VG München, Az.:: M 8 K 15.2412, Urteil vom 06.06.2016
I. Der Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2015 wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verpflichtet, die am 9. April 2015 beantragte Genehmigung zur Fällung der
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kostenschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Fällungsgenehmigung zur Fällung einer Lärche auf dem Grundstück …-Straße 8-8a, Fl.Nr. ….
Das Grundstück …-Straße 8-8a, Fl.Nr. … ist mit zwei Wohngebäuden bebaut. Der Kläger bewohnt das Gebäude im rückwärtigen Grundstücksbereich. Der streitgegenständliche Baum befindet sich im mittleren Grundstücksbereich südöstlich des klägerischen Wohnhauses und ist ca. 25 – 26 m hoch.
Am 9. April 2015 beantragte der Kläger die Erteilung einer Genehmigung zur Fällung der Lärche mit dem Stammumfang von 200 cm. Zur Begründung seines Antrages brachte der Kläger im Wesentlichen vor, die Höhe des Baumes stehe in keiner Relation zur Grundstücksgröße. Während des Sturms „Niklas“ habe sich das Wurzelwerk beängstigend gehoben. Der Baum habe erheblich geschwankt und große Äste abgeworfen. Es bestehe aus Sicht des Klägers für den nächsten Sturm eine erhebliche Gefahr für Menschen und umliegende Häuser.
Am 29. April 2015 führte die Beklagte eine Ortsbesichtigung durch ihr Fachpersonal durch. Dabei wurde festgestellt, dass die Krone der Lärche arttypisch, jedoch einseitig ausgebildet ist. Es wurde ferner Totholz und alter Rindenschaden festgestellt. Im Wurzelbereich seien keine Schadensmerkmale erkennbar. Ein deutlich erhobener Stock/Teller sei nicht zu sehen. Die Standsicherheit sei nach Sichtkontrolle gewährleistet. Wegen Totholzes könne allerdings die Bruchsicherheit und Verkehrssicherheit nicht gewährleistet werden. Als Maßnahme sei die Pflege ausreichend. Der Baumbestand (Buche und Eiche) biete dem Baum einen Schutz bei Sturm. Die Beseitigung der Lärche würde zu einer wesentlichen Veränderung der örtlichen Grünsituation führen.
Mit Bescheid vom 19. Mai 2015 lehnte die Beklagte die Erteilung der beantragten Fällungsgenehmigung ab. Zur Begründung ihrer Ablehnungsentscheidung führte sie unter Bezugnahme auf die Ortsbesichtigung vom 29. April 2015 im Wesentlichen aus, dass es sich bei dem Baum um einen gesunden und erhaltenswerten Baum in vitalem bis leicht abbauenden Versorgungszustand handele. Die Beseitigung des Baumes würde zu einer wesentlichen Veränderung der örtlichen Grünsituation führen. Beeinträchtigungen der Standsicherheit lägen nach Sichtkontrolle zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung nicht vor. Ebenso seien keine erheblichen Schäden im Kronen-, Stamm- und Wurzelbereich erkennbar gewesen. Der am Stamm befindliche alte Rindenschaden sei gut kompensiert und stark überwallt und sei somit aus fachlicher Sicht als unbedenklich einzustufen. Die momentane, durch Totholz verursachte, nicht gewährleistete Bruch- und Verkehrssicherheit sei nach dessen Entfernung wiederhergestellt. Dieses Totholz könne jederzeit genehmigungsfrei entfernt werden. Einer gesonderten Genehmigung bedürfe es dafür nicht.
Folglich gingen von dem Baum nach Entnahme des Totholzes keine Gefahren mehr aus.
Als hauptsächlicher Fällungsgrund habe der Antragsteller die Größe des Baumes und die Hebung des Wurzelwerkes angeführt. Das Wachstum und damit die Höhe eines Baumes stellten eine natürliche Lebensäußerung dar und seien für sich genommen kein hinreichender Fällungsgrund. Eine lediglich abstrakte Gefährdung durch künftige Wind- und Sturmschäden, die letztlich von jedem gesunden Baum ausgehen könne, stelle ebenfalls keinen Grund für eine Fällgenehmigung dar.
Mit einem beim Gericht am 11. Juni 2015 eingegangenen Schreiben vom 9. Juni 2015 erhob der Kläger Klage gegen den ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2015.
