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Autokaufvertrag – Rücktritt und Rückzahlung Kaufpreis – Klageort

LG Stralsund

Az: 6 O 211/11

Beschluss vom 13.10.2011


Das angegangene Landgericht Stralsund erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das örtlich und sachlich zuständige Landgericht Marburg.

Gründe

I.

Der in … wohnhafte Kläger nimmt den in K. und damit im Bezirk des Landgerichts Marburg wohnhaften Beklagten auf Kaufpreisrückzahlung nach Rücktritt von einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug zuzüglich Ersatz u.a. der Kosten einer vom Beklagten veranlassten – wie er behauptet werterhöhenden – Reparatur in Anspruch. Für den Inhalt des zu Grunde liegenden Kaufvertrages vom 21.08.2010 wird auf die Anlage K 1 (Bl. 8 d.A.) Bezug genommen.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29.08.2011 (Bl. 35 d.A.) gerügt, das Landgericht Stralsund sei örtlich nicht zuständig. Er sei vor seinem Wohnsitzgericht – dem Landgericht Marburg – zu verklagen. Mit Schreiben vom 31.08.2011 (Bl. 36 d.A.) – das Verfahren war zu diesem Zeitpunkt noch Kammersache – hat der Kammervorsitzende die Beteiligten darauf hingewiesen, dass seines Erachtens eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stralsund bestünde. Hierzu hatte der Kläger bereits in der Klageschrift näher ausgeführt und sich auf eine Rechtsprechungsfundstelle bezogen (vgl. Seite 6 der Klageschrift vom 02.08.2011 = Bl. 6 d.A.). Mit Beschluss vom 20.09.2011 (Bl. 40 d.A.) ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichtersache übertragen worden. Der nunmehr verfahrensleitende Berichterstatter hat die Parteien mit Schreiben vom 28.09.2011 (Bl. 41 f., 44 d.A.) darauf aufmerksam gemacht, dass er die Auffassung des Kammervorsitzenden zur Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht teile, dies näher begründet – worauf Bezug genommen wird – und den Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger hat daraufhin mit Schriftsatz vom 12.10.2011 (Bl. 46 f. d.A.) seinen Standpunkt verteidigt und vertieft; insbesondere hat er sich nunmehr auch auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.04.2011 (Az.: VIII ZR 220/10) bezogen. Hilfsweise hat er Verweisung an das Landgericht Marburg beantragt.

II.

Das Landgericht Stralsund ist – auch unter Berücksichtigung der jüngsten Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 12.10.2011 – örtlich nicht zuständig. Der Kläger hat für den Fall, dass das erkennende Gericht bei seiner unter dem 28.09.2011 geäußerten Einschätzung verbleiben sollte, Verweisung an das Landgericht Marburg beantragt. Das Gericht hält an seiner Auffassung fest. Der Eventualfall ist damit eingetreten. Der Rechtsstreit war daher unter Ausspruch der eigenen Unzuständigkeit antragsgemäß an das Landgericht Marburg zu verweisen (vgl. § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO).

1. Das Landgericht Stralsund ist örtlich nicht zuständig.

a) Der Beklagte ist außerhalb des hiesigen Bezirks ansässig. Auf §§ 12 f. ZPO kann eine Klage vor dem hiesigen Gericht somit nicht gestützt werden. Denkbar ist eine Zuständigkeit des hiesigen Gerichts daher allein – anderweitige Gerichtsstandsbestimmungen, die eine Anrufung des Landgerichts Stralsund rechtfertigen könnten, macht auch der Kläger nicht geltend – auf der Grundlage des § 29 Abs. 1 ZPO. Diese Regelung greift hier indes nach zutreffender Auffassung nicht ein.

b) Das Gericht geht – wie bereits unter dem 28.09.2011 ausgeführt – im Anschluss u.a. an LG Krefeld, Beschluss vom 27.07.1977 – 2 O 262/77, MDR 1977, 1018, hier zitiert nach Juris, dort Tz. 4 ff., und Stöber, NJW 2006, 2661, 2662 ff., davon aus, dass Erfüllungsort und damit zugleich Gerichtsstand für die auf § 346 Abs. 1 BGB gestützte Rückzahlungsklage des Käufers nach Rücktritt vom Kaufvertrag – wie sie hier vorliegt – gemäß § 29 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 270 Abs. 4, 269 Abs. 1 BGB der (Wohn-) Sitz des Verkäufers ist (so u.a. auch Schwab, in: AnwKomm-BGB, 1. Aufl. 2005, § 269 Rdnr. 40 ff.; Huber, in: Soergel, BGB, 12. Aufl. 1991, § 467 Rdnr. 97, 99, für die Wandelung nach altem Recht; Döhmel, Der Leistungsort bei Rückabwicklung von Verträgen, 1997, Seiten 109 ff., 134 ff., ebenfalls zur Wandelung nach früherem Recht).

