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Berufung – Leistungsklage abgewiesen anschließender Feststellungsantrag zulässig?

OLG Schleswig – Urteil vom 5 U 181/21 – Urteil vom 08.09.2022

Die Berufung des Klägers gegen das am 24. September 2021 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszugs.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird für den Berufungsrechtszug auf € 12.684,00 festgesetzt.

Gründe

I.

Die Parteien schlossen am 13. Oktober 2018 einen Darlehensvertrag zur Finanzierung des Erwerbs eines Kfz. Die Widerrufsinformation nennt den Vertrag über Händler-Service-Leistungen, den Beitritt zur S1Versicherung und die Anmeldung zur S2AutoVersicherung als verbundene Geschäfte, obwohl diese Verträge tatsächlich nicht abgeschlossen wurden.

Der Darlehensvertrag wurde am 27. September 2019 einvernehmlich aufgehoben. Die Parteien schlossen unter anderem zur Ablösung (Umschuldung) des streitgegenständlichen Darlehens einen neuen Darlehensvertrag über eine deutlich höhere Darlehenssumme. Ein neues Kapitalnutzungsrecht wurde dem Kläger anlässlich der Umfinanzierung nicht eingeräumt. Die ihr bestellte Sicherheit – Sicherungseigentum des finanzierten Kfz – gab die Beklagte nicht frei.

Der Kläger widerrief den Darlehensvertrag vom 13. Oktober 2018 am 8. Oktober 2020.

Der Kläger hat in erster Instanz zunächst negative Feststellung beantragt. Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2021 hat er angekündigt, „den Klageantrag von einem negativen Feststellungsantrag in einen Zahlungsantrag“ umzustellen und ihn wie aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ersichtlich neu gefasst.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen: Das Widerrufsrecht sei verwirkt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers zu deren Begründung er sich auf das Urteil des EuGH vom 9. September 2021 beruft: Verwirkung käme nicht in Betracht.

In der Berufungsbegründung hat der Kläger angekündigt, beantragen zu wollen:

unter Abänderung des am 20.08.2021 verkündeten Urteils des LG Düsseldorf, Az. 10 O 380/20 wie folgt zu erkennen:

1. Es wird festgestellt, dass die primären Leistungspflichten der Klagepartei aus dem mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrags mit der Darlehensnummer … zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des erklärten Widerrufs vom 08.10.2020 erloschen sind.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 101,94 € freizustellen.

Der Kläger hat die Klage nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erweitert um den in erster Instanz zuletzt gestellten und mit dem angefochtenen Urteil abgewiesenen Antrag:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.780,- € zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach Übergabe und Übereignung des finanzierten Fahrzeugs Dacia Sandero 1.2 16V 75 Laureate mit der Fahrgestellnummer: …

Der Kläger beantragt nunmehr:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.480,00 € zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz.

2. Es wird festgestellt, dass aufgrund des erklärten Widerrufs vom 08.10.2020 der Beklagten aus dem Darlehensvertrag mit der Darlehensnummer … kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vereinbarte Tilgung zusteht, ursprünglich zulässig und begründet gewesen ist und sich durch die Beendigung des Leistungsaustauschs erledigt hat.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 101,94 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt, die gegnerische Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

1. Zulässigkeit der Berufung

Die Berufung ist zulässig.

a) Eine Berufung ist unzulässig, wenn sie den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, sondern lediglich im Wege der Klageerweiterung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt. Denn eine bloße Erweiterung oder Änderung der Klage in zweiter Instanz kann nicht alleiniges Ziel des Rechtsmittels sein (BGH, Urteil vom 15. März 2002 – V ZR 39/01; Urteil vom 30. November 2005 – XII ZR 112/03). Es ist grundlegendes Erfordernis aller Rechtsmittel, dass der Angriff des Rechtsmittelführers auf die Beseitigung der im vorinstanzlichen Urteil enthaltenen Beschwer gerichtet sein und die Richtigkeit dieses Urteils in Frage gestellt werden muss (BGH, Urteil vom 30. November 2005 – XII ZR 112/03).

b) Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze stellt der Kläger die Richtigkeit des angefochtenen Urteils in Frage. In der Sache verfolgt er sein ursprüngliches Begehren weiter.

Der Kläger wendet sich gegen die Beurteilung, sein Recht, den streitgegenständlichen Darlehensvertrag zu widerrufen, sei verwirkt. In erster Instanz hat er insoweit beantragt, Zins- und Tilgungsraten an ihn zurückzuzahlen. Nunmehr beantragt er festzustellen, nicht länger zur Zahlung von Zins- und Tilgungsraten verpflichtet zu sein. Mit beiden Anträgen wendet er sich gegen die in dem angefochtenen Urteil bejahte Verwirkung seines Widerrufsrechts.

Für die Richtigkeit dieser Beurteilung spricht auch § 264 Nr. 2 ZPO. Nach dieser Vorschrift ist es nicht als Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Der Übergang von einer (positiven) Feststellungs- auf eine auf denselben Lebenssachverhalt gestützte Leistungsklage unterfällt § 264 Nr. 2 ZPO (BGH, Urteil vom 2. Mai 2017 – VI ZR 85/16, Rn. 14); gleiches gilt für den Übergang vom Leistungs- zum (positiven) Feststellungsantrag bei unverändertem Sachverhalt (BAG, Urteil vom 5. Juni 2019 – 10 AZR 100/18 (F), Rn. 15). Fehlt es aber im Anwendungsbereich des § 264 Nr. 2 ZPO an einer Klageänderung, verfolgt der Berufungskläger, wenn sein neuer Antrag der Vorschrift unterfällt, mit seiner Berufung kein im prozessualen Sinne geändertes Klageziel. Für die von dem Kläger mit der Klageänderung begehrte negative Feststellung gilt nichts anderes. Diese ist zwar im Verhältnis zur Leistungsklage kein minus, sondern ein aliud. Der Klagegrund ändert sich aber, ebenso wie im Verhältnis zur positiven Feststellung, nicht.