Der streitgegenständliche Baum sei in dem hinteren Grundstück …-Straße 8a angepflanzt worden, bevor die Baumaßnahmen erfolgt seien. In den letzten 25-30 Jahren sei er soweit gewachsen, dass er in die Kronen der nebenstehenden Buchen hineingewachsen sei und nur noch einseitig wachse. Neben dem Baum liege in einer Entfernung von ca. 10 m ein Kinderspielplatz. Nach dem Sturm „Niklas“ habe sich das Wurzelwerk gelockert.
Der Kläger und seine Ehefrau seien ein älteres Ehepaar. Der Garten des Klägers sei durch das ständige Herabfallen von Ästen nicht mehr sicher. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Kläger monatlich Baumspezialisten auf den Baum hinauf klettern lassen müsse, damit von diesem Baum keine Gefahr mehr ausgehe. Zudem sei eine Gefährdung des Gebäudes bereits eingetreten. Das Wurzelwerk habe bereits die Platten der Terrasse gehoben und nähere sich bedenklich dem Außen-Elektroanschluss und Wasseranschluss.
Es liege ein klares Missverhältnis der Baumgröße zur Grundstücksgröße vor. Der Baum befinde sich in unmittelbarer Nähe eines Kinderspielplatzes. Eine ständige Überwachung des toten Holzes dieses Baumes, der immer wieder größere Äste abwerfe sei nicht zumutbar. Es bestehe aus Sicht des Klägers eine Gefährdung durch das herunterfallende Astwerk. Der Garten sei nicht mehr im üblichen Ausmaß nutzbar.
Mit Schreiben vom 18. März 2016 erwiderte die Beklagte und beantragte Klageabweisung.
Zur Begründung ihres Antrages verwies sie zunächst auf die Begründung des Bescheids vom 19. Mai 2016. Weiter führte sie aus:
Die seitens des Klägers behauptete Gefahrenlage sei nicht belegt. Es handele sich um eine lediglich abstrakte Gefahr eines Schadens bei Windereignissen, die abstrakt jeden (auch einen völlig gesunden) Baum treffen könne. Nach Beseitigung des Totholzes sei keine Gefahrensituation gegeben, die die Fällung des Baumes rechtfertige. Eine darüber hinausgehende Gefahr wegen Nähe zu Elektroleitungen sei erstmals in der Klageschrift behauptet worden und müsse noch näher substantiiert werden.
Das Gericht hat durch Einnahme eines Augenscheines am 18. Januar 2016 Beweis über die örtlichen Verhältnisse auf dem klägerischen Grundstück erhoben. In der anschließenden mündlichen Verhandlung stellte der Kläger den Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2015 aufzuheben und die beantragte Fällungsgenehmigung für die Lärche mit 200 cm Stammumfang auf dem Grundstück …-Straße 8/8a zu erteilen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte, das Protokoll des Augenscheins und der mündlichen Verhandlung sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Fällungsgenehmigung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
1. Rechtsgrundlage des Genehmigungserfordernisses für die Fällung der streitgegenständlichen Lärche ist die Baumschutzverordnung der Beklagten vom 18. Januar 2013 (MüABl. Nr. 4/2013). Hiernach sind alle im Geltungsbereich der Baumschutzverordnung stehenden Gehölze (Bäume und Sträucher), die einen Stammumfang von 80 cm und mehr in 100 cm Höhe über dem Erdboden haben, unter Schutz gestellt (§ 1 Abs. 1 BaumSchV, zu Ausnahmen von der Unterschutzstellung für bestimmte Gehölze siehe § 1 Abs. 4 BaumSchV).
Gemäß § 3 Abs. 1 BaumSchV ist es verboten, geschützte Gehölze ohne Genehmigung der Beklagten zu entfernen, zu zerstören oder zu verändern. Unter welchen Voraussetzungen eine Genehmigung u.a. für das Fällen eines Baumes erteilt werden kann, ist in § 5 Abs. 1 und 2 BaumSchV geregelt. Nach Abs. 1 der Bestimmung kann eine Genehmigung erteilt werden, wenn
– aufgrund anderer Rechtsvorschriften ein Anspruch auf Genehmigung eines Vorhabens besteht, dessen Verwirklichung ohne eine Entfernung, Zerstörung oder Veränderung des Gehölzes nicht möglich ist (Nr. 1),
– der Bestand oder die Nutzbarkeit eines Grundstücks oder eines vorhandenen Gebäudes unzumutbar beeinträchtigt wird (Nr. 2)
– oder die ausgeübte gewerbliche Nutzung eines Grundstücks unzumutbar beeinträchtigt wird (Nr. 3).
