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Anlagevermittlerhaftung – Zustandekommen  Auskunftsvertrag

Aufklärungspflichten

LG Krefeld – Az.: 3 O 88/19 – Urteil vom 04.06.2020

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.395,05 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte des Klägers aus den Kauf- und Verwaltungsverträgen mit der S. GmbH – Kauf und Verwaltungsvertrag vom 01.07.2015 über elf Stück Container zum Preis von insgesamt 31.460,00 EUR, Vertragsnummer XXX.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger von sämtlichen bis zum Zeitpunkt der Klagezustellung fälligen und zukünftig fällig werdenden Verbindlichkeiten aus den in Ziff. 1 der Klageanträge näher bezeichneten Kauf- und Verwaltungsverträgen des Klägers freizustellen, Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte des Klägers aus den in Ziff. 1 der Klageanträge näher bezeichneten Kauf- und Verwaltungsverträgen.

3. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Übertragung sämtlicher Rechte des Klägers aus den in Ziff. 1 der Klageanträge näher bezeichneten Kauf- und Verwaltungsverträgen in Verzug befindet.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einer Anlageberatung im Jahr 2015 gegen den Beklagten geltend.

Der Kontakt zwischen den Parteien bestand seit dem Jahre 1993, es fanden diverse Gespräche und Vermittlungen statt. Bereits im Jahre 1993 wurden der Kauf und die Finanzierung einer Eigentumswohnung in L. realisiert, im Jahre 1998 der Erwerb und die Finanzierung eines Mehrfamilienhauses.

Am 19.05.2009 investierte der Kläger über den Beklagten in M. Container, wobei ihm bereits Unterlagen zu verschiedenen Containergesellschaften, darunter auch die S., ausgehändigt wurden. In 2015 kam es zur Auszahlung des Rückkaufwertes des M. Container J.. Der Betrag der Auszahlung sollte wiederum in Container angelegt werden.

Der Kläger zeichnete am 26.06.2015 in einem Termin mit dem Beklagten den streitgegenständlichen Kauf- und Verwaltungsvertrag mit der S. GmbH (Vertragsnummer XXX) über 11 Container zum Preis von insgesamt 31.460,00 EUR. Am selben Tag erhielt er die Broschüre „S.-Programm“ Stand 2015 von dem Beklagten.

Dort heißt es unter der Überschrift „Ausfall von S.“:

„Sollte S. selbst ausfallen, gehen gemäß § 1 des Verwaltungsvertrages alle Rechte aus dem Vertragsverhältnis zwischen S. und der anmietenden Gesellschaft auf den Containereigentümer über.“

Unter „Umfangreiche Versicherungen“ heißt es weiter:

„Risiken wie Beschädigung, Verlust oder Diebstahl Ihrer Container sind durch weitreichende internationale Versicherungen voll abgedeckt. Die Kosten hierfür werden durch die Mieter Ihrer Container getragen.“

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Verkaufsunterlagen (Bl. 70 ff. d. A.) Bezug genommen und verwiesen.

Im Rahmen des Termins am 26.06.2015 wies der Beklagte auch auf verschiedene Möglichkeiten zum Erwerb von Gold und Silber hin, der Kläger entschied sich jedoch für die streitgegenständliche Zeichnung. Auf die Möglichkeit, u.U. auch mit dem Privatvermögen (bis hin zur Insolvenz) haften zu müssen, klärte der Beklagte den Kläger unstreitig nicht auf. Der Kläger zahlte die Kaufpreise auf das Konto der S. I.

In dem Kaufvertrag ist unter anderem geregelt:

„3. Die Eigentumsübertragung der /des Container(s) erfolgt innerhalb von maximal 90 Tagen nach Geldgutschrift des Kaufpreises. Die Übergabe der/des Container(s) wird durch den nachfolgenden Verwaltungsvertrag ersetzt.