aa) Für Gegenteiliges – d.h. für einen einheitlichen Gerichtsstand an dem Ort, an dem sich die Kaufsache nach Rücktritt bestimmungsgemäß befindet – gibt das geltende Recht entgegen der zumindest bislang herrschenden Auffassung (u.a. – wie vom Kläger auf Seite 6 der Klageschrift herangezogen – OLG Saarbrücken, Beschluss vom 06.01.2005 – 5 W 306/04, NJW 2005, 906, hier zitiert nach Juris, dort Tz. 5, sowie LG Freiburg, Urteil vom 07.11.2008 – 8 O 98/08, zitiert nach Juris, dort Tz. 9, und – unlängst – OLG Köln, Beschluss vom 28.03.2011 – 3 U 174/10, DAR 2011, 260, hier zitiert nach Juris, dort Tz. 10; weitere Nachweise u.a. bei Stöber, a.a.O., in Fußnoten 5 und 6), nichts her. Entgegen verbreiteter Auffassung ergibt sich für einen entsprechenden Einheitsgerichtsstand – der mit der differenzierenden und auf die jeweilige einzelne Vertragspflicht abstellenden gesetzlichen Systematik der §§ 269 f. BGB, 29 ZPO erkennbar nicht in Einklang steht – insbesondere nichts aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Das von Vertretern der wohl noch herrschenden Auffassung (u.a. OLG Köln, a.a.O.) wiederholt zitierte Urteil des Bundesgerichtshofes vom 09.03.1983 (Az.: VIII ZR 11/82, veröffentlicht u.a. in NJW 1983, 1479, sowie WM 1983, 561) ist für die Frage, an welchem Ort der zurückgetretene Käufer die Kaufpreisrückzahlung einklagen kann, unergiebig, da es sich nicht mit einer Rückzahlungsklage beschäftigt, sondern mit der Klage des Käufers gegen den Verkäufer auf Rücknahme der Kaufsache und insoweit die Frage nach dem Erfüllungsort für die Rückzahlung des Kaufpreises gerade – als nicht entscheidungserheblich – offen lässt (vgl. insbesondere Tz. 14 a.E. der Entscheidung bei Juris; hierauf verweist zurecht und dezidiert Stöber, NJW 2006, 2661, 2662, linke Spalte unter Punkt III). Tatsächlich besteht richtigerweise kein durchgreifender Grund, dem zurückgetretenen Käufer eine Klage auf Kaufpreisrückzahlung an seinem „Heimatgericht“ entgegen Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Regelung zu eröffnen. Soweit hier verbreitet auf das vertragliche Synallagma, die Ortsnähe für den Fall einer Beweisaufnahme über die dem Rücktritt zu Grunde liegenden Mängel und die „Verantwortlichkeit“ des Verkäufers für den Prozess verwiesen wird, handelt es sich durchweg um sachfremde Erwägungen, die mit dem Leitbild der gesetzlichen Regelung nichts zu tun haben und bei konsequenter Betrachtung – zu der sich bezeichnenderweise nahezu niemand versteigt – zur Folge haben müssten, dass bei allen gegenseitigen Verträgen stets ein einheitlicher Erfüllungsort und Gerichtsstand anzunehmen wäre. Insbesondere müsste im Hinblick auf das vertragliche Synallagma konsequenterweise auch für die wechselseitige Erfüllung der Primärpflichten aus einem Kaufvertrag, von dem keine Partei zurückgetreten ist, ein einheitlicher Ort anzunehmen sein. Dies wird indes geradezu durchweg – auch von den Vertretern der hier abgelehnten Auffassung zum rücktrittsrechtlichen „Austauschort“ – abgelehnt (vgl. zum Ganzen statt aller dezidiert und durchweg überzeugend LG Krefeld und Stöber, jeweils a.a.O., m.w.N.).

bb) Die Ausführungen des Klägers in seinem Schriftsatz vom 12.10.2011 (Bl. 46 f. d.A.) rechtfertigen keine andere Sicht.

(1) Ob die Annahme eines Gerichtsstandes am Wohnsitz des Käufers „allein der Zielsetzung der Verbrauchsgüterrichtlinie 1999/44/EG entspricht“, wie der Kläger meint, ist nicht ausschlaggebend, denn § 29 ZPO geht ebensowenig wie die materiellrechtlichen Erfüllungsortsvorschriften der §§ 269 f. BGB, auf die insoweit abzustellen ist, auf diese Richtlinie zurück und ist daher auch nicht in deren Lichte zu interpretieren. Im Übrigen enthält die betreffende Richtlinie keine Maßgaben für den nationalen Gesetzgeber, einen „Verbraucherwohnsitzgerichtsstand“ vorzusehen. Jedenfalls kann aus ihr nicht abgeleitet werden, dass nationale Gerichte stets – auch ohne einen konkreten Bezug zu bestimmten Richtlinienbestimmungen – gehalten wären, streitentscheidende Normen „verbraucherfreundlich“ auszulegen.

