklagte eine Provision von mehr als 15 % bezogen. Dies wäre offenbarungspflichtig gewesen, weil der Kläger dann hätte erkennen können, dass die Vermittlung der besagten Geldanlage nicht seinen Interessen, sondern ausschließlich den Interessen der Beklagten gedient habe.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.737,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2011 und weitere 837,52 € als Nebenforderung zzgl. 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.12.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung und meint, der Kläger könne sich nicht auf den Mahnbescheid berufen. Das Mahnverfahren sei nicht statthaft gewesen, außerdem fehle es an einer ausreichenden Individualisierung des Streitgegenstandes. Darüber hinaus seien etwaige Ansprüche kenntnisabhängig verjährt, da sich die angeblich verschwiegenen Risiken frühzeitig realisiert hätten und der Kläger durch die empfangenen Geschäftsberichte, Einladungen zu Gesellschafterversammlungen und Protokolle der Gesellschafterversammlungen Kenntnis, jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis gehabt habe.

Zur Ergänzung des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist nicht begründet.

1. Ein Anspruch auf Schadensersatz lässt sich nicht aus dem Umstand ableiten, dass die Beklagte den Kläger nicht über die Höhe der Vergütungen, die sie für den Vertrieb des Fonds erhalten hat, aufgeklärt hat. In der unterlassenen Aufklärung über die der Beklagten durch die Vermittlung der Beteiligung erlangten Provisionen liegt grundsätzlich keine Pflichtverletzung. Zwar ist eine Bank im Rahmen eines Beratungsvertrages grundsätzlich verpflichtet, den Anleger über das Bestehen und die Höhe verdeckter Rückvergütungen, welche durch die Vermittlung von Anlagen entstehen, zu informieren (BGH WM 2007, 487). Mit einer solchen Aufklärung soll dem Kunden ein möglicher Interessenkonflikt des Beraters offenbar werden, insbesondere, dass der Berater ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Vertrieb der Beteiligungen hat, die in Konflikt zu der Pflicht aus dem Beratungsvertrag, den Anleger ordnungsgemäß zu beraten, stehen kann. Dem Kunden eines unabhängigen Finanzdienstleisters wie der Beklagten, deren Beratung ohne Gebühr erfolgt, muss allerdings klar sein, dass sich der Berater durch die Vermittlung der Produkte finanziert. Die umfangreichen Koordinations- und Beratungstätigkeiten sowie die Mitarbeiterfinanzierung wären sonst nicht möglich (BGH, Urt. vom 15.04.2010, III ZR 196/09). Auf die Frage, welche Provision der Handelsvertreter oder die Beklagte im Einzelfall erhalten hat, kommt es daher grundsätzlich nicht an. Hiervon unberührt bleibt die generelle Pflicht des Anlageberaters, im Rahmen der objektgerechten Beratung unaufgefordert über Vertriebsprovisionen Aufklärung zu geben, wenn diese eine Größenordnung von 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten (BGH 03.03.2011, III ZR 170/10). Insoweit können sie Einfluss auf die Werthaltigkeit der vom Anleger erworbenen Anlage haben. Dem Vortrag des Klägers ist aber nicht zu entnehmen, dass das Gesellschaftsvermögen des streitgegenständlichen Immobilienfonds mit Eigenkapitalvermittlungskosten belastet wird, deren Höhe 15 % des von den Anlegern einzubringenden Kapitals überschreiten.

2. Im Übrigen ist ein etwaiger Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung von Beratungspflichten aus einem Anlageberatungsvertrag bereits vor Einleitung des Mahnverfahrens kenntnisabhängig nach den §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt gewesen. Der Schadensersatzanspruch unterliegt seit dem 1. Januar 2002 der – kenntnisabhängigen – dreijährigen Regelverjährung des § 195 BGB. Die Verjährung beginnt dabei mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Dabei beginnt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für jeden einzelnen Beratungsfehler die kenntnisabhängige Verjährungsfrist gesondert zu laufen (BGH Urt. v. 9. Nov. 2007 – V ZR 25/07).