Nach Abs. 2 der Bestimmung muss die Genehmigung erteilt werden, wenn die geschützten Gehölze krank sind und ihre Erhaltung nicht im öffentlichen Interesse geboten oder nicht möglich ist.
Nach § 5 Abs. 3 BaumSchV kann von den Verboten dieser Verordnung im Einzelfall eine Befreiung nach den Vorschriften des § 67 Abs. 1 BNatSchG erteilt werden. § 67 Abs. 1 BNatSchG ermöglicht eine Befreiung im Einzelfall, wenn
1. dies aus Gründen überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art notwendig ist oder
2. die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
2. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Fällungsgenehmigung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumSchV für die Lärche auf dem streitgegenständlichen Grundstück vor. Eine Genehmigung zur Fällung eines geschützten Baumes kann nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumSchV erteilt werden, wenn der Bestand oder die Nutzbarkeit eines Grundstücks oder eines vorhandenen Gebäudes unzumutbar beeinträchtigt wird.
Zur Bestimmung dessen, was der Betroffene noch hinzunehmen hat, lassen sich keine allgemeingültigen Aussagen treffen. Regelmäßig wird eine unzumutbare Beeinträchtigung aber nur dann angenommen werden können, wenn die von dem geschützten Baum ausgehenden Immissionen oder sonstigen Auswirkungen nach Art und Intensität die Nutzung bzw. Nutzbarkeit des Grundstücks bzw. des Gebäudes erheblich beeinträchtigen. Die Beeinträchtigungen müssen deutlich über das Maß bloßer Belästigungen hinausgehen. Beachtlich sind weiter nur solche Beeinträchtigungen, deren potentiell die Wesentlichkeitsschwelle überschreitenden Folgewirkungen nicht mit Schutzmaßnahmen begegnet werden kann. Insoweit können dem Betroffenen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aber keine unverhältnismäßig hohen finanziellen Opfer abverlangt werden (vgl. dazu OVG Berlin, U.v. 16.8.1996 – 2 B 26.93 – juris und NVwZ-RR 1997, 530 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall liegt nach Auffassung des Gerichts eine unzumutbare Nutzungsbeeinträchtigung des mit dem streitgegenständigen Baum bestandenen Grundstücks vor.
2.1 In der Rechtsprechung ist hinreichend geklärt (BVerfG, B.v. 2.3.1999 – 2 BvF 1/94 – BVerfGE 100, 249 – 263 m.w.N. – juris; BVerwG, U.v. 15.2.1990 – 4 C 47/89 – BVerwGE 84, 361/370 f. m.w.N.- juris; BVerwG, U.v. 31.1.2011 – 6 CN 2/00 – BVerwGE 112, 373 – juris), dass es sich bei auf Naturschutzrecht beruhenden Verordnungen und damit auch bei Baumschutzverordnungen um sogenannte Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG handelt. Soweit die natürlichen oder landschaftsräumlichen Gegebenheiten eines Grundstücks im Interesse der Allgemeinheit erhaltenswert sind und des Schutzes bedürfen, ergibt sich hieraus eine Art immanenter, das heißt, dem Grundstück selbst anhaftender Beschränkung der Eigentümerbefugnisse, die durch natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen lediglich nachgezeichnet wird (BVerwG, U.v. 24.6.1993 – 7 C 26/92 – BVerwGE 94, 1 – juris). Dementsprechend entziehen Baumschutzverordnungen ebenso wenig wie sonstige auf dem Naturschutzrecht beruhende Verordnungen keine konkreten Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben, sondern beschränken generell und abstrakt die Nutzungsmöglichkeiten eines mit einem schützenswerten Baum bestandenen Grundstücks. Sie bestimmen also nur Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Allerdings ist hierbei der Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG Rechnung zu tragen (BVerwG, B.v. 18.7.1997 – 4 BN 5/97, NVwZ-RR 1998, 225 – 229 – juris). Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Belastungen. Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse dürfen nicht weiter gehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient. Der Kernbereich der Eigentumsgarantie darf dabei nicht ausgehöhlt werden. Zu diesem gehört sowohl die Privatnützigkeit – also die Zuordnung des Eigentumsobjektes zu einem Rechtsträger, dem es als Grundlage privater Initiative von Nutzen sein soll – als auch die grundsätzliche Verfügungsbefugnis über den Eigentumsgegenstand (BVerfG, B.v. 2.3.1999 a.a.O.; BVerfG, B.v. 30.11.1988 – 1 BvR 1301/84 – BVerfGE 79, 174/198 – juris; BVerfG, B.v. 23.9.1992 – 1 BvL 15/85 – BVerfGE 87, 114/138 f. – juris; BVerfG, B.v. 22.11.1994 – 1 BvR 351/91 – BVerfGE 91, 294/308 – juris). Es ist dem Gesetzgeber grundsätzlich nicht verwehrt, eigentumsbeschränkende Maßnahmen, die er im öffentlichen Interesse für geboten hält, auch in Härtefällen durchzusetzen, wenn er durch kompensatorische Vorkehrung unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen des Eigentümers vermeidet und schutzwürdigem Vertrauen angemessen Rechnung trägt (BVerfG, B.v. 30.11.1988 a.a.O. S. 192; BVerfG, B.v. 9.1.1991 – 1 BvR 929/89 – BVerfGE 83, 201 ff. – juris).