4. Der Investor erteilt zum Nachweis der Eigentumsübertragung der/des Containers auf Anforderung ein von S. ausgestelltes Eigentumszertifikat mit dem internationalen Code und der Seriennummer seiner/seines Container(s).“

In dem Verwaltungsvertrag ist unter anderem vereinbart:

„1. Der Investor beauftragt S. mit der Verwaltung der/des oben genannten Container(s). […] Sämtliche Rechte und Pflichten aus dem Miet- oder Agenturverhältnis gehen gleichzeitig mit der Eigentumsübertragung auf den Investor über. […]

2. S. garantiert den Investoren für die Dauer von 5 Jahren (in 365 Tagen) einen Tagesmietsatz von 0,79EUR pro Container das heißt 10,01 % des Kaufpreises per anno.“

Für den weiteren Inhalt des Vertrages wird auf den zu den Akten gereichten Kauf- und Verwaltungsvertrag Bl. 15 d. A. Bezug genommen und verwiesen.

Der Kläger erhielt 7.064,95 EUR an Mietgarantien ausgezahlt.

Mit Beschluss vom 24.07.2018 eröffnete das Amtsgericht N. die Insolvenzverfahren für die deutschen S. Container-Verwaltungsgesellschaften, darunter auch die S. GmbH.

Im Rahmen der Insolvenzeröffnung gab der Insolvenzverwalter Dr. K. in einer Pressemitteilung vom selben Tag unter anderem bekannt, dass die Zahl der an die Anleger verkauften Container deutlich über der Zahl der vorhandenen und verwalteten Container liege. Für den weiteren Inhalt der Mitteilung wird auf die Pressemitteilung Bl. 32ff. d.A. Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 08.05.2019 teilte der Insolvenzverwalter unter anderem mit, dass die etwaige insolvenzrechtliche Anfechtbarkeit der an die Anleger geleisteten Zahlungen nicht abschließend geklärt sei.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.10.2018 forderte der Kläger den Beklagten unter anderem zur Rückzahlung des angelegten Betrages sowie zum Ausgleich der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren Zug um Zug gegen die Übertragung der Rechte aus den Verträgen bis zum 26.10.2018 auf.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe ihn nicht auf sämtliche wesentliche Umstände und Risiken der Beteiligung hingewiesen. Er habe nur ausgeführt dass theoretisch Verluste möglich seien, praktisch seien sie aber ausgeschlossen. Er habe die Anlage als sicher bezeichnet. Einen Hinweis auf ein Totalverlustrisiko sei nicht erfolgt. Ebenfalls sei kein Hinweis erfolgt, dass im Falle einer Insolvenz möglicherweise Auszahlungen zurückzuzahlen seien. Wäre er auf die mit einer Eigentümerstellung verbundenen Gefahren hingewiesen worden, hätte der die Investition nie getätigt. Der Beklagte habe zudem nicht darauf hingewiesen, dass die Anlage nur schwer oder gar nicht weiterveräußert werden könne. Der Beklagte habe ihm ebenfalls nicht mitgeteilt, dass er eine Provision i.H.v. 5 % des Anlagebetrages erhielt. Er sei nicht darauf hingewiesen worden, dass er anhand der Kauf- und Verwaltungsverträge nicht Eigentümer werden konnte. Der Beklagte habe seine finanzielle Situation analysiert, wobei ihm die vollständigen finanziellen Verhältnisse bekannt gewesen seien. Ihm sei vor allem die Sicherheit der Anlage wichtig gewesen.

Der Kläger behauptet weiter, ihm seien vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.256,24 EUR entstanden.

Der Kläger ist der Ansicht, dass das sachenrechtliche Bestimmtheitsgebot nicht eingehalten werde. Denn sowohl in dem Kauf- als auch in dem Verwaltungsvertrag befinde sich keine Angabe, die eine Individualisierung der verkauften Container ermöglichen würde. Auch sei der Verwaltungsvertrag entgegen der dort gewählten Formulierung nicht geeignet, die fehlende Übergabe zu ersetzen. Die Übereignung sei aber ein ganz wesentlicher Teil des Anlagekonzeptes gewesen, die Plausibilitätsprüfung des Beklagten habe sich auch darauf beziehen müssen. Die Wertlosigkeit der Mietgarantien sei aufklärungsbedürftig gewesen. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Prospekte aus 2017 über die Haftung des Anlegers bis hin zu dessen Privatinsolvenz informierten. Zudem habe er über die nur eingeschränkt erteilten Abschlussvermerke durch den Wirtschaftsprüfer X. der Jahre 2013 und 2014 unterrichtet werden müssen.

