OVG Lüneburg – Az.: 13 ME 166/21 – Beschluss vom 06.04.2021
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover – 15. Kammer – vom 2. April 2021 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 2. April 2021 hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Klage des Antragstellers gegen Nr. 1 der „Allgemeinverfügung der Region Hannover über die Anordnung einer Ausgangsbeschränkung zur gebietsbezogenen Verhinderung der Verbreitung des Corona-Virus „SARS-CoV-2“ auf dem Gebiet der Region Hannover“ vom 31 März 2021 angeordnet.
Die gerichtliche Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Diese Abwägung fällt in der Regel zu Lasten des Antragstellers aus, wenn bereits im Aussetzungsverfahren bei summarischer Prüfung zu erkennen ist, dass der Rechtsbehelf offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.5.2004 – 2 BvR 821/04 -, NJW 2004, 2297, 2298 – juris Rn. 20; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 970 ff. m.w.N.). Dagegen überwiegt das Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs in aller Regel, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich begründet erweist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.10.1995 – BVerwG 1 VR 1.95 -, juris Rn. 3). Bleibt der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der in dem Aussetzungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 11.9.1998 – BVerwG 11 VR 6.98 -, juris Rn. 4) jedoch offen, kommt es auf eine reine Abwägung der widerstreitenden Interessen an (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.6.2019 – BVerwG 1 VR 1.19 -, NVwZ-RR 2019, 971 – juris Rn. 6; Senatsbeschl. v. 10.3.2020 – 13 ME 30/20 -, juris Rn. 7).
Unter Anwendung dieses Maßstabs hat der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage Erfolg. Denn die Klage ist nach der im Aussetzungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung zulässig und begründet. Nr. 1 der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 31. März 2021 ist voraussichtlich rechtswidrig, verletzt den Antragsteller in seinen Rechten und wird daher im Hauptsacheverfahren aufzuheben sein (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des mit einer Anfechtungsklage angegriffenen Verwaltungsakts ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.2017 – BVerwG 1 C 10.16 -, BVerwGE 157, 208, 212 – juris Rn. 17; Senatsbeschl. v. 29.9.2017 – 13 LA 4/16 -, juris Rn. 9 jeweils m.w.N.). Eine von diesem Grundsatz abweichende normative Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts ist den einschlägigen infektionsschutzrechtlichen Regelungen zwar nicht zu entnehmen. Die hier erlassene Allgemeinverfügung, die gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 35 Satz 2 VwVfG ein Unterfall des Verwaltungsakts ist, erweist sich aber als Dauerverwaltungsakt, dessen Rechtmäßigkeit ausnahmsweise anhand der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage zu beurteilen ist (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 16.12.2003 – BVerwG 3 C 47.02 -, Buchholz 418.32 AMG Nr. 39 – juris Rn. 11; Senatsurt. v. 17.12.2019 – 13 LB 135/19 -, juris Rn. 24; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 58 m.w.N.). Denn die Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 31. März 2021 trifft nicht nur eine einmalige, stichtagsbezogene Regelung. Sie ordnet vielmehr eine nächtliche Ausgangsbeschränkung für den Zeitraum ihrer Wirksamkeit vom 1. April 2021 bis zum 12. April 2021 an.
2. Rechtsgrundlage für die in der Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 31. März 2021 angeordnete nächtliche Ausgangsbeschränkung sind die §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 und 6 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen vom 29. März 2021 (BGBl. I S. 370).