Der verfassungsrechtlich gebotene Ausgleich für den Fall einer übermäßigen, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Belastung des betroffenen Grundstückseigentümers wird durch die Dispensvorschrift in § 5 der Verordnung und die Möglichkeit der Erteilung einer Befreiung nach § 67 BNatSchG in ausreichender Weise gewährleistet.
2.2 Unter Anwendung der oben dargestellten Grundsätze, die die Beklagte beim Vollzug der Baumschutzverordnung zu beachten hat, ist vorliegend eine unzumutbare Nutzungsbeeinträchtigung des streitgegenständlichen Grundstücks gegeben. Unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist dem Kläger ein Belassen der streitgegenständlichen Lärche nicht zumutbar.
2.2.1 Zwar begründet der Umstand, dass der zur Fällung beantragte Baum eine im Verhältnis zu der Grundstücksgröße beträchtliche Höhe von ca. 25 erreicht hat, für sich allein keine unzumutbare Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung. Hohe Bäume neben einer Bebauung stellen keinen städtebaulichen Missstand dar; dies ist vielmehr durchaus üblich und kann städtebaulich sogar erwünscht sein (BVerwG, B.v. 18.6.1997 – 4 B 238/96 – NVwZ-RR 1998, 157 – juris).
2.2.2 Ein Belassen des Baumes ist dem Kläger im Hinblick auf das Erfordernis eines erheblichen, fortlaufenden Pflegeaufwands unzumutbar.
Zwar gehören grundsätzlich die typischen Baumemissionen – also insbesondere der Laub- und Nadelfall, das Herabfallen von Früchten, Samen und auch kleineren Ästen – zu den Einwirkungen, die grundsätzlich hinzunehmen sind, da sie sich allenfalls als Belästigungen darstellen (VGH BW, U.v. 2.10.1996 – 5 S 831/95 – juris und NJW 1997, 2128; Hoppenberg/de Witt, Handbuch des öffentlichen Baurechts, Abschnitt E, Naturschutz, Rn. 429 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn es sich um einen vergleichsweise immissionsträchtigen Baum handelt und daher die Reinigung des Grundstücks einen nicht unerheblichen Zeit- und Arbeitsaufwand erfordert.
Die von der streitgegenständlichen Lärche ausgehenden Emissionen können jedoch nicht als grundsätzlich hinzunehmende typische Lebensäußerungen eines Baumes angesehen werden. Die übermäßige Totholzausbildung bei der streitgegenständlichen Lärche ist – auch nach Einschätzung der Beklagten – durch die auf dem Grundstück vorzufindende, sehr starke Konkurrenzsituation bedingt. Diese Totoholzsituation sei nach Aussage des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 6. Juni 2016 gegenüber einem Standort ohne die sehr starke Konkurrenzsituation – wie hier – „nicht normal“. Zwar stellt die verstärkte Totholzbildung nach Aussage des Mitarbeiters der Beklagten eine natürliche, durch die bestehende Konkurrenzsituation bedingte Reaktion des Baumes dar. Diese Reaktion der Lärche ist jedoch nach Auffassung der Kammer ein deutliches Indiz dafür, dass der Standort wegen der Nähe zu der südöstlich benachbarten, dominanten Buche für eine artgerechte Weiterentwicklung der Lärche nicht geeignet ist. Die Krone des Baumes ist aufgrund der starken Konkurrenzsituation einseitig ausgebildet und nur in einem geringen Bereich an der Nordseite des Baumes belichtet. Diese Standort- und Belichtungssituation bietet dem Baum keine Möglichkeit zu einer normalen Weiterentwicklung und verursacht vermehrte Totholzbildung.