Der Kläger beantragt,

1.  den Beklagten zu verurteilen, an ihn 24.395,05 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.10.2018 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung seiner sämtlichen Rechte aus den Kauf- und Verwaltungsverträgen mit der S. GmbH Kauf und Verwaltungsvertrag vom 01.07.2015 über elf Stück Container zum Preis von insgesamt 31.460,00 EUR, Vertragsnummer XXX.

2.  den Beklagten zu verurteilen, ihn von sämtlichen bis zum Zeitpunkt der Klagezustellung fälligen und zukünftig fällig werdenden Verbindlichkeiten aus seiner in Ziff. 1 der Klageanträge näher bezeichneten Kauf- und Verwaltungsverträge freizustellen, Zug um Zug gegen Übertragung seiner sämtlichen Rechte aus den in Ziff. 1 der Klageanträge näher bezeichneten Kauf- und Verwaltungsverträge.

3.  festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Übertragung seiner sämtlichen Rechte aus den in Ziff. 1 der Klageanträge näher bezeichneten Kauf- und Verwaltungsverträgen in Verzug befindet.

4.  den Beklagten zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Geltendmachung in Höhe von 2.256,24 EUR an ihn zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,  die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er habe auf Risiken bis hin zum Totalverlust hingewiesen. Auch der nicht garantierte Rückkaufswert sei von ihm angesprochen worden. Der Finanzstatus des Klägers mit Einblick in die kompletten wirtschaftlichen Verhältnisse sei ihm nicht ermöglicht worden. Er habe die finanzielle Situation des Klägers nicht analysiert. Der Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass der Kläger keine über 7.064,95 EUR hinausgehenden Mietzahlungen erhalten habe. Eine etwaige Pflichtverletzung unterstellt, sei diese jedenfalls nicht kausal. Dem Kläger sei bewusst gewesen, welche Risiken ein Erwerb mit sich bringe und habe sich in Kenntnis dieser Umstände für die Anlage entschieden. Bei den in 2015 verwendeten Unterlagen habe es sich nicht um ein Verkaufsprospekt, sondern lediglich um werbende Unterlagen gehandelt. Eine Prospektpflicht habe es damals noch nicht gegeben.

Der Beklagte ist der Ansicht, die unterlassene Anforderung eines Eigentumszertifikats des Klägers könne ihm nicht angelastet werden. Zudem habe es sich bei dem Risiko privat zu haften, vorausgesetzt ein solches habe aufgrund der mangelnden Eigentümerstellung des Klägers überhaupt bestanden, um ein sehr geringes Risiko gehandelt, sodass bereits keine Aufklärungspflicht bestanden habe. Zudem könne von einem Anlagevermittler gerade keine juristische Plausibilitätsprüfung erwartet werden, da der Anlagevermittler gar nicht in der Lage sei, den fehlenden Eigentumsübergang oder damit in Verbindung stehende Risiken zu erkennen.

Der Beklagte behauptet weiter, die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten seien bereits nicht ausreichend dargelegt, so sei beispielsweise unklar, ob eine Rechtsschutzversicherung bereits für die Kosten aufgekommen ist.

Das Gericht hat die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2019 (Bl. 170 ff. d A.) und 14.05.2020 (Bl. 214 ff. d. A.) informatorisch angehört. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen und Bezug genommen.

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Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Hauptforderungen begründet. In Bezug auf die geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten ist sie unbegründet.

I.

1.

Dem Kläger steht gegen den Beklagten gemäß §§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Zahlung von 24.395,05 EUR, Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte aus den Kauf- und Verwaltungsverträgen mit der S. GmbH (Vertragsnummer XXX) zu.

a.

Zwischen den Parteien ist jedenfalls ein Anlagevermittlervertrag zustande gekommen. Im Rahmen der Anlagevermittlung kommt zwischen dem Anlageinteressenten und dem Anlagevermittler ein Auskunftsvertrag mit Haftungsfolgen zumindest stillschweigend zu Stande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt (OLG München, Urt. v. 16.05.2007, 20 U 5774/06; vgl. BGH, Urt. v. 11.01.2007, III ZR 193/05 – zitiert nach juris). Dies war vorliegend unstreitig zu bejahen.

b.