Eine Verfassungswidrigkeit dieser Rechtsgrundlage, insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen Regelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, ist für den Senat – ebenso wie offenbar für das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Spruchpraxis betreffend die Corona-Pandemie (vgl. bspw. BVerfG, Beschl. v. 15.7.2020 – 1 BvR 1630/20 -; v. 9.6.2020 – 1 BvR 1230/20 -; v. 28.4.2020 – 1 BvR 899/20 -, alle veröffentlicht in juris) – jedenfalls nicht offensichtlich (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 24.3.2021 – 13 MN 145/21 -, juris Rn. 28 ff.; v. 23.12.2020 – 13 MN 506/20 -, juris Rn. 27 ff.; Bayerischer VerfGH, Entsch. v. 21.10.2020 – Vf. 26-VII-20 -, juris Rn. 17 ff.; OVG Bremen, Beschl. v. 9.4.2020 – 1 B 97/20 -, juris Rn. 24 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 7.4.2020 – 8 B 892/20.N -, juris Rn. 34 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 26.10.2020 – 13 B 1581/20.NE -, juris Rn. 32 ff.; Beschl. v. 6.4. 2020 – 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 36 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 – 20 NE 20.632 -, juris Rn. 39 ff.; Beschl. v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611 -, juris 17 f.; offengelassen: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 9.4.2020 – 1 S 925/20 -, juris Rn. 37 ff.).
§ 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, Abs. 3 und 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in der zuletzt durch Verordnung vom 27. März 2021 (Nds. GVBl. S. 166) geänderten Fassung dürfte hingegen nicht als Rechtsgrundlage für die Allgemeinverfügung anzusehen sein. Diese Regelungen dürften vielmehr nur klarstellen, dass betreffend Ausgangsbeschränkungen die Regelungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht abschließend sind und einer Anordnung von Ausgangsbeschränkungen durch die Landkreise und kreisfreien Städte auf der genannten Rechtsgrundlage des Infektionsschutzgesetzes nicht entgegenstehen. Hierfür spricht zum einen die Systematik des § 18 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (vgl. hierzu bereits Senatsbeschl. v. 25.11.2020 – 13 MN 487/20 -, juris Rn. 20), zum anderen aber auch der durch § 32 IfSG beschränkte Regelungsinhalt der Niedersächsischen Corona-Verordnung (vgl. hierzu bspw. den Senatsbeschl. v. 24.3.2021 – 13 MN 145/21 -, juris Rn. 33). Darüber hinaus werden die Anforderungen an die Anordnung einer Ausgangsbeschränkung, wie sie sich als Mindestanforderungen aus den §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 und 6 IfSG ergeben, durch § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, Abs. 3 und 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung erhöht, indem Ausgangsbeschränkungen erst ab einer 7-Tage-Inzidenz von 100 und nur für die Zeit von 21 Uhr bis 5 Uhr zulässig sind. Im Hinblick auf die Zuständigkeit der Antragsgegnerin für die Aufgaben der Gesundheitsämter und unteren Gesundheitsbehörden in Bezug auf das IfSG und die darauf gestützten Verordnungen nach § 161 Nr. 4 Buchst. a) NKomVG geht der Senat davon aus, dass auch die Antragsgegnerin trotz fehlender ausdrücklicher Nennung der Region Hannover Adressatin dieser Zuständigkeitsregelung ist.
3. Für die mit der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 31. März 2021 angeordnete Ausgangsbeschränkung sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der einschlägigen Rechtsgrundlage nicht erfüllt.
a) Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in § 28a Abs. 1 und in den §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist.
Der Senat geht unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt mit eingehender Begründung und weiteren Nachweisen etwa den Senatsbeschl. v. 5.1.2021 – 13 MN 582/20 -, Umdruck S. 4 ff.; v. 30.11.2020 – 13 MN 519/20 -, juris Rn. 26 ff.) und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens (vgl. hierzu die Angaben im täglichen Situationsbericht des Robert Koch-Instituts unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html und des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/) davon aus, dass die hiernach bestehenden Voraussetzungen für das „Ob“ eines staatlichen Handelns durch die zuständigen Infektionsschutzbehörde erfüllt sind.
§ 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 – BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 213 – juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 – 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35).
„Schutzmaßnahmen“ im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG können daher auch Ausgangsbeschränkungen sein. Dies verdeutlichen auch § 28 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz und § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG.
Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall „notwendig“ sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020 – 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 – 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).