a) Der Anspruch ist bereits mit der Unterzeichnung der Beitrittserklärung und Annahme seitens der Fondsgesellschaft im Sommer 2001 entstanden. Ein Schaden tritt in der Person eines Anlegers nicht erst mit dem Ausbleiben der Ausschüttungen oder dem Verlust des angelegten Kapitals ein, vielmehr ist ein Vermögensschaden des Anlegers, der sich bei zutreffender Information über die Risiken nicht an dem Anlagemodell beteiligt hätte, bereits dann anzunehmen, wenn die Anlage wegen der mit ihr verbundenen Risiken für die Zwecke des Anlegers nicht uneingeschränkt brauchbar ist (BGH WM 1997, 2309 ff.; WM 2005, 929 ff.). Die Anleger, die aufgrund einer behaupteten fehlerhaften Empfehlung eine risikobehaftete und damit eigentlich nicht gewünschte Kapitalanlage erwerben, sind insoweit bereits durch den Erwerb geschädigt.

b) Auch die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB maßgebliche Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände lag bereits im Jahre 2001, spätestens aber bis zum 31.12.2007 vor, so dass spätestens mit Ablauf des 31.12.2010 Verjährung eingetreten war und ein im Jahre 2011 eingereichter Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids die Verjährung nicht mehr hemmen konnte.

Bereits aus der von dem Kläger am 20.03.2001 unterzeichneten Gesprächsnotiz war ohne weiteres zu erkennen, dass mit der Anlage nicht unerhebliche Risiken verbunden waren. So wird der Anleger unter Ziffer 6 u. a. darauf hingewiesen, dass es sich um eine langfristige Anlage handele und Anteile an einem geschlossenen Immobilienfonds insbesondere in den ersten Jahren nur eingeschränkt wieder veräußerbar seien. Des Weiteren sei es möglich, dass es bei nicht durch den Initiator garantierten Rückkäufen zu Preisabschlägen dergestalt kommen könne, dass deutlich weniger als die bis zur Kündigung gezahlten Einlage erzielt werde.

Bereits aus diesem Hinweis musste sich dem Anleger aufdrängen, dass die Anlage nur eingeschränkt fungibel und mit einem Kapitalverlustrisiko behaftet war. Sollte der Kläger die Hinweise in der Gesprächsnotiz nicht gelesen haben, wäre von einer grob fahrlässigen Unkenntnis auszugehen, da er eine naheliegende Informationsquelle in ungewöhnlich großer Nachlässigkeit nicht zur Kenntnis genommen und nicht beachtet hätte, was einem Anleger unter den gegebenen Umständen in einer vergleichbaren Situation in eigenen Angelegenheiten mühelos hätte einleuchten müssen.

Eine positive Kenntnis davon, dass die Kommanditbeteiligung nicht die in sie gesetzte Erwartung einer konservativen Anlage entsprach, erhielt der Kläger mit aller Deutlichkeit ab dem Jahre 2005, als die fälligen Ausschüttungen auf Dauer erheblich geringer ausfielen, als ursprünglich prognostiziert. Die Kenntnis von den unternehmerischen Risiken ergab sich zudem aus den Geschäftsberichten und den Protokollen der Gesellschafterversammlungen. So wird in dem Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 23.06.2004 festgehalten, dass die aktuelle Marktsituation von einer schwachen Konjunktur, schleppenden Mietzahlungen und – ausfällen, sinkenden Mietpreisen und sinkenden Überschüssen aus Vermietung und Verpachtung gekennzeichnet sei. Auch in den laufenden Informationsschreiben der Fondsverwaltung wird darauf hingewiesen, dass sich die Prognosen nicht erfüllt hätten. Danach konnte der Kläger ohne weiteres erkennen, dass es sich nicht um eine sichere, risikolose Anlage handelte und dass die angebliche Erklärung des Handelsvertreters der Beklagten, es gebe kein Ausfallrisiko und es werde eine überdurchschnittliche Rendite erzielt, nicht den tatsächlichen Risiken der Beteiligung entsprach.

3. Da aus den oben genannten Gründen die von dem Kläger geltend gemachte Hauptforderung gemäß § 214 BGB nicht durchsetzbar ist, besteht auch kein Anspruch auf Zahlung außergerichtlicher Anwaltskosten.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Der Streitwert wird auf 10.737,13 € festgesetzt.

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