Bundesgerichtshof
Az: VII ZR 65/06
Urteil vom 11.10.2007
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2007 für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Februar 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 211.550,10 EUR verurteilt worden ist.
Die Sache wird in diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von der Beklagten 310.988,05 EUR Architektenhonorar für drei Bauvorhaben, darunter das Bauvorhaben Gewerbezentrum N. in G. Die Beklagte hat mit Schadensersatzansprüchen wegen Mängeln der Architektenleistung aufgerechnet und in erster Instanz Widerklage erhoben. Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Beklagte nur noch ihren Klageabweisungsantrag wegen der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen in einer die Klagesumme überschreitenden Höhe verfolgt. Die Berufung ist erfolglos geblieben. Der Senat hat die Revision zugelassen, soweit das Berufungsgericht zur Aufrechnung gestellte Ansprüche wegen verschiedener Planungsfehler bezüglich des Bauvorhabens Gewerbezentrum N. abgelehnt und deshalb die Beklagte zur Zahlung von mehr als 211.550,10 EUR verurteilt hat. In diesem Umfang verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsurteils im angefochtenen Umfang und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis findet das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Die Klage ist nicht, wie die Beklagte geltend macht, durch den von ihr behaupteten, angeblich nach Abschluss der Berufungsinstanz geschlossenen Vergleich unzulässig geworden, wonach sich der Kläger und die A.-Gruppe, zu der die Beklagte gehören soll, auf Erledigung der wechselseitigen Ansprüche und darauf geeinigt haben sollen, dass die Rechtsmittel zurückgenommen werden. Es kann dahinstehen, ob der von dem Kläger bestrittene Vergleich zustande gekommen ist und dies im Revisionsverfahren zu berücksichtigen wäre. Denn der Vergleich konnte nach seinem Inhalt kein Prozesshindernis begründen, sondern nur dadurch zur Prozessbeendigung führen, dass die Beklagte ihr Rechtsmittel zurücknimmt. Das ist nicht geschehen, so dass der Prozess auch in der Revisionsinstanz fortgeführt werden kann. Die Vereinbarung der Parteien kann allenfalls dazu führen, dass das Rechtsmittel der Beklagten auf den Einwand des Klägers als unzulässig zu verwerfen ist (BGH, Urteil vom 14. November 1983 – IVb ZR 1/82, NJW 1984, 805). Diese Einrede hat der Kläger jedoch nicht erhoben.
II.
Das Berufungsurteil hält im Umfang der Anfechtung der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat mit rechtsfehlerhafter Begründung die Ansprüche der Beklagten auf Schadensersatz wegen folgender Mängel verneint:
1. Fehlerhafte RWA- und Lüftungskuppeln
a) Die Beklagte hat behauptet, die später bei Sturm beschädigten RWA- und Lüftungskuppeln seien vom Kläger bei der Vergabe nicht ausreichend dimensioniert worden. Zudem habe der Kläger bei der Bauaufsicht übersehen, dass beim Einbau die Hauptwindrichtung nicht beachtet worden sei. Sie hat einen Schaden von 53.284 EUR errechnet.
b) Das Berufungsgericht meint, ein Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB bestehe nicht. Es führt aus, die Beklagte habe dem ausführenden Unternehmen die Bauleitung übertragen; diesem gegenüber bestehe ein Gewährleistungsanspruch. Im Übrigen wäre der Sturmschaden durch die Sachversicherung gedeckt, die von der Beklagten abzuschließen gewesen wäre. Letztlich sei ein Planungsfehler nicht dargelegt worden, insbesondere aber keine Mängelrüge gegenüber dem Kläger. Damit entfalle ein Anspruch aus § 635 BGB.
c) Diese Ausführungen des Berufungsgerichts sind rechtsfehlerhaft. Sie lassen gefestigte Grundsätze des Bauvertragsrechts unberücksichtigt.
aa) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, ein Planungsfehler sei nicht schlüssig dargelegt.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Kläger für das Bauvorhaben Gewerbezentrum N. Leistungen der Phasen 1 bis 8 des § 15 Abs. 2 HOAI übernommen. Dazu gehörte auch die Mitwirkung bei der Vergabe, also die Verpflichtung des Klägers, die nach seiner Leistungsbeschreibung gefertigten Angebote der Unternehmer zu prüfen. Sofern, wie der Kläger vorträgt, die Leistungsbeschreibung keine ausreichenden Angaben zur Dimensionierung der RWA- und Lüftungskuppeln enthielt, hatte er jedenfalls die Angebote daraufhin zu überprüfen, ob die angebotenen Kuppeln eine mangelfreie Ausführung gewährleisten. Jedenfalls das hat er nach der schlüssigen Behauptung der Beklagten pflichtwidrig unterlassen.
bb) Darüber hinaus hat die Beklagte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch einen Bauaufsichtsfehler schlüssig dargelegt.