Der Beklagte hat seine Aufklärungspflichten aus dem Anlagevermittlervertrag verletzt, indem er den Kläger pflichtwidrig nicht über die Möglichkeit, mit dem privaten Vermögen – unter Umständen bis hin zur Privatinsolvenz – haften zu müssen, informiert hat. Eine solche Aufklärung wäre jedoch nach Überzeugung des Gerichts unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls erforderlich gewesen.

Der Anlagenvermittler ist zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind, verpflichtet (BGH, Urt. v. 01.12.2011, III ZR 56/11; OLG München, Urt. v. 16.05.2007, 20 U 5774/06 – zitiert nach juris). Der Anlagevermittler muss das Anlagekonzept, bezüglich dessen er Auskunft erteilt, wenigstens auf Plausibilität, insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Tragfähigkeit, überprüfen (BGH, Urt. v. 01.12.2011, III ZR 56/11; LG Traustein, Urt. v. 24.10.2012, 5 O 2323/12 – zitiert nach juris). Dazu gehört insbesondere, dass sich der Anlagevermittler die nötigen Informationen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage und der Bonität des Kapitalsuchenden beschafft, das Anlagekonzept zumindest auf seine Plausibilität und seine wirtschaftliche Tragfähigkeit hin überprüft, etwaige Unrichtigkeiten des Anlageprospekts richtig stellt und alle zugänglichen Informationen über die vertriebene Anlage an die Kunden weiter gibt (OLG München, Urt. v. 16.05.2007, 20 U 5774/06 – zitiert nach juris). Inhalt und Umfang der Beratungspflicht hängen nicht schematisch von einer bestimmten Fremdkapitalquote der jeweiligen Kapitalanlage, sondern vielmehr von deren konkreten Risiken und dem individuellen Beratungsbedarf des Anlegers ab, der sich nach dessen Wissensstand, seiner Risikobereitschaft und dem von ihm verfolgten Anlageziel bestimmt (BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 337/08 – zitiert nach juris).

Der Wortlaut des Kauf- und Verwaltungsvertrages erweckt bei den Anlegern den Eindruck, dass die Versicherung der Container durch den Mieter gegen alle Risiken garantiert ist und das im Falle eines Totalverlustes eines Containers den Anlegern ein gleichwertiger Container übertragen wird (vgl. Bl. 15 d. A.). Unter der Überschrift „Ausfall von S.“ wird in den Verkaufsunterlagen (Bl. 78 d. A.) lediglich darauf hingewiesen, dass im Falle des Ausfalls von S. die laufende Mietperiode vertraglich erfüllt werde und wegen des hohen Bedarfs ein Käufer gefunden werde oder die Container weiter vermietet werden. Es wird ausschließlich auf das Risiko hingewiesen, dass die prognostizierten Werte nicht erreicht werden können. Die daraufhin möglichen wirtschaftlich negativen Konsequenzen für den Anleger werden hier unzureichend dargestellt.

Neben den benannten Risiken resultieren aus der verwendeten rechtlichen Konstruktion ganz erhebliche weitere Risiken, die der Beklagte hätte erkennen und gegenüber dem Kläger äußern müssen.

Zur Überzeugung des Gerichts hat der Beklagte unzureichend über die mit der Erlangung einer Eigentümerstellung verbundenen Risiken aufgeklärt. Eine Aufklärungspflicht scheidet wider der Auffassung des Beklagten auch nicht deswegen aus, weil die Wahrscheinlichkeit, dass das sonstige/private Vermögen des Anlegers gefährdet wird, vorliegend offensichtlich zu gering war (BGH, Urt. v. 27.10.2009, XI ZR 337/08 – zitiert nach juris). Zwar mag es grundsätzlich in Betracht kommen, das bestehende Risiko unter Berücksichtigung des Umstandes, dass (i) etwaigen Verbindlichkeiten des Anlegers zunächst der Sachwert des Containers gegenübersteht und (ii) weitere Schäden durch eine Versicherung gedeckt sind, als äußerst gering und mithin nicht aufklärungspflichtig einzuschätzen (vgl. LG München I, Urt. v. 30.07.2019, 28 O 87/19). Für das hiesige Gericht sind jedoch ganz erhebliche weitere Gefahren, die den Wert eines einzelnen Containers bei weitem übersteigen, ersichtlich. So ist beispielweise völlig unklar, was passiert, wenn (i) kein neuer Mieter gefunden wird und der Container (a) aus einem (für den Kläger unbekannten Ort) zurück geführt oder (b) selbstständig weiter veräußert werden muss oder wenn (ii) ein Schaden durch den Container selbst verursacht wird. Soweit ersichtlich sollte die Versicherung ausschließlich hinsichtlich Beschädigung, Verlust und Diebstahl des Containers und nicht auch in Bezug auf durch den Container verursachte Schäden greifen. Derartige Gefahren sind auch geeignet, den Wert des einzelnen Containers erheblich zu übersteigen.