Besondere Anforderungen an die Notwendigkeit von Ausgangsbeschränkungen ergeben sich zum einen aus § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 und 6 IfSG
Nach § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG ist die Anordnung einer Ausgangsbeschränkung nach § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG, nach der das Verlassen des privaten Wohnbereichs nur zu bestimmten Zeiten oder zu bestimmten Zwecken zulässig ist, nur zulässig, soweit auch bei Berücksichtigung aller bisher getroffenen anderen Schutzmaßnahmen eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erheblich gefährdet wäre. Nach § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG sind bei Entscheidungen über Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Auswirkungen auf den Einzelnen und die Allgemeinheit einzubeziehen und zu berücksichtigen, soweit dies mit dem Ziel einer wirksamen Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vereinbar ist. Nach § 28a Abs. 3 Satz 7 IfSG dürfte die Anordnung einer Ausgangsbeschränkung jedenfalls unterhalb einer 7-Tage-Inzidenz von 35 ausgeschlossen sein.
Für die Antragsgegnerin ergeben sich darüber hinaus aber auch besondere Anforderungen an die Notwendigkeit von Ausgangsbeschränkungen aus § 18 Abs. 2 ff. der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung darf eine Ausgangsbeschränkung durch die Landkreise und kreisfreien Städte und damit über die in der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Schutzmaßnahmen hinausgehend nur verfügt werden, wenn die 7-Tage-Inzidenz in dem Landkreis oder der kreisfreien Stadt „an drei aufeinanderfolgenden Tagen (Dreitagesabschnitt) den Wert von 100 überschreitet und diese Überschreitung nach Einschätzung der örtlich zuständigen Behörde von Dauer ist“. Die Ausgangsbeschränkung darf nach § 18 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung allenfalls „jeder Person das Verlassen des privaten Wohnbereichs in der Zeit von 21.00 Uhr bis um 5.00 Uhr des Folgetages untersagen, wenn dieses aufgrund der jeweiligen Erkenntnisse aus der Kontaktnachverfolgung, der allgemeinen und regionalen Infektionslage sowie der Ziele des Infektionsschutzes geboten und verhältnismäßig ist.“ Zudem sind nach § 18 Abs. 3 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung „Ausnahmen bei Vorliegen eines triftigen Grundes, insbesondere einer notwendigen medizinischen, psychosozialen oder veterinärmedizinischen Behandlung, der Wahrnehmung einer beruflichen Tätigkeit, des Besuchs von Gottesdiensten und ähnlicher religiöser Veranstaltungen und des Besuchs naher Angehöriger, wenn diese von Behinderung betroffen oder pflegebedürftig sind, vorzusehen“. Liegen die Voraussetzungen einer Anordnung einer Ausgangsbeschränkung nicht mehr vor, so ist die Anordnung gemäß § 18 Abs. 3 Satz 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unverzüglich aufzuheben. Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt in einem Dreitagesabschnitt die 7-Tage-Inzidenz den Wert von 150 und ist diese Überschreitung nach Einschätzung der örtlich zuständigen Behörde von Dauer, so soll die örtlich zuständige Behörde gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung die Ausgangsbeschränkung nach Maßgabe des § 18 Abs. 3 anordnen, vorausgesetzt „dass das Infektionsgeschehen in dem betreffenden Gebiet nicht oder nicht mehr hinreichend einem bestimmten räumlich abgrenzbaren Bereich zugeordnet werden kann und deshalb die Gefahr einer nicht mehr kontrollierbaren Verbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 besteht“.
b) Für die mit der Allgemeinverfügung der Antragsgegnerin vom 31. März 2021 angeordnete Ausgangsbeschränkung sind diese tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. In ihrer hier allein zu beurteilenden konkreten Ausgestaltung ist die Ausgangsbeschränkung keine notwendige Schutzmaßnahme. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und stellt damit keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar.
(1) Zweifelsohne verfolgt die Antragsgegnerin die legitimen Ziele (vgl. Senatsbeschl. v. 6.11.2020 – 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden. Zur Vorbeugung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage sollen die Kontakte in der Bevölkerung drastisch reduziert werden, um das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nachverfolgbare Größenordnungen zu senken. Diese Zielrichtung wahrt die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. Senatsbeschl. v. 23.12.2020 – 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61).
(2) Zur Erreichung dieser legitimen Ziele ist die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung in begrenztem Umfang geeignet. Es bedarf dazu keiner näheren Ausführungen zur der wenig ergiebigen Studienlage zur Effektivität von Ausgangssperren (vgl. dazu etwa FAZ v. 3.4.2021, S. 6). Allerdings verwundert es, dass die – insbesondere im süddeutschen Raum – über einen längeren Zeitraum verhängten Ausgangsbeschränkungen keiner Evaluation unterzogen worden sind. Auch vermag der Senat die Argumentation des Antragsgegners nicht nachzuvollziehen, insbesondere nächtliche Ausgangssperren seien in besonderer Weise geeignet, Kontakte zu beschränken. Da zu nächtlicher Stunde die nicht bereits durch die niedersächsischen Corona-Bestimmungen ohnehin geschlossenen Einrichtungen ebenfalls geschlossen sind, ist der Anreiz zum Verlassen des privaten Wohnbereichs deutlich geringer als tagsüber, die Anzahl der zu verhindernden Kontakte sinkt mithin in gleicher Weise.
(a) Die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung bewirkt zunächst, dass die von ihr betroffenen Personen in der Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr beim Nichtvorliegen triftiger Gründe den eigenen Haushalt nicht verlassen und sich daher auch nicht allein oder mit weiteren, ihrem Haushalt angehörenden Personen in der Öffentlichkeit aufhalten dürfen. Diese Wirkung ist als solche für Erreichung der legitimen Ziele irrelevant. Denn der Aufenthalt im eigenen Haushalt und der Aufenthalt im Freien ohne Kontakt zu anderen als haushaltsangehörigen Personen ist mit keinem relevanten Infektionsrisiko verbunden.
(b) Die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung bewirkt darüber hinaus, dass die von ihr betroffenen Personen in der Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr beim Nichtvorliegen triftiger Gründe sich nicht aus dem eigenen Haushalt heraus- und in einen fremden Haushalt hineinbegeben dürfen. Sie bewirkt damit eine Verschärfung der Kontaktbeschränkungen, wie sie sich im Allgemeinen aus § 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ergeben. Mit Blick auf diese Verschärfung kann eine Eignung angenommen werden, da angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen – vor allem in geschlossenen Räumen – geeignet sein können, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (vgl. Senatsbeschl. v. 18.11.2020 – 13 MN 448/20 -, juris Rn. 81; v. 11.6.2020 – 13 MN 192/20 -, juris Rn. 52). Diese Eignung wird aber dadurch herabgesetzt, dass nach der streitgegenständlichen Allgemeinverfügung Aufenthalte in fremden Haushalten – im Rahmen der Kontaktbeschränkungen nach § 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung – auch in der Zeit zwischen 22 Uhr und 5 Uhr zulässig bleiben, wenn diese Aufenthalte im Zeitraum zwischen 5.01 Uhr und 21.59 Uhr begonnen worden sind. Für solche Aufenthalte bewirkt die Ausgangsbeschränkung von vorneherein keine Verschärfung der Kontaktbeschränkungen nach § 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Hinzu kommt, dass ein triftiger Grund für eine Ausnahme von der Ausgangsbeschränkung stets dann vorliegen dürfte, wenn ein im Zeitraum zwischen 5.01 Uhr und 21.59 Uhr begonnener Aufenthalt in einem anderen Haushalt in dem Zeitraum zwischen 22 Uhr und 5 Uhr beendet wird, um den eigenen Haushalt aufzusuchen. Denn nachvollziehbare Gründe für einen Zwang, sich in dem fremden Haushalt ggf. gegen den Willen des Haushaltsvorstands weiter aufhalten oder gar an andere Orte als in den eigenen Haushalt begeben zu müssen, sind für den Senat nicht vorstellbar.
(c) Die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung bewirkt schließlich, dass die von ihr betroffenen Personen in der Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr beim Nichtvorliegen triftiger Gründe auch in der Öffentlichkeit gar keine Personen treffen dürfen. Auch insoweit werden die Kontaktbeschränkungen, wie sie sich im Allgemeinen aus § 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ergeben, noch einmal verschärft und Kontakte zu Dritten in der Öffentlichkeit vollständig untersagt. Mit Blick auf diese Verschärfung kann auch insoweit eine Eignung angenommen werden.
Mag die Wirkung der vom Antragsgegner verhängten nächtlichen Ausgangssperre mithin auch gering und durch eine Vorverlagerung des Kontaktgeschehens deutlich begrenzt sein, völlig ungeeignet ist sie bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht.
(3) Die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung ist aber nicht erforderlich.
(a) Die mit der Ausgangsbeschränkung verbundene Untersagung, dass die von ihr betroffenen Personen in der Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr beim Nichtvorliegen triftiger Gründe den eigenen Haushalt nicht verlassen und sich daher auch nicht allein oder mit weiteren, ihrem Haushalt angehörenden Personen in der Öffentlichkeit aufhalten dürfen, ist zur Kontaktreduzierung und zur Infektionsvermeidung ersichtlich nicht erforderlich. Etwaige Zufallskontakte zu haushaltsfremden Personen bei Aufenthalten in der Öffentlichkeit sind angesichts deren Singularität und des damit allenfalls verbundenen sehr geringen Infektionsrisikos zu vernachlässigen (vgl. hierzu auch das vom RKI entwickelte Intensitätsstufenkonzept und die Toolbox zum Stufenkonzept, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Downloads/Stufenplan.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 19.3.2021, die sich nicht mit Aufenthalten als solchen, sondern nur mit Zusammenkünften im Freien befassen).
(b) Die mit der angeordneten Ausgangsbeschränkung verbundenen Untersagungen, dass die von ihr betroffenen Personen in der Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr beim Nichtvorliegen triftiger Gründe sich nicht aus dem eigenen Haushalt heraus- und in einen fremden Haushalt hineinbegeben dürfen und dass die von ihr betroffenen Personen in der Zeit von 22 Uhr bis 5 Uhr beim Nichtvorliegen triftiger Gründe in der Öffentlichkeit gar keine haushaltsfremden Personen treffen dürfen, mögen hingegen unter dem Aspekt der Verschärfung der allgemeinen Kontaktbeschränkungen nach § 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung grundsätzlich als erforderlich angesehen werden dürfen.
Zu berücksichtigen ist aber, dass der Gesetzgeber mit den dargestellten (siehe oben 3.a.) besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG ausweislich der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit des Deutschen Bundestages (BT-Drs. 19/24334, S. 73) die grundsätzliche Möglichkeit zur Anordnung von Ausgangsbeschränkungen in Hinblick auf ihre erhebliche Eingriffsintensität in Individualgrundrechte materiell eingegrenzt hat. Es handelt sich um eine besondere Betonung des Gebots der Erforderlichkeit der Maßnahme (vgl. Sächsisches OVG, Beschl. v. 4.3.2021 – 3 B 26/21 -, juris Rn. 47 m.w.N.). Zur Beurteilung der Frage, ob ohne die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit im Sinne des § 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG erheblich gefährdet wäre, ist von der diese Maßnahme anordnenden Behörde eine auf die jeweilige Pandemiesituation abstellende Gefährdungsprognose zu erstellen, der eine ex-ante Betrachtung zugrunde liegt (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 12.1.2021 – 20 NE 20.2933 -, juris Rn. 42 vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.2.2021 – 1 S 321/21 -, juris Rn. 32 ff.). Die in § 28a Abs. 2 IfSG genannten Maßnahmen stellen mithin eine „ultima ratio“ dar, so dass diese nur dann in Betracht zu ziehen sind, wenn Maßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG voraussichtlich nicht mehr greifen.
Die hier von der Antragsgegnerin erstellte Gefährdungsprognose trägt die Annahme, dass ohne die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung eine wirksame Eindämmung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit im Sinne des § 28a Abs. 2 Satz 1 IfSG erheblich gefährdet wäre, nicht.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Hochinzidenzkommunen nach § 18a Abs. 3 Nr. 1 der Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 27. März 2021 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Februar 2021 ohnehin verschärfte Kontaktbeschränkungen gelten. Die Antragsgegnerin hat nicht ansatzweise nachvollziehbar aufgezeigt, dass und in welchem Umfang sie bisher Bemühungen unternommen hat, die behauptete unzureichende Einhaltung der Kontaktbeschränkungen durch staatliche Kontrolle und staatliches Eingreifen zu verbessern, und dass auch gesteigerte Bemühungen von vorneherein erfolglos bleiben werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin von vornherein zu solchen Bemühungen nicht in der Lage wäre, bestehen für den Senat unter Berücksichtigung verschiedener aktueller Verlautbarungen zur Durchsetzung der Kontaktbeschränkungen aber auch der Ausgangsbeschränkungen nicht (vgl. etwa https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Pistorius-kuendigt-rigorose-Kontrollen-zu-Ostern-an,pistorius896.html, Stand: 31.3.2021, und https://www.haz.de/A-Stadt/Aus-der-Stadt/Hannovers-Polizeipraesident-Kluwe-ruft-Buergerinnen-und-Buerger-zur-Einhaltung-der-Corona-Regeln-auf, Stand: 1.4.2021).
Der Beschwerdebegründung der Antragsgegnerin lässt sich auch nicht annäherungsweise entnehmen, in welchem Umfang die von ihr angeführten regelwidrigen nächtlichen Zusammenkünfte im privaten Raum tatsächlich stattfinden. Nicht nachprüfbare Behauptungen reichen zur Rechtfertigung einer derart einschränkenden und weitreichenden Maßnahme wie einer Ausgangssperre nicht aus. Insbesondere ist es nicht zielführend, ein diffuses Infektionsgeschehen ohne Beleg in erster Linie mit fehlender Disziplin der Bevölkerung sowie verbotenen Feiern und Partys im privaten Raum zu erklären. Nach mehr als einem Jahr Dauer des Pandemiegeschehens besteht die begründete Erwartung nach weitergehender wissenschaftlicher Durchdringung der Infektionswege. Der Erlass einschneidender Maßnahmen lediglich auf Verdacht lässt sich in diesem fortgeschrittenen Stadium der Pandemie jedenfalls nicht mehr rechtfertigen.
Soweit die Antragsgegnerin auf das Ziel der Unterbindung spätabendlicher Treffen junger Menschen an beliebten Treffpunkten in der Öffentlichkeit hinweist, drängt sich der Erlass von Betretensverboten hinsichtlich dieser Örtlichkeiten als milderes Mittel geradezu auf. Des Erlasses einer Ausgangssperre bedarf es im Hinblick auf die Erkennbarkeit dieser Treffpunkte für Polizei und Ordnungskräfte ersichtlich nicht. Diese Maßnahme ist in § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorgesehen und auch von Hochinzidenzkommunen im Sinne des § 18 Abs. 4 der Verordnung nach allgemeinen Grundsätzen als milderes Mittel zu berücksichtigen. Überdies ordnet § 18 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung die Beachtung des Grundsatzes nochmals ausdrücklich an.
(4) Die mangelnde Erforderlichkeit lässt die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung zwangsläufig als nicht angemessen erscheinen.
Die Ausgangsbeschränkung bewirkt einen ganz erheblichen Eingriff in die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit (vgl. zum Nichtvorliegen eines Eingriffs in das Freizügigkeitsrecht nach Art. 11 GG: Senatsbeschl. v. 29.10.2020 – 13 MN 396/20 -, juris Rn. 8; v. 15.10.2020 – 13 MN 371/20 -, juris Rn. 69). Sie hat für die von ihr betroffenen Personen zwar keine freiheitsentziehende Wirkung, die den Richtervorbehalt des Art. 104 Abs. 2 GG auslösen würde. Die mit ihr verbundene freiheitsbeschränkende Wirkung ist aber ganz erheblich, denn den betroffenen Personen wird für einen mehrstündigen Zeitraum an jedem Tag das Verlassen der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund untersagt. Diese Untersagung kann letztlich auch im Wege des Verwaltungsvollzugs zwangsweise durchgesetzt werden, ungeachtet dessen, dass dies tatsächlich allenfalls punktuell und nicht flächendeckend geschehen könnte.
Dieser Eingriff ist unter Berücksichtigung der nur begrenzten Eignung und der mangelnden Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Ausgangsbeschränkung nicht angemessen und deshalb nicht gerechtfertigt.
Die während der Corona-Pandemie von den zuständigen Gesundheitsbehörden verfolgten legitimen Ziele werden ganz maßgeblich bereits durch die Kontaktbeschränkungen in § 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung erreicht (vgl. hierzu zuletzt Senatsbeschl. v. 19.3.2021 – 13 MN 132/21 -, juris Rn. 47 ff.). Danach sind auch bei Aufenthalten in der Öffentlichkeit Zusammenkünfte einer Person nur mit den Personen ihres Haushalts und grundsätzlich (vgl. zu Ausnahmen: § 2 Abs. 1 Satz 1 letzter Halbsatz und Sätze 2 ff. der Niedersächsischen Corona-Verordnung) mit höchstens zwei Personen eines anderen Haushalts (§ 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) oder in Hochinzidenzkommunen mit höchstens einer Person eines anderen Haushalts (§ 18a Abs. 3 Nr. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) zulässig. Eine signifikante Verbesserung der Zielerreichung durch die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung ist angesichts der aufgezeigten Eignungs- und Erforderlichkeitsdefizite im hier zu beurteilenden Fall kaum zu erwarten.
Die Ausgangsbeschränkung anzuordnen, um etwaige Defizite bei der Befolgung und nötigenfalls staatlichen Durchsetzung bestehender anderer Schutzmaßnahmen, insbesondere der Kontaktbeschränkungen nach § 2 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, auszugleichen, ist jedenfalls solange unangemessen, wie von den zur Durchsetzung berufenen Behörden nicht alles Mögliche und Zumutbare unternommen wurde, um die Befolgung anderer Schutzmaßnahmen sicherzustellen. Der Senat hat in zahlreichen Normenkontrolleilverfahren während der Corona-Pandemie darauf hingewiesen, dass neben fortdauernden und vor weiteren Beschränkungen für alle Einwohner Niedersachsens zuvörderst auch Maßnahmen, die ein noch aktiveres Handeln staatlicher Stellen bei der Pandemiebekämpfung erfordern, in den Blick zu nehmen und zu forcieren sind (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 24.3.2021 – 13 MN 145/21 -, juris Rn. 65 ff.). Dies gilt auch hier. Bevor dies nicht geschehen ist oder bevor nicht feststeht, dass solche Maßnahmen nicht erfolgversprechend ergriffen oder verbessert werden können, erscheint es nicht angemessen, alle in einem bestimmten Gebiet lebenden Personen einer Ausgangsbeschränkung zu unterwerfen, nur weil einzelne Personen und Personengruppen die geltenden allgemeinen Kontaktbeschränkungen nicht freiwillig befolgen oder nicht staatlicherseits alles Mögliche und Zumutbare unternommen wurde, um gegenüber diesen Personen und Personengruppen die Einhaltung der allgemeinen Kontaktbeschränkungen durchzusetzen, zumal auch die Ausgangsbeschränkung der freiwilligen Befolgung oder nötigenfalls der staatlichen Durchsetzung bedürfte. Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Antragsgegnerin alleine nicht in der Lage ist, die erforderlichen aktiven Bekämpfungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Bei der Frage der Angemessenheit einer Maßnahme sind aber die gesamten Möglichkeiten staatlichen Handelns in den Blick zu nehmen und der getroffenen Maßnahme gegenüberzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).