Die Bruch- und Verkehrssicherheit der streitgegenständlichen Lärche kann – wovon auch die Beklagte in ihrem Bescheid vom 19. Mai 2015 ausgeht – auf Dauer nur gewährleistet werden, wenn der Kläger regelmäßige Pflegemaßnahmen zur Beseitigung des Totholzes durchführt bzw. durchführen lässt. Die hier erforderlichen Pflegemaßnahmen gehen wegen der standortbedingten vermehrten Totholzausbildung der Lärche weit über das übliche Maß hinaus. Da die streitgegenständliche Lärche auch künftig durch die massive Krone der südöstlich benachbarten Buche bedrängt und mit verstärkter Totholzbildung reagieren wird, ist davon auszugehen, dass der Kläger fortlaufend mit umfangreichen Pflegemaßnahmen zur Gewährleistung der Bruch- und Verkehrssicherheit des Baumes belastet wird, die unverhältnismäßig hohe Aufwendungen erfordern. Ohne die umfangreiche Baumpflege ist die Nutzungsmöglichkeit des klägerischen Gartens wegen der von dem Baum ausgehenden konkreten Gefahr durch herabfallende Äste erheblich eingeschränkt. Aufgrund der Lage des Baumes inmitten der Grundstücksfreifläche zwischen beiden Wohnhäusern, ist nahezu der gesamte Gartenbereich des rückwärtigen Grundstücksteils betroffen. Diese massive Nutzungsbeeinträchtigung des Grundstücks steht außer Verhältnis zu dem in § 2 der Baumschutzverordnung definierten Zweck der Sicherstellung einer angemessenen innerörtlichen Durchgrünung und Belebung des Ortsbilds sowie Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts und kann dem Kläger nicht zugemutet werden, zumal der Kläger auch nach Entfernung der streitgegenständigen Lärche im Verhältnis zur Größe des Grundstücks Fl.Nr. … einen überproportionalen Beitrag zur städtischen Durchgrünung leisten würde, da das Grundstück angemessen begrünt ist. Eine Entfernung der Lärche würde nach Auffassung des Gerichts auch keine nachteilige Veränderung des Ortsbildes bewirken. Grundsätzlich verändert jede Entfernung eines Baumes optisch die Umgebung. Soweit das Ortsbild zur Rechtfertigung einer Eigentumsbeschränkung herangezogen wird, muss ihm entweder eine gewisse Wertigkeit zukommen oder es muss eine deutliche Prägung durch den zur Fällung anstehenden Baum erfahren (VG München, U.v. 19.11.2012 – M 8 K 11.5128 – juris Rn. 57). Beide Voraussetzungen sind nicht gegeben. Eine besondere Wertigkeit des Ortsbildes ist vorliegend nicht erkennbar. Auch erfährt das Ortsbild keine Prägung durch die streitgegenständliche Lärche. Im Gegenteil wirkt der Baum wegen seiner einseitig ausgebildeten Krone und unregelmäßigen Beastung für das Ortsbild optisch abwertend.
Unter Berücksichtigung der oben genannten Besonderheiten des Einzelfalles, ist der Grad einer unzumutbaren Nutzungsbeeinträchtigung des klägerischen Grundstücks vorliegend gegeben.
3. Zwar räumt § 5 Abs. 1 BaumSchV der Beklagten bei der Entscheidung über die Erteilung einer Fällungsgenehmigung grundsätzlich ein Ermessen ein. Dieses Ermessen verdichtet sich vorliegend auf eine Pflichtentscheidung zugunsten der Erteilung der Genehmigung, da die oben dargelegten, durch den streitgegenständlichen Baum verursachten Nutzungsbeeinträchtigungen des Grundstücks konkret und erheblich sind.
4. Nach alldem war der Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 2.000,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).