Soweit der Beklagte vorgetragen hat, dass aufgrund des betrügerischen Geschäftsmodells von „S.“ gar nicht die Gefahr der Erlangung einer Eigentümerstellung und somit der damit verbundenen Risiken bestanden habe, vermochte dies die Auffassung des Gerichts nicht zu ändern. Unabhängig von der letztlichen Durchführung des Anlagekonzepts, kommt es hinsichtlich der Aufklärungspflichten des Vermittlers entscheidend darauf an, wie sich die Anlage für den Vermittler nach verständiger Würdigung bei Abschluss der Anlage darstellte. Unstreitig gingen zu diesem Zeitpunkt beide Parteien davon aus, dass der Kläger Eigentümer werden sollte. Dementsprechend hätte zu diesem Zeitpunkt neben den Rechten aus Eigentum auch umfassend über die Pflichten aus dem Eigentum und den damit verbundenen Gefahren aufgeklärt werden müssen. Nur so kann gewährleistet werden, dass dem Anleger hinsichtlich des dargestellten Anlagekonzepts eine ausreichende Grundlage für eine sachgerechte Entscheidung zur Verfügung steht. Dass sich die Anlage letztlich als betrügerisches Vorgehen entpuppte und mithin wohl kein Eigentum an den Container erlangt werden konnte, ist demnach unerheblich.

Beim Beklagten hätten im Rahmen der geschuldeten Prüfung sowohl des „S. Programmes“ als auch des Kauf- und Verwaltungsvertrages Zweifel an der Schlüssigkeit der darin enthaltenen Garantien und offensichtlich unzureichend dargestellten Risiken aufkommen müssen. Sofern er selbst nicht beurteilen konnte, wie es sein kann, dass die S. Gesellschaften solche Garantien vermeintlich ohne nennenswerte Risiken für die Anleger übernehmen konnten, hätte der Beklagte vor Abschluss des Vertrages diese Punkte gegenüber dem Kläger ansprechen müssen bzw. den Kläger darauf hinweisen müssen, dass ihm nicht erklärlich sei, wie solche Garantien übernommen werden können. Dies ist unstreitig nicht geschehen. Auf die Einordnung, ob es sich bei den Unterlagen um ein Prospekt gehandelt hat oder nicht, kam es daher schon nicht an.

c.

Die Verletzung der Aufklärungspflicht war auch kausal für den Erwerb der S. Container.

Beweiserleichterungen bestehen für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität. Hinsichtlich des Nachweises der Kausalität gilt der Grundsatz, dass derjenige, der eine vertragliche Aufklärungs- oder Beratungspflicht verletzt, die Beweislast dafür trägt, dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte also den Rat oder Hinweis trotz Aufklärung nicht befolgt hätte (BGH, Urt. v. 08.05.2012; Az. XI ZR 262/10 – zitiert nach juris; Assmann/Schütze/Buck-Heeb, Handbuch des Kapitalanlagerechts, 5. Auflage 2020, § 3, Rn. 108).

Dem Beklagten ist dieser Beweis nicht gelungen.

Der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 19.05.2020 schlüssig dargelegt, warum er die Kapitalanlage in Kenntnis der mit ihr verbundenen Risiken nicht getätigt hätte. Er hat ausgesagt, er habe die Möglichkeit des Eigentumserwerbs ausschließlich als „Plus“ wahrgenommen. Insoweit hat er sich auch auf die einzelnen Vorschriften innerhalb des Kauf- und Verwaltungsvertrages berufen, welche, wie bereits oben dargelegt, gerade nicht den vollständigen Umfang der Gefahren offen legen. Er sei dann im Zuge des Schriftverkehrs im hiesigen Verfahren doch sehr überrascht über die Vielzahl der Risiken gewesen. Er hat zudem ausgesagt, dass diese Risiken seine Möglichkeiten bei Weitem überschritten hätten und er in Kenntnis dieser Umstände bereits die Anlage 2009 nicht getätigt hätte. Die Angaben waren nachvollziehbar und schlüssig.