2. Begründetheit der Berufung

Die Berufung ist unbegründet. Der Klageantrag zu 1. ist unzulässig und unbegründet, der Klageantrag zu 2. ist unbegründet, der Klageantrag zu 3. ist unbegründet.

a) Klageantrag zu 1.

Der Klageantrag zu 1. ist unzulässig und unbegründet.

aa) Zulässigkeit

Macht ein Kläger einen Teilbetrag aus mehreren selbständigen Ansprüchen geltend, muss er gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO im Einzelnen angeben, wie er die geltend gemachte Gesamtsumme ziffernmäßig auf die verschiedenen Ansprüche verteilt wissen will, oder mindestens eine Reihenfolge angeben, in welcher die Ansprüche bis zu der von ihm geltend gemachten Gesamtsumme gefordert werden (st. Rspr.: BGH, Beschluss vom 2. Mai 2017 – VI ZR 85/16, Rn. 10; Urteil vom 15. Mai 2018 – XI ZR 584/16, Rn.13).

Das hat der Kläger nicht getan. Der Kläger kann die von ihm gezahlten Zins- und Tilgungsraten sowie die von ihm geleistete Anzahlung zurückverlangen. Es geht um folgende Beträge:

  • Nettodarlehensbetrag: € 10.284,00
  • Zinsen: € 1.713,24
  • Anzahlung: € 2.400,00
  • Gesamt: € 14.397,24

Hiervon macht er einen Teilbetrag in Höhe von € 11.780,00 (Kaufpreis des Autos) abzüglich des Verwertungserlöses von € 5.300,00 geltend. Der Antrag genügt dem Bestimmtheitserfordernis nicht, weil sich aus ihm nicht ergibt, wie sich der Teilbetrag errechnet. Die hinreichende Bestimmtheit des Zahlungsantrags lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung erreichen. € 11.780,00 lassen sich nicht durch Addition zweier der vorstehenden Beträge erreichen. Nettodarlehensbetrag und Zinsen summieren sich auf insgesamt € 11.997,24.

Auf das Zulässigkeitsproblem hat der Senat in der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2021 hingewiesen und dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

bb) Begründetheit

Der Antrag ist auch unbegründet. Das Landgericht hat den nunmehr als Antrag zu 1. gestellten Antrag mit dem angefochtenen Urteil als unbegründet abgewiesen. Diese Abweisung ist rechtskräftig. Die Berufung greift sie nicht an. Der Kläger hat sich vielmehr darauf beschränkt, negative Feststellung zu beantragen.

Zwar büßt der ursprüngliche Antrag seine Rechtshängigkeit mit dem Übergang zum neuen geänderten Antrag nicht von selbst ein (BGH, Urteil vom 1. Juni 1990 – V ZR 48/89). Der Teil des Anspruchs, der nicht mehr in der bisherigen Weise weiterverfolgt werden soll, muss vielmehr nach den sonst geltenden Verfahrensvorschriften dem Streit der Parteien entzogen werden (BGH, Urteil vom 1. Juni 1990 – V ZR 48/89). Dies ist vorliegend durch den Ablauf der Berufungsbegründungsfrist geschehen, weil der Kläger die Berufung auf die negative Feststellung beschränkt hat.

b) Klageantrag zu 2.

Der Klageantrag zu 2. ist unbegründet. Der Feststellungsantrag hat sich nicht erledigt. Er war vielmehr von Anfang an unzulässig.

Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist (nur) zu bejahen, wenn sich der Beklagte eines Anspruchs gegen den Kläger berühmt (st. Rspr.: BGH, Urteil vom 2. Oktober 2018 – X ZR 62/16, Rn. 17). Insoweit ist eine Einzelfallprüfung vorzunehmen (BGH, Urteil vom 2. Oktober 2018 – X ZR 62/16, Rn. 23 f.).

Vorliegend berühmt sich die Beklagte keiner Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag. Der Vertrag ist beendet. Das Darlehen ist umgeschuldet und mit anderen Verbindlichkeiten zusammengefasst worden.

Auf die Unzulässigkeit hat die Beklagte mit der Klageerwiderung (Blatt 66 d.A.) und der Berufungserwiderung (Seite 3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 25. November 2021) hingewiesen.

c) Klageantrag zu 3.

Der Antrag ist unbegründet. Es fehlt jeder Vortrag, aus welchem Grund die Beklagte verpflichtet sein könnte, dem Kläger die Kosten seiner Prozessbevollmächtigten zu erstatten. Die Beklagte könnte aufgrund der Vorleistungspflicht des Klägers mit der Rückzahlung der Zins- und Tilgungsraten nur in Schuldnerverzug gewesen sein, wenn sie mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Gläubigerverzug gewesen war oder die Rücknahme unmöglich gewesen wäre.

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III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Fragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich nicht. Der Senat wendet die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf den vorliegenden Fall an.

Der Streitwert bemisst sich aufgrund des negativen Feststellungsantrags nach dem Nettodarlehensbetrag zuzüglich Anzahlung. Dies sind € 12.684,00, nämlich Nettodarlehensbetrag in Höhe von € 10.284,00 zuzüglich Anzahlung in Höhe von € 2.400,00.

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