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Selbständiges Beweisverfahren – Beendigung wann?

OLG Stuttgart – Az.: 10 W 6/18 – Beschluss vom 04.05.2018

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 12.12.2017, Az. 7 OH 23/11, wird zurückgewiesen.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller beantragte am 31.10.2011 bei dem Landgericht Tübingen die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO zur Feststellung der Mangelhaftigkeit von seitens der Antragsgegnerin erbrachten Garten- und Landschaftsbauarbeiten sowie zur Feststellung der notwendigen Mängelbeseitigungsmaßnahmen und -kosten. Mit Beweisbeschluss vom 03.02.2012 beauftragte das Landgericht den Gutachter Dipl.-Ing. N. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens zu den Behauptungen des Antragstellers. Der Sachverständige erstattete am 24.10.2012 ein schriftliches Gutachten.

Mit seiner am 14.08.2013 bei dem Landgericht Tübingen eingereichten, der Antragsgegnerin am 26.08.2013 zugestellten Klage beantragte der Antragsteller, die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Kostenvorschusses für die Mängelbeseitigung zu verurteilen und deren darüber hinausgehende Verpflichtung zur Kostenerstattung festzustellen. Zum Beweis seiner Mängelbehauptungen bezog sich der Antragsteller auf das Gutachten des Sachverständigen N. vom 24.10.2012 und beantragte, die Akten des selbständigen Beweisverfahrens beizuziehen. Das Landgericht als Prozessgericht setzte den – unter dem Az. 7 O 305/13 geführten – Rechtsstreit mit Beschluss vom 11.02.2014 bis zum Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens aus.

Im selbständigen Beweisverfahren erstattete der Sachverständige N. nach weiteren Mängelbehauptungen des Antragstellers am 25.06.2015 ein Ergänzungsgutachten und am 23.03.2017 ein zweites Ergänzungsgutachten. Mit Schriftsatz vom 21.04.2017 beantragte der Antragsteller, den Sachverständigen zu einzelnen Punkten seiner Feststellungen ergänzend zu befragen; zudem beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz vom 28.09.2017, dem Sachverständigen aufzugeben, die Kosten der Mängelbeseitigung unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Baupreisteuerungen zu ermitteln.

Mit Beschluss vom 12.12.2017 nahm das Landgericht als Prozessgericht den Rechtsstreit zum Az. 7 O 305/13 wieder auf. Mit Verfügungen vom selben Tag erteilte das Landgericht den Parteien des Rechtsstreits Auflagen und Hinweise, zog die Akten des selbständigen Beweisverfahrens bei, bestimmte einen Verhandlungstermin und forderte von dem Antragsteller einen Vorschuss an, von dessen Einzahlung es die Ladung des Sachverständigen N. zu dem Termin abhängig machte. Mit Beschluss vom selben Tage erklärte das Landgericht als Gericht des selbständigen Beweisverfahrens dieses Verfahren für beendet und setzte den Verfahrenswert fest. Der Beschluss wurde den Beteiligten formlos zugesendet.

Der Antragsteller hat gegen den Beschluss des Landgerichts als Prozessgericht, den Rechtsstreit wieder aufzunehmen, sofortige Beschwerde eingelegt. Mit bei dem Landgericht am 02.01.2018 eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsteller auch gegen den Beschluss des Landgerichts als Gericht des selbständigen Beweisverfahrens, mit dem das Verfahren für beendet erklärt und der Verfahrenswert festgesetzt wurde, sofortige Beschwerde erhoben. Zur Begründung hat der Antragsteller ausgeführt, dass ihm durch die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens weitere Fragen an den Sachverständigen abgeschnitten würden. Zudem habe das Landgericht als Prozessgericht keinen Beweisbeschluss erlassen. Aus der Hinweis- und Auflagenverfügung vom 12.12.2017 gehe nur hervor, dass eine Beweiserhebung im Zusammenhang mit drei einzelnen Mängeln beabsichtigt sei; hinsichtlich der übrigen Mängel habe das Landgericht – wenn überhaupt – nur auf den Stand der Beweisaufnahme hingewiesen.

Das Landgericht als Prozessgericht hat der sofortigen Beschwerde des Antragstellers gegen die Wiederaufnahme des Rechtsstreits zum Az. 7 O 305/13 nicht abgeholfen; der Senat hat die sofortige Beschwerde mit Beschluss vom 17.01.2018 (Az. 10 W 4/18) als unbegründet zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 10.01.2018 hat das Landgericht als Gericht des selbständigen Beweisverfahrens der sofortigen Beschwerde des Antragstellers insoweit, als sie sich gegen die Erklärung der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens richtet, nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt; im Übrigen hat das Landgericht die Entscheidung über die Abhilfe zurückgestellt.

II.