Der Beklagte vermochte diesen Eindruck nicht zu erschüttern. Soweit er darzulegen versucht hat, dass dem Kläger sämtliche mit den Containern verbundene Gefahren bewusst gewesen seien, weil er selbst zu diesem Zeitpunkt Eigentum (z.B. an einem Kfz) besessen habe, vermochte dieses Argument aus verschiedenen Gründen nicht zu verfangen. Der Kläger hat zum einen nachvollziehbar dargelegt, warum er auf eine ausreichende Absicherung durch den Verwaltungsvertrag mit S. vertraut habe. Zum anderen ist allein der Umstand, dass man bereits zuvor einmal Eigentum erworben hat, nicht dazu geeignet, darzulegen, dass man auch ein weiteres Mal anderes, von dem bisherigen Eigentum völlig unabhängiges und mit völlig anderen Gefahren verbundenes, Eigentum erworben hätte.

d.

Dem Kläger steht ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung des von ihm aufgewandten Kaufpreises in Höhe von 31.460,00 EUR unter Abzug der erhaltenen Mieten zu, Zug-um-Zug gegen Rückgewährung der jeweiligen Kauf- und Verwaltungsverträge zu.

Der Kläger ist gemäß § 249 BGB so zu stellen, wie er stünde, wenn er den von dem Beklagten vermittelten Vertrag nicht gezeichnet hätte. Die erhaltenen Mietzahlungen in Höhe von 7.064,95 EUR stehen zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der eingereichten Schreiben des Insolvenzverwalters Dr. K. vom 08.05.2019 fest. Zur Überzeugung des Gerichts reicht ein am praktischen Leben orientierter Grad an Gewissheit, dem gegenüber keine vernünftigen Zweifel das Schweigen gebieten. Es ist nicht ersichtlich, warum die Angaben des zuständigen Insolvenzverwalters unzutreffend sein sollten. Der Beklagte hat dies auch nicht weiter dargelegt.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286 Abs. 1 BGB, da sich der Beklagte aufgrund des Schreibens vom 08.10.2018 mit Fristsetzung bis zum 26.10.2018 seit dem 27.10.2018 in Verzug befunden hat.

2.

Aufgrund der Beratungspflichtverletzung ist der Kläger zudem von sämtlichen weiteren Verbindlichkeiten aus dem Kauf- und Verwaltungsvertrag §§ 249, 280, 675 BGB freizustellen.

3.

Der Beklagte befindet sich, nachdem er das Angebot des Klägers auf Übernahme des Kauf- und Verwaltungsvertrages vom 08.10.2018 nicht angenommen hat, in Annahmeverzug gemäß § 294 BGB.

4.

Ein Anspruch auf Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.256,24 EUR aus §§ 249, 280 675 BGB war vorliegend zu verneinen.

Eine Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten ist zwar im Einzelfall auch ohne Verzug möglich, wenn der Geschädigte, etwa aus Mangel an geschäftlicher Gewandtheit oder sonstigen Gründen wie Krankheit oder Abwesenheit nicht in der Lage ist, den Schaden selbst anzumelden (vgl. BGH, Urt. v. 10.01.2006, VI ZR 43/05, zitiert nach juris). Vorliegend hat der Kläger aber bereits nicht dargelegt, inwieweit er für die Geltendmachung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aktivlegitimiert ist bzw. die Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung durch ihn beglichen wurden. In der vorgerichtlichen Korrespondenz der Parteien vom 08.10.2020, wurde die Beklagte noch zur Zahlung auf das Konto des Klägervertreters aufgefordert. Der Gerichtskostenvorschuss wurde durch die BGV AG eingezahlt, was dafür spricht, dass zusätzlich eine Rechtsschutzversicherung involviert ist. Da es sich vorliegend um Nebenforderungen handelt, war ein dahingehender Hinweis des Gerichts nicht erforderlich.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Vorliegend erscheint die Zuvielforderung in Anbetracht der Klageforderung als gering und es sind dadurch keine ersichtlichen Mehrkosten entstanden.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 31.460,00 EUR festgesetzt.

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