Der Kläger hatte die Bauüberwachung zu erbringen. Das Berufungsgericht trifft keine Feststellungen dazu, dass der Auftrag hinsichtlich der Überwachung des Einbaus der RWA- und Lüftungskuppeln eingeschränkt worden wäre. Ohne jede Bedeutung ist es, dass der mit dem Einbau der Kuppeln beauftragte Unternehmer einen verantwortlichen „Bauleiter“ benannt hatte. Damit hat die Beklagte den Kläger nicht von der Aufgabe entbunden, diesen Unternehmer zu überwachen. Auch aus dem Umstand, dass die Beklagte ihren Baubetriebsleiter auf der Baustelle eingesetzt hatte, kann nicht entnommen werden, dass damit der Kläger aus seinen Verpflichtungen entlassen worden ist.
cc) Die Haftung des Klägers berührt auch nicht, dass die Beklagte gegen den ausführenden Unternehmer einen Gewährleistungsanspruch hat. Denn der bauaufsichtsführende Architekt und der Unternehmer haften dem Auftraggeber gesamtschuldnerisch (BGH, Urteil vom 26. Juli 2007 – VII ZR 5/06; Urteil vom 23. Oktober 2003 – VII ZR 448/01, BauR 2004, 111 = NZBau 2004, 50 = ZfBR 2004, 160; Urteil vom 21. Dezember 2000 – VII ZR 192/98, BauR 2001, 630, 632 = NZBau 2001, 195 = ZfBR 2001, 175). Auch eine Möglichkeit, die Sachversicherung in Anspruch zu nehmen, beeinträchtigt die Haftung des Architekten nicht.
dd) Ein Anspruch scheitert nicht daran, dass eine Mängelrüge gegenüber dem Kläger nicht erhoben und ihm keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben worden ist. Ein Schadensersatzanspruch gegen den Architekten setzt nicht voraus, dass ihm Gelegenheit zur Nachbesserung seines eigenen Werkes gegeben wird, wenn sich der Mangel seiner Leistung bereits im Bauwerk verkörpert hat. Denn eine Nachbesserung der durch den Architekten erbrachten Leistungen ist dann in der Regel nicht mehr möglich. Auch hat der Architekt grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass ihm Gelegenheit gegeben wird, den Mangel des Bauwerks zu beseitigen (BGH, Urteil vom 25. April 1996 – VII ZR 157/94, BauR 1996, 735, 737 = ZfBR 1996, 258; Urteil vom 9. April 1981 – VII ZR 263/79, BauR 1981, 395, 396). Daraus folgt, dass die Rüge von Mängeln des Bauwerks grundsätzlich keine Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs gegen den Architekten ist.
2. Zu große Zuleitung für den Löschteich
a) Die Beklagte macht einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 17.032,44 EUR mit der Behauptung geltend, der Kläger habe die Zuleitung für den Löschteich fehlerhaft mit 400er Rohren geplant. Ausreichend seien 300er Rohre gewesen.
b) Das Berufungsgericht hat den Schadensersatzanspruch verneint, weil eine Mängelrüge gegenüber dem Kläger nicht dargelegt worden sei; ihm sei keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben worden.
c) Das ist rechtsfehlerhaft. Nach Verlegung der Leitungen hat sich der behauptete Planungsfehler im Bauwerk verkörpert. Der Anspruch auf Schadensersatz hängt deshalb nicht davon ab, dass dem Kläger Gelegenheit zur Nachbesserung eingeräumt wurde (BGH, aaO).
Das Urteil lässt sich auch nicht mit der Begründung des Landgerichts aufrechterhalten, es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger eine Fachplanung zu erbringen gehabt hätte. Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe die Rohre geplant. Aus den Feststellungen der vorinstanzlichen Urteile ergibt sich nicht, dass diese Behauptung aufgegeben worden wäre oder der Kläger substantiiert ohne eine erhebliche Entgegnung der Beklagten behauptet hätte, dass die Rohre durch einen anderen Planer geplant worden seien.
3. Planungsfehler bei Ventilen/zu große Wasserzuleitung für Wandhydranten
a) Die Beklagte hat behauptet, der Kläger habe fehlerhaft bei seiner Planung einen Schieber nicht vorgesehen, der das Eindringen von Löschwasser in den Sprinklerkeller verhindert. Sie macht einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 23.187,60 EUR geltend. Weiterhin hat die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.933,91 EUR geltend gemacht, weil die Zuleitungsrohre zu den Wasserhydranten zu groß dimensioniert seien.
b) Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch verneint, weil eine Mängelrüge nicht dargelegt worden sei.
c) Das ist rechtsfehlerhaft. Auf die vorstehenden Ausführungen wird Bezug genommen.
III.
Da ausreichende Feststellungen für eine Sachentscheidung des Senats fehlen, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.