1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen die Entscheidung des Landgerichts, das selbständige Beweisverfahren für beendet zu erklären, ist zulässig, aber nicht begründet.

a) Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Die Ablehnung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar; das gilt auch für die Ablehnung der Änderung oder Ergänzung des Beweisbeschlusses sowie für die Ablehnung eines Antrags auf Erläuterung des Gutachtens (Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., § 490 Rz. 4). In der förmlichen Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens, die als solche im Gesetz nicht vorgesehen ist (BGH, Urteil vom 28.10.2010 – VII ZR 172/09), liegt hier inzident die Ablehnung der Anträge des Antragstellers auf Ergänzung des Beweisbeschlusses bzw. auf Erläuterung des Gutachtens des Sachverständigen N. in den Schriftsätzen vom 21.04.2017 bzw. vom 28.09.2017. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 S. 1 ZPO) ist gewahrt. Im Hinblick darauf, dass der angefochtene Beschluss nicht zugestellt worden ist, hat die Beschwerdefrist nicht begonnen zu laufen, bevor die sofortige Beschwerde erhoben worden ist.

b) Die Beschwerde ist unbegründet. Das selbständige Beweisverfahren ist beendet.

Ein selbständiges Beweisverfahren ist beendet, wenn die Beweissicherung sachlich erledigt ist (BGH, Urteil vom 28.10.2010 – VII ZR 172/09). Es ist aber auch dann beendet, wenn die Zuständigkeit für die Beweiserhebung nach Einleitung eines Rechtsstreits in der Hauptsache zwischen den Beteiligten des selbständigen Beweisverfahrens auf das Prozessgericht übergeht (vgl. BGH, Beschluss vom 22.07.2004 – VII ZB 3/03). Maßgeblich für diesen Übergang ist der Zeitpunkt der Beiziehung der Akten des selbständigen Beweisverfahrens zu Beweiszwecken durch das Prozessgericht. Hier ist der Übergang durch die Verfügung des Landgerichts als Prozessgericht vom 12.12.2017 bewirkt worden.

Dass im selbständigen Beweisverfahren nicht sämtliche Beweisfragen bzw. Einwendungen erledigt sind, steht dem Übergang der Zuständigkeit für die Beweiserhebung auf das Prozessgericht nicht entgegen. Das Prozessgericht muss, wenn es die Akten des in der Sache noch nicht abgeschlossenen selbständigen Beweisverfahrens beizieht, die Beweisaufnahme im vorgefundenen Stand selbst fortsetzen (BGH, Beschluss vom 14.11.2017 – VIII ZR 101/17). Eine Zuständigkeit des Gerichts des selbständigen Beweisverfahrens kann daneben nicht bestehen bleiben (arg. § 485 Abs. 1 Hs. 1 ZPO).

Der Erlass eines Beweisbeschlusses im streitigen Verfahren ist nicht Voraussetzung eines Übergangs der Zuständigkeit für die weitere Beweiserhebung auf das Prozessgericht. Gemäß § 493 Abs. 1 ZPO steht in Fällen, in denen sich eine Partei im Prozess auf Tatsachen beruft, über die selbständig Beweis erhoben worden ist, die selbständige Beweiserhebung einer Beweisaufnahme vor dem Prozessgericht gleich, soweit die jeweiligen Verfahrensbeteiligten identisch sind. Die vorgezogene Beweisaufnahme wirkt also zwischen den Beteiligten des selbständigen Beweisverfahrens wie eine unmittelbar im Hauptsacheverfahren selbst durchgeführte Beweiserhebung; die Beweiserhebung des selbständigen Beweisverfahrens wird im Hauptsacheprozess verwertet, als sei sie vor dem Prozessgericht selbst erfolgt (BGH, Beschluss vom 14.11.2017 – VIII ZR 101/17).

Ebenso wenig ist es für den Übergang der Zuständigkeit für die weitere Beweiserhebung auf das Prozessgericht erforderlich, dass dieses seine Absicht manifestiert, im Umfang sämtlicher im selbständigen Beweisverfahren gestellter Anträge weiter Beweis zu erheben. Im streitigen Verfahren kommt es auf die Erheblichkeit der unter Beweis gestellten Tatsachen an; eine Beweiserhebung des Prozessgerichts über unerhebliche Tatsachen, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens waren, ist unzulässig.

Dass er im selbständigen Beweisverfahren die Feststellung von Mängeln anstrebt, die er nicht gleichzeitig zum Gegenstand des streitigen Verfahrens gemacht hat, legt der Antragsteller nicht dar; dafür ist auch nichts ersichtlich. Sämtliche Mängel, auf die sich die Fragen des Antragstellers im Schriftsatz vom 21.04.2017 bezogen, sind auch Gegenstand der Klage in Gestalt der letzten Antragstellung im Schriftsatz vom 24.02.2018.

2. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

4. Der festgesetzte Gegenstandswert folgt aus § 3 ZPO. Der Antragsteller berühmt sich wegen der im selbständigen Beweisverfahren geltend gemachten Mängel im Hauptsacheverfahren eines Vorschussanspruchs in Höhe von 18.581,56 EUR. Der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren hat die Höhe der von ihm ermittelten Mangelbeseitigungskosten zuletzt mit 16.081,66 EUR angegeben. Die Differenz der Werte bildet das Interesse des Antragstellers an der Fortsetzung des selbständigen Beweisverfahrens.

 

 

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