(2) Auch aus der in Bezug genommenen BGH-Entscheidung vom 13.04.2011 (Az.: VIII ZR 220/10; veröffentlicht u.a. in NJW 2011, 2278) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Entscheidung befasst sich mit dem Gerichtsstand für die Klage auf Nacherfüllung. An der vom Kläger zitierten Stelle (Tz. 28 bei Juris) geht der Bundesgerichtshof lediglich indirekt auf die Gerichtsstandsfrage für den Rückabwicklungsprozess nach erfolgtem Rücktritt ein.

Ohne sich zu dieser Frage selbst zu positionieren, stellt der Bundesgerichtshof lediglich im Sinne einer Bestandsaufnahme des vorhandenen Meinungsspektrums fest, dass der Erfüllungsort für „Rückgewähransprüche“ – die nicht näher spezifiziert werden – „vielfach“ dort „angesiedelt“ würden, wo sich die Kaufsache vertragsgemäß befindet. Nur insoweit zitiert der Senat auch seine Entscheidung vom 09.03.1982 in Sachen VIII ZR 11/82 (Fundstellen s.o.), und zwar ausdrücklich mit dem Zusatz „zum alten Schuldrecht“ und bereits einleitend mit dem Kürzel „vgl.“. Hieraus kann substantiell nichts abgeleitet werden, zumal sich dem Zitat auch bei einer dem Kläger günstigen Betrachtung bestenfalls entnehmen lässt, dass der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes an seiner Entscheidung vom 09.03.1982 festhält, soweit sie – inhaltlich – reicht. Die Entscheidung vom 13.04.2011 kann daher zu Gunsten des Klägers allenfalls dahin gedeutet werden, dass der Bundesgerichtshof für die Klage des Käufers gegen den Verkäufer auf Rücknahme der Kaufsache auch weiterhin das Gericht am „Austauschort“ für zuständig hält. Für die Kaufpreisrückzahlungsklage ist damit höchstrichterlich unverändert nichts ausgesagt. Selbst wenn der Bundesgerichtshof hierzu im Übrigen eine Aussage des Inhalts getroffen hätte, dass er das Wohnsitzgericht des auf Kaufpreisrückzahlung klagenden Käufers für zuständig hielte, würde sich das erkennende Gericht dem nicht anschließen, da für eine solche Auffassung – mag sie auch „Mehrheitsmeinung“ sein – keine durchgreifenden Gründe streiten, wie eingangs bereits ausgeführt.

(3) Umgekehrt bestätigt das Urteil des Bundesgerichtshof vom 13.04.2011 (a.a.O.; dort v. a. D. Tz. 29 ff. bei Juris) vielmehr die in den letzten Jahren generell festzustellende Tendenz des Bundesgerichtshofs, sich bei der Erfüllungsorts- und Gerichtsstandsbestimmung auf die gesetzliche Ausgangsregel des § 269 Abs. 1 BGB zurückzubesinnen und im Zweifel – oft, wie z.B. für die Klage auf Zahlung des Anwaltshonorares (vgl. BGH, Beschluss vom 11.11.2003 – X ARZ 91/03, NJW 2004, 54, hier zitiert nach Juris, dort Tz. 11 ff.), unter Aufgabe älterer Entscheidungen zu einem einheitlichen Gerichtsstand je nach Vertragstypus – eine Holschuld anzunehmen (vgl. zu dieser Tendenz allgemein etwa LG Halle a.d.S., Beschluss vom 10.01.2006 – 8 O 273/05, zitiert nach Juris, dort Tz. 15 ff., und LG Stralsund, Beschluss vom 04.10.2011 – 6 O 77/11, Seite 3 d. Beschl.-Ausf. m.w.N.). Insoweit sieht sich das Gericht hier in der Tendenz durchaus auf der derzeitigen „Linie“ des Bundesgerichtshofes.

2. Eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Stralsund ist daher nicht begründet. Zuständig ist jedenfalls – und zwar sowohl gemäß § 29 Abs. 1 ZPO als auch gemäß §§ 12 f. ZPO – das Gericht am Wohnsitz des Beklagten, mithin das Landgericht Marburg. Daher war dorthin antragsgemäß zu verweisen